In Thüringen hat die SPD beschlossen, mit der Linken und den Grünen eine sogenannte Rot-Rot-Grüne Koalition zu verhandeln. Trotz der prozentualen Einbusse von einem Drittel der Wählerstimmen (12,4% statt 18,5%) kam es nämlich auf die SPD an. Sie hätte die Koalition mit der Dauer-Regierungspartei CDU fortsetzen können – oder eben etwas Neues versuchen. Man entschied sich für den neuen Versuch. Eine Frage der Mehrheit war es nicht – beide Male hätte man exakt ‑1- Stimme über der Mehrheit.
Passiert ist natürlich noch nichts. Die Unken- und Empörungsrufe, dass 25 Jahre nach dem Mauerfall die Nachfolgepartei der Nachfolgepartei den Ministerpräsidenten stellen soll, sind verständlich, aber verfrüht. Zum anderen ist Ramelow auch nicht Wagenknecht oder Gysi. Sein Pragmatismus verströmt aus jeder seiner Aussagen, auch im Wahlkampf.
Mein Unbehagen ist dennoch greifbar, denn die Linke besteht nicht nur aus Ramelow. Einerseits. Anderseits jedoch müssen Wahlen in Demokratien auch manchmal Konsequenzen haben. Inzwischen hat sich das Gefühl eingeschlichen, dass unabhängig der jeweiligen Stimmenverteilungen das Resultat irgendwie gleich bleibt. Zwar wechselt in Hessen die CDU den Koalitionspartner gegen die Grünen aus und im Bund wurde die FDP durch die SPD ersetzt. Die Galionsfiguren sind allerdings geblieben. Bei den Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg gibt es aller Wahrscheinlichkeit nach keine Änderungen. Wer hier Protest gewählt hat (u. a. AfD), wird für die nächste Wahl bestärkt werden.
Und dann jetzt ein möglicher Machtwechsel in Thüringen. So komplex auch die Bedenken sind – es wäre ein Signal für die Kraft einer Demokratie. Es würde gezeigt, dass Wahlen Veränderungen zur Folge haben können. Es würde gezeigt, dass die Stimmen für Protestparteien verlorene, kontraproduktive Stimmen sind, weil sie genau das erzeugen, was sie vorgeben, verhindern zu wollen. Ein Rot-Rot-Grünes Bündnis, das die politische Landschaft der Bundesrepublik neu polarisieren wird, ist alleine deshalb schon wünschenswert, weil es die Denkzettelwähler zur Besinnung bringen könnte. Es ist ein Zeichen: Wahlen haben Gewicht, sie sind wichtig. In den 1970er Jahren glaubte man das. Warum nicht wieder?
Die Reaktivierung des Antagonismus aus den 70ern mag wünschenswert erscheinen, aber sehr viel »Kraftentfaltung« verspreche ich mir davon nicht. Jede Kraft, lehrt die neuere frz. Philosophie, ist schon gefaltet, sie erzeugt ihren Gegenpol gleich mit. Es bleibt eigentlich nur die Frage nach dem Stil (die »Wahl« des Stils), sprich: geht man beim Regieren von der Homogenität und der Norm aus, oder geht man von der Heterogenität und den Vielheiten aus. Regiert werden, muss in jedem Fall. Bei den Roten sieht es traditionell so aus, als ob »ein bisschen weniger« regiert wird. Nun, ein bisschen weniger im Vergleich zu...
Interessant wäre auf Bundesebene (Zukunftsmusik), wie eine linke Regierung ihr Außen definieren würde. Traditionell ist das ja die »Wirtschaft«, sprich zum Außen gehört der Teil der Wirtschaft, der nicht auf die Arbeitnehmer-Interessen abgestimmt ist. Zur Erinnerung: die letzte Außen-Definition war ja Ursache für den Bruch zwischen Schröder und Lafontaine. Letzterer hatte abweichende Vorstellungen davon, die er später in die Linke eingebracht hat.
Da liegt noch viel Arbeit vor den Partei-Strategen, bis man eine neuerliche Einigung herstellen kann.
Der eigentliche Knackpunkt für 2RG (Rot-Rot-Grün) im Bund liegt in der Außenpolitik. Hier sind große Teile der Linke zu weit weg vom realpolitischen Pragmatismus bspw. einer SPD (von den Interventionalisten, den Grünen, gar nicht erst zu reden). Mit den Ramelows und Bartschs ginge das sicherlich, aber mit den Kippings, Gysis und Wagenknechts geht das nicht. Ich sage jetzt schon für 2017 eine Neuauflage der bestehenden Koalition im Bund voraus (mit 2 Jahren Merkel, danach de Maizière als BK).