Am Ende seines Buches über »Jugoslawien und seine Nachfolgestaaten 1943–2011« knüpft Holm Sundhaussen, Professor für Südosteuropäische Geschichte an der Freien Universität Berlin und Co-Direktor des Berliner Kollegs für vergleichende Geschichte Europas, an seine Bemerkung vom Anfang an: Nicht »die Geschichte« ist es, die sich wiederholt. Der Mensch wiederholt sich. Dies sei die wichtigste Lehre, die die Geschichte für uns bereithält.
Tatsächlich möchte man sich nach 517 Seiten detaillierter, aber keinesfalls ermüdender Schilderungen über den zweiten jugoslawischen Staat und dessen Zerfall bis zur Jetztzeit diesem Urteil anschließen. Sundhaussen legt dar, wie eine unheilige Allianz aus geistigen Impulsgebern, großen Teilen der politischen Elite und ihren Multiplikatoren sowie Nationalisten aus der Ferne das Land zerstörten und ein geistige[s] Klima stifteten, in dem die Errichtung des Nationalstaats als Ende der Geschichte gedeutet und der Einsatz von Gewalt als Mittel zum Zweck »sakralisiert« wurde. Dabei weist er darauf hin, dass die innerethnischen Beziehungen (etwa am Arbeitsplatz oder in der Nachbarschaft) von einer deutlichen Mehrheit der Bevölkerung Jugoslawiens noch bis Ende der 80er-Jahre als gut oder zumindest befriedigend und nur von einem kleinen Teil der Befragten als schlecht beurteilt wurden. Die immer wieder vorgebrachte Formel, Jugoslawien sei ein »künstlicher Staat« gewesen, nähert sich der Autor mit historischen Zuordnungen, die den Schluss nahelegen, dass etliche der Nachfolgestaaten Jugoslawiens mindestens ebenso »künstlich« sind. Irgendwann hatten die politischen und gesellschaftlichen »Eliten« Jugoslawiens kein Interesse mehr an diesem Land, so lautet kurz gefasst die These, die sich im Vergleich zum eher buchhalterisch klingenden Titel im nonchalanten Untertitel »Eine ungewöhnliche Geschichte des Gewöhnlichen« andeutet.
Sundhaussen versucht die Falle zu vermeiden, die sich Historikern bei der Betrachtung Jugoslawiens unweigerlich stellt: Die Geschichte vom Ende her zu schreiben. Sowohl eine deterministische wie eine voluntaristische Sicht sei möglich, wobei er klarstellt, dass der Zerfall Jugoslawiens keine mehr oder minder geradlinige und zwangsläufige Entwicklung, sondern ein Ergebnis eines verschlungenen Prozesses gewesen sei. Dennoch kann auch er nicht widerstehen, einzelne Punkte herauszuarbeiten, die wesentlich waren.