Man stelle sich vor: Ein prominenter, älterer Hollywood-Schauspieler (oder auch Schauspielerin) tritt bei einer Veranstaltung für Barack Obama auf, imaginiert sich Obamas Herausforderer auf einem leeren Stuhl und tritt in einen Pseudo-Dialog mit ihm, in dem er dessen Versprechungen und Handlungen lächerlich macht. Das wäre nicht besonders geschmackvoll gewesen, aber die Delegierten hätten es toll gefunden, hätten gejubelt. Und in den deutschen Medien hätte man den Schauspieler oder die Schauspielerin gelobt für den Kniff mit dem leeren Stuhl. Die Welt wäre in Ordnung, Gut und Böse wieder einmal eindeutig.
Aber Barack Obama ist Präsident und muss nicht mit Pomp und Theatralik inauguriert werden. Sein Herausforderer ist Mitt Romney und wir haben schon lange erfahren, dass er uncharismatisch ist (obwohl doch Charisma erst beim Betrachter entsteht). Mit Paul Ryan hat er sich einen konservativen Falken als Kandidat zum Vizepräsidenten ausgesucht, der die Bedürfnisse der »Tea-Party«-Bewegung mehr als nur erfüllt. Das alles wissen wir dank der Korrespondenten, die für das Fernsehen und diverse Zeitungen diesen Wahlkampf beobachten. (Wobei ich mich, nur als Beispiel, nicht erinnern kann, jemals von einem dieser Korrespondenten auf die Bedeutung des Akronyms »TEA« (= »taxed enough already«) hingewiesen worden zu sein; ein Artikel vom »Tagesspiegel« von 2010 einmal ausgenommen.)
Und so berichten sie denn von dem Parteitag und erklären uns, was wir – mit ein bisschen Glück – selber sehen können, nämlich das die Delegierten der Republikaner nach Romneys Rede jubeln (was sollen sie sonst tun?). Einige analysieren Romneys Rede, finden sie zu leicht und ich frage mich, wer die Reden Obamas vor vier Jahren oder irgendeine von diesen Nominierungsreden deutscher Politiker einmal analysiert hat und nicht zu leicht oder seicht befunden hat und warum man nicht erklärt, dass in solchen Veranstaltungen große Politikentwürfe eher hinderlich sind, weil die Leute was zu Jubeln haben wollen und geniale Parolen wie »Yes, we can« oder »Change« fallen einem auch nicht jeden Tag ein.
Aber besonders hat es ihnen eine andere Rede angetan. Sie dauerte etwas mehr als elf Minuten. Da trat ein alter Hollywood-Star auf, imaginiert sich Präsident Obama auf einem leeren Stuhl und tritt in einen Pseudo-Dialog mit ihm, in dem er dessen Versprechungen und Handlungen lächerlich macht. Das war nicht besonders geschmackvoll, aber die Delegierten fanden es toll und jubelten wenngleich das Verhältnis zwischen Delegierter und Journalist bei 1:3 gelegen haben soll und längst die Delegierten als Bestandteil des Schauspiels herangezogen werden.
Der Star hieß Clint Eastwood, ist 82 Jahre alt und macht immer noch Filme; nicht wenige sagen: sehr gute Filme. Er gilt bei vielen als Legende, was wie fast immer die Leistungen dieses Schauspielers und – vor allem – Regisseurs eher verbirgt als herausstellt. Den deutschen Journalisten hat dieser Auftritt nicht gefallen und als erster nannte Martin Klingt in »Zeit online« Eastwoods Auftritt senil. Wenige Stunden später schrieb ein Christian Radler einen Beitrag im »tagesschau.blog«, den er mit der Überschrift »Der senile Mann und der Hocker« überschrieb. Auch sein Befund ist klar: Eastwood muss senil sein. Schließlich kommentierte Verena Lüken der »FAZ« und fand sogar rassistische Töne bei Eastwood. Die Legende habe sich entzaubert, so Lüken. Damit ist die Sache abgehakt.
Ich habe mir das Video mit Eastwoods Auftritt mehrfach angesehen. Tatsächlich erscheint er übermotiviert, zu sehr auf Beifall aus. Aber er ist auch Schauspieler und weiß, wo er die Zuschauer, die ja ideologisch ausgerichtet sind, »abholen« muss. Ein Dialog mit einer eingebildeten Person auf einem Stuhl ist übrigens nichts Ungewöhnliches. Es dient nicht nur als Mittel in der Psychotherapie. Auch Schauspielschüler werden damit konfrontiert und in einigen Stücken des absurden Theaters wird es als Stilmittel verwendet. Aber das ficht deutsche Kommentatoren nicht an: Sie können die andere politische Meinung nicht ertragen und wenn diese in einer Form artikuliert wird, die sie nicht verstehen und dadurch denunzieren können, lassen sie diese Gelegenheit nicht aus. Sie sehen dann nicht, dass Eastwoods »Gestammel« zum Teil durchaus ein rhetorisches Mittel ist (ob es gelungen eingesetzt ist, sei dahingestellt [ich erinnere mich an Meisterstammler Werner Finck – ohne Eastwood mit diesem wunderbaren Kabarettisten gleichsetzen zu wollen]). Ihnen genügt die Form, die sie sich nicht verstehen bzw. nicht verstehen wollen um die ihnen missliebige Meinung mit der Person Eastwood zu diffamieren. Dabei »entdecken« sie dann aus Mangel an Beweisen einen Rassismus, den es gar nicht gibt. Aber er passt natürlich so schön ins Bild.
Spätestens jetzt verlangt man von mir natürlich eine Klarstellung. »Bist Du also ein Romney-Freund?« werden die Leser fragen und bei einer positiven Antwort empört das Blog-Abo kündigen oder mich vielleicht sogar entfreunden. (Zu mehr als dieser billigen Empörung sind sie ja zumeist nicht fähig.) Aber ich kann sozusagen Entwarnung geben. Ich halte Romney nicht für eine Alternative zu Obama; im Gegenteil. Sein wirtschaftspolitischer Kurs ist diffus, die Republikaner von der »Tea-Party«-Sekte unterwandert. Obama ist eine fast tragische Figur, da die Republikaner in seltener Chuzpe ihm das vorwerfen, was sie selber (Bush) angerichtet haben. Aber dass Obama Fehler gemacht hat, die offene Flanken für Romneys Wahlkampf bietet, sollte einem bei aller Obamania doch nicht entgangen sein.
Ich sehe jedoch nicht ein, dass ich jemanden wie Clint Eastwood denunzieren und verdammen soll, nur weil er eine politische Meinung offensiv vertritt und/oder mir dieses Vertreten nicht gefällt. Die Unterstellung von Senilität und/oder Rassismus ist nichts als abstoßender Gesinnungsjournalismus. Man mag sich nicht ausdenken, wozu diese Journalisten zu anderen Zeiten fähig gewesen wären (ihre Indoktrinierung hätte nur anders verlaufen müssen). Sie sind zu nüchternen Analysen nicht in der Lage, weil sie hoffnungslos parteiisch sind. Daher muss jeder Andersdenkende, der nicht ihr Weltbild vertritt, dämonisiert werden. Zum Gesinnungsjournalismus kommt noch etwas Neues hinzu, der Dämonisierungsjournalismus. Das erinnert übrigens an die atemberaubenden Kampagnen der sogenannten »Tea-Party«-Bewegung, die ebenfalls keine Denunziation scheut, um ihre lächerliche Weltanschauung eines mehr oder weniger überflüssigen Staates zu verbreiten.
Figuren wie Klingst, Lüken oder Radler haben mir jegliche journalistische Kompetenz eingebüßt.
Nachtrag 02.09.2012 – 19.30 Uhr
Die Redaktion, in Senilität konstatiert, schaltet folgenden Kommentar nicht frei:
Dünnhäutig ist man also auch noch.
Nun, wann kommen sie denn endlich so weit Senilität auch im Inland festzustellen z.B. bei Walser, Schmidt oder Spaemann? Warum tun sie’s nicht? Nun, weil diese schon zu gut ihre Rollen gefunden haben, zu etabliert sind hierzulande und als Stichwortgeber noch gut zu gebrauchen.
*
Aber das ist ein anderes Thema. Nehme ich doch auch mal so einen leeren Stuhl für Frau Lüken:
Es wäre für sie doch eine schöne Möglichkeit zur Reflexion: Ist bei mir nicht was kaputt, wenn ich jetzt plötzlich über diese Rede so in Rage gerate, dass ich seine Filme nicht mehr sehen will oder die alten gar umwerten möchte? Was regt mich daran eigentlich so auf? Dass er Obama angreift oder wie er es tut? Das Wie? Das Gestottere, die nicht ganz aalglatte Form, dass er Obama ein paar ungesagte Flüche in den Mund legt? Ich bitte Sie, das war doch harmlost. Sie meinen es könnte nicht nur das Was gewesen sein? Doch ich glaube, es ist genau das. Sie können ihm nicht verzeihen, d a s s er überhaupt da gesprochen hat, Sie hätten ihn allein dafür, dass er bei den Republikanern aufgetreten ist, aus der Movie Hall of Fame ausschließen wollen. Woran ich das festmache? Nun, sind Sie auf den Inhalt seiner Rede eingegangen? Was soll ich? Nun, befragen Sie Ihr Gewissen, schauen Sie, ob Sie noch Argumente haben, statt Invektiven.
Gut gebrüllt, Phorkyas.
(Ich glaube allerdings, dass die von Ihnen angesprochenen auch nicht per se senil sind. Letzteres behauptete man ja anläßlich des Israel-Gedichts von Grass. Der war dann politisch zum Abschuß freigegeben.)
Das ist ein gescheiter Text zum Gesinnungsdruck, der sich auch in den »Social Media« ausbreitet. Es ist schon beunruhigend, wie »Schwarmintelligenz« sich als Maske des guten alten Mobs für den Konformismus in Dienst nehmen lässt.
Danke für das Lob. Wobei FAZ und Zeit die Schwarmintelligenz immer mehr kopieren und sich fast anbiedern. Oder irre ich mich da?
Dass das Akronym „Tea“ für „Tax enough already“ steht, ist mir tatsächlich neu, denn bisher dachte ich, die Tea-Party-Bewegung bezöge sich tatsächlich auf Tee, der bei der Bostoner Tea-Party aus Protest gegen die kolonial-englische Zollforderungen ins Meer gekippt wurde. Als Akronym ist TEA wohl eher eine nachträgliche Umdeutung für den Wahlkampf. Aber das nur nebenbei.
Ansonsten kann ich Dir nur zustimmen. Clint Eastwood ist bekennender Republikaner. Das ist nichts Neues und das muss man nicht mögen, insbesondere, da er bereits den unseligen Bush jr. unterstützte. Aber er ist auch ein großartiger Künstler, nicht so sehr als Schauspieler, aber umso mehr als Regisseur. Jemandem, der einen so beindruckenden Film wie „Gran Torino“ produziert hat, Rassismus vorzuwerfen, ist geradezu absurd.
Ich glaube nicht, dass das »TEA« ein nachträgliches Akronym ist. Es gibt Links im Internet, die schon 2009 hierauf Bezug nehmen. Insofern ist der deutsche Wikipedia-Eintrag nur teilweise richtig.
Hier eine kleine Dekonstruktion der Tea-Party. (Danke an H. H.)
Erst eine Empfehlung: Lesen Sie The Seersucker Whipsaw von Ross Thomas, ein Politkrimi, der Plot ein postkolonialer Präsidentschaftswahlkampf irgendwo in Westafrika, der eine Kandidat hat Langley und unendlich viel Geld hinter sich, der andere einen altgedienten demokratischen Haudegen (ein alter ego von Ross). Bevor der die erste Zeile »der Wahlkampfrede« schreibt, textet er einen AP-Text über die Rede, ganz auf Wirkung aus, Inhalt wenn überhaupt vorsichtigst dosiert. Von dem Muster unterscheidet sich trotz aller Gadgets bis heute kein Wahlkampf. Außer vielleicht in Russland.
Eastwoods Auftritt war so gespenstisch wie gekonnt. Seine Wirkung, seine Aussetzer, die Unwilligkeit machen ihn für die zornigen rechten Alten da draußen zu ihrem Bauchredner. Die Eloquenz, die Eleganz, die Intellektualität Obamas geht ja sogar einigen seiner eigenen Parteifreunde auf die Nerven.
Ich diskutierte vor zwei Jahren in Bremen über politisches Charisma am Beispiel Willy Brandts und Barack Obamas. Tom Buhrow, während Clintons Präsidentschaft US_Korrespondent, erzählte, wie Clinton die Leute begeistern konnte. Übrigens der entscheidende Grund, warum Clinton auf der Democratic Convention die Hauptrede übernehmen wird.
Zurück zu Eastwood. Ich erinnere mich an die letzten Auftritte Bernhard Minettis, einer war gar keiner. Da setzte er sich neben mich auf die Zuschauerbank bei einer Sitzung des Kulturausschusses im Abgeordnetenhaus. Er brauchte nicht mal leise zu knurren und die Leute verfielen ihm.
An Eastwoods Auftritt war alles, bis ins Detail, kalkuliert. Sogar die widerliche Kopfab-Geste – hier der Ausschnitt: http://www.youtube.com/watch?v=xYjXIA0nyS4&feature=player_embedded#
Ich vermute trotzdem, dass Obama die Wahlen gewinnt, weil die Republikaner nicht einmal selbst von ihrem Kandidaten überzeugt sind. Zwar können die fast unendlichen Budgets Romneys in den swing states was reißen, und namentlich die Finanziers der TEA-Party, die Koch-Brüder, sind wild dazu entschlossen, Obama aus dem Weißen Haus zu bekommen, aber auf der Zielgeraden wird es einen Roosevelt-Moment geben, der die Stimmung vollends zu Obamas Gunsten dreht. Was immer dafür den Anlass gibt (selbst der schrecklichste: ein weiterer Krieg) wird Romney ähnlich fad aussehen lassen wie McCain, als er nach Ausbruch der Finanzkrise die Duelle mit Obama aussetzen wollte.
Vielen Dank Herr Hütt für diesen Kommentar. Ich bin längst nicht mehr sicher, dass Obama gewinnen wird. Selbst der wirklich farblose und steife McCain hatte vor dreieinhalb Jahren immerhin 48% bekommen. Das wird in Anbetracht der Tatsache, dass durch das Mehrheitswahlrecht der Sieg viel grösser erschien, häufig übersehen: Die »Obamania« wurde tatsächlich »nur« von 51% der Amerikaner (genauer: der amerikanischen Wähler) getragen.
Heute kommt hinzu, dass etliche von Obama enttäuscht sind. Sie können natürlich nur durch harten Wahlkampf noch einmal mobilisiert werden. Jeder ehemalige Obama-Wähler, der nicht zur Wahl geht, trägt ja unter Umständen indirekt zu Romneys Sieg bei. Also wird man gezwungen sein, die extrem harten Bandagen der Republikaner zu kontern (was ja teilweise schon geschieht). Im übrigen wird es auch wichtig sein, wie die Kongresswahlen ausgehen. Es hülfe Obama wenig, wenn er als Präsident bestätigt, aber im Repräsentantenhaus einer republikanischen Mehrheit gegenüber säße.
Ich lasse Ihre Bemerkungen zu Eastwoods Auftritt unkommentiert. Sie erscheinen mir interessanter als vieles, was ich dazu gelesen habe. Die Sache mit Minetti ist sehr aufschlussreich. Ich muss dann immer an Thomas Bernhard denken, der den Nazismus so gehasst hat wie nur sonst was, aber auch Minetti verfallen war. Ausgerechnet Minetti mit seiner Vergangenheit. Der große Thomas Bernhard stellte hier womöglich das Künstlerische über das Politische. (Mir hat sich die Faszination für Minetti nie erschlossen.)
Ich finde Ihre Kritik an Verena Lueken weit überzogen. Sie sieht einen Widerspruch zwischen Eastwoods Filmen und diesem Auftritt. Geht auch anderen so, hier z.B. Roger Ebert
[Link inzwischen inaktiv – G. K. 13.04.2016]
Zwei Punkte an Eastwoods Rede werden als rassistisch wahrgenommen, können wohlmeinend aber auch unter Politikverdrossenheit abgelegt werden: dass er den unsichtbaren Präsidenten von oben herab anspricht, der flucht, der Redner bleibt souverän; die Worte »We own this country«, auch das bezieht sich, hält man sich nur an die Worte, auf die »Politiker«, wird vom johlenden Publikum aber in seinen Untertönen verstanden. Bauchrednerei trifft das schon richtig. Hinzu kommen Verachtung von Institutionen und Demokratie, ein gewählter Präsident ist eben kein Angestellter. Spurenelemente davon finden sich allerdings auch in fast allen Filmen Eastwoods, er ist ein großer Reaktionär, kein Liberaler. Das sehe ich anders als Lueken.
Ach ja, er redet Obama von oben an. Das ist dann nicht respektlos oder despektierlich, sondern gleich rassistisch. Also ich finde man kann gar nicht überzogen genug auf diese Journalisten reagieren, die inzwischen Begriffe wie Rassist oder Antisemit derart trivialisieren, dass man die wirklichen Rassisten und Antisemiten irgendwann gar nicht mehr erkennt. Vermutlich brauchen das Lüken et. al. aber weil sonst ihre Kolumnen vertrocknen und keine Aufmerksamkeit mehr bekommen. Also hyperventilieren sie und schießen mit den sprichwörtlichen Kanonen auf die Spatzen. Wenn es nicht so gefährlich wäre, könnte man es als armselig bezeichnen.
Vielleicht ist Eastwood wirklich kein »Liberaler« (bitte Definition nachreichen) und vielleicht entschuldigt er sich ja beim deutschen Feuilleton, dass er Filme ohne die entsprechende »Botschaft« oder Eindeutigkeit gemacht, die jene Damen und Herren so gerne wünschen um ihre politische Überzeugung auch immer schön indoktriniert zu bekommen. (Ich frage mich gerade, welche Art Liberalität hier eingefordert werden soll.) Und vielleicht entschuldigt sich Clint Eastwood ja für »Erbarmungslos« und gibt seinen Oscar zurück (von Grass wollte man ja auch, dass er seinen Nobelpreis zurückgibt). Und vielleicht entschuldigt sich Clint Eastwood ja auch für seine beiden Filme über die Iwojima-Schlacht (mal aus amerikanischer, mal aus japanischer Perspektive), weil sie dann doch den Gesinnungsrichtern zu reaktionär oder vielleicht nicht ausgewogen genug waren. Vielleicht sollte man auch einfach wieder den Index anschaffen und damit perfekte Liberalität demonstrieren?
Die Kritikerin mag doch die Uneindeutigkeit und ist enttäuscht, dass er sich so eindeutig auf eine Seite schlägt. Liberalität verstehe ich als Akzeptanz von Relatvismus, es gibt keine letzten Wahrheiten und keine natürliche Autorität. Die Filme, Sie haben es sicher gemerkt, schätze ich ebenso, in ihnen gibt es so eindeutige Bilder wie das, das Eastwood in dieser Inszenierung abgegeben hat, nicht. Ich bedauere, dass er sich dafür hergegeben hat, aber auf seinen nächsten Film freue ich mich trotzdem.
Genau! Es gibt keine letzten Wahrheiten, und wer etwas anderes behauptet, lügt.
@Morel: Aber nehmen wir doch einmal einen Film, nehmen wir Gran Turino. Ich weiß man darf Eastwoods ‘Alter Ego’ in diesem Film eigentlich nicht auf ihn beziehen. Aber nehmen wir nur, wie die rassistischen Gags in diesem Film ad absurdum geführt werden, reicht das nicht, um zu sehen wie absurd der Rassismusvorwurf ist? Und: Wären Sie überrascht wenn der Macher dieses Films recht konservative Ansichten hat oder z.B. das Recht zum von Tragen von Waffen befürworten würde? Das ist es, was mich so überrascht, dass man überhaupt überrascht ist. Es ist ja nicht so als hätte Eastwood plötzlich seine Meinung geändert oder wäre irgendeiner Psycho-Sekte beigetreten.
Ihre Definiton von Liberalität finde ich sehr interessant, auch wenn ich gerade im politischen Kontext ganz anderes assoziiert hätte. Für ein Kunstwerk mag es tatsächlich gut sein, doppelte Böden, Ambiguität aufzuweisen, wobei ich das aber auch nicht durchgehend fordern würde: Es bedarf ja schon einer klaren Idee und von den paar Filmen, die ich bisher von ihm gesehen habe, würde ich schon sagen, dass da die Eindeutigkeit gegeben ist. Und warum gesteht man es dann dem Menschen Eastwood nicht zu, auch eine politische Meinung zu haben und sich auch eindeutig zu positionieren? Gerade in Bezug auf den Text von Ebert habe ich fast das Gefühl, dass die Übergröße der Enttäuschung stark mit einer vorhergegangen (Über)idealisierung Eastwoods korreliert sein könnte. Aber was kann denn Eastwood dafür – platt gesagt: dann nehmt den Pappkameraden halt wieder aus eurem Schaufenster?
Die US-Politikberichterstattung deutscher Medien ist fast immer jämmerlich und von weitgehendem Unwissen geprägt. Selbst gestandene US-Korrespondenten vermitteln das Gefühl, nichts von der Verfassungsrealität der USA und z.B. der starken Stellung der einzelnen Bundesstaaten zu verstehen. Daher das überhebliche Unverständnis gegenüber Bewegungen wie der Tea Party oder Akteuren wie Ron Paul, die mehr Differenzierung durchaus verdient hätten.
Ob Eastwood nun senil ist oder nicht ist doch überhaupt keine relevante Diskussion und kann von keinem von uns wirklich beantwortet werden. Ob es den Delegierten gefallen hat oder nicht eigentlich auch nicht. Entweder er ist eben senil oder es war eine geplante Show: In beiden Fällen war es ungeschickt. Was die Deutschen Medien, die alle vier Jahre bei dem Versuch die US-Wahlen in 30-Sekunden Happen zu verpacken versagen, dazu sagen ist auch egal aber Fakt ist: In den US-Medien war am nächsten Tag wenig von Romnys Rede zu hören und sehr viel von Eastwood und dem Stuhl. Das kann nicht gewesen sein, was die Republikaner wollten.
Ich glaube aber, dass nicht nur die deutschen Medien das so gesehen haben. Nicht uniteresant ist da, wie so oft, was die Daily Show draus gemacht hat: http://www.huffingtonpost.com/2012/09/01/jon-stewart-clint-eastwood-romney_n_1848979.html, bekanntermaßen eine Comedy Show aber durchaus auch ein Leitmedium.
Sie haben Recht.
Auch ich frug mich: »Spätestens jetzt verlangt man von mir natürlich eine Klarstellung. »Bist Du also ein Romney-Freund?« werden die Leser fragen«
@morel
»Zwei Punkte an Eastwoods Rede werden als rassistisch wahrgenommen, können wohlmeinend aber auch unter Politikverdrossenheit abgelegt werden: dass er den unsichtbaren Präsidenten von oben herab anspricht, der flucht, der Redner bleibt souverän; (...) Hinzu kommen Verachtung von Institutionen und Demokratie, ein gewählter Präsident ist eben kein Angestellter.«
-
Das ist einfach nur lächerlich. Wie sonst sollte man sich mit jemandem unterhalten der (imaginär) auf einem Stuhl sitzt? Mit einem Kleiderständer hätte sich Eastwood ja schlecht unterhalten können. Hier Rassissmus rauszulesen ist durchschaubar wie inflationär.
Und der Präsident IST Angestellter. Angestellter des Volkes, das ihn gewählt hat und dem er dient.
Und es ist doch ein Zeichen für einen abbauenden Eastwood. Ich bin Fan, gerade seiner Regiearbeit und mir war immer klar, dass er ein Konservativer ist, nur einer mit einem wachen Verstand und der scheint ihm abhanden zu kommen oder zumindest nicht mehr für einen 12minütige Rede ohne Zettel und Teleprompter zu reichen, woran aber auch viele Scheitern dürften, die nur halb so alt sind wie er...
Nein, die Rede war nicht perfekt choreografiert und einstudiert, sie war schlecht improvisiert. Ansonsten hätten die Organisatoren vorab wenigstens den gröbsten Unsinn rausgefiltert. Es mag ja für Republikaner witzig sein, wenn Eastwood Anwälte im Allgemeinen für schlechte Politiker hält und damit den Harvard Juristen Obama angreift – nur ist Romney ebenfalls Jurist mit einem Abschluss in Harvard. Oder dass Eastwood ernsthaft Obama vorwirft, vor dem Afghanistan Krieg nicht geschaut zu haben welche Fehler die Russen gemacht zu ist ein Zeichen dafür, dass er entweder nicht mehr weiß, wer 2001 Präsident war oder ein Zeichen, dass die Republikaner endgültig in einer Phantasiewelt angekommen sind in der Obama die Verantwortung für sämtliche politischen Fehler des vergangenen Jahrzehnts trägt – egal ob er oder Bush Präsident war. Ryans Geschichte über während der Bush Administration geschlossenen GM Firma in Janesville schoß ja ins gleiche Horn.
http://www.washingtonpost.com/blogs/ezra-klein/wp/2012/08/30/obama-could-not-have-saved-janesville-gm-plant-it-closed-before-he-took-office/
Neben dem universellen Vorwurf, Obama habe nichts gegen die hohe Arbeitslosigkeit getan war sein einziger wirklicher Treffer der Vorwurf, dass Obama nicht wie versprochen das Gefangenenlager Guantanamo geschlossen hat – ihm das aber ausgerechnet auf einem Parteitag derjenigen vorzuwerfen die a) das Lager errichtet haben und sich b) mit Händen und Füßen gegen jede Änderung am Status Quo verweigern ist letztlich ein Treppenwitz...
Ich mag Eastwood, halte ihn nicht für einen Rassisten und die Rede auch nicht für rassistisch, eine Meisterleistung eines alten Schauspielers war es aber auch nicht, es tat weh den alten Mann so auf der Bühne zu sehen.
PS: An den Vorkommentator, das war in meinen Augen keine widerliche Kopf ab Geste – und schon garnicht auf Obama gemünzt, das war einfach nur ein Zeichen an das Publikum den Applaus einzustellen.
@Fabian
Was Sie schreiben, ist alles richtig: Ja, die Republikaner haben Guantánamo errichtet, den Afghanistan-Krieg begonnen. Sie tragen auch für die Finanz- und Wirtschaftskrise die größte Verantwortung. Das alles bestreite ich nicht und halte es für ein Husarenstück, wenn Romney und seine Kampagne jetzt so tut, als sei dies Obamas Hypothek. Aber dies gehört zu deren Kampagne, der sich Eastwood eben anschließt. Daher ist dieser Auftritt ja tatsächlich politisch höchst fragwürdig. Aber ist denn deswegen jemand gleich »senil« oder »Rassist«? Man würde doch auch Romney nicht als »senil« bezeichnen, nur weil er in seiner Rede so getan hat, als sei Obama in Afghanistan einmarschiert. Diese Leute mögen ideologisch verblendet sein oder einfach nur dumm oder auch demagogisch, weil sie bewusst Zusammenhänge weglassen. Aber das muss man doch aushalten können bzw. entsprechend einordnen.
@Gregor
Ganz klar beides nicht. Aber ich würde es nicht Dämonisierungsjournalismus nennen.
Mein Blick auf die US Politik ist geprägt durch die Daily Show und den Colbert Report – ich bin seit Jahren großer Fan der Sendungen und hier kriegt man, trotz des Satire- und Comedyformats einen Einblick in die gegenwärtige Stimmungslage der republikanischen Partei und dieser ist generell erschreckend.
Ebenso erschreckend ist es dann zu bemerken wie schlecht die US-Berichterstattung in den deutschen Medien ist. Die Reaktion und die Aufnahme von Themen ist ziemlich zeitverzögert und dann oft verzehrt. Dazu schwankt sie zwischen den Extremen Obama bereits zur Hälfte seiner Amtszeit abzuschreiben oder die Republikaner für verrückt zu erklären – wobei diese Verrückten mittlerweile tatsächlich die Partei und die Moderaten vor sich her treiben...
Nein man sollte Eastwood nicht für senil erklären – zumindest nicht nur aufgrund von 12 improvisierter Minuten auf einer Bühne , eine rhetorische Meisterleistung oder zumindest gute Schauspielkunst war das Gestammel auf der Bühne aber nicht. Er hatte sich da zuviel zugetraut und seine Aussagen lassen mich einfach nur mit dem Kopf schütteln. Ebenso war der Auftritt nicht rassistisch.
Es ist eben so, dass man sowas gerne in schwarz und weiß einsortiert. Wie auch seine Handbewegung hier von einem Kommentar als Kopf ab einsortiert wird. Ich kenne die Geste als Aufforderung still zu sein oder auch jemanden das Mikro oder den Lautpsrecher sofort abzustellen. Da die Geste während ansteigenden Applauses für ihn kam, sehe ich das eindeutig als Aufforderung an das Publikum, ihn weiter reden zu lassen.
So we oh clint eastwood a debt of thanks.
Not only because it was a truly hilarious 12 minutes of improvised awesome in a week of scipted blah, but because it advanced our understanding.
This president has issues and there are very legitimate debates to be had about his policies and actions and successes and or failures as president. (I mean tune in next week.) But coy never wrap my head around why the world and the president, that republicans describe bears so little resemblance tot he world and the president that I experience. And now I know why:
There is a president Obama that only republicans can see.
http://img4.fotos-hochladen.net/uploads/stewarteastwoocrqdjx0ez5.jpg
http://www.thedailyshow.com/full-episodes/fri-august-31–2012-
Ich habe mir den gesamten Eastwood-Auftritt angesehen und sehe das ebenso: der Rassismus-Vorwurf ist absurd. Auch dass die Kommentatoren gleich von Senilität sprechen, ist ein bisschen überzogen – da spielt wohl die Enttäuschung eine Rolle, von Hollywoodlegende Eastwood einen derart verunglückten Auftritt sehen zu müssen. Eastwood wirkte auf mich sehr nervös, er wirkte sehr fahrig, seine Äußerungen waren nicht nur, wie bereits andere beschrieben haben, mit bösen faktischen Schnitzern behaftet, sondern auch unzusammenhängend und teilweise nur rumgestammelt.
Die Idee mit dem Stuhl war gut und hätte funktionieren können – in einer geskripteten und durchchoreographierten Rede. Aber vor einem Millionenpublikum an den Bildschirmen und mehreren tausend Leuten in der Halle live zu sprechen, als Improvisation, ohne Manuskript: das war offenbar auch für einen erfahrenen Schauspieler wie Eastwood zu viel.
Der hat mir beinahe leidgetan. War aber sicherlich seine eigene Idee. Die Organisatoren der Republicaner werden sich das beim nächsten Mal gut überlegen, ob sie noch mal jemanden improvisieren lassen.
Natürlich weiß niemand genau, ob Eastwood senil ist. Aber dann unterlässt man gefälligst auch diese Unterstellung. Man kann doch in einem seriösen Medium nicht jemandem Krankheitsbilder zuschreiben, selbst wenn derjenige Arzt wäre und die Symptome recht eindeutig ist eine Ferndiagnose ein Unding. Zumal es einfach nur auf Eastwoods Alter reduziert wird, bei einem jungen Mann wäre davon keine Rede gewesen. Was hätte der Kommentar bei einer Frau geschrieben? »Die hat ihre Tage?« oder wie?
Mich stört das auch zunehmend. Gerade die Obama-Manie hier in Deutschland. Dass sich damals ernsthaft so viele auf den Weg gemacht haben um einen ausländischen Präsidentschaftskandidaten, Kandidaten wohlgemerkt, in Berlin zu sehen erstaunt mich immernoch. Wo doch sonst genau die Leute, die dort waren durch breiten Antiamerikanismus auffallen.
Der Artikel zeigt recht deutlich das begeisternde Nachplappern der flachen Parole »Yes we can« und das Kritisieren von flachen Parolen bein den Republikanern. Man muss politisch schon sehr verblendet sein, um dort nicht zu merken, wie man mit zweierlei Maß misst.
Eines muss ich aber Obama zugestehen, er muss irgendwas magisches auf Menschen ausüben. Wie sonst kann jemand, der zwei Kriege führt, Menschen foltern lässt, die Souveränität von Staaten ignoriert und der ordert Menschen direkt umzubringen (Bin Laden) einen FRIEDENS-Nobelpreis bekommen. Und das wurde hierzulande viel zu lasch kritisiert. Wäre das ein Republikaner gewesen wäre die Hölle losgewesen.
Die Daily Show, die hier gepostet wurde, ist eine sehr gut gemachte Nachrichtenparodie. Allerdings wird von den Machern auch nicht abgestritten, dass sie ganz klar links sind. Jon Stewart der Host nennt sich auch nicht »Liberal«, wie die übliche Bezeichnung von Linken in den USA ist (»unsere« liberalen sind die Libertarians), sondern sieht sich eher als »socialist«. Was in den USA ein deutlich weiterer Sprung ist, als sich als »liberal« zu bezeichnen.
Hierzulande gibt bswp auch Martin Sonneborn (Titanic und auch in der von der Daily Show abegkupferten Heute Show) zu, dass gewisse Dinge, die er bei Konservativen heftig angreift ihn bei Linken nicht stören.
»Sonneborn: Ja. Wir leben doch in einem Milieu, das eher linksorientiert ist, und ich kann es nicht verstehen, dass die Deutschen eine schlechte Regierung abwählen, um eine noch schlechtere zu bekommen. Insofern halte ich es mit dem kleineren Übel. Und die Primitivität, mit der Schröder in die »Elefantenrunde« gegangen ist, diese Dumm-Dreistigkeit gefällt mir dann schon wieder. Wenn die konservative Seite so etwas gemacht hätte, wäre ich hoch empört – bei Schröder ist mir das aber schon wieder unterhaltsam genug, um es positiv zu bewerten. «
Auf den Hinweis, dass das dt Selbstversicherungs-Kabarett zu 100% links ist bekommt man meist »Kabarett muss links sein«. Man sieht ja wie jemand wie Dieter Nuhr, der nicht eindeutig links ist angegriffen wird, und als CDU und FDP-Jünger beschimpft wird. Ein Pispers, der direkte Parteiwerbung für Die Linke macht allerdings ist gerne gesehen.
@Mike
Es ist weniger die gezielte Tötung Bin Ladens, sie aufhorchen lassen sollte als der sogenannte »Drohnen-Krieg«, der von seiner Regierung in großem Stil ausgeweitet wurde. Ob das eines Friedensnobelpreisträgers würdig ist? (Für mich hat er den preis viel zu früh bekommen und geholfen hat es ihm auch nicht.)
–
Kabarett war fast immer links-liberal. Das finde ich nur schlimm, wenn es dezidiert parteiisch ist und bewusst verzerrend. Pispers war schon 1998 auf einer Wahlveranstaltung der Grünen aufgetreten. Im Prinzip kann man solche Leute dann vergessen, wobei sie natürlich dazulernen könnten.
Es ist natürlich eine gute Idee, Gestammel zum rhetorischen Mittel zu erklären, aber vielleicht ist Mr. Eastwood einfach wirklich nur uralt und stammelt.
Eastwood hat sich einfach komplett lächerlich gemacht und damit eine prima Breitseite geboten. Dann muss er die Kritik auch aushalten. Den Journalisten dann aber gleich Gesinnungsjournalisten zu unterstellen...geht’s auch eine Nummer kleiner?
@Dork
»Senil« und »Rassismus« – geht’s nicht da vielleicht eine Nummer kleiner?
(Habe Ihren Kommentar nur ausnahmsweise stehen lassen. Normalerweise lösche ich Kommentare mit ungültiger E‑Mail-Adresse.)
Kritisiert hier jemand Artikel, die ihm nicht ins Weltbild passen, mit dem Argument, die anderen hätten ein geschlossenes Weltbild? Ist das jetzt Meta oder einfach nur doof?
@Fabian
Ich glaube, es bringt wenig, hier Link gegen Link zu posten. Und anderen Kommentatoren eine Parteilichkeit zu unterstellen, ist auch nicht besonders fein.
Den Friedensnobelpreis hat Obama womöglich bekommen, damit er seine Ankündigungen auch wahr macht. Das war gut gemeint, aber nicht gut gemacht, und im Heimatland taugt der Prophet ja zumeist am Wenigsten. So hat ihm dieser Preis im Inland merkwürdigerweise auch eher geschadet (das war im übrigen in Deutschland mit Willy Brandt ansatzweise ähnlich). Er hat die Folter abgeschafft, aber Guantánamo nicht geschlossen und auch die Prozesse dort dürfen weiter unter Ausschluß der Öffentlichkeit stattfinden. Merkwürdig war auch die Stategie, den Irakkrieg zu beenden und Afghanistan-Präsenz zu erhöhen, was im Prinzip auch als gescheitert bezeichnet werden – Afghanistan wird ein zweites Vietnam. Begonnen hat das mit Bush – schon klar. Die Antwort Obamas ist der Drohnenkrieg. Souveräne Staaten haben das hinzunehmen oder werden entsprechend abgefunden (wobei Pakistan immer mehr zum »fail state« wird). Großer Vorteil: Die eigenen Verluste tendieren gen null; Zivilisten, die getroffen werden, haben eben Pech gehabt. Diese Sachen beschäftigen die Amerikaner allerdings kaum. Sie haben zu sehr mit der Wirtschaftskrise zu tun.
»It’s the economy, stupid« soll Clinton gesagt haben (oder hat es gesagt). Das beherzigt Obama vielleicht zu wenig. Natürlich hat er die desaströsen Haushaltsverhältnisse auch von Bush »geerbt«, aber was er daraus gemacht? Wie hat er gehandelt? Man setzt einfach die Gelddruckpolitik fort und hofft auf ein Jobwunder. Romney wird es genau machen, aber das hilft Obama nicht. Die ganze Haushaltsmisere ist nur verschoben; im Januar droht erneut die Zahlungsunfähigkeit.
Ich bin mir nicht sicher, ob Clint Eastwood als senil bezeichnet wird, weil er für die Republikaner in den Wahlkampf zieht. Wie vorher schon erwähnt, ist er bekennender Republikaner seit längerer Zeit. Und die Performance mit einem Stuhl kann man machen ist mir egal.
Einem Künstler, der nachweislich intellektuelle Fähigkeiten, Einfühlungsvermögen und eine Menge Erfahrung mit Massenwirkung hat, muss ich aber die Verantwortung zumuten können, sich genau zu überlegen, ob man in einem Land wie den Vereinigten Staaten in der derzeitigen »aufgezeizten« Stimmung zwischen den 3 Lagern (Tea,Rep,Dem) und mit der diesem Land ganz eigenen Präsidenten-Exekutionsgeschichte die Massen mit einer »Kopf ab« Geste aufheizen sollte. Entweder er weiß genau was er tut und nimmt in Kauf, dass ihn, die Legende Eastwood, irgentein ein kranker Homelandsecurity-Looser falsch versteht oder er kann diese Aktion nicht mehr richtig bewerten.
Clint Eastwood ist 82 Jahre alt und ich habe schon mehrere Männer früher altern und unzurechnungsfähig werdend gesehen. Ihn nach diesem Auftritt senil zu nennen, empfinde ich als einen Euphemismus.
Sein künstlerisches Werk steht für sich aber darum geht es nicht. Als Person gehört er besser beraten, bzw. betreut.
Viele Grüße,
Ronny Seiler
Es gibt zwei Möglichkeiten. Eastwood hat wirklich all das, inklusive Stotterer und Aussetzer und – in der Tat konfuser – Satzgebilde so beabsichtigt. Dann ist er ein genialer Schauspieler, der aber leider vom amerikanischen Volk und dem gesamten Rest der Welt komplett missverstanden wird. Was bringt es den Republikanern, Eastwood absichtlich so tatterig hinzustellen? Dieser Gedanke ist mehr als abstrus. Es ist wohl wie immer die einfachste Lösung, die auch die richtige ist. Eastwood ist ein alter Mann, der langsam, aber sicher, mental abbaut, wie es in diesem Alter normal und nicht im Geringsten ehrenrührig ist. Eine Legende bleibt er, auch ohne dass Sie versuchen, seinen Auftritt mit halbseidenen Argumenten schönzureden. By the way. Entweder ein Fremdwörter- oder ein Grammatiklexikon kaufen. Insbesondere der Nachtrag (inklusive des Kommentars) klingt, als versuche da jemand, mit Fremdwörtern um sich zu werfen, ohne sie zu verstehen. Was ist denn »in Senilität konstatiert« und seit wann vergreift sich die politische Gesinnung im Ton? Lasse mich da aber gerne belehren, wenn ich falsch liege...
@Castor
Ich rede keinen Auftritt schön. Das haben Sie falsch gelesen. (Ganz ohne Wörterbuch.)
Es ist allgemein üblich im deutschen Auslandsjournalismus, dass ein komplett vorgefertigter Narrativ da ist, an dem dann die Geschichte angepasst wird (Merkel hat »unser« Geld auf dem Gipfel, gerettet, Punkt. Aus. Ende. Beweise unter anderem von US-Kanzleien, dass Tymoschenko vielleicht doch schuldig ist? Bloß nicht erwähnen, Pussy Riot wird etwas vorgeworfen, dass auch in Deutschland strafbar ist? Bloß nicht erwähnen. Differenzierte Berichterstattung verkraftet der Deutsche nicht)
Aber die Unfähigkeiter der deutschen Medien zur objektiven Berichterstattung ändert nichts daran, dass Clint Eastwoods Auftritt einfach nur lächerlich wirkte. Er stammelt rum, weil er nicht weiß was er sagen soll, er wirft Obama vor, dass er vor der Invasion nicht die Russen befragt hat (und das nur, weil er bei der Invasion nicht Präsident war, lahme Ausrede). Es hat schon einen Grund, warum US-Medien an dem Tag und dem folgenden mehr über Eastwood als über Romney geredet haben.
Was die »Kopf-ab«-Geste angeht: Das mag durchaus – wie Fabian angemerkt hat – eine Aufforderung gewesen sein, den Applaus einzustellen; ich habe sie instinktiv anders verstanden. Sie folgt unmittelbar auf den Satz »When somebody does not do the job we gotta let him go«, woraufhin er das »let him go« wiederholt und sich den Finger über die Kehle zieht. Das Publikum hat die Geste offensichtlich genauso verstanden wie ich und den Applaus natürlich nicht eingestellt – womöglich, weil sie dem Auftritt endlich einen Hauch jener Aggressivität zu geben schien, den die Delegierten sich mit Sicherheit (umsonst) von »Dirty Harry« gewünscht hatten. Die Situation steht stellvertretend für den gesamten Auftritt Eastwoods: Vielleicht sollte es eine markige, entschlossene Geste sein, aber sie wirkte auf mich in erster Linie abstoßend, wie auch der ganze Auftritt – wie hier bereits in vielen Facetten analysiert wurde – eine bizarre Mischung aus aufrichtiger, aber verunglückter Improvisation und dramaturgisch schlecht konzipierter Parteitagsrede war.
Der vielleicht wichtigste Punkt, der bisher nur ansatzweise thematisiert wurde, scheint mir darin zu bestehen, dass es Unterschiede geben kann zwischen den Intentionen des Redners und der Wahrnehmung des (naturgemäß weltanschaulisch voreingenommenen) Publikums. Auch wenn die von Ihnen, Herr Keuschnig, angeprangerten Artikel mit dem Rassismusvorwurf zu locker umgehen (schon allein, weil sie es nicht für nötig halten, ihn zu begründen), glaube ich, dass die Problematik nicht ganz von der Hand zu weisen ist und würde da Morel ganz Recht geben: Rassismus ist in den USA ein, wenn man so will, »komplexeres« Problem als hier – seine Bekämpfung, aber auch seine Verankerung, spielt sich auf vermeintlichen Nebenschauplätzen ab und ist fast vollständig in Codes aufgegangen. Eastwood herrisches »so, und jetzt hörst DU MIR zu«, mit dem er sich wiederholt an den neben ihm sitzenden Obama wendet, habe ich beim Zusehen auch als problematisch empfunden; und ich bin da einer Meinung mit Morel, das »von oben herab«-Reden vervollständigt dieses (unangenehme) Bild. Ich habe keinen Grund, Eastwood auf dieser Basis Rassismus vorzuwerfen – ich halte es aber für einen Mangel an Sensibilität, weil es bestimmte ultra-autoritäre und, ja, auch rassistische Denkmuster, die in der zu weiten Teilen Tea Party-sierten republikanischen Basis verbreitet sind, anspricht und zu bestärken scheint, und sei es nur ungewollt.
@Lars / @Sebastian
Das Problem besteht einerseits darin, dass jeder bei Clint Eastwood an »Dirty Harry« denkt und glaubt nun, Anleihen der Kunstfigur bei Eastwood und vice versa nehmen zu können. Ich frage mich immer warum das so ist und jeder glaubt die Figur sei irgendwie identisch mit dem Darsteller. Dann wäre ja bspw. auch Peter Falk ein intelligenter Trottel gewesen, Stallone ein etwas beschränkter, aber gutmütiger Underdog, usw.
Und woher kommt eigentlich der Gedanke, das Künstler in sozialen, gesellschaftlichen und politischen Dingen immer die »richtige« Position zu vertreten haben. Und wer sagt welche Position »richtig« ist? Man kann ja mit gutem Grund die amerikanischen Republikaner für eine Bande von Gangstern halten, die sich so weit wie möglich von den Kosten eines sozialen Gemeinwesens absentieren wollen. Aber dann bleibt die Frage, warum rd. 48% der Amerikaner das so wollen.
Und da hilft dann auch keine bräsige Arroganz andere Vorgehensweisen als »rassistisch« ein für allemal loswerden zu wollen. In den USA ist der Umgang unter den politischen Lagern seit Jahren verwildert. Die Negativkampagnen, d. h. das »Schlechtmachen« des Anderen ist längst wichtiger geworden als die eigenen politischen Entwürfe zu präsentieren (dies es im Zweifel gar nicht mehr gibt, weil auch die Demokraten an die Wall Street angekettet sind).
Wie Hans Hütt schon ansprach, nervt Obama sogar die eigenen Parteifreunde mit seiner Intellektualität, dieser Differenz zwischen schönen und rhetorisch perfekt geschliffenen Reden und der Umsetzung, die dann immer ein bisschen holprig ist. Daher kommt womöglich dieses »jetzt hörst Du mal zu«; eine typische Formulierung eines »einfachen« Mannes, der sich endlich einmal wieder Gehör verschaffen möchte. Alleine diese kleine Episode zeigt, wie genau dieser Vortrag – ungeachtet des Gestammels (wie gesagt, das ist bei deutschen Kabarettisten immer auch eine Kunstform gewesen) – konstruiert war.
Ich dachte nach Eastwoods Auftritt an einige Interviews, die der Schauspieler Peter Sodann gab, als er 2008 Bundespräsidentenkandidat der »Linken« war. Sodann erzählte zum Teil vollkommenen Blödsinn, aber auf den Gedanken, ihn als »senil« zu bezeichnen, wäre doch – glücklicherweise – damals niemand gekommen.
Dass am nächsten Tag die Medien Eastwood karikierten, ist auch nur Teil der Wahrheit: Es sind die Medien, die Obama stützen und nun endlich einmal Grund haben einen eher suboptimalen Auftritt auszuschlachten. Aber das alleine ist kein Kriterium für irgend etwas.
Laut einer Untersuchung der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung ordnen sich 39% der Journalisten den GRÜNEN zu und 21% der SPD. 12% entfallen auf Parteien, die nicht links der Mitte liegen (CDU, fdp). Es liegt nahe, dass sich diese parteipolit. Präferenz auch im Journalismus selber widerspiegelt.
Siehe: Friedrich-Ebert-Stiftung: http://www.fes.de/sets/s_suc.htm, nach Dr. Peter Ziegler suchen »Journalistenschüler«, S.24.
Nein, die Medien sind nicht schuld, wenn sich Clint Eastwood zum Clown macht. Er ist und bleibt eine Legende, ein großartiger Schauspieler und Regisseur. Aber was er sich auf dem Parteitag der Republikaner geleistet hat, war einfach lächerlich. Wenn George Clooney als Obama-Anhänger so etwas auf dem Parteitag der Demokraten in dieser Woche machen würde, wäre er auch eine Lachnummer.
»Lachnummer« ist aber etwas anderes als »senil« und »Rassist«.
Ich halte Eastwood nicht für einen Rassisten und ich will gar nicht beurteilen, ob er senil ist. Seine Interviews machten zumindest den Eindruck, er wäre geistig noch voll da. Dass er immer ein Republikaner – ein gemäßigter zwar, aber ein Republikaner – war, das weiß ich und trotzdem und gerade deshalb bin ich über alle Maßen enttäuscht.
Jetzt, wo die republikanische Partei immer weiter nach rechts wandert, wo Libertäre, Islamophobe, Homophobe, Kreationisten und Rassisten immer mehr Einfluss und vielleicht bald die Oberhand im Lande gewinnen, da hätte sie eine große Rede von einem vernünfigen, geerdeten Konservativen brauchen können. Aber schade, Eastwood wollte den billigen Beifall und hat sich angebiedert. Es ist ein Jammer: Eastwood hat dem Publikum nicht wie in »Letters from Iwo Jima« gezeigt, dass auch das Fremde vertraut sein kann. Er hat nicht die Toleranz wie in »Gran Tourino« gefeiert und ist nicht für die Schwachen eingetreten, wie für die Huren in »Erbarmungslos«. Eastwood musste unbedingt noch mal den »Dirty Harry« geben. So hat er den unsichtbaren Präsidenten auf dem Stuhl ebenso verächtlich behandelt wie die Verbrecher vor den Shoot-outs: »Make my day«. Schade, wirklich schade. Ich hoffe gerade auch für Clint Eastwood selbst, sein Engagement hat nichts geholfen. Wenn er noch bei Sinnen ist, dann wäre er nämlich sicher unglücklich und hätte große Schuldgefühle, falls Tea Party und Konsorten an die Macht kommen sollten. Ein derart bigottes, ein so spießiges Amerika – das möchte nicht mal ein Dirty Harry Callahan.
Es ist doch naiv zu leugnen, Eastwood würde da rassistische Ressentimentents bedienen, natürlich ist der Saal da voll mit Rassisten, Homophoben und allgemein verkappten Faschisten, die laut gröhlen wenn Eastwood dem schwarzen Präsidenten gegnüber Lynchgesten macht. Ob er das will oder nicht ist ja gar nicht maßgeblich, aber jedem der nur zwei Minuten dadrüber nachdenkt, dem muss doch klar werden das Menschen einer bestimmten Geisteshaltung da bei einem mindestens unglücklich agierenden Eastwood ihre Bestätigung finden. Wer davor die Augen verschließt ... naja.
Aber darum geht es ja eigentlich gar nicht und das ist es, was mich an diesem Blogeintrag so unglaublich nervt.
Ich habe in keinem der genannten drei Artikel irgendeine Abwertung republikanischer Politik oder ein lächerlich machen über Eastwoods politische Meinungen gelesen.
Klingt attestiert der Auftritt sei »im Prinzip keine schlechte Idee« gewesen, Lüken arbeitet sogar sehr scharf den Kontrast zwischen den sehr guten und mit stiollen Tönen arbeitenden Filmen und dem seltsamen Auftritt heraus, Radler leitet zum eingebetteten Video mit den Worten »sehen sie selbst« über. Alle drei Artikel bewerten letztlich die FORM des Auftritts, das Eastwood da so planlos wirkte, kaum zu verstehen war, wild und konfus zwischen Themen hin und her sprang. Und dann noch seltsame Gesten machte und sich die »Dirty Harry« Nummer aufnötigen ließ, von der er sich in seinem filmischen Schaffen doch so denkbar weit entfernt hat.
Mir ist schleierhaft wie man da eine Denunzierung politischer Inhalte herauslesen will, wenn es in allererster Linie darum geht, wie peinlich der Auftritt dieses großen alten Mannes einfach in seiner Gestaltung war.
@Harald
Was Sie sagen, ist womöglich alles korrekt, aber woher nehmen Sie diese Aussage: Ein derart bigottes, ein so spießiges Amerika – das möchte nicht mal ein Dirty Harry Callahan ?
Die Umfragen sagen ein Kopf-an-Kopf-Rennen voraus. Ich erwähnte bereits, dass der farblose McCain vor vier Jahren rd. 48% der Stimmen bekam – Obama »nur« 51%. Wenn Obama gewinnen sollte, dürfte die Differenz ähnlich knapp sein – das Mehrheitswahlrecht verzerrt ja zumeist die Überlegenheit eines Kandidaten. Ich frage mich ernsthaft, warum mindestens die Hälfte der Amerikaner diese von »Tea-Party«-Aktivisten unterwanderten Republikaner wählen? Dass es 5% oder 10% sein könnten (also FDP-Niveau), würde ich noch verstehen. Aber fast die Hälfte? Wie ist das zu erklären?
So sehr ich Ihre Beiträge in Literaturfragen auch schätze so sehr frage ich mich wieso Sie es nicht schaffen inhaltlich gute Beiträge zu anderen Themen zu schreiben. Der Versuch den heutigen Journalismus weg von eher einer übertrieben »martialischen« Ausdrucksweise zu mehr Sachlichkeit zu führen ist jedenfalls gründlich misslungen.
Sie echauffieren sich über die angebliche Diskreditierung Eastwoods. Dabei nutzen Sie nicht nur mit der Wahl der Überschrift »Dämonisierungsjournalismus« die gleiche polemische Schiene.
Abgesehen davon, dass immer eine gewisse Überheblichkeit mitschwingt wenn man seinem Gegenüber den Vorwurf des »Nichtverstehens« macht, darf Ihre Meinung dass die Journalisten Eastwood verwendetes Stilmittel des Dialoges mit einer eingebildeten Person ausnutzen um diesen zu diffamieren bezweifelt werden. Klingst hält diesen sogar prinzipiell für eine gute Idee (Artikel überhaupt gelesen?)
Der Versuch Eastwoods offensichtliche Aussetzer noch ins Licht einer gekonnten Rhetorik zu rücken macht Ihren Blogartikel dann endgültig zu einem Ärgernis.
Easwoods Auftritt war eine peinliche und beinahe surreale Vorstellung. Diese Darbietung nur als »teilweise senil« zu bezeichnen ist beihnahe schon ein Euphemismus, geschuldet dem natürlichen Respekt gegenüber einem alten Mann mit großen Verdiensten.
poochiee
Nein Adresse stimmt...habe Ihnen auch mal zu Beweis eine Mail von dieser an info@begleitschreiben.net geschickt. Muss das jeder machen der Kritik an Ihren Artikeln übt???
@poochiee
Ja, aber die anderen auch.
poochie
Naja, Ihr Kommentar ist arrogant und billig. Natürlich habe ich Klingsts Artikel gelesen. Und Ihre Aussage, das Wort »Dämonisierungsjournalismus« sei identisch mit einer pathologischen Krankheitserklärung (»senil«) spricht Bände. Sie gehören womöglich zu den Meistern des Ferndiagnosetums. Ich habe nirgendwo geschrieben, dass ich Eastwoods Auftritt irgendwie amüsant empfinde (wie einige andere Kommentatoren bei tagesschau.de). Aber er reicht nicht, um ihn derart zu diskreditieren. Ob Sie meinen Artikel als »Ärgernis« empfinden oder nicht, ist mir im übrigen vollkommen gleichgültig.
Ich habe die Debatte erst jetzt lesen können und war überrascht und irritiert. Am Artikel von G. K. ist nichts auszusetzen. Natürlich sollte man nicht von Rassismus und Senilität sprechen, andererseits wird sonst auch nicht gerade jede Bezeichnung auf die Goldwaage gelegt. Jedenfalls hat auch ein Journalist meiner Meinung nach das Recht, mal völlig danebenzulangen, ohne dass er sich für immer disqualifiziert.
Spannender ist für mich die Frage, warum so viel Diskussionskraft in Äußerlichkeiten und weniger auf die politischen Implikationen gelegt wurde.
C. Eastwood ist ja nicht dumm, aber auch er muss doch wissen, dass ein nicht geringer Teil der Republikaner Obama tatsächlich aus rassistischen Motiven weg haben will. Warum sonst dieser Hass und die geballte Finanzmacht gegen ihn, Fox, die Brüder Koch etc.
Nebenbei bemerkt, scheint mir das Argument zu oberflächlich, dass ein antirassistischer Film rassistische Vorurteile ausschließt. Aber in dem Auftritt sehe ich weder Rassismus noch halte ich C. Eastwood für senil. Er ist reaktionär, das ist er auch in vielen Filmen. Ähnlich John Wayne, ich sehe beide gerne, habe aber immer ein etwas ungutes Gefühl dabei.
@Norbert
Mir schlägt eben ab und an die Goldwaage ein bisschen zu sehr in eine Richtung aus. Und natürlich liegen Sie richtig, dass ein Journalist nicht wegen eines Fehltritts sozusagen disqualifiziert ist. Aber was kann ich von einem solchen Journalisten noch erwarten?
Die Parallele zu John Wayne ist sehr treffend. Ich habe immer gewisse Vorbehalte gegen diesen Schauspieler gehabt – und da wusste ich noch nicht um seine politischen Ansichten. Das Gehabe schien zuweilen sehr aufgesetzt, fast stereotyp. Vielleicht waren da die John-Ford-Filme noch eine Ausnahme; ich müsste sie mir noch einmal ansehen. Aber ich würde nie auf die Idee kommen einen schlechten Schauspieler nur ob seiner »richtigen« politischen Meinung gut zu finden.
Drei Aspekte scheinen mir, jenseits der Diskussion über die Angemessenheit journalistischer Begrifflichkeiten, bemerkenswert:
1) Die Diskrepanz zwischen Person und Werk, d.h. Erwartungen, die sich aus letzterem hinsichtlich ersterer ergeben — warum eigentlich?
2) Der Einsatz kreativer oder künstlerischer Fähigkeiten für politische Ziele, das Ansprechen von »Instinkten« und damit deren Indienstnahme und Verzwecklichung jenseits ihrer ursprünglichen Aufgaben. Man kann vielleicht sagen, dass hier die Schranke zwischen Fiktion und Spiel auf der einen Seite und der Realität auf der anderen, überschritten wird (etwas, das von einem Werk oder einem Stück im Allgemeinen so nicht gesagt werden kann).
3) Die Empfindlichkeit des Diskurses und damit dessen, mindestens, Störung durch pauschalisierende und wenig begründete Vorwürfe und ‑urteile.
@metepsilonema
Zu (1) haben wir ja schon mehrfach diskutiert. Die Erwartungen kommen wohl daher, dass man die ästhetische Instanz mit der (gesellschafts-)politischen gleichsetzen möchte: Wer schöne Kunst produziert, muss auch ein »guter Mensch« sein. Nur dass jeder dieses Gutsein anders und für seine Zwecke interpretiert. Deutlich wird dies, wenn man sich die 3sat-Sendung »Kulturzeit« anschaut, in der zu fast jedem politischen Thema immer wieder »Künstler und Intellektuelle« befragt werden. Dabei gibt es immer zwei Lesarten: Zum einen die des »good guy«, der vorbildlich für »unsere« Werte eintritt. Zum anderen dann der Skandalmensch, der »umstritten« ist und allenfalls als Reibungsobjekt taugt. Der/die Intellektuelle hat in der Ansicht der meisten Beobachter ein moralisch integrer zu sein – wie gesagt: es stellt sich die Definitionsfrage (siehe diese unsäglich langweilige Debatte um Butlers Adorno-Preis).
Die Entzauberung von Intellektuellen ist ja in Wahrheit oft genug die Entzauberung der eigenen Erwartungen an diese Person(en). Die Literaturrezeption ist voll von diesen Entzauberungen. Und ist sie erst einmal kanonisiert, d. h. das Attribut »umstritten« gängig, so ist praktisch die Person zum moralischen Abschuß freigegeben.
Neulich wurde der USA-Korrespondent der FAZ hinsichtlich des Wahlkampfs in den USA befragt. Ganz kurz kam man auch den Eastwood-Auftritt. Der Frager meinte süffisant, der Schuss sei ja nach hinten losgegangen, was der FAZ-Mensch nicht bestätigen wollte: man könne dies so und so sehen, sagte er. Deutschland steckt immer noch in der »Obamania« – womöglich, weil man nicht in den USA leben muss. Es ist vielen intellektuell nicht möglich nur kurz einmal eine andere Position einzunehmen. Um es klar zu sagen: Ich wäre ungern Staatsbürger unter einem Präsidenten Romney, der das Stöckchen der Tea-Party von Fall zu Fall zu apportieren hat. Was ich aber faszinierend finde: Die Republikaner sind ja keine Minderheitenpartei, d. h. sie werden zwischen 47 und vielleicht sogar 50% der Stimmen bekommen – also auch von denen, die keinerlei Vorteile, ja sogar eher Nachteile zu befürchten hätten. Da erstaunt mich schon die Arroganz mit der europäische Kommentatoren wissen, wo gut und böse sind. Stattdessen sollten sie sich einmal darum kümmern, warum jemand wie Romney für weißte Unterschichten eine Alternative darstellt.
Zur Empfindlichkeit des Diskurses (3) ganz kurz: Ich hasse es, wenn in den Kommentaren mehrfach vorgebrachte Argumentationsaustausche einfach ignoriert werden und pure »Meinung« abgesondert wird. Ich bin natürlich an abweichenden Position interessiert (s. hier die Kommentare von »Morel« und »Fabian« beispielsweise) – sie sollte aber bspw. keine Unterstellungen enthalten. Das brauche ich mir nicht anzutun, zumal ich meine pädagogische Ader schon sehr lange verloren habe.
Ja, dass das Gute, das Schöne und das Wahre in eins fallen ist kein neuer Gedanke. Hinzu kommt wohl, dass man Menschen mit einer hoch entwickelten Fähigkeit, automatisch auch andere Kompetenzen zuspricht — klar, auch Projektionen spielen eine Rolle. Dabei kann man immer wieder feststellen, dass viele Künstler, Intellektuelle oder Wissenschaftler in öffentlichen Äußerungen in hohem Maß enttäuschen. — Paul Auster diagnostiziert da eine Art »Spaltung« bei Clint Eastwood.
Manchmal, wie unlängst nach dem Sommergespräch mit unserem Bundeskanzler, denke ich mir, wenn es eine Krise der Politik und/oder der Demokratie gibt, dass ist es eine des Diskurses und des Arguments, man konnte auch in der Beschneidungsdebatte, trotz ausgezeichneter Beiträge, gut erkennen, wie diese globalen Vorwürfe benutzt werden um Interessen zu vertreten und den Diskurs zu unterwandern, und damit zu schädigen.
Auster hat er den Vorfall gar nicht gesehen, aber er diagnostiziert. Die deutschen Medien halten Austers Diagnose für relevant; da Nachfragen unterbleiben erzählt Auster eine Anekdote über das Kinoerlebnis mit seiner Frau, Siri Hustvedt, in dem er – selbstverständlich – auch wieder die Deutungshoheit für sich reklamiert. Am Ende liefert die Fragerin noch eine Steilvorlage mit der Frage »Aber Sie sprechen gar nicht so oft über Politik, oder?« (Was 1. nicht unbedingt stimmt und 2. ... siehe oben.)
–
Ich glaube, dass es ein Irrtum ist, dass Diskurse sozusagen »neutral« ablaufen können (damit meine ich nicht nur die Formulierung des »herrschaftsfreien« Diskurses): Sie sind immer von Interessen geleitet wie sie auch immer von Hierarchien »durchsetzt« sind. Neben dem eigentlichen Diskurs müssen diese Implikationen mit herausgearbeitet werden. Mir fällt hier Ibsens Bild der Zwiebel ein, welches er im Peer Gynt den Titelhelden als Metapher für das Leben finden lässt. Ähnlich funktioniert womöglich ein Diskurs. Wobei das Wort »funktioniert« schon falsch ist, weil im »Funktionieren« bereits eine Gerichtetheit angelegt ist. Diskurse wie die religiös-soziale Beschneidung von Jungen können ja ewig fortgeführt werden. Eine allgemeine Gültigkeit beanspruchende Handlungsanweisung (bspw. ein Gesetz) wird immer nur einen Teil der Diskursteilnehmer befriedigen; Kompromisse kann es bei bestimmten Entscheidungen einfach nicht geben, sie (die Entscheidung) muss in eine Richtung gehen.
Wobei wir wieder bei den amerikanischen Wahlen wären. Das Mehrheitswahlrecht hat über Jahrhunderte den Kampf zwischen zwei politischen Richtungen vorgegeben. Es gibt zwar noch andere Kandidaten, die jedoch keinerlei direkten Einfluss haben (indirekten Einfluss übrigens sehr wohl, wie sich 2000 bei der Wahl Gore/Bush zeigte, als der als »grün« bezeichnete Ross Nader in einigen Staaten Gore die entscheidenden Stimmen »wegschnappte«). In vielen europäischen Demokratien ist dieses Mehrheitssystem verpönt (außer in Großbritannien und Frankreich). Es gilt als »ungerecht«, weil es Partikularinteressen nicht genügend berücksichtigt (hier haben wir ja darüber diskutiert). Tatsächlich waren die Unterschiede in den USA zwischen Demokraten und Republikanern in vielen Politikbereichen kaum wahrnehmbar. Das hat sich durch die Verweigerungshaltung der »Tea-Party«-Bewegung, die innerhalb der Republikaner verblieben ist (als autonome Partei hätte sie keine Chance). Es zeigt, wie verfahren Diskurs-Situationen sein können, wenn ein paritätisches Gleichgewicht zwischen den Diskursteilnehmern herrscht und dabei eine Partei jegliche Kompromissbereitschaft vermissen lässt. Das kann sie, weil es offensichtlich keinerlei negative Sanktionen (Verlust an Wählerstimmen) zeitigt. (Die Frage ist ja warum das so ist.) Der Wunsch nach Dezisionismus wächst dann.
Auster unterscheidet immerhin zwischen einer (möglichen) politischen und künstlerischen Seite, was vielen nicht gelingt; und er hat seine Meinung über Eastwood anhand früherer Erfahrungen und Gegebenheiten gebildet, das ist nicht illegitim.
Du hast sicher recht, es gibt keinen reinen oder idealen Diskurs, der existiert oder verwirklicht werden könnte. Und er dient, ja, der Aufdeckung, der Sichtbarmachung, der Aufklärung. Dennoch, ich möchte das Ideal nicht vorschnell aufgeben; unterscheiden wir einmal hinsichtlich der Teilnehmer, dann sehen wir, dass sie, je nach Lebensführung und ‑situation schon immer Positionen bezogen haben oder welchen nahe stehen. Auf die Beschneidungsdebatte gemünzt: Jemand der vorher keinem der beiden »Lager« zugehörte, wird es einfacher haben Position zu beziehen oder einer bezogene aufzugeben, das ist eigentlich einleuchtend, und eine Sache von Identifikation und »Investition«. Worauf ich hinaus will ist, dass es, sozusagen natürliche Positionen gibt, die wir, in gutem Glauben, verteidigen, das ist in Ordnung, sollte aber reflektiert werden, denn jeder Diskurs lebt davon, dass die eigene Position theoretisch zur Disposition steht, sonst bräuchte man ihn gar nicht zu führen (und ein Primat des Arguments verlangt das ebenso). Was dem gegenüber noch bleibt, ist eine Position aus Interesse, d.h. Nutzen und Vorteil zu beziehen und, wider bessern Wissens, mit falschen oder unlauteren Argumenten zu verteidigen — das höhlt den Diskurs immer stärker aus und er bricht, letztendlich, zusammen.
Reflexion, Ehrlichkeit und Disposition, ein Bemühen um diese drei, nur eine Tendenz und es wäre schon viel gewonnen.
Natürlich soll man das Ideal niemals aufgeben; die Leute heiraten ja immer weiter, obwohl sie um die Fragilität der Institution Ehe längst wissen.
Ich habe gestern in ZIB2 eingeschaltet; leider etwas zu spät. Es ging im Gespräch mit einer Dame von der SPÖ um einen »festgefahrenen« Untersuchungsausschuss. Die fünf Parteien blockieren sich offensichtlich gegenseitig und die Dame, die einen sehr seriösen Eindruck machte, sollte nun irgendwie vermitteln. Sie führte auch einmal das Vorbild Deutschland an – was Untersuchungsausschüsse anging. Ich habe das anders in Erinnerung: Untersuchungsausschüsse in Deutschland leisten bestenfalls eine gewisse Aufklärungsarbeit. Meistens verpuffen ihre Ergebnisse und Ratschläge dann aber im politischen Nirwana. Und manchmal lassen sich Schlampereien nicht »aufklären«, sie geschehen einfach aus vielerlei Gründen, deren »Aufklärung« eigentlich unnötig ist. Mein Vorschlag wäre, dass jede Partei einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss mit einer »außerparlamentarischen« Persönlichkeit bestückt. Diese vier, fünf oder sechs Personen bestimmen dann wiederum andere Persönlichkeiten, die dann die Basis für einen solchen Ausschuss bilden.
Du meinst wahrscheinlich Barbara Prammer (Nationalratspräsidentin, SPÖ). Man kann die ZIB2 hier nachhören und ‑sehen (und rechts neben dem Bild die übrigen Sendungsbeiträge wählen).
Die Schwierigkeit mit Untersuchungsausschüssen ist, dass sie die politische Verantwortung klären sollen, das mach sie brisant und zu einer Art Bühne, die die Parteien auch kontrollieren wollen, jedenfalls unterstelle ich das bis zu einem gewissen Grad, und daher schätze ich, dass »man« , obwohl Deine Idee gut ist, ihr kaum zustimmen würde. Zumindest sollte die Leitung einem von jemandem übernommen werden, der vom Fach ist, aber politisch »ungezwungen«, etwa Personen die im Bereich von Korruptionsaufklärung arbeiten (oder gearbeitet hatten), Mitarbeiter des Rechnungshofs, u.a.
Im konkreten Fall ist mir die Position der anderen Oppositionsparteien nicht ganz klar, ihr vorrangiges Ziel müsste eigentlich der Ausschuss selbst sein (Prammer wollte und konnte sich dazu nicht äußern, sie sprach ja von Interessen aller fünf Partein).
Untersuchungsausschüsse haben zumeist eine »Politische Schlagseite«, d. h. es gibt eine Gruppe, die dieses Instrument fordert und dann die andere, die eher bremst. Dass die Parteien ihre eigenen Repräsentanten in einen solchen Ausschuss schicken mag gängige Praxis sein, ist aber kontraproduktiv. Zu sehr sind die Fronten verhärtet. Wenn dann der Untersuchungsausschuss an sich schon als »Ziel« genügt, kann man früh erahnen, was dabei Substanzielles herauskommt: sehr wenig.
Selbst in Untersuchungsausschüssen, die von allen Parteien gewünscht werden (wie in Deutschland derzeit der über die Mord-Gruppe »NSU« und die Verstrickungen der diversen deutschen Geheimdienste), gibt es früher oder später parteipolitisch motivierte Auslegungen. Mir kommen parlamentarische Untersuchungsausschüsse wie Standesgerichte vor, die ja auch jenseits rechtsverbindlicher Räume »ihre« Angelegenheiten erledigen (bspw. Ärztekammer[n]). Das ist alles längst zu medialem Talmi verkommen; Aufregung für ein paar deftige Schlagzeilen. Danach geht’s weiter wie bisher, nur ein bisschen anders.
Pingback: Sie wissen, was sie tun. Eine Replik auf Anneliese Rohrer*. « Makulatur