Bemerkenswerte Sendung auf Ö3 mit Harald Schmidt und der »Frühstückerin« Claudia Stöckl1. Bemerkenswert aus zwei Gründen: Zum einen ist die Moderatorin sehr gut vorbereitet und schlagfertig (das ist sie fast immer, fällt aber bei jemandem wie Schmidt womöglich schwer). Und zum anderen wirkt Schmidt wirklich befreit, lästert über Gottschalk, der besser aufhören solle und hat Mitleid mit Markus Lanz. Am interessantesten die gelegentlich hervorblitzenden Insidereinblicke.
Schmidt hat, das wird hier deutlich, die meisten Protagonisten dieses, seines Business verachtet. Eigentlich verachtet er auch das Publikum, welches nur auf Affekte abzielt. Man ahnte das, jetzt weiss man es. Zweimal fällt wie eine Heilige der Name Ann-Sophie Mutter. Ich habe zwei oder dreimal Sendungen mit Schmidt gesehen, in der Mutter Studiogast war. Es waren Sternstunden von Schmidt – er schaute zu dieser Frau auf, sah es als Ehre, sie am Klavier begleiten zu dürfen (hier kann man das mindestens erahnen). Da wirkte etwas. Das Publikum störte dann bestenfalls nicht. Aber es war zu selten. Schade.
Link leider schon inaktiv; 36 Minuten, vom 23.2. ↩
Danke! Das ist sehr amüsant, ein bisschen traurig, und sehr erhellend.
Ich denke sowieso, Fernsehen wäre viel besser, wenn man öfter mal den Zuschauer vergäße. »Fuck the EU« – womöglich der gleiche gut-dass-es-mal-jemand-ausspricht-Effekt wie bei den Sarrazinisten.
Und dass der Empfänger die Botschaft bestimmt, haben ja jetzt noch die letzten Trottel-Kandidaten verstanden. Jetzt müsste man das Selbstverständlichste mal wieder weg- und und dem »Sendungsbewusstsein« mehr Platz einräumen.
Dass Schmidt fast alle verachtet hat, konnte man aber, meine ich, schon immer wissen / sehen – und es war sogar, wenn er in seiner Rolle gut war (es durchblitzen zu lassen), Teil davon. Aber noch besser war er eben, wenn es ihm doch um etwas ging. Dann nämlich war der eh blöde Rest umso offensichtlicher egal. Und das reichte meiste schon, um einmal herauszustechen aus dem professionalisierten aber toten Einheitsbrei des nicht umsonst so geheißenen Programms. Wer erwartet denn wirklich noch Sensationen im Zirkus?
Naja, Doktor D’s Traurigkeit habe ich auch gespürt wie eigentlich nie zuvor. Da ich kein sky habe, war Schmidt für mich verschwunden; Teile der Sendung im Netz zu sehen, hatte ich nicht gemacht. Er war immer noch als Möglichkeit da, obwohl es natürlich schon zu sat1- und ARD-Zeiten sehr viel Leerlauf in den Sendungen gab, was mir immer auffiel, wenn ich mal drei, vier Wochen hintereinander schaute. Geblieben sind dann die Highlights, die dann eben doch mehr waren als von vergleichbaren Sendungen. Am besten war er in »Schmidteinander« mit dem kongenialen Feuerstein, aber die guten Side-kicks hat Schmidt früher oder später alle verprellt und oft genug durch schlechte ersetzt.
Wenn man schon nicht die Sensation mehr im Zirkus erwartet – dann vielleicht nur noch den Absturz? Den Fehler?
Es geht mir durch den Kopf, dass dieser Mann vermutlich noch zwanzig Jahre lebt. Und da werde ich schon elegisch in Anbetracht dieses scheinbar für immer schweigenden Bärs. Vor allem wenn man all die anderen Mäuschen sieht.
Oder ist vielleicht das Fernsehen an seine Grenzen gestossen? Nicht in dem Sinn, dass es dieses Lagerfeuer nicht mehr gibt (nur noch im »Dschungelcamp« vielleicht noch für ein paar Jahre). Sondern derart, dass in der »Tagesschau« Angela Merkel immer noch mit »Angela Merkel CDU« untertitelt wird. Schmidt spricht das einmal an: Man muss um 20.15 Uhr noch Elton John erklären, damit auch wirklich alle mitkommen – aber genau das ist, was dann zu seiner selbsterfüllenden Prophezeiung wird: Irgendwann sitzen nur noch die Blöden vor der Kiste. Aber wo sind die anderen?
Er war ja garnicht immer gut, aber er hatte ja auch wirklich keine ernst zu nehmenden »Gegner«. Irgendwann – und das schon in den öffrechtlichen – merkte man es sehr deutlich, dass Schmidt das alles um ihn herum verachtete. Inklusiver seiner Verehrer in den Feuilletons, die glaubten, sich mit ihm über das Unterschichtenfernsehen erheben zu können. Ich habe den EIndruck, er verachtet jeden, der Fernsehen guckt. Er selbst guckt ja keins, er lässt gucken (für die Sendung). Ich tendiere dazu, im Recht zu geben: Fernsehen heute ist eine Blödmaschine.
Hier in Stuttgart habe ich ihn einige Male im Theater gesehen und da merkte man: Der fühlt sich im Fernsehen völlig unterfordert, der will was ganz anderes – und ist extrem furchtlos gewesen, was den eigenen Ruf angeht. Gegen die Profi-Schauspieler hat er oft schlecht ausgesehen, aber er hat trotzdem weiter gemacht – und mit diesem Unterschied gearbeitet. Das war oft sehr spannend. Und man merkte, dass er Pollesch (Autor / Regisseur) und einige der Schauspieler sehr, sehr bewundert.
Aber wie traurig ist das denn: In einem Bereich hoffentlich einen Haufen Geld verdient zu haben, wo man so ziemlich alles und jeden nicht ernst nehmen konnte.
Traurigkeit?
Der Zynismus kam ja, denke ich, daher, dass Schmidt so oder so auch „bedienen“ musste: nämlich ein Publikum, das, außer dem Willen, sich unterhalten zu lassen, egal womit, kein Thema, keine Gemeinsamkeiten mehr hat – außer, was die Konsensmaschine mutmaßlich so ausspuckte. Deshalb hatte ich irgendwann aufgehört, ihm zuzusehen: ich wusste oft gar nicht, worüber, über welche Sendung, welches Sportereignis, welche gerade BILD-aktuelle „Medienpersönlichkeit“ usw. er redete.
Was aber, glaube ich, noch schlimmer für ihn, H. S. selbst, ist, dass er auch bei seiner Theaterliebe und der Bewunderung für die Guten da wusste, dass selbst solche Leute wie Pollesch Mittäter wie Ohnmächtige sind, dass sie vermeintlich kunst-privilegiert auch nichts bewegen, dass sie außer in Eingeweihtenkreisen auch nichts bedeuten. Und dass auch diese „Kunst“ (die avanciertere Bescheidwisserei als Spiel für andere Bescheidwisser) irgendwie nur Zirkus, also traurig, nämlich bald wieder aufzufegendes Sägemehl, also vergeblich ist. Ich finde da steckt eine noch größere Traurigkeit. Sogar eine, die man Schmidt selber manchmal anmerkte, als Lustlosigkeit. Mit der Verachtung kam er schon klar. Aber dann wusste er zuletzt mit all seinen Möglichkeiten und all seiner Chuzpe nichts wirklich Positives dagegen zu setzen.
(Und, wie ich mal von jemand nahe seiner Produktionsfirma in Köln hörte, interessierte ihn nicht mal Geld. Außer, im Ranking mit anderen Abgehalfterten oben mithalten zu können, als letztlicher Ehrgeiz: Das kann einen schon traurig machen.)
Komischerweise spricht Schmidt ja nur von »Ironie«; die Frage nach dem großen Bruder Zynismus unterbleibt. Schmidt nimmt Bezug auf Jünger; »Sgraffiti«. Wenig später steht dort »Die Ironie verkümmert ohne das soziale Substrat«. Was einerseits den Drang zur Öffentlichkeit erklären könnte; einer Öffentlichkeit, die man dann verachtet.
Schmidt hätte reüssieren können mit einer Gesprächssendung von 30 Minuten pro Woche mit einem Gast, den er aussucht; einem Gast, den er verehrt, mag, schätzt.
»Die toten Augen von Hof haben mich da angeguckt aus 5000 Körpern.« (Minute 12:30)
Ein kleiner Hinweis, dass man bei Youtube die Aufzeichnung eines kürzlich in Wien (schon wieder die Österreicher) geführten Gespräches von Peter Huemer mit Harald Schmidt findet: https://www.youtube.com/watch?v=kJLjKEHoCRI Es dauert knapp zwei Stunden, aber es lohnt sich meiner Meinung nach, wenn man die Zeit und das Interesse dafür übrig hat, zum Schluss gibt es sogar noch ein paar (auch »freche«) Publikumsfragen an Schmidt. Eine Unterhaltung im besten Sinne, schade, dass so etwas nicht (mehr) im deutschen Fernsehen stattfindet.
Danke, Wolfgang B. Das ist wirklich beste Unterhaltung alleine schon wegen Schmidts »...uuuuuund«. Er ist und bleibt eine Rampensau. Interessant, dass er dann doch noch schauspielert (»Traumschiff«), aber dazu keine einzige Frage vorkommt.