Während diverse Internetaktivisten mit ihren scheingewichtigen Prophezeiungen entweder das Netzparadies oder den Vorhof der Hölle ausgerufen haben und sogenannte »Alpha-Blogger«, die schon länger zumeist uninspiriert ihre Ich-AGs in Werbespots, Talkshows oder Onlinekolumnen pflegen und dabei nur einen reiz- und inhaltslosen Raum der Selbstreferentialität füllen (trauriger Höhepunkt war das lächerliche Internet-Manifest von 2009), schreibt Alban Nikolai Herbst seit sieben Jahren einen Weblog, der, würde man ihn ausdrucken wollen, inzwischen Arno-Schmidt-Ausmaße annehmen würde. Herbst, der Schriftsteller, betreibt (s)einen Literarischen Weblog. Zu lesen ist das virtuelle Konvolut seit 2004 unter dem wuchtigen Titel Die Dschungel. Anderswelt.; die Webadresse weist indes auf seinen Urheber hin (der längst nicht mehr der alleinige Autor ist). Auch wenn die zum Teil äußerst theoretische, ja distanzierte Betrachtung anderes vermuten lassen könnte: Herbst ist tief in sein Gewebe versunken, mit ihm und in ihm fast physisch infiltriert. Dabei ist auch dieser Blog von narzisstischen Selbstdarstellungen nicht frei, aber im Gegensatz zu den meisten ideologisch verbohrten Netztheoretikern mit ihren ehrpusseligen Alleinvertretungsansprüchen sind seine Reflexionen nicht nur lesbar, sondern werden in der täglichen Praxis versucht. Der Leser kann die Entwicklung des Denkens zum und über den Literarischen Weblog über die Jahre hinweg nicht nur nachlesen, sondern auch im Medium selber erfahren. Dies inklusive der fast zwangsläufig entstehenden Irrtümer und notwenigen Korrekturen. Die »Kleine Theorie des Literarischen Bloggens« ist inzwischen online auf 131 Texte angewachsen (Stand: 21. Oktober 2011). In der »edition taberna kritika« ist nun eine Paperback-Ausgabe mit 133 Texten auf rd. 130 Seiten erschienen.
Ergänzt und pointiert
Der Leser, der Herbsts Blog kennt und (mindestens teilweise) gelesen hat, fragt vielleicht zunächst nach dem Zweck für diese Ausgabe (die sich um einige Monate verzögert hat; Herbst ist ein sehr produktiver Autor). Die Antwort fällt ziemlich eindeutig aus: Das Buch war und ist notwendig. Wer nun dachte, es bestünde aus den Blogtexten und sei lediglich eine (vielleicht leicht korrigierte) Abschrift von Bekanntem, irrt. Herbst hat an fast jeden Beitrag noch einmal Hand angelegt, gefeilt, es ergänzt, Irrelevantes bzw. leicht Verstaubtes weggelassen und manches pointiert. Dies ist durchaus in Übereinstimmung mit seiner Idee des Literarischen Weblogs, den er – durchaus zutreffend – als einen Biotop sieht. Auch die übliche Zeitchronologie von Blogs – der aktuellste Beitrag steht immer oben auf der sogenannten Titelseite – hebt er gelegentlich auf. Sei es, in dem er beispielsweise seine (fast immer täglichen) Tagebucheintragungen (später: Arbeitsjournale) in eine eigene Rubrik (er nennt sie »Kapitel«; es gibt derzeit 71 davon) verschiebt (dort stehen sie dann allerdings wieder in chronologischer Reihenfolge). Mal werden Texte nur in den jeweiligen Kapiteln veröffentlicht, mal werden sie zeitweise auf die Titelseite verschoben. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, ältere Texte mit einem neuen Datum zu versehen und erneut bzw. verändert in den Fokus des Lesers zu rücken. Ständig nimmt Herbst in seinen Eintragungen Bezug auf andere Texte in seinem Blog und verlinkt innerhalb des Blogs. Diese Binnenverlinkungen sind ein wichtiges Element des Literarischen Weblogs.
Zuweilen erscheinen die Veröffentlichungen auf Herbsts Blog tatsächlich wie ein undurchdringlicher Dschungel. Diese Form wird auch im Buch teilweise imitiert, wenngleich die Lektüre im Vergleich zu den Online-Texten (zumeist zu finden unter der Rubrik/dem Kapitel »Litblog-THEORIE«) etwas eindimensional wirkt: Die zahlreichen Links, die Herbst in seinem Blog setzt und auf die er in seinen Texten Bezug nimmt, sind im Buch naturgemäß nicht nachvollziehbar; das auf den Link verweisende Wort »hier« bleibt sozusagen leer. Auch in den äußerst sparsam gesetzten Endnoten findet man kaum Ergänzendes. Das ist manchmal ein ziemlicher Mangel, da der Buchleser Zusammenhänge besser einordnen und verstehen könnte, wenn weiterführende Angaben gemacht worden wären. Exemplarisch dafür ist es, wenn in einem Text auf Kommentare von Lesern referiert wird, die natürlich im Netz verlinkt sind, deren Inhalt jedoch dem Buchleser verborgen bleiben.
Die Beiträge sind nicht wie im Blog nummeriert. Ein neuer Beitrag ist leicht abgesetzt und wird durch eine fettgedruckte Überschrift eingeleitet. Manche Texte wirken aphoristisch, sind nur wenige Zeilen lang. Andere dagegen haben essayistisches Format. Herbst legt keine exakt ausgearbeitete Programmatik vor. Es wird kein konzises, durchanalysiertes Konzept entwickelt. Häufig gibt es Gedankensprünge, gelegentlich Redundanzen. Manchmal entdeckt man kleine Widersprüche. Zwar sind in der Bearbeitung Gedanken präzisiert worden, aber das Vorläufige, durchaus Unkomplette ist – auch das ist Absicht – erhalten geblieben. So bleibt Raum für Korrekturen und auch Irrtümer, die unabdingbar dazu gehören. Mindestens zu Beginn seines Weblogs praktiziert Herbst durchaus ein literarisches »try und error«-Prinzip – allerdings ohne das Rubrum (bzw. Stigma) des »Experimentalen« wie beispielsweise in der Bildenden Kunst. Insofern wird Herbsts Aussage, dass für das Komplette und Fertige die Bücher zuständig seien, durch die Buchpublikation ein wenig eingeholt – was allerdings immanent für eine Auseinandersetzung mit diesem immer noch relativ neuen Medium sein dürfte.
Das Gros der Überlegungen lässt sich auf die ersten drei Jahre (2004–2007) datieren. Fast zwei Drittel der Texte sind in dieser Zeit entstanden. Rund ein Dutzend der im Netz stehenden Litblog-Theoreme wurden nicht übernommen (hierunter sehr viele aktuellere Texte, die sich überwiegend mit der Problematik der Trolle beschäftigte [um es vorweg zu nehmen: auch die beiden Beiträge, die sich mit meinen wiederholt geäußerten Vorbehalten gegenüber Trollen befassten – dieser und dieser – wurden nicht aufgenommen]). Einige Gedanken wurden im Buch aufgesplittet. Die chronologische Reihenfolge wurde bis auf wenige Ausnahmen beibehalten.
Gefäß, Exerzierplatz und Wahrlügen
Der Kern des »Literarischen Weblogs« liegt darin, dass es nicht einfach nur ein Blog mit literarischen Texten ist, sondern der Blog selber Teil des (Kunst-)Werkes wird. Dabei ist er mehr als nur Gefäß für hingeworfene Ideen, Exerzierplatz für Neues oder bloße Hülle: Er wird zu einer Art (mit-)konstituierendes Subjekt und bekommt fast anthropomorphe Züge. Der Autor (später: die Autoren), den Herbst zuweilen durchaus emphatisch Dichter nennt, beginnt zwischen Realität und Fiktion zu changieren. Es gibt praktisch nichts Privates mehr, weil es auch zugleich dem Fiktionalen anverwandelt werden kann bzw. wird. Somit wird der Leser zum Zeugen des Einflusses des Privaten in das Fiktionale – und umgekehrt. Die Crux für alle hechelnden Voyeure: Herbst spielt auch mit der Fiktionalisierung dessen, was als privat ausgegeben wird: Man darf nur nicht meinen, daß alles, was ich über mich schreibe, ungebrochen wahr ist. Vieles verschweige ich, vieles erzähle ich als jemand anderes, vieles verfremde ich. Herbst verwendet den Begriff Wahrlügen hierfür. Das Leben wird zum Roman, der Autor/Dichter ist Schöpfer und Figur seiner Inszenierungen. Interessant sind dabei die eventuell entstehenden Wechselwirkungen, d. h. beispielsweise die Anverwandlung des Autors durch die von ihm selbstgeschaffene(n) Figur(en). Der Leser kann nicht mehr sichergehen, ob das, was er liest Realität oder Fiktion ist. Die Zustände verschwimmen. Der Gerichtsvollzieher ind er Wohnung, das amouröse Erlebnis, der Streit mit einem Freund, das Mäzenatentum eines Unbekannten, Ärgernisse mit einem potentiellen Verleger, die Erzählungen von seinem Sohn, Krankheiten, Schreibblockaden (eher selten), Treffen in Berliner Lokalen – alles wird (so Herbsts These) zu »Literatur«. Fast folgerichtig, dass er auch dieses Buch als Essay und Erzählung ausweist (und Markus A. Hedingers Deutung weist in diese Richtung). Schließlich bleibt auch in Unklaren, ob bzw. welche der Mitautoren des Blogs mit Herbst identisch sind oder vielleicht sogar unter mehreren Pseudonymen schreiben. Noch weniger eindeutig ist die Identität der Kommentatoren, die auf Die Dschungel in häufig sehr großer Zahl agieren. Und von den Trollen, die den Blog gelegentlich »befallen« wie eine biblische Heuschreckenplage, wird zu reden sein.
Diesen Trollen widmet Herbst mehrere Kapitel seiner theoretischen Überlegungen. Dabei konzediert er durchaus das destruktive Potential dieser zumeist vollkommen an sachlichen Argumenten desinteressierten Teilnehmer, die mit wechselnden Pseudonymen »anonym« kommentieren. Die Bezeichnung »anonym« hat Herbst beibehalten, da beim Hoster twoday nicht angemeldete Kommentatoren die Bezeichnung »anonym« in Klammern beigefügt wurde. Dies wurden vor einigen Jahren mit der freundlicheren Bezeichnung »Gast« verändert). Manche Beiträge des Blogs werden seit Jahren geradezu übersät mit Beschimpfungen, Beleidigungen und Pöbeleien sowohl gegenüber Herbst als auch anderen Kommentatoren oder Autoren. Mit scheinbarer Engelsgeduld werden diese Störungen akzeptiert. Manchmal verschiebt er die Kommentare in einer speziell dafür eingerichteten Rubrik, dem »Anti-Herbst«. Nur selten und insbesondere bei Angriffen auf dritte Personen löscht er die Kommentare. Wobei diese Maßnahmen nicht immer konsequent erfolgen, sondern durchaus stimmungsabhängig getroffen werden.
Herbst und der Troll: Ein postmoderner Peer Gynt
Der Grund für stoisch ausgeprägte Toleranz gegenüber Störern, die nicht selten sehr interessante (ästhetische) Debatten vergällen und »seriöse« Kommentatoren vertreiben, liegt im Konzept Herbsts: Für ihn sind Trolle Teil des literarischen Werkes. Ihre sinnlosen, zumeist thematisch abseitigen und oft beleidigenden Kommentare sind Bestandteile des Lebens (vulgo: Romans) und dürften daher – so die These – nicht unterdrückt werden. Die Reaktion auf sie, die Trolle, kann demzufolge nicht im zensieren liegen, sondern muss eine den Umständen entsprechende, adäquate Reaktion sein. Neben einer mehr oder weniger sanften Verschiebung stellt auch das Ignorieren eine Möglichkeit dar, was allerdings erschwert wird, wenn sich mehrere Störer sozusagen gegenseitig befeuern. Trolle werden somit zu konstituierenden Teilnehmern die mindestens die gleiche Aufmerksamkeit und Widmung bekommen wie normale Kommentatoren.
Dabei liegt die Intention der Trolle (ihr Wesen) gerade darin, mehr Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Damit haben sie auch fast immer Erfolg: Die Beiträge, die »befallen« sind, haben hohe Zugriffszahlen (zur Relativität dieser Zahlen später mehr). Dabei sind Trolle an Herbsts poetologischem Weblog-Aktivismus überhaupt nicht interessiert. Ihnen geht es zumeist um Störung, die sie mittels Angriffen ad hominem – gegen die Person des Autors und/oder seiner Kommentatoren – durchführen. Unlängst berichtete der schwedische Journalist und Online-Redakteur Leo Lagercrantz über seine Erfahrungen mit Trollen. Auch wenn der Autor den Begriff des Trolls zuweilen ein wenig vorschnell zu verwenden scheint und Trolle in politischen Foren differierende Ziele verfolgen als in einem Blog wie »Die Dschungel« sind einige grundlegende Gemeinsamkeiten festzustellen. Etwa wenn Lagercrantz über die Ausdauer von Trollen schreibt: »Eines gibt es, was alle Trolle gemein haben: Sie geben nicht auf. Der durchschnittliche Troll liefert zehnmal so viel Textmenge wie ein gewöhnlicher Journalist.« Lagercrantz’ Versuche, seine Seite »auszuräuchern« und sein »Haus« wieder »einzurichten« wurde mit wütenden Reaktionen kommentiert. Der Autor schließt mit der Aussage, gescheitert zu sein, weil er nicht früh genug » ‘zensiert’ « habe.
Herbst nimmt die Perspektive einer Zerstörung seines Blogs durch Trolle als Möglichkeit durchaus in Kauf. Das Literarische Weblog sei gegenüber der guten Gemeintheit ein agent provocateur, indem er selbst mit dem Vorschein von Familie lockt: mit jener nämlich, die community genannt wird, aber ihre Regeln unterläuft. In der Schwebe bleibt, worin dieses »Unterlaufen« besteht. Bzw.: ob es in dieser Form – der Invektive – unterlaufen werden soll, ja vielleicht sogar muss. Indem Herbst Trollereien nicht nur zulässt, sondern als schicksalhafte Infiltrationen sieht, überhöht er deren Rolle. Warum aber soll ich Herbsts Salon in dem die Literatur die Grundierung sein soll, betreten, wenn man schutzlos den zwar unregelmässig, aber durchaus dann hartnäckig vorgebrachten Pöbeleien ausgesetzt wird?
Aber nicht nur das Vertreiben der »vernünftigen« Leser (nebst Unterbleiben substantieller und anregender Diskussionen und auch Disputationen – ein Disput ist ja keine Trollerei) ist die Folge. Die Zerstörung geschieht auch auf der ästhetischen Ebene, in der ein gewisser Sound, eine Haltung, auch die Sprache nicht nur trivialisiert, sondern niedergemacht wird. Zwar beklagt Herbst einerseits den »anonymen«, gesichtslosen (d. h. nicht angemeldeten) Troll, der sich eben nicht hinter einer Hecke verbirgt um mit Dreck zu werfen. Dabei geht es dezidiert nicht um die Klarnamendiskussion; Herbst gesteht Pseudonyme durchaus zu. Es geht um jene, die jederzeit unter jedem Namen – also auch unter wechselnden Pseudonymen – kommentieren können. (Zwar wechseln über die Jahre die Pseudonyme der Trolle; Duktus und Form bleiben jedoch erstaunlich konstant.)
Dass Herbst die Trollkommentaren nicht »zensieren« möchte, mag noch verständlich sein (jeder sollte seinen Idealismus in Bezug auf »Meinungsfreiheit« pflegen dürfen). Aber wenn man die Softwareeinstellungen derart belässt, dass diese Kommentare ungefiltert erscheinen können, betreibt man das Spiel der Trolle aktiv. Damit wird der Troll in den Stand der Satisfaktionsfähigkeit erhoben. Außer der Löschung seines Kommentars (was ja gelegentlich doch geschieht, wenn auch mit mokanter Attitüde), geht dieser kein Risiko ein. Die »Waffengleichheit« zwischen »richtigem« Kommentator und Troll verschiebt sich zu Gunsten des Trolls. Seine Gesichtslosigkeit kann er in ein Kampfwerkzeug umwandeln (auch wenn es »nur« eine rhetorische Waffe ist). Herbst bevorzugt so die Trolle zu Ungunsten der anderen Kommentatoren. Mit ihnen geht er scharf ins Gericht – mit den Trollen verfährt er zuweilen sanft und mit einer fast melancholischen Fürsorge.
Herbst erscheint in seinem Projekt wie ein postmoderner Peer Gynt, jene Figur Henrik Ibsens, der ja bekanntlich auch durch Trolle und Dämonen wenn nicht bestimmt, so geleitet wurde. Die Vermutung, etliche der Trollereien würden von Herbst und/oder seinen Freunden selbst inszeniert, wehrt er stets vehement ab. Zwar gehört das Maskenspiel zum ästhetischen Prinzip seiner Seite (hierin grenzt er sich von Rainald Goetz ab). Aber, so betont Herbst: »Wenn ich andere Pseudonyme in Der Dschungel sprechen lasse, dann sind es einige meiner Romanfiguren – und als solche sind Sie wiederum kenntlich, wenigstens dann, wenn jemand Die Dschungel oft mitliest, was ich deshalb empfehle, und sowieso jedem, der meine Bücher kennt. Zudem attackieren meine Figuren nicht, schon gar nicht persönlich.« (Nebenbei: Es ist nicht ganz klar, warum Herbst manchmal den Terminus »Der Dschungel« verwendet, wenn doch sein Projekt »Die Dschungel« heißt. Es kann nicht sein, dass jemand der so präzise arbeitet wie Herbst, hier Lapsus produziert.)
Möglichkeitspoetik und Pose
Dabei stößt seine Konzeption gelegentlich an Grenzen, wie in einem Fall zu erkennen ist, als er einen Kommentar, der ihm »Kindesmissbrauch« vorgeworfen hatte, strafrechtlich verfolgen lassen will, wenn sich der Kommentator nicht entschuldige. Herbst übersieht in dieser Empörung – die menschlich natürlich sehr verständlich ist – dass auch diese Unverschämtheit bei strenger Auslegung des Konzepts zu erdulden wäre. Oder rückstandslos (und vor allem: ohne Aufsehen) zu beseitigen gewesen wäre – durch ihn, Herbst. Ambivalent ist es ohnehin, wenn er seinen minderjährigen Sohn (nicht nur als erzählte Figur, sondern mittels Bild) zum Protagonisten in seinem Roman macht. Menschen mit wenig Differenzierungsvermögen, die diesen Blog nicht regelmäßig lesen bzw. das Konzept nicht kennen, werden so zu vorschnellen Urteilen verleitet. Herbst Einwurf, die Leute könnten, wenn sie seine Bücher lesen würden, die Ungeheuerlichkeit des Vorwurfs feststellen, ist natürlich realitätsfremd. Skandale entstehen gerade dadurch, dass die Masse über den Sachverhalt höchst bruchstückhaft und tendenziös informiert wird. Die Aufklärung erfolgt – wenn überhaupt – erst Jahre später; das Stigma des (zu Unrecht) Beschuldigten bleibt.
Unbeantwortet bleibt die Frage, wie lange Leser sich für ein solches letztlich undurchschaubares Gemisch aus Fiktion und Realität interessieren. Denn gerade in der (letztlich nur simulierten) Aura der Wirklichkeit mag zunächst ein gewisser Reiz liegen: Der Dichter zum Anfassen, sozusagen. Wenn sich dann jedoch immer mehr herausstellt, dass auch hier fiktionale Elemente, also Erfundenes und Weggelassenes einen großen Einfluss ausüben, könnte das Interesse an dem 24-Stunden-Buch nachlassen. Zumal ein weiterer Mehrwert – die zuweilen sehr anspruchsvollen und interessanten ästhetischen und politischen Debatten – durch Trolle (siehe oben) verdorben wird. Hinzu kommt, dass es Tage und Wochen gibt, in denen der Blog geradezu aus den Angeln zu bersten scheint und die Frequenz der Beiträge enorme Ausmaße annimmt. Wer kann das in Anbetracht von begrenzten Zeitressourcen dauerhaft und in gebotener Stringenz (Binnenverlinkungen!) verfolgen?
Andererseits: Wie steht es mit den Tagebüchern in Buchform anderer, berühmter Schriftsteller, die unter Umständen schon bei Erstellung wissen konnten, dass sie (wenn auch erst nach ihrem Tod) veröffentlicht werden? Oder jene Popliteraten, die in sehr kurzer Zeit ihre tagebuchartigen Weltbetrachtungen veröffentlichen. Spielen da nicht auch die Einwände eine Rolle, die man Herbsts Projekt entgegen bringen könnte? Und wie steht es dort mit der Fiktionalisierung, dem Posieren und der Beliebigkeit?
Den in diesem Zusammenhang drohenden Einwurf der »Beliebigkeit« verwirft Herbst in Bezug auf sein Projekt. Schon sehr früh heißt es: Das Literarische Weblog öffnet die Entstehung eines Kunstwerks auch außerpsychischen, »ander»psychischen, also sogar physiologisch fremden Wirkfaktoren; die Unwägbarkeiten werden größer. Es wird sozusagen auch zur Seite gebaut. Der Vorwurf der Beliebigkeit trifft deshalb nicht; er unterstellt nämlich, es antworte alles aus Willkür und Zufall auf alles. Das ist weder der Fall, noch könnte er es sein, weil nur diejenigen eine Frage verstehen, die auch ihre Sprache beherrschen (die entsprechende Passage, leicht verändert, im Blog hier). Herbst formuliert eine Möglichkeitspoetik, die im Leser entsteht und von ihm entsprechend rezipiert wird: Das strukturell, aber nicht prinzipiell Neue ist für den Leser dabei, daß er, sofern er mitspielen will, sowohl seine Fährten auswählen muß als selbst Teil des Textes wird. In einem später entstandenen Text, der nicht der Theorie-Rubrik zugeordnet wurde, erklärt er: »Wer denken kann, daß jede Möglichkeit sei, weist den Vorwurf der Beliebigkeit ab. Beliebig ist vielmehr das Erzählprodukt eines sogenannt realistischen Erzählens, das mit seinem Thema und der scheinnaturalistischen Struktur seiner Chronologie alles folgende s e t z t, dessen A u t o r also es setzt. Die Möglichkeitenpoetik streicht dessen (bestimmt) Intentionen durch und folgt allein den möglichen Wegen, die eine Erzählung nehmen kann, folgt möglichst a l l e n. Dabei ist es wichtig, sich klarzumachen: Wer bei einem Autounfall ein Bein verliert, der h a t es verloren, es ist keine Illusion, es ist nicht nur ein Text. Welt ist n i c h t nur Interpretation.«
Ich bin nicht sicher, ob Herbst die Differenz zwischen Realismus und Möglichkeitspoetik über die ganze Strecke immer durchhält. Über gewisse Inkonsequenzen war schon die Rede. Und es ist auch nicht klar, inwieweit Herbst sich in dieser Veröffentlichungsform ein bisschen in die Pose des Betriebsrebellen verbeißt. Wer beispielsweise seine Eintragungen über die Besuche bei Buchmessen liest, bemerkt durchaus eine gewisse Hassliebe diesem Betrieb gegenüber dem er mit der wenig schmeichelhaften Formulierung »Die Korrumpel« eine eigene Rubrik widmet.
Herbsts stark artikulierte Feindseligkeit diesem Literaturbetrieb gegenüber (er spricht von »Bestechlichkeit«, »Dummheit« und »Arroganz«) speist sich nicht nur aber auch aus dem (sogenannten) Skandal um sein Buch »Meere«. Das Buch wurde 2003 verboten, da angeblich Persönlichkeitsrechte einer Figur verletzt worden waren; es kam zum Prozeß. 2007 wurde eine leicht geänderte Version des Buches neu publiziert. Die Folgen dieses Verfahrens belasten Herbst augenscheinlich heute noch. Der Vorgang kann als Initiation für die neue Form der Veröffentlichung via Blog gelten.
Vernachlässigung der Infrastruktur
Aber wie geht es weiter? Herbst bemerkt ausdrücklich, dass auch das Buch nur vorläufig sei und fortgesetzt werde. Benjamin Stein hat in seiner Besprechung die Problemen mit Herbsts Dekonstruktion der Zeitachse angesprochen und die Fragen aufgeworfen, ob (1.) ein Blog und dann (2.) bei diesem Hoster (twoday) angemessen sei. Steins Einwand, der zeitliche Rahmen würde durch den Nachrichtenaggregator RSS-Feed sozusagen wieder hergestellt, ist nicht von der Hand zu weisen. Aber auch mit dem Hoster hat sich Herbst in eine Sackgasse manövriert. Die Software wird seit Jahren nicht mehr aktualisiert; lediglich der Status quo soll erhalten bleiben. Das Backlinks-Verfahren funktioniert bei twoday schon seit fast zwei Jahren nicht mehr. Die Anfälligkeiten gegenüber Spam-Attacken ist groß; Ausfälle gab es genug. Ein Umzug auf eine WordPress-Software oder ein Wiki dürfte aufgrund der riesigen Datenmenge fast unmöglich zu bewerkstelligen sein. Der Umzug meines Blogs (rd. 350 Beiträge und 5.000 Kommentare) ging schon technisch nicht ohne Probleme, wobei vor allem der Datentransfer der Kommentare höchst schwierig zu bewerkstelligen war. Rund 300 Kommentare waren verschwunden; etliche hundert, die zu einer Uhrzeit zwischen 00.00 und 01.00 Uhr abgegeben wurden, hat die WordPress-Software mit dem Datum 1. Januar 1970 versehen und mussten von Hand geändert werden. Zudem ging die Überschriftenzeile der Kommentare verloren. Die zahlreichen Binnenverlinkungen (es dürften bei Herbst mehrere tausend sein), müssten auch händisch nachbearbeitet werden. Die aktuelle Software von twoday erlaubt keine Eingriffe in Kommentare (außer die eigenen). Kommentarverschiebungen muss Herbst unter seinem Namen vornehmen. Wenn ein Kommentator seinen Kommentar löscht (er kann das als bei twoday angemeldeter User), gehen auch alle anderen Kommentare verloren, die unter diesem Strang abgegeben wurden (es gibt aber nur zwei Ebenen). Der eingebaute Beitragszähler ist wenig aussagefähig, da auch die Klicks über die Kommentare gezählt werden; ein Text mit vielen Kommentaren hat demnach einen extrem hohen Zählerstand, obwohl vielleicht nur relativ wenige Personen den Text zwecks Kommentaren aufrufen.
Dieser Exkurs mag verdeutlichen, wie problematisch ein solches Projekt ist, wenn sich die entsprechende Infrastruktur immer noch rasant verändert (ein Wesensmerkmal von neuen Entwicklungen). Eine Software galt vor drei, vier Jahren noch als sehr gut und zukunftsweisend – inzwischen droht sie, überholt zu werden und ihre Konvertierbarkeit in andere Formate ist wenn nicht gefährdet, so doch sehr aufwendig. Herbsts Theorie beschäftigt sich mit diesen Aspekten kaum. Was andere Blogger bis zum Exzess betreiben – die Beobachtung neuer und neuester Soft- und Hardware – vernachlässigt die Schrift zu Gunsten der literarischen Theorien. Aber vielleicht ist das Kokettieren mit dem »kleinen« in diesem Zusammenhang zu verstehen.
Alban Nikolai Herbsts »Kleine Theorie des Literarischen Bloggens« ist ein ergiebiges Buch. Und das nicht nur für den ambitionierten literarischen Blogger. Herbsts Gedanken zu Links (den versteckten und offenen; leider weniger zu den im Laufe der Zeit toten Links), die Analysen zur Rezeption von Blog-Texten, die Interaktionen zwischen Privatem und Öffentlichkeit, die mögliche Unterwanderung von festen (Markt-)Strukturen und die Chancen für einen Schriftsteller am Betrieb vorbei auch ökonomisch zu reüssieren, die Problematik bei der Speicherung diverser Blogs durch Literaturarchive – Beispiele für die Themenvielfalt dieses Buches und alles für jeden Blogger mit Gewinn zu lesen. Auch wenn man Herbst mit seinen Schlüssen nicht immer folgen kann (vielleicht dann umso mehr). Die Überarbeitung der Blogtexte ist ein zusätzlicher Anreiz, dieses Buch zu lesen. Man sieht danach vieles klarer und manches anders.
Die kursiv gesetzten Passagen sind Zitate aus dem besprochenen Buch. Zitate aus Herbsts Blog sind in Anführungszeichen gesetzt.
Ich habe mich das auch schon mal gefragt, warum es bei Herbst manchmal »Der Dschungel« heißt. Bin zu dem Schluss gekommen, dass es sich bei der Grundform »Die Dschungel« nicht um einen Nominativ Plural maskulinum, sondern vielmehr um einen Nominativ Singular femininum handelt, dessen Genitiv und Dativ Singular, sowie Genitiv Plural dann logischerweise »Der Dschungel« lauten muss. Die konsequente Großschreibung des Artikels, auch mitten im Satz, erschwert wohl ein intuitives Verständnis dieses Sachverhalts.
Pingback: Kleine Theorie des Literarischen Bloggens
Das ist eine sehr gründliche und faire Auseinandersetzung mit Herbst »Kleiner Theorie des literarischen Bloggens«, die ich mit viel Gewinn gelesen habe. Ich teile nicht alle Urteile (Insbesondere finde ich die Durchdringung von Realität und Fiktion nicht problematisch sondern reizvoll, zumal sie bei Alban Nikolai Herbst längst vor dem Projekt »Die Dschungel« Teil des künstlerischen Programms war.) Schade, dass die Auseinandersetzung über das (Un-)Wesen der Trolle und deren Funktion zwischen Ihnen und Herbst so persönliche Züge annimmt, was ich ganz unnötig finde. Hartmut Abendschein hat zur Funktion der Tolle in seinem Blog viel Lesenswertes geschrieben, das diese – im Grunde spannende – Debatte auf ein anderes Abstraktionsniveau heben könnte. ( ) . Ich glaube, dass die Einwände, die Sie und Benjamin Stein gegen die teilweise Ignoranz gegenüber der Software/dem Hoster und deren/dessen Beschränkungen vorbringen, berechtigt sind. Gleichzeitig verstehe ich aber, dass einer, dem es um das literarische Projekt zu tun ist, nur begrenzt Zeit in die technische Seite stecken kann. Ich selbst bin an einem – angedachten – Umzug meiner Seite zu wordpress – zunächst – gescheitert, weil ich die Zeit dazu nicht finde. Viele Grüße M.B./J.S.P.
Den Aspekt der Vertrollung habe ich selbst nie so richtig verstanden, womöglich weil ich selbst Troll bin und überall immer noch mal etwas hinzufügen muss? Ein bisschen Troll muss doch in jedem von uns stecken, andernfalls wäre ja nicht jeder Text eine Herausforderung und wir würden eher das Buch bevorzugen. Das passive Lesen wandelt sich in Aktivität und es ist interessant, mit diesem Beitrag den Übergang von einer bücherisch verfassten Literatur in eine Internet-Textsammlung zu verfolgen. Ob damit allerdings noch der Beruf des großen Literaten bestehen bleibt, fragt sich. Der Konkurrenzdruck ist enorm und die Blogger mit ihren Marketingstrategien setzen sich durch. Ein bisschen Dschungel ist also bei aller SEO-Optimierung wünschenswert. So habe ich auch in den Dschungel hineingelugt, muss allerdings sagen, dass ich mich in den Weiten des Netzes schnell wieder bei anderen Informationen verloren habe.
Danke jedoch für den Hinweis, ich habe diesen Blog jetzt schon etwas länger abonniert und bin immer froh über ausführliche Berichte :)
@Melusine Barby (aka J.S.Piveckova)
Jede Literatur ist letztlich eine Verquickung zwischen Fiktionalem und Realem, zwischen Protagonist(en) und Autor. Es ist zunächst einmal nicht besonders wichtig für den Leser, diese Linien bei der Lektüre zu ziehen oder zu beobachten. Erst in der (literaturwissenschaftlichen) Beschäftigung mit dem Œuvre wird es unter Umständen interessant, (auto)biografisches herauszuarbeiten und der Fiktion gegenüber zu stellen. Ein Weblog wie Die Dschungel spielt nun damit, dort würde man dem Schriftsteller über die Schulter bzw. auf die Feder sehen können. Das hängst auch damit zusammen, dass Blogs im allgemeinen als Bühnen für die eigene Darstellung gelten und – Achtung, Modewort! – authentisch seien. In gewissem Maße spielt Herbst mit dieser Aura der Authentizität. Menschen, die mit Literatur nicht oder nur unzureichend vertraut sind, werden die Eintragungen für bare Münze halten. Daran dürfte auch die Tatsache, dass Herbst immer auf dieses »Maskenspiel« hingewiesen hat, wenig ändern.
Ich vertrete nun die Ansicht, dass es für die ästhetische Qualität keine bzw. nur eine geringe Bedeutung hat zu wissen, was fiktional und was real ist. Der Drang nach Authentizität ist übrigens kein ausschließliches Phänomen der Masse. Gerade die Literaturkritik verwenden es als Feigenblatt für ihre Unfähigkeit bzw. ihren Unwillen, ästhetische Urteile zu treffen und zu begründen. Stattdessen klappern sie Bücher auf autobiografische Daten und Ereignisse des Autors ab und verfassen eine Art Übereinstimmungsbericht. Etwas langweiligeres gibt es eigentlich kaum. Aber die Kritik passt sich hier Krethi und Plethi und ihren naiv-dümmlichen Realitätsglauben an.
Es ist nun fast unvermeidbar, dass in einem 24-Stunden-Roman die Grenzen zwischen Fiktion und Realität laufend unterspült werden. Sie werden vielleicht, weil Sie Herbst persönlich kennen, einiges besser einschätzen können und dabei ist es dann möglich, schärfere Abgrenzungen zu treffen. Solange aber das Werk im Fluss ist, ist eine solche Auseinandersetzung für den Leser fast unmöglich. Er ist gehalten, sich an den Realitäten zu orientieren, die er als solche zweifelsfrei identifizieren kann: Herbsts Ruge-Kritik beispielsweise (die ich für exzellent halte) ist real. Das ein oder andere Hörspiel ist real. Die Bücher, die er geschrieben hat, sind real. (Selbst hier könnte der Einwand kommen, dies habe jemand anderes geschrieben, der sich ANH nennt – das will ich mal ausschließen.) Andere Ereignisse, wie der Besuch eines Gerichtsvollziehers oder auch einfach nur die Schilderung eines Abends an der Bar sind für den Leser nicht als reale Ereignisse zu identifizieren. Vielleicht gab es den Barbesuch wirklich, aber Herbst hat die Gespräche erfunden. Vielleicht gab es aber auch nur die Gespräche – allerdings in einem Café am Nachmittag.
Für die Masse der etablierten Kritik ist es ähnlich wie für den »normalen« Gelegenheitsleser: Er ist mit dieser Form schnell überfordert. Die Dschungel ermöglicht es nicht (oder kaum), ein Urteil nach den inzwischen üblichen Kriterien abzugeben. Hieraus rührt meines Erachtens ein Teil der Aggression, die Herbst von den Trollen entgegenschlägt, und die er – aus unerfindlichen Gründen – zur Inspiration heranzieht.
Vielleicht ist meine Sicht klar geworden: Es ist für die ästhetische Wertung letztlich unerheblich, ob das, was Herbst schreibt, tatsächlich existent ist (bzw. war) oder nicht. Zum einen ist der »richtige« Leser kein Voyeur. Zum anderen kann er eine Entscheidung über den »Wahrheitsgehalt« gar nicht treffen. Insofern ist aber die Aussage, dass Herbst Fiktionales mit Realem vermischt, per se auch nicht besonders »reizvoll«. Problematisch ist sie für mich nur, weil sie suggeriert, es wäre für den Leser eine Erweiterung des Horizonts. Ich muss aber eigentlich nur einmal gelesen haben, dass diese Mischung existiert (das Verhältnis variiert und bleibt unbekannt). Danach lese ich das Geschriebene automatisch zumindest mit der jeweiligen Möglichkeit des Fiktionalen. Hierin liegt eventuell ein Reiz. Aber nur dann, wenn man versuchen würde, diesen fiktionalen Anteil herauszufinden. Würde man dies tun, wäre man sofort wieder der Falle – siehe oben.
Ich stimme mit Ihnen überein, dass jede Literatur mit dem Verhältnis zwischen Realität und Fiktion spielt. Allerdings habe ich selbst weniger fixe Vorstellungen davon, was »Realität« bzw. »Fiktion« sei. Daher denke ich auch, dass der Begriff »Maskenspiel« hier nicht recht passt, denn er setzt voraus, dass unter der Maske das »Echte« steckte. Herbsts Texte sind indessen auch schon vor seinem »Erscheinen im Internet« als »postmodern« bezeichnet worden. Etiketten sind immer problematisch. Doch es ist sicher richtig, dass Identität bei Herbst stets als konstruierte erscheint. Hierbei besteht grundsätzlich kein Unterschied zwischen »Realität« und »Fiktion«. Auch unsere »reale« Identität (besser: unsere Identitäten) ist eine konstruierte. Es ist daher in der Tat die Frage danach, was »real« bzw. »fiktiv« sei, ästhetisch völlig belanglos. Wenn Leser:innen sich dies tatsächlich fragen, so lesen sie die Texte in »Die Dschungel« eben nicht als Literatur. Dazu kann sie auch keiner zwingen. Der Autor kann aber darauf beharren, dass sie als solche – und nichts anderes – von ihm gedacht sind (und er sich folglich, da er kein Pädagoge ist, um andere Lesarten nicht kümmern braucht).
Schon der klassische Briefroman behauptet von einem fiktiven Herausgeber, er sei real. Und anonym veröffentlichende Autorinnen behaupteten fiktive Figuren zu sein. Das ist nichts Neues. Das Netz eröffnet nun die Möglichkeit, dass die »Fiktionäre« miteinander unmittelbar ins Gespräch kommen. Wunderbar, finde ich. Es wird die Literatur sich vielleicht durch das Netz so ändern, wie sie es durch den Buchdruck tat (ohne den der »Roman« beispielsweise undenkbar wäre).
@J.S. Pivecka aka Melusine Barby
Ihren Enthusiasmus über die Veränderung von Literatur durch das Netz vermag ich nicht zu teilen. Herbsts Blog zeigt ja gerade die Begrenztheit dieser Entwicklung – eben durch die Trolle, aber nicht nur deswegen.
Wenn Sie sich die Mühe machen, die Kommentatoren (und auch Trolle) über die Jahre zu verfolgen, werden Sie feststellen, dass es nur einen relativ Kreis von Personen gibt, die dort in einer gewissen Frequenz kommentieren. Ansonsten herrscht ein Kommen und Gehen (etwas, was ich übrigens auch in meinem Blog feststelle – das ist kein Vorwurf). Sehen wir einmal davon ab, dass einige ihre Pseudonyme verändern oder gar mehrere haben. Leser sind sprunghaft; sie werden dem Neuen relativ schnell überdrüssig. Ich sehe es bei mir: Die Möglichkeit, mit den Fiktionären »unmittelbar ins Gespräch« zu kommen, übt auf mich ziemlich schnell nur noch einen sehr geringen Reiz aus – etwa vergleichbar damit, wenn Zuschauer eines Theaterstückes plötzlich mit den Protagonisten auf der Bühne interagieren sollen.
Zum einen existiert eine gewisse Hermetik (der zweite Grund für etliche dieser Trollereien neben dem bereits angesprochenen Neid). Zum anderen werden die redundanten Formen, mit denen Alltäglichkeit gezeigt (oder auch nur simuliert wird), schnell ermüdend.
Vielleicht ist es aber so, wie Sie es mit Ihrer Schlußbemerkung andeuten: Der Roman war bis zum 19. Jahrhundert auch kein Massenmedium, sondern vorher ausschließlich bestimmten Kreisen vorbehalten. Das aufkommende Verlagswesen hat erst dazu geführt, dass Bücher preiswert hergestellt werden konnten (freilich um den Preis einer gewissen Trivialisierung des Genres). Was das Internet angeht, sehen wir dessen Kraft vor allem in repressiven Gesellschaften. Weshalb all die von mir angesprochenen Paradies-Prognosen diverser Internetgurus verpufften.
Die Trivialisierung des Genres vermag ich nicht zu sehen, im Gegenteil hat der Roman zu seiner speziellen Fähigkeit überhaupt erst mit der, sagen wir, Demokratisierung des Verlagswesens gefunden, und die größten Romane sind zur vorletzten Jahrhundertwende und danach erschienen: da erst fingen sie an, sich vom Realismus des »einfachen« Erzählens zu lösen – bis zu den Größen in Ada or Ador, Ulysses, Gravity’s Rainbow und anderen. In dem Moment, in dem dem Roman ein gesellschaftlich bestimmter Auftrag verlorenging, wurde er autonom. So hat die Zukunft des Internets und der Künste in ihm sicherlich wenig mit den Glücksvisionen der Gurus zu tun, aber sehr wohl und sehr viel mit einer Entwicklung in den Formen.
Dies das eine.
Das andere:
Daß in Der Dschungel die Redundanz der Alltäglichkeit schnell ermüdend wirke, dem widersprechen meine Statistiken. Alltägliches wird in Der Dschungel ausschließlich im »» Arbeitsjournal, sowie, von anderen Beiträgern, im »» Tagebuch erzählt. Genau das Arbeitsjournal ist es aber, auf was die meisten Leser abonniert sind, genau dieses Kapitel Der Dschungel zieht 1/3 aller täglichen Erstzugriffe auf sich, indes etwa Google fast immer nur über die Hauptsite hereinkommt. Ich kann sehr gut verfolgen, wie dann im Arbeitsjournal gelegten Links gefolgt wird, so daß die Leser, wenn ich es entsprechend anlege, schließlich auf die Hauptsite oder in die anderen Kapitel geführt werden, unabhängig davon, ob die darin stehenden Beiträge auf der Hauptsite erscheinen oder jemals darauf erschienen sind. Was ich damit sagen möchte, das ist, daß auch das Literarische Weblog eine dramat(urg)ische Leserführung kennt, ganz ähnlich dem, wie man das auch für einen Roman konstruiert.
Als ich einige Zeit lang wirklich täglich sehr frühmorgens das Arbeitsjournal geführt hatte und dann die Regelmäßigkeit unterbrach, gingen nicht wenige Anfragen in meinem offiziellen, von Daniello verwalteten Email-Account ein, ob ich gesund sei, ob etwas geschehen sei usw. – von Lesern, die ich gar nicht kannte, jedenfalls kannte ich die Absendernamen nicht. Ganz offenbar führt solch ein mit – ob realen oder fiktiven – Alltagsbegebnissen gespeistes Journal zu einer starken Form der Leserbindung.
Litblog 133 a]
und scheuklappige Theorien fordern Widerspruch heraus, welcher vom Herrn Ribbenherbst dann blitzschnell als »Trollerei« gelöscht wird. Als Aufreger wird dann noch lange über »die Trolle« an sich schwadroniert.
Stellt Herbst mit seiner Dschungel Anderswelt nicht die Frage nach der Beziehung von Leben und Kunst (für das Selbstverständnis eines Künstlers sicherlich bedeutend)? Ein altes Thema, durchaus von ästhetischer Relevanz – und beantwortet Herbst sie nicht dahingehend, das Kunst und Leben eins sind (eine Antwort, die natürlich schon andere gegeben haben, aber die Art, das »Wie« ist möglicher Weise neu)?
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Wer kann das in Anbetracht von begrenzten Zeitressourcen dauerhaft und in gebotener Stringenz (Binnenverlinkungen!) verfolgen?
Ist das nicht Teil des Konzepts, das Nicht-mehr-verfolgen-können?
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Eine Frage, die ich gerade nicht beantworten kann, die sich aber aufdrängt: Der Leser konstituiert seine Leseerfahrung immer schon mit – was wäre also tatsächlich neu? Nur eine quantitative Dimension?
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»Wer denken kann, daß jede Möglichkeit sei, weist den Vorwurf der Beliebigkeit ab. Beliebig ist vielmehr das Erzählprodukt eines sogenannt realistischen Erzählens, das mit seinem Thema und der scheinnaturalistischen Struktur seiner Chronologie alles folgende s e t z t, dessen A u t o r also es setzt. Die Möglichkeitenpoetik streicht dessen (bestimmt) Intentionen durch und folgt allein den möglichen Wegen, die eine Erzählung nehmen kann, folgt möglichst a l l e n. [...]«
Was natürlich nur gilt, wenn man nicht entscheiden kann, will oder annimmt es sei nicht möglich, eine Setzung zu treffen – man kann das durchaus auch umgekehrt sehen.
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Eine (wieder einmal) sehr ergiebige, aufwändige und interessante Besprechung!
Widerspruch, der argumentiert, ist von mir noch niemals gelöscht worden, nur solcher, der hämt; und selbst davon habe ich zahllose stehenlassen. Wenn man dem Link folgt, den Sie zu Ihrem Namen angegeben haben, und wenn man Ihren Umgang mit meinem Namen liest (Ribbenherbst), wird umgehend klar, daß Sie auch gar nicht bereit sind zu argumentieren. Selbst das aber ist in Gerenzen tolerabel, weil nicht jeder Mensch die Fähigkeit mitbekommen hat, argumentativ zu diskutieren; auch der Ausdruck ungefähren Unbehagens kann sein Recht haben. Das hört allerdings bei der Beleidigung anderer entschieden auf.
Mit dem Autor dieser Site hier bin ich übrigens heftig aneinandergeraten, weil mir gerade vorgeworfen wurde, daß ich jahrelang n i c h t löschte, wo es nach allgemeiner Auffassung längst geraten war.
[Von A. N. Herbst per Mail um 20.06 Uhr übermittelt, da Kommentarversuche seinerseits technisch scheiterten. G. K.]
@Peter Hartz
Ihre Einlassung ist von wenig Sachkenntnis, dafür um so mehr Ressentiment geprägt. Es geht mir, wie Herbst ausführt, nicht darum, dass er Troll-Kommentare zu viel bzw. zu schnell löscht, sondern eben gerade darum, dass er darauf noch eingeht. Wie er es beispielsweise mit Ihrem Kommentar gemacht hat, den ich eigentlich aufgrund des unzulässigen Wortspiels mit seinem Namen gelöscht hätte.
Wenn Sie etwas Substanzielles zu sagen haben – gerne. Ansonsten: Schweigen.
@metepsilonema
Eine Frage, die ich gerade nicht beantworten kann, die sich aber aufdrängt: Der Leser konstituiert seine Leseerfahrung immer schon mit – was wäre also tatsächlich neu? Nur eine quantitative Dimension?
Neu ist, dass es praktisch durch die Binnenverlinkungen (aber nicht nur durch diese) eine Art von dritter Dimension gibt. Das habe ich bei der Lektüre des Buches bemerkt – ich suchte die Links, die hinter den Worten liegen oder liegen könnten. Aber es gab sie natürlich nicht. Hier hat die Leseerfahrung des Blogs das Lesen des Buches sozusagen schon überlagert.
Der neue Leser kann zunächst gar nicht anders, als daran zu denken, dass der Erzähler des Arbeitsjournals identisch mit Herbst ist (zumal es ja auch erwähnt wird). Er bringt nun seine Erfahrungen mit der Lektüre ähnlicher Prosa ein – und stellt sie dem sozusagen gegenüber. Auch wenn er geübt ist, wird er immer zunächst ein bisschen Voyeur sein (wollen). Es bleibt aber völlig unabhängig davon die Frage, was daran wichtig ist, ob das Frühstücksei am XX.YY.1950 bei Thomas Mann zu weich war oder wieviel Latte macchiato Herbst 61 Jahre später getrunken hat.
@Herbst #7
Zu Goethes Zeiten wurde die Theaterstücke von Kotzebue gelesen und aufgeführt – nicht die von Goethe. Da galt der »Roman« in weiten Kreisen noch als unschicklich und/oder voluminös. Dann hatte er erbaulich zu sein. und natürlich gab es immer welche, die sich diesen Setzungen widersetzt haben – in der Regel sind das diejenigen, wie wir heute Klassiker nennen. Ende des 19./Anfang des 20. Jahrhunderts wurden dann die (später) großen Verlage gegründet; bspw. S. Fischer. Schon früh wurden die anspruchsvollen Programme mit Massengeschmack garniert; die Verkaufserfolge eines Thomas Mann blieben eher die Ausnahme. Die Quersubventionierung war früh erfunden.
Zu Ihrem Blog: Ich glaube Ihnen gerne, dass die Zugriffszahlen steigen bzw. stark über das Arbeitsjournal eine gewisse Gewohnheit erzeugen. Das ist aber nur ein Teil Ihres Projekts und zumeist relativ schnell zu lesen. Auf Facebook gibt es Menschen, die ihren Tagesrhythmus immer wieder posten und sogar abends ein Foto Ihres Essens ins Netz stellen. Sie haben auch fast immer ihre »Gefällt mir«-Klicks; sehr häufig von wechselnden Personen. Ich stehe (bzw. stand) erstaunt vor einem solchen Phänomen.
Ich will Ihnen Ihren Erfolg nicht streitig machen. Insofern habe ich vermutlich zu stark von mir auf andere geschlossen.
Die Einlassung Peter Hartz’ ist von gar keiner Sachkenntnis getragen, das ist schlichter Unsinn.
Ich möchte Ihnen gegenüber meine Enttäuschung darüber ausdrücken, werter Herr Keuschnig, dass Sie seriöses und, den Umständen geschuldet, entsprechend gehaltenes Informationsangebot mit unwirscher Handbewegung vom Tisch fegten und ihm darüber hinaus mit abwertender Zunge eine Verkindlichung anzupinseln versuchten.
Im Gegensatz dazu lese ich hier, wie handzahm Sie zu unsubstantiiertem Vorwurf und Beleidigung gegenüber Dritten Stellung nehmen (»Ansonsten: Schweigen«)
Ich erwarte von Ihnen einen ernstzunehmenden Ausdruck der Korrektur Ihres unlängst andernorts formulierten und gänzlich unhaltbaren emotionalen Urteils mir gegenüber.
Abschließend noch eine Anregung zur Gestaltung Ihrer Website, die ich, nebenbei bemerkt, als vorzüglich gelungen wahrnehme: eine »Vorschau« auf einen abzusendenden Kommentar wäre ein keineswegs als überflüssig anzusehendes Merkmal der Benutzerfreundlichkeit.
@Kienspan
Sorry, Herr Kienspan, was Sie »erwarten« ist Ihr Anliegen. Nicht meines. Ich habe mehrfach artikuliert, dass ich Angebote wie ‘wenn Sie mehr wissen wollen, können Sie mich per E‑Mail kontaktieren’ nicht besonders schätze – besonders wenn sie in der Öffentlichkeit ausgesprochen werden. Noch deutlicher: Ihr »Informationsangebot« hat mich nicht interessiert. Weil ich – ich sage es zum dritten Mal – möglichst nicht in die Szene involviert sein möchte. Was ist daran so schlimm? Inwiefern Sie hieraus ein Urteil gegenüber Ihre Person ableiten, ist auch nicht mein Problem.
Wie ich hier mit Leuten verfahre, möchten Sie bitte auch mir überlassen. Ich hätte den Beitrag vermutlich gelöscht, wenn Herr Herbst nicht darauf geantwortet hätte. Das hatte ich aber auch geschrieben. Im übrigen soll die beste Reaktion auf Trolle die der Ignoranz sein.
@Keuschnig
Ich leite aus Ihrer Antwort auf meine Aufforderung die Legitimation ab, den Mangel an Satisfaktionsfähigkeit Ihrer Einlassung andernorts auf Sie persönlich zu übertragen.
Guten Tag.
Es tut mir leid, aber diesen Satz verstehe ich leider nicht. Es raunt mir eine Drohung entgegen, aber ich weiss noch nicht einmal warum.
@Gregor
Man kann etwas Vergleichbares auch auf dem Papier bzw. in Buchform erreichen und Textteile, Abschnitte, Kapitel, so anordnen, dass der Leser sich seinen Pfad selber suchen muss. Natürlich ist das nicht dasselbe wie Verlinkungen im Netz oder auf einem Blog (einerseits erschwert ein Link die Verortung [es bleibt eine Art Unschärfe, man blättert nicht], andererseits kann man das Spiel viel weiter treiben) – aber ist das ein prinzipieller Unterschied?
Dass Fiktion und Realität sich im Netz besser verschmelzen lassen, klar, es stehen verschiedene Medien zur Verfügung, »unbegrenzter« Raum, eine beständige Weiterführung ist möglich und eine Spannung zwischen Ferne (Unerreichbarkeit) und Nähe.
@Keuschnig
Ich ersuche Sie höflichst, meine Anmerkungen zu löschen.
Sie wurden gegenstandslos.
Aus den sprachlichen Schnörkeleien des Kienspan ist der Wunsch nach einer Kommentarvorschau herauszulesen. Derlei ist freilich nicht ohne Tücken und nicht zwangsläufig eine Verbesserung der Benutzerfreundlichkeit. Zudem zeigt die empirische Erfahrung, daß sogar erweiterte Eingriffsmöglichkeiten (wie die nachträgliche Editierbarkeit abgegebener Kommentare für einen einstellbaren Zeitraum) faktisch kaum wahrgenommen werden: Wer auf Gediegenheit in Sprache und Ausdruck Wert legt, kriegt einen fehlerfreien Kommentar auch so hin, wer schmerzbefreiterweise so drauflostippt, wie ihm die Finger gewachsen sind, nimmt später ohnehin keine Korrekturen mehr vor...
Dessen ungeachtet möge sich der Hausherr den Vorschlag überlegen, ein entsprechendes Plugin testhalber einzubauen wäre ja keine große Sache und bremst die Performance nicht übermäßig aus!
@Gregor Keuschnig:
Ich habe Dir hier mal schnell ein schnörkelloses Plugin zur Kommentar-Vorschau installiert, welches unter dem »Kommentar abschicken«-Knopf schon während des Tippens eine dynamisch generierte Vorschau liefert. Funktioniert tadellos, es bleibt indes fraglich, ob auch jeder Kommentator sieht, was da unterhalb des Texteingabefensters abgeht. Immerhin, man sieht das Konzept jetzt in Funktion und muß nicht groß herumtheoretisieren: Ich bitte um Evaluation und anschließende Entscheidung!
@Ralph Stenzel
Ich möchte widersprechen: Ich habe über Jahre hinweg sehr gut Erfahrungen mit der Möglichkeit einer Kommentarvorschau gemacht und sie immer genutzt, gerade weil mir Fehlerfreiheit und sprachlicher Ausdruck wichtig sind – man sieht dann sozusagen wie der Kommentar aussieht, wenn er abgeschickt wurde, er kann aber noch korrigiert werden (ich kenne die Vorschau also nur nicht-dynamisch).
So wie es jetzt aussieht, ist es auch sehr praktikabel, ev. wäre es aber noch besser der Kommentar erschiene oberhalb des Tippfensters (?).
[Ich bemerke gerade, dass in der Vorschau Leerzeilen verschluckt werden.]
Der Chef mochte schon früher keine Vorschau haben, mit meiner vorhinnigen Rumschrauberei handelte ich ohne sein Wissen und ohne seinen Auftrag. Wenn er nun verfügt, daß die Sache wieder rauskommt, dann ist das Thema durch.
In die Diskussion der Vorschau-Plazierung steige ich nicht ein, aus dem von mir dazu bereits verlinkten Beitrag wird klar, daß alle Darstellungs-Optionen ihre spezifischen Vor- und Nachteile haben.
Die Leerzeilen-Verschluckerei in der jetzt implementierten Vorschau hatte ich auch schon bemerkt, die wirkt sich aber nicht auf das finale Ergebnis aus. Scheint am verwendeten Layout (»Theme«) zu liegen, in meinem Bürger-Blog werden die Leerzeilen in der Vorschau jedenfalls nicht unterdrückt (gleiches Plugin)!
Vorläufiges Fazit: Es bleibt entweder beim jetzigen Erscheinungsbild oder die Vorschau fliegt gänzlich wieder raus, der Hausherr wird es verkünden und ich es richten...
Noch zu dem Artikel aus der Süddeutschen: Ich habe bislang nicht daran gedacht Trolle in einer bestimmten politischen Ecke zu verorten, noch als (beinahe) dem Argument verbunden anzusehen (zumindest legen das einige Bemerkungen des Autors nahe). Ein Troll war für mich immer jemand der eine Diskussion bewusst sabotiert, der angreift und verletzen will und oft nur scheinbar seine Position vertritt. Dass sie ausdauernd sind, macht sie erst ärgerlich und gut, einsam mögen sie sein, jedenfalls fragt man sich manchmal warum sie sich eigentlich damit aufhalten. Anscheinend bereitet ihnen der Schaden, den sie anrichten Freude und Erleichterung.
Obwohl die Diskussion »off-topic« scheint, ist sie es nur zum Teil. Ralph und ich hatten die Vorschau-Möglichkeit zu Beginn schon einmal diskutiert. Ich war eher dafür das Kommentarfenster zu vergrößern (über die gestrichelte Linie), was ich aber selber so gut wie gar nicht praktiziere (einmal ist mir danach alles zusammengebrochen). Bei twoday gibt es ja so eine Möglichkeit überhaupt nicht. Naja.
Neulich habe ich bei Benjamin Stein kommentiert. Er bietet die Möglichkeit, seinen Kommentar 45 Minuten lang zu korrigieren, zu ergänzen bzw. theoretisch auch zu kürzen. Wenn generell wenig kommentiert wird, ist das hilfreich. Ansonsten ist vielleicht schon eine Antwort eines anderes formuliert wenn jemand an seinem Kommentar feilt. Ich will damit sagen: Wem will man es am Ende recht machen?
Mich stört beispielsweise, dass das Kommentarfenster suggeriert, ich könne es selber bearbeiten und nicht explizit als Kommentarfenster ausgewiesen ist. Die Nummer ist mit #1 angegeben. Die Linksetzung oben zu »Turmsegler« wird zwar angezeigt – als Link erscheint aber zunächst die URL des Beitrages dieses Blogs – dann erst »turmsegler.net«. man löst ein Problem, schafft aber zwei, drei andere.
Dennoch: Ich lasse es zunächst einmal stehen.
@metepsilonema
Ich bekenne mich unkundig, was politisch motivierte Trolle angeht, da ich diese Webseiten entweder nicht besuche oder diejenigen, die ich besuche, moderiert werden (FAZ) oder zensiert (Die Zeit). Ich bin auch nicht so sicher, ob der Autor des Artikels in der SZ nicht den Begriff des Trolls allzu großzügig verwendet. Er subsumiert den »Flame-War«, der zumindest rudimentär bei der Sache bleibt gleich mit unter Trollerei. Herbst verwendet – meines Erachtens zutreffend – häufiger den Begriff des »Stalkings«.
@metepsilonema – Ergänzung
Hier gibt es eine Art Studie, in der 10.000 Kommentare aus dem Spiegel-Online-Forum zur Zeit des Fukushima-Reaktorunfalls im März untersucht wurden (pdf). Bei allen m. E. problematischen Feststellungen (beispielsweise ist nicht genauer untersucht, wenn Kommentare in »Mischform« auftreten, d. h. beleidigend und ironisch faktenbezogen) ist es dennoch interessant zu lesen.
Danke für den Link. Wenn ich etwas Zeit finde, sehe ich es mir an.
Ich denke, für die Feststellung, dass jemand trollt, ist die politische Gesinnung nicht von Nöten (die Trollerei kann politisch motiviert sein, muss es aber nicht).