Kurz nach der Publikation seines Erstlingsromans »Menschenkind« 1979 hatte Josef Winkler einen weiteren Text für die Literaturzeitschrift »manuskripte« geschrieben und veröffentlicht. Er erscheint heute, nach mehr als 30 Jahren, »neu durchgesehen« vom Autor, erstmals als Buch. Aus »Das lächelnde Gesicht der Totenmaske der Else Lasker-Schüler« wurde »Wortschatz der Nacht«, was schade ist, denn der ursprüngliche Titel passte viel besser zu diesem kurzen, etwas mehr als 100 Seiten umfassenden Text. Charakteristisch für Josef Winkler handelt es sich um eine expressive, assoziative Suada, ein expressionistisch-schauriges Sprachkunstwerk – auch wenn man glaubt zu bemerken, dass die enorme Wucht der späteren Werke wie »Friedhof der bitteren Orangen« oder der meisterhaften Novelle »Natura morta« noch nicht ganz erreicht wird.
Dennoch ist man überrascht, dass viele der Motive aus Winklers Erzählungen und Romanen hier bereits aufleuchten. Da ist der Freitod der beiden 17jährigen Jakob und Robert, seinen »Seelenbrüder[n]«, die sich eines Tages an einem Kalbstrick erhängt hatten – an jedem Ende einer. Ein Ereignis, dass Winkler in zahlreichen Variationen bis heute immer wieder neu inszeniert; bis hin zur Deutung eines homoerotischen Verhältnisses zwischen den beiden Jungen. Da ist weiterhin die ins Traumatische stilisierte Szene des dreijährigen Josef, dessen »kinderlose Tante« ihn derart in die Höhe hob, dass er das Gesicht der toten Großmutter auf dem Totenbett im Detail sehen konnte. Da ist die nach einem Kruzifix scheinbar nachgebildete Form des Heimatdorfes. Und da ist natürlich diese unbändige Todessehnsucht des Erzählers, die gelegentlich auch (homo-)erotische Konnotationen trägt; eine Sterbenslust, häufig gegen den Ich-Erzähler selbst gerichtet und in immer wieder neuen Variationen von Tod, Freitod, Mord und Unfällen durchgeträumt und herbeiphantasiert.