Wenn Qua­li­täts­jour­na­li­sten ope­rie­ren

Ich ge­ste­he frei­mü­tig bis ge­stern von der Exi­stenz ei­ner »Deut­schen Ge­sell­schaft Qua­li­täts­jour­na­lis­mus« nichts ge­wusst zu ha­ben. Die Mel­dung im Bran­chen­ma­ga­zin »Kress« über ei­nen Bei­trag des FAZ-Mit­her­aus­ge­bers Wer­ner D’In­ka hat mich auf die Spur ge­bracht. Im Band »Quo va­dis, Qua­li­täts­jour­na­lis­mus«, der als pdf her­un­ter­lad­bar ist, fin­det sich D’In­kas Bei­trag. Aus­ge­wie­se­ne Jour­na­li­sten­schüt­zer wie bei­spiels­wei­se Ro­land Ber­ger, Vol­ker Bouf­fier, Bernd Raf­fel­hü­schen, Jür­gen Fit­schen, Jens Weid­mann oder auch Götz Wer­ner er­klä­ren in zu­wei­len knap­pen wie ba­na­len Bei­trä­gen, wie wich­tig heut­zu­ta­ge Jour­na­lis­mus ist. So­gar Bahn­chef Rü­di­ger Gru­be fand zwi­schen den Tarif­verhandlungen sei­nes Per­so­nal­vor­stands noch Zeit, ei­nen Text zu ver­fas­sen. Man fragt sich in An­be­tracht die­ser Zu­sam­men­stel­lung mehr denn je, wie schlecht es um das, was man ge­mein­hin »Jour­na­lis­mus« nennt in die­sem Land be­stellt sein muss, wenn es sol­che Lob­red­ner braucht.

Die heh­ren Be­kennt­nis­se die­ser Her­ren (es sind nur we­ni­ge Da­men) ha­ben in et­wa den Er­kennt­nis­wert ei­ner Sand­männ­chen-Sen­dung. Es kom­me nicht auf Klick­zah­len im In­ter­net an, weiß zum Bei­spiel Vol­ker Bouf­fier, der lei­der nicht schreibt, was er in sei­ner zu­ge­ge­be­ner­ma­ßen kur­zen Zeit im ZDF Ver­wal­tungs­rat da­für ge­tan hat, Kul­tur­pro­gram­me jen­seits der Ein­schalt­quo­ten­hö­rig­keit ins Pro­gramm zu plat­zie­ren. Fast je­der die­ser Fach­leu­te in Sa­chen Jour­na­lis­mus be­tont die Not­wen­dig­keit der frei­en Pres­se. In­ter­es­san­ter­wei­se wis­sen sie auch recht ge­nau, wie die­se aus­zu­se­hen hat.

Es lohnt kaum, auf die Tex­te nä­her ein­zu­ge­hen. Es wim­melt von rou­ti­niert vor­ge­brach­ten Be­schwö­rungs­for­meln – ei­ne Mi­schung aus End­zeit­stim­mung und trot­zi­ger Selbst­be­haup­tungs-Rhe­to­rik. Man ver­misst nur noch das Trans­pa­rent zum Aus­schnei­den, den Star­schnitt zur Pa­ro­le zum Be­kennt­nis des­sen, was man Qua­li­täts­jour­na­lis­mus nennt (ein Be­griff, der längst als ei­ne Art Su­per­la­tiv von Jour­na­lis­mus ver­wen­det wird).

Wer­ner D’In­kas Text sticht et­was her­aus. » ‘Wür­den wir uns von ei­nem Bür­ger­chir­ur­gen den Blind­darm ent­fer­nen las­sen?’ « ist er über­schrie­ben. Ei­ne Fra­ge, die D’In­ka im Text sel­ber wie­der­holt. Sei­ne Stra­te­gie ist schnell klar: Er lobt Blogs und den so­ge­nann­ten »Bür­ger­jour­na­lis­mus« zu­nächst als Be­rei­che­rung, grenzt dies je­doch vom »rich­ti­gen« Jour­na­lis­mus ka­te­go­risch ab:

»Die be­sten und geist­reich­sten Blog­ger sind ei­ne Art Ko­lum­ni­sten, die oft ori­gi­nel­le Sicht­wei­sen ver­tre­ten, aber sich nicht mit der Mü­he ernst­haf­ter Nach­rich­ten­ar­beit pla­gen und statt­des­sen das ab­schöp­fen, was Zei­tungs­re­dak­tio­nen ko­sten­los ins Netz stel­len.«

Blog­ger wä­ren D’In­ka zu­fol­ge – zu­ge­spitzt for­mu­liert, d. h. er ver­wen­det die­se Be­zeich­nung nicht – pa­ra­si­tär in Be­zug auf Jour­na­li­sten. Man kann dies durch­aus so se­hen. Was er al­ler­dings nicht er­wähnt: Auch der jour­na­li­sti­sche Re­dak­ti­ons­all­tag greift auf frem­de Quel­len zu­rück und macht da­von aus­gie­big Ge­brauch. Es sind die Nach­richtenagenturen, die als Ur­quell un­zäh­li­ger Mel­dun­gen die­nen und – je nach Aus­stat­tung der Re­dak­ti­on – ent­we­der nur mehr oder we­ni­ger un­ver­än­dert über­nom­men wer­den oder durch ei­ge­ne Aspek­te (mei­stens: Mei­nun­gen) er­gänzt wer­den. Tat­säch­lich wer­den die Nach­rich­ten­agen­tu­ren von den Re­dak­tio­nen zwar be­zahlt, aber auch der Blog­ger be­zahlt – in­di­rekt über die »De­mo­kra­tie­ab­ga­be« an die öf­fent­lich-recht­li­chen Me­di­en – die Agen­tu­ren. Es ist da­her kühn, dass, was die Zei­tungs­re­dak­tio­nen als Nach­rich­ten »ko­sten­los ins Netz stel­len«, als mü­he­vol­le Re­cher­che­ar­beit aus­zu­ge­ben.

Rich­tig ist: Blogs sind fast im­mer Mei­nungs­me­di­en, die eben auch Be­zug auf Meinungs­texten von Jour­na­li­sten neh­men. Dass die­se »ko­sten­los im Netz« ver­füg­bar sind, ist nicht den Blog­gern an­zu­la­sten. Ich sel­ber ha­be schon Tex­te, die nicht im Netz er­schie­nen wa­ren, im Blog kom­men­tiert. Und es fin­den sich zahl­rei­che Tex­te von Blog­gern und Bür­ger­jour­na­li­sten, die we­nig bis kaum Re­fe­renz auf be­reits Ge­schrie­be­nes neh­men.

D’In­kas Text ist aber vor al­lem in ei­nem an­de­ren Punkt in­ter­es­sant: Er malt nicht al­les in ro­sa­ro­ten Far­ben, son­dern be­klagt sehr wohl ei­ne »De-Pro­fes­sio­na­li­sie­rung« im zeit­genössischen Jour­na­lis­mus:

»Ich wun­de­re mich, wie leicht man­che Jour­na­li­sten be­reit sind, Hand­werks­nor­men über Bord zu wer­fen, die sich über Jahr­hun­der­te her­aus­ge­bil­det ha­ben und de­ren Be­deu­tung nie­mand ernst­haft in Fra­ge stel­len kann.«

Las­sen wir das Pa­thos (»über Jahr­hun­der­te«) ein­mal weg, zeigt sich, dass D’In­ka das Pro­blem durch­aus er­kannt hat:

»Da­zu zäh­len die Tren­nung zwi­schen Nach­richt und Mei­nung, die Selbst­ver­pflich­tung, Nach­rich­ten auf ih­re Her­kunft und ih­re Ver­läss­lich­keit zu prü­fen, Quel­len of­fen zu le­gen und das Ge­bot, zwi­schen pri­va­ten In­ter­es­sen und öf­fent­li­chen An­ge­le­gen­hei­ten zu un­ter­schei­den so­wie das Be­mü­hen, nach al­len Sei­ten Di­stanz zu hal­ten – und zwar nicht ‘mal’, son­dern Tag für Tag, Nach­richt für Nach­richt, in ei­nem sy­ste­ma­ti­schen Qua­li­täts­si­che­rungs­pro­zess.«

Da­mit ist der Sta­tus quo kon­zi­se und zu­tref­fend skiz­ziert. Aber auch D’In­ka macht den Feh­ler, die­sen buch­stäb­lich an je­der Ki­oskecke spür­ba­ren Ver­wahr­lo­sungs­pro­zess schuld­haft den neu­en Me­di­en bzw. dem Me­di­um In­ter­net an­zu­krei­den. Als sei es kau­sal, dass mit dem Auf­tre­ten von »Blog­gern« die Qua­li­tät der jour­na­li­sti­schen Pra­xis ge­fähr­det wä­re. Wird et­wa die Qua­li­tät ei­nes Re­stau­rants schlech­ter, wenn ge­gen­über ei­ne Piz­ze­ria auf­macht?

Statt den der­art ent­ste­hen­den »Wett­be­werb« an­zu­neh­men (streng ge­nom­men ist es für D’In­ka ja gar kein Wett­be­werb, da die Aus­bil­dung und Er­fah­rung des Jour­na­li­sten als der­art sin­gu­lär be­wer­tet wird, dass der Blog­ger al­len­falls als pu­bli­zi­sti­scher Was­ser­trä­ger wahr­ge­nom­men wer­den kann) wird der ver­meint­li­che Kon­kur­rent als Ver­ur­sa­cher für die Ver­fla­chung des ei­ge­nen Hand­werks aus­ge­macht. Das ist bil­lig.

Zwar ap­pel­liert D’In­ka durch­aus selbst­kri­tisch an den »Selbst­zwei­fel« des Jour­na­lis­mus, der die­sen vor der brä­si­gen Be­hä­big­keit, die schnell in Ar­ro­ganz um­schla­gen kann, be­wah­ren soll. Feh­ler müss­ten in der näch­sten Aus­ga­be kor­ri­giert wer­den. Aber wer stellt fest, wo die »Feh­ler« sind bzw. wa­ren? Im­mer noch klin­geln mir – um nur ein Bei­spiel zu nen­nen – die Oh­ren (bzw. flat­tern mir die Au­gen) wie die FAZ die Krie­ge um und in Ju­go­sla­wi­en kom­men­tiert hat­te. Wer hat je­mals die Par­tei­lich­keit des da­ma­li­gen Chef­kom­men­ta­tors (ei­nes Mit-Her­aus­ge­bers) auf­ge­ar­bei­tet? War­um gibt es ei­gent­lich bis heu­te kei­ne Selbst­ver­pflich­tung von Jour­na­li­sten, ih­re Ne­ben­tä­tig­kei­ten und (po­li­ti­schen) Zu­ge­hö­rig­kei­ten of­fen­zu­le­gen? Sie sel­ber for­dern Trans­pa­renz al­ler Or­ten – für sich neh­men sie je­doch groß­zü­gig Aus­nah­men in An­spruch. Es ist leicht ein­zu­ge­ste­hen, ei­nen Zah­len­dre­her oder ei­ne Na­mens­ver­wechs­lung be­gan­gen zu ha­ben. Schwie­ri­ger scheint es zu sein, sei­ne au­ßer­pu­bli­zi­sti­schen Ak­ti­vi­tä­ten dar­zu­le­gen. Aber wer sich als »Vier­te Ge­walt« be­greift, be­darf auch ei­ner Kon­trol­le – und sei es der durch die Re­zi­pi­en­ten sel­ber.

Kei­nen Hin­weis fin­det man in D’In­kas Bei­trag, wel­chen An­teil Ver­la­ge und Her­aus­ge­ber bei der so­ge­nann­ten Kri­se des Jour­na­lis­mus ha­ben. Wer legt denn die Lo­kal­re­dak­tio­nen still, so dass »Bür­ger­jour­na­li­sten« dort die kri­ti­sche lo­kal­po­li­ti­sche Be­richt­erstat­tung fast zwangs­wei­se über­neh­men müs­sen? Wie kommt es zu den Zu­sam­men­le­gun­gen von Zei­tun­gen nebst »Syn­er­gie­ef­fek­ten«? (Syn­er­gien – je­nes Zau­ber­wort der Öko­no­mie, das von der The­se lebt, dass das Gan­ze mehr ist als die Sum­me sei­ner Tei­le – sind hier fast im­mer Per­so­nal­syn­er­gien; vul­go: Ent­las­sun­gen.) Wer hat denn jah­re­lang ein Be­zahl­mo­dell des On­line­jour­na­lis­mus prak­tisch igno­riert? Und: Wie wer­den ei­gent­lich die frei­en Mit­ar­bei­ter der FAZ für ih­re or­dent­li­che Ar­beit be­zahlt?

Wie wä­re es, wenn sich »Qua­li­täts­jour­na­li­sten« we­ni­ger mit Durch­hal­te­pa­ro­len und Selbst­be­weih­räu­che­run­gen be­schäf­ti­gen wür­den, son­dern die von ih­nen so ve­he­ment ver­tre­te­nen Qua­li­täts­merk­ma­le ein­fach in ih­ren Tex­ten um­set­zen wür­den? In­so­fern hat der Au­tor schon recht, wenn er schreibt, dass vom Jam­mern al­lei­ne nichts bes­ser wird.

Är­ger­lich an die­sem Text ist der von D’In­ka pe­jo­ra­tiv ver­wen­de­te Be­griff des »Bürger­journalisten«. So man­che Jour­na­li­sten­iko­ne der Ver­gan­gen­heit hat­te nicht an­näh­rend die For­mal­qua­li­fi­ka­ti­on, die heu­te not­wen­dig sein soll, um ein Qua­li­täts­jour­na­list sein zu kön­nen. Und wie denkt D’In­ka ei­gent­lich über die Mas­se der eh­ren­amt­li­chen kom­mu­nal­po­li­ti­schen Amts­trä­ger, be­son­ders in länd­li­chen Krei­sen? Dort al­so, wo »Bür­ger­mei­ster« ein Eh­ren­ti­tel ist? Si­cher­lich, auch ein Bür­ger­mei­ster ope­riert nur in ex­tre­men Aus­nah­me­fäl­len. Das ha­ben sie mit Bür­ger­jour­na­li­sten ge­mein: Die Ope­ra­ti­on am »Blind­darm« wird Pri­vi­leg des Ärz­te­stan­des blei­ben. Glück­li­cher­wei­se. Hin­zu kommt näm­lich, dass ich auch von Qua­li­täts­jour­na­li­sten wie D’In­ka nicht ope­riert wer­den möch­te. Er weiss wohl nicht, dass der Blind­darm bei die­ser OP gar nicht ent­fernt wird. Aber die­ser Hin­weis nur so am Ran­de.


Er­gän­zung – 11.05.2015, 10.45 Uhr: Über die »Fest­schrift« auch im heu­ti­gen »Alt­pa­pier« von Frank Lüb­ber­ding.


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  1. Der El­fen­bein­turm, in dem D´Inka und sei­ne Qua­lit­äs­jour­na­li­sten sit­zen, ist im­mer noch recht an­ge­nehm mö­bliert. Igno­ranz, Fak­ten­un­ter­drückung und Lä­cher­lich­ma­chen sind nach wie vor kul­ti­vier­te Pri­mär­tu­gen­den in der Hel­ler­hof­stra­ße. Das ge­bets­müh­len­ar­tig vor­ge­tra­ge­ne Man­tra »Qua­li­täts­jour­na­lis­mus« er­in­nert zu­wei­len an »Des Kai­sers neue Klei­der«. Wenn in solch ei­ner Kri­se ein Blatt wie die FAZ sich im­mer stär­ker als halb­amt­li­che Pres­se­stel­le von NSA, Bun­des­re­gie­rung, TTIP, INSM, etc. ge­riert, darf es sich nicht wun­dern, wenn nach den Ge­set­zen des gern be­schwo­re­nen frei­en Mark­tes zu­se­hends die Kund­schaft aus­bleibt. Oh­ne Schirr­ma­cher fehlt mitt­ler­wei­le je­de ehr­li­che Selbs­ana­ly­se.
    Da spielt es dann auch kei­ne gro­ße Rol­le mehr, daß man sich ei­ni­ge li­be­ra­le Blog­ger oder Frau Kleist und Herrn Rie­ger lei­stet.

  2. Die Bei­trä­ge er­in­nern an ei­ne Fest­schrift, Wohl­wol­len und Kon­zi­li­anz an vor­der­ster Stel­le. Ei­ne selbst­kri­ti­sche Aus­ein­an­der­set­zung war ver­mut­lich nicht an­ge­zeigt. Lohnt es sich dann, den Her­ren (und we­ni­gen Da­men) die Kri­tik hin­ter­her zu tra­gen?!
    Ich ver­mu­te, die sog. »Jour­na­lis­mus-Ver­dros­sen­heit« (ana­log der sog. Po­li­tik-Ver­dros­sen­heit) ist in die Chef-Eta­gen ein­ge­sickert, und ver­lang­te nach ei­ner Re­ak­ti­on, so wie sie vor­liegt. Al­ler­dings ist die »kom­mu­ni­ka­ti­ve Re­le­vanz« höchst selbst­be­züg­lich, d.h. ef­fek­tiv gleich Null. Da­mit lässt sich kei­ne ge­samt­ge­sell­schaft­li­che Ent­wick­lung still­le­gen. Es ist ja streng ge­nom­men kein Miss­trau­en ge­gen ei­nen Be­ruf, son­dern ei­ne Skep­sis ge­gen­über dem Öf­fent­li­chen Dis­kurs. Viel­leicht ha­ben sich ja die »Er­war­tun­gen« an den Dis­kurs ver­än­dert, viel­leicht ist sei­ne Re­le­vanz ja ge­sun­ken. Die Über­pro­duk­ti­on der Bür­ger-Jour­na­li­sten mag da mit­ge­wirkt ha­ben. Aber der Ab­schwung von Po­li­tik und po­li­ti­scher Öf­fent­lich­keit geht si­cher Hand in Hand. Auch ein gu­ter Rei­ter kann aus ei­nem al­ten Gaul (Po­li­tik) nicht viel raus­ho­len. Ich glau­be, da ver­sucht das Estab­lish­ment uns zu ver­äp­peln. Die Pro­gres­si­vi­tät, die D’In­ka auch er­wähnt, wä­re sehr sehr ernst­haft zu prü­fen. Das wür­de ich je­den­falls der Be­schwö­rungs­for­mel ent­ge­gen set­zen: Mag sein, dass ihr (noch im­mer) sehr sehr »pro­fes­sio­nell« seid, aber pro­gres­siv seid ihr be­stimmt nicht. Spü­re ich da ei­nen Hauch von »Füh­rer­be­wusst­sein«...?! Co­me on!

  3. Der Be­griff Qua­li­täts­jour­na­lis­mus ist von Tei­len der Le­ser­schaft längst selbst pe­jo­ra­tiv um­ge­formt wor­den. An­ge­sichts ei­nes Kam­pa­gnen­jour­na­lis­mus, der et­wa auf dem Hö­he­punkt der Ukrai­ne­kri­se in den öf­fent­lich recht­li­chen Me­di­en oder De­bat­ten­or­ga­nen wie der Zeit fröh­li­che Ur­ständ fei­er­te, fühl­ten sich wei­te Tei­le des Pu­bli­kums, die durch das In­ter­net längst in­ter­na­tio­nal Me­di­en kon­su­mie­ren, zu­neh­mend für dumm ver­kauft und re­agier­te of­fen ver­är­gert. Die Mit­glied­schaf­ten deut­scher Al­pha-Jour­na­li­sten et­wa in trans­at­lan­ti­schen Thinktanks sind da­bei durch­aus be­kannt und bil­de­ten das Ein­falls­tor für die zum Teil bei­ßen­de Kri­tik an der Be­richt­erstat­tung. Recht­fer­ti­gun­gen, wie et­wa durch Ste­fan Kor­ne­li­us von der SZ, dass die­se Mit­glied­schaf­ten erst Hin­ter­grund­in­for­ma­tio­nen er­mög­li­chen, wa­ren da­bei we­nig über­zeu­gend, da die pu­bli­zi­sti­schen Er­geb­nis­se voll­kom­men er­wart­bar, al­so »auf Li­nie« wa­ren.

    Wenn dann noch Zei­tungs­ver­la­ge auf­grund wirt­schaft­li­cher Not zu Misch­kon­zer­nen mu­tie­ren und Markt­for­schungs­in­sti­tu­te, In­ter­net-Sin­gle­bör­sen, Kun­den­bin­dungs­pro­gram­me, Post­zu­stell­dien­ste, Rei­se- oder PR-Agen­tu­ren be­trei­ben, ist dies ein wei­te­rer Sarg­na­gel für das Ka­pi­tal der Zei­tun­gen: Glaub­wür­dig­keit. In­so­fern er­scheint mir das Be­schwö­ren von Qua­li­täts­jour­na­lis­mus eher wie das Pfei­fen im Wal­de.

  4. Ich kann mich noch gut dar­an er­in­nern, als die Brock­haus-Re­dak­ti­on ver­such­te die Wi­ki­pe­dia mit ähn­li­chen Vo­ka­beln als Strick­kurs an der Volks­hoch­schu­le dar­zu­stel­len. Die Ge­schich­te hat ge­zeigt, dass die (an­geb­li­chen) Lai­en in der La­ge wa­ren ein ins­ge­samt über­le­ge­nes Werk zu schaf­fen. Viel­leicht gibt es Pro­ble­me bei der Kon­si­stenz, der feh­len­den Ho­mo­ge­ni­tät und dem al­ler­letz­ten Fein­schliff im Wor­ding, aber ei­nen Brock­haus braucht heu­te si­cher nie­mand mehr.

    Ob das im Bür­ger­jour­na­lis­mus auch mög­lich ist? So wahr­schein­lich nicht, da der He­bel deut­lich kür­zer ist, aber an der Qua­li­tät muss das si­cher nicht lie­gen. Ich darf in Ih­rer Sa­che mal ein! Bei­spiel ge­ben. Die FAZ hät­te sich glück­lich schätz­ten kön­nen, Ih­re bei G&E um­sonst ver­öf­fent­lich­te Re­zen­si­on zu Esther Kin­skys »Am Fluß« (sic!) drucken zu dür­fen.

    Die Fra­ge wä­re, was heu­te die Auf­ga­be der Gate­kee­per, der Ver­mitt­ler zwi­schen dpa und Bür­ger ist. Ade­nau­er­scher Pa­ter­na­lis­mus, ulfkot­te­sche Alp­träu­me*, sprin­ger­sche ADHS-Pres­se oder Teil ei­ner plu­ra­li­sti­schen Öf­fent­lich­keit, die Ab­bild der Viel­falt ist.

    So deut­lich wie im Zu­ge der Kam­pa­gne wäh­rend des Ukai­ne­kon­flikts ist der feh­len­de Plu­ra­lis­mus bis­her wohl nie ge­wor­den, aber schon 1992 hat kei­nes der Leit­me­di­en dar­über be­rich­tet, was die Ame­ri­ka­ner Izet­be­go­vic nach Lis­sa­bon ins Ohr ge­flü­stert ha­ben. (Könn­ten Sie mir bit­te auf die Sprün­ge hel­fen, was Sie mit der Rol­le der FAZ ge­nau mei­nen?)

    End­gül­tig un­er­träg­lich wird die Ver­mi­schung wenn z.B. ein Jo­chen Bitt­ner gleich­zei­tig die von Stein­mei­er, Gauk und von der Ley­en dann pro­kla­mier­te neue deut­sche Au­ßen­po­li­tik mit­ge­stal­tet und dar­über in der Zeit be­rich­tet, als wä­re er Au­ßen­ste­hen­der mit kri­ti­scher Di­stanz. Bei der Wich­tig­keit des The­mas ein Of­fen­bah­rungs­eid.

    P.S. Sind Sie si­cher, dass Lo­kal­re­dak­tio­nen platt ge­macht wer­den? Bis­her war ich der Mei­nung, dass nur die über­re­gio­na­len Re­dak­tio­nen zu Man­tel­re­dak­tio­nen ver­klei­nert wer­den und der Lo­kal­teil häu­fig noch der ein­zi­ge Grund ist über­haupt noch ei­ne Zei­tung zu abon­nie­ren. Qua­si Cash­cow.

    * Ja, ich ha­be das in die Fin­ger be­kom­men und so­gar ge­le­sen, ein Ka­pi­tel für sich.

  5. Dan­ke für die­sen klu­gen Bei­trag, Herr Keu­sch­nig. Es soll­ten mehr Leu­te wie Sie für die FAZ schrei­ben. Aber Sie ar­bei­ten sich da an et­was ab, was doch so­wie­so nur noch ei­ne klei­ne Grup­pe von sta­tus­ängst­li­chen Men­schen, die den Schuß noch nicht ge­hört ha­ben, ernst neh­men. Der Be­griff »Qua­li­täts­jour­na­lis­mus« war doch schon längst tot (i. S. v.: in­halts­leer) als er erst be­gann, in ei­ner Pseu­do­öf­fent­lich­keit ei­ner ver­un­si­cher­ten Bran­che zu le­ben. Es gibt und gab und wird ihn ge­ben: gu­ten oder schlech­ten Jour­na­lis­mus. Mehr Un­ter­schie­de gibt es nicht. Und die­se Fra­ge wird im­mer wie­der zu je­dem FAZ-Ar­ti­kel, XY-Blog­bei­trag, Spie­gel-Re­port, Face­book-Post und Wan­ne-Eickel-Zei­tungs­be­richt am Ein­zel­fall dis­ku­tiert und be­wer­tet wer­den müs­sen. Punkt. Wer das nicht be­grif­fen hat, dem ist so­wie­so nicht zu hel­fen. Und zu D’In­ka selbst und ei­ner Ge­sell­schaft für Qua­li­täts­jour­na­lis­mus (von der ich nun auch zum er­sten Mal hör­te) kann man nur mil­de sa­gen: Da­hin­ter steckt halt im­mer ein grau­er Kopf.

  6. Vor­ab: ich mag D´Inka nicht, vor al­lem we­gen sei­ner Selbst­ge­fäl­lig­keit (und weil ich die FAZ, zu­min­dest ih­ren po­li­ti­schen Teil, längst als Re­gie­rungs­or­gan be­trach­te).

    Aber die The­se, dass Zei­tungs­in­hal­te na­he­zu aus­schließ­lich auf Agen­tur­ar­beit be­ru­hen, ist ha­ne­bü­chen. Das mag für den Man­tel von klei­ne­ren Re­gio­nal­zei­tun­gen gel­ten, aber selbst die ha­ben noch ih­re lokalen/regionalen Bei­trä­ge selbst re­cher­chiert.

  7. »...längst als ei­ne Art Su­per­la­tiv von Jour­na­lis­mus ver­wen­det wird...«
    Stel­len wir doch mal ’ne Hit­pa­ra­de auf:
    Top: Qualitäts‑J.
    Mit­te: Ge­mei­ner J.
    und der Rest ganz un­ten wo’s riecht: Bro­der, Fleisch­hau­er, Wag­ner, Al­ten­bockum...

  8. @die_kalte_Sophie
    D’In­kas Text hat ja auch durch­aus Po­ten­ti­al jen­seits der ri­tua­li­sier­ten Selbst­be­schwö­rung.

    @Teilzeitsarkast
    Ja, das »Pfei­fen im Wald« ver­neh­me ich auch. Ich fra­ge mich nur, wo­her die­se Furcht kommt, wenn doch das »Pro­gramm« der Nicht-Pro­fes­sio­nel­len so be­lang­los sein soll.

    @Joseph Bran­co
    Die FAZ bzw. ihr Mit­her­aus­ge­ber Jo­hann-Ge­org Reiss­mül­ler hat­te die Ju­go­sla­wi­en-Krie­ge sehr ein­sei­tig und ver­zer­rend pro-kroa­tisch und spä­ter pro-bos­nisch kom­men­tiert und die­se Kom­men­ta­re als Fak­ten aus­ge­ge­ben.

    Über das Schlie­ßen bzw. die Zu­sam­men­le­gung von Lo­kal­re­dak­tio­nen liest man im­mer wie­der, bei­spiels­wei­se hier, hier oder hier.

    @torsten
    Ich be­merkt, dass man von Nach­rich­ten­agen­tu­ren »aus­gie­big Ge­brauch« macht und das sie »je nach Aus­stat­tung der Re­dak­ti­on« als »Ur­quell un­zäh­li­ger Mel­dun­gen« die­nen. Von »na­he­zu aus­schließ­lich« ha­be ich nichts ge­schrie­ben.

  9. »we­ni­ger mit Durch­hal­te­pa­ro­len und Selbst­be­weih­räu­che­run­gen be­schäf­ti­gen wür­den, son­dern die von ih­nen so ve­he­ment ver­tre­te­nen Qua­li­täts­merk­ma­le ein­fach in ih­ren Tex­ten um­set­zen wür­den?«
    Ich ver­mu­te, das kön­nen die mei­sten gar nicht, man­gels per­sön­li­cher wie fach­li­cher Qua­li­fi­ka­ti­on. De­ren Wis­sen um das, über das sie schrei­ben (und lei­der auch ur­tei­len) ist oft so ha­ne­bü­chen ah­nungs­be­freit – man merkt es in je­dem Ar­ti­kel über ein The­ma in dem man sich selbst gut aus­kennt.
    Ich les in­zwi­schen nicht mehr (wie zu­vor jah­re­lang) täg­lich FAZ, SZ, Ta­ges­spie­gel und wö­chent­lich die ZEIT (der letz­te Aus­lö­ser war die Ukrai­ne-Be­richt­erstat­tung).
    Ich les in­zwi­schen im Netz die Sei­ten, die mit mehr brin­gen: zum Bei­spiel fe­fe und dann wei­ter in den in­ter­na­tio­na­len Links; die Nach­denk­sei­ten, ... So­gar der Po­stil­lon scheint mir oft nä­her an der Rea­li­tät, ja, an der ‘Wahr­heit’, als die »Qualitäts»dingens.

  10. Wirk­lich ei­ne be­ein­drucken­de An­samm­lung pu­bli­zi­sti­scher Frei­heits­kämp­fer. Ob da beim Ro­ta­rier­tref­fen die Li­ste rum­ge­reicht wur­de?

    Be­son­ders auf­schluß­reich fin­de ich auch, daß die »Deut­sche Ge­sell­schaft Qua­li­täts­jour­na­lis­mus«* sich so­gar ei­ne „Char­ta des Qua­li­täts­jour­na­lis­mus“ ge­ge­ben hat, die u. a. mit der bahn­bre­chen­den Er­kennt­nis »Jour­na­lis­mus lebt von sei­ner Glaub­würd­eig­keit und Ak­zep­tanz« auf­war­tet. Eben!

    Nett auch die von D‘Inka her­vor­ge­ho­be­nen Grund­tu­gen­den Selbst­zwei­fel – und die Be­reit­schaft, die ei­ge­nen Ste­reo­ty­pen und Vor­ur­tei­le im­mer wie­der zu über­prü­fen. Un­ge­nau­ig­kei­ten, Nach­läs­sig­kei­ten und Feh­ler soll­ten selbst­ver­ständ­lich in der näch­sten Aus­ga­be kor­ri­giert wer­den. Er­in­nert mich an ei­ne be­lie­bi­ge Ge­denk­fei­er im Bun­des­tag, in der je­der Satz vor Mo­ral und Reu­mü­tig­keit nur so trieft. Fehlt nur noch das gern be­müh­te Friedrichs´sche Cre­do.

    *Kann den Na­men Al­ten­bockum auf http://www.dgqj.de lei­der nicht fin­den.

  11. @kdm
    Ich glau­be schon, dass da Po­ten­ti­al ist, aber es hängt ein­dach auch da­mit zu­sam­men, dass sich Jour­na­li­sten ir­gend­wann für al­les zu­stän­dig füh­len und im Ak­kord­tem­po Ar­ti­kel zu al­len mög­li­chen The­men ver­fas­sen sol­len oder wol­len. Sie kön­nen dann Mei­nung und Fak­ten nicht mehr tren­nen und ver­quir­len dies zu ei­nem Brei, der ge­nau­en Nach­for­schun­gen oft ge­nug nicht mehr Stand hält.

    Die von Ih­nen ge­nann­ten »fe­fe« und »Nach­denk­sei­ten« sind aber auch nicht bes­ser. Das sind rei­ne Mei­nungs­me­di­en, die Ge­sin­nun­gen in Tex­te for­mu­lie­ren. De­ren ein­zi­ger Vor­teil ist, dass man hier kei­ne Aus­ge­wo­gen­heit und Re­cher­che­ak­ti­vi­tä­ten mehr ver­mu­tet.

    Jour­na­li­sten ge­ra­ten in ei­ne Zwick­müh­le: Im­mer mehr Re­zi­pi­en­ten wün­schen ih­re ei­ge­ne Mei­nung ab­ge­bil­det zu se­hen und sind dann ent­täuscht, wenn dies nicht der Fall ist. Dar­an ha­ben nicht nur die Jour­na­li­sten ei­ne Schuld (s. o.).

  12. @ Gre­gor. Wo se­hen Sie da ein »ge­wis­ses Po­ten­ti­al«? Kann ich über­haupt nicht er­ken­nen. Ich bin viel­leicht zu klein­lich, aber ich bin mit den Selbst­be­schrei­bun­gen von D’In­ka nur in­so­weit ein­ver­stan­den, als die­se sy­stem­im­ma­nent sinn­voll sind. Schon, dass D’In­ka in Ab­he­bung ge­gen sei­nen Be­rufs­stand vom Bür­ger-Jour­na­li­sten spricht, fand ich ha­ne­bü­chen. Der he­ge­lia­ni­sche Funk­ti­ons-Zu­sam­men­hang (Jour­na­list in­for­miert, Bür­ger denkt nach, vie­le Bür­ger stel­len ge­dank­li­che Über­ein­stim­mung fest, Ver­nunft ent­steht, Re­gie­rung merkt auch et­was da­von, Ge­set­ze und Ver­ord­nun­gen fol­gen, Ge­sell­schaft er­ringt Fort­schritt) ist na­tür­lich ein gu­tes Ar­gu­ment für ei­ne sorg­fäl­ti­ge Ar­beit. Da­ge­gen ist das Mi­kro-Mo­dell der Twit­ter-Ge­ne­ra­ti­on, ein­schließ­lich Blog­ger und Gras­wur­zel-De­dek­ti­ve, nicht un­be­dingt viel­ver­spre­chend, was Ef­fi­zi­enz für Ver­än­de­run­gen an­geht, weil die ja nix mit der Re­gie­rung zu tun ha­ben wol­len.
    Klar, was mich stört?! Das Funk­ti­ons-Dia­gramm ist durch nichts er­här­tet, als dass man es im­mer wie­der pro­pa­giert. Es kann ei­gent­lich nur an be­stimm­ten »Auf­deckungs­skan­da­len« fest­ge­macht wer­den. Hi­sto­risch und po­li­tisch ist da ab­so­lut nix dran.
    Wenn man ganz ge­nau liest, ist es so­gar ein biss­chen Schizo‑, denn wo wä­ren noch »bür­ger­li­che­re Bür­ger-Jour­na­li­sten« zu fin­den, als bei der FAZ?! Dem­nach wür­de der pro­fes­sio­nel­le Jour­na­list ge­ra­de bei der Ar­beit sei­ne »Bür­ger­lich­keit« als Pri­vat-Mei­nung bei­sei­te stel­len, weil sie im »Text« nicht auf­tau­chen soll?! Um­ge­kehrt wird ein Schuh draus: das, was er glaubt, mit sei­ner Ar­beit Sinn­vol­les zu lei­sten, ist dop­pelt und drei­fach le­gi­ti­miert via »Ar­beits­tei­lung« (s.o.). Die Non-Bür­ger­lich­keit, die hier teil­wei­se be­haup­tet wird, ist nichts wei­ter als »Ver­dun­ke­lung« (Ador­no). Es kommt so weit, dass sich die Jungs für Wis­sen­schaft­ler oder Phi­lo­so­phen hal­ten, nur um ih­re Bür­ger­lich­keit ver­stecken zu kön­nen...

  13. die_kalte_Sophie
    D’In­ka be­harrt in der Tren­nung Bürgerjournalismus/Blogger vs. ge­lern­ter Jour­na­list auf die For­mal­qua­li­fi­ka­ti­on als qua­li­ta­ti­ves Dif­fe­renz­kri­te­ri­um. Er ge­steht den »Lai­en« ein ge­wis­ses Krea­tiv- bzw. Avant­gar­de-Po­ten­ti­al zu, aber nur da­hin­ge­hend, dass es durch den pro­fes­sio­nel­len Jour­na­lis­mus auf­ge­so­gen wer­den kann. Die FAZ hat das in der Ver­gan­gen­heit sel­ber prak­ti­ziert: Main­streammässig gut zu ver­mark­ten­de »Blog­ger« wur­den FAZ-Blog­ger, in sel­te­nen Fäl­len auch Ar­ti­kel­schrei­ber. Mir fällt da­bei nur ei­ner ein, den man als äs­the­ti­schen »Ge­winn« be­zeich­nen könn­te; die an­de­ren sind al­le mehr oder we­ni­ger an ih­rer ei­ge­nen Bie­der­keit ge­stor­ben oder schnap­pen nach Luft. Nicht be­son­ders ori­gi­nell in die­sem Zu­sam­men­hang ist es, wenn Jour­na­li­sten oder Hoch­schul­leh­rer auch noch »blog­gen«, so als hät­ten sie kei­ne pu­bli­zi­sti­schen Ka­nä­le.

    Das Po­ten­ti­al in D’In­kas Text er­ken­ne ich in der in gro­ßen Tei­len stim­mi­gen Dia­gno­se der Kri­se des Jour­na­lis­mus. Sein Feh­ler ist, dass er die­se Sym­pto­me an den neu­en Me­di­en fest­macht und nicht bei den Jour­na­li­sten bzw. den Chef­re­dak­teu­ren und Her­aus­ge­bern sel­ber sucht. Dass D’In­ka da­bei dem, was Sie (sehr schön!) als »he­ge­lia­ni­schen Funk­ti­ons-Zu­sam­men­hang« be­zeich­nen, nach­ei­fert, ist nicht ver­wun­der­lich. Die Theo­rie steht bei D’In­ka. Aber wie es mit der Pra­xis aus?

    Ver­schie­dent­lich wur­de hier in den Kom­men­ta­ren auf De­fi­zi­te hin­ge­wie­sen, die we­ni­ger jour­na­li­stisch be­grün­det wur­den, son­dern sich in Är­ger über die »fal­schen« Mei­nun­gen in­ner­halb der Be­richt­erstat­tung aus­lie­ßen. So­fern es sich um Ein­sei­tig­kei­ten han­delt, ist dem wo­mög­lich auch zu­zu­stim­men, aber ei­gent­lich läuft die Kri­tik dar­auf hin­aus, dass »man« (der Leser/die Le­se­rin) sich in den Bei­trä­gen ei­nes Me­di­ums zum The­ma X nicht mei­nungs- und ge­sin­nungs­tech­nisch wie­der­fin­det. Statt­des­sen wer­den de­zi­diert an­de­re Mei­nungs­me­di­en als Al­ter­na­ti­ven ge­nannt – bis hin zu ei­ner aus­ge­wie­se­nen Sa­ti­re­sei­te. Es wird un­ter dem Deck­man­tel der Jour­na­lis­mus­kri­tik die je­wei­li­ge Mei­nung kri­ti­siert. Da­bei sind auch Na­men ge­fal­len: Bro­der, Wag­ner, Al­ten­bockum. Ver­ges­sen wird da­bei, dass die­se Pu­bli­zi­sten in der Re­gel kei­ne nach­richt­li­chen Funk­tio­nen ha­ben, son­dern Au­toren des Feuil­le­tons sind, in dem Meinungs»mache« durch­aus er­wünscht ist (und in der Re­gel dia­lek­tisch in ei­nem an­de­ren Ar­ti­kel ei­nes an­de­ren Jour­na­li­sten ge­bro­chen wird). Er­gän­zend von mei­ner Sei­te: Die »Mei­nung« soll­te da­bei we­nig­stens grob auch se­ri­ös ge­stützt wer­den, statt ein­fach nur hin­aus­po­saunt. Da­her passt dann Wag­ner nicht mehr in die­se Auf­zäh­lung.

    Ob die Jour­na­li­sten der FAZ nun bür­ger­lich sind oder nur ih­re »Non-Bür­ger­lich­keit« be­haup­ten, spielt m. E. kei­ne Rol­le. Sie sol­len ein­fach nur schrei­ben, wenn mög­lich so, dass sie Nach­rich­ten von Ur­tei­len und Mei­nun­gen min­de­stens so tren­nen, dass es für den Le­ser er­kenn­bar ist. Auf ei­ner Tü­ten­sup­pe ste­hen ja auch die Be­stand­tei­le drauf.

  14. In­ter­es­sant, dass Sie die »Mei­nung« nicht als Gift in der Sup­pe klas­si­fi­zie­ren. Das se­he ich ge­nau­so. Dem­nach geht D’In­ka wirk­lich fehl, wenn er die Kri­se des Jour­na­lis­mus bei den Sub­al­ter­nen fest­ma­chen möch­te. Ich mei­ne, ex­akt das­sel­be Pro­blem in der po­li­ti­schen Öf­fent­lich­keit zu ent­decken, wie es in der Par­tei-Land­schaft ent­stan­den ist: »Wenn Ih­nen der Mei­nungs-Hin­ter­grund (ana­log dem Par­tei-Pro­gramm) nicht ge­fällt, dann müs­sen sie ei­ne an­de­re WAHL tref­fen.« Ge­nau da liegt der Hund be­gra­ben. Die Aus­wahl scheint für wei­te Tei­le der Be­völ­ke­rung zu­neh­mend un­at­trak­tiv zu wer­den. Man möch­te über­ein­stim­men, aber man schafft es nicht. Die (we­nig­stens) kon­spi­ra­ti­ve Be­tei­li­gung schei­tert. Die Krei­se wer­den klei­ner, die Zahl der dis­pa­ra­ten Bür­ger, die in den Wahl-Sta­ti­sti­ken un­ter »An­de­re« auf­tau­chen, wird grö­ßer. Da­bei sind die Nicht-Wäh­ler schon die Mehr­heit, sie­he Bre­men. Heu­te kann man an­schei­nend die sog. Plu­ra­li­tät in den Ge­sell­schaf­ten nicht mehr voll­stän­dig ab­bil­den. Das de­mo­kra­ti­sche SYSTEM ist doch nicht ganz so fle­xi­bel, wie gern be­haup­tet wird. Aber: wür­de mehr Neu­tra­li­tät und Pro­fes­sio­na­li­tät in der po­li­ti­schen Öf­fent­lich­keit nicht hel­fen?! Ich den­ke schon... Ei­ne idea­ler­wei­se per­fek­te Ob­jek­ti­vi­tät hät­te doch die al­ler­mei­sten An­schluss-Op­tio­nen.

  15. Es ist ja die Fra­ge, ob »die Plu­ra­li­tät« ab­ge­bil­det wer­den muss, wenn es um Fak­ten­jour­na­lis­mus geht. Jour­na­lis­mus soll­te nicht in ei­nem Pro­porz Mei­nun­gen der Be­völ­ke­rung ab­bil­den, son­dern Mei­nungs­bil­dung er­mög­li­chen (wohl ge­merkt: Mei­nungsbil­dung, nicht Mei­nun­gen sel­ber).

    Mei­nun­gen sind im Jour­na­lis­mus nicht per se »Gift«. Sie sind es nur, wenn sie als Fak­ten ver­kauft bzw. ver­mengt wer­den, so dass der Re­zi­pi­ent oh­ne Fach­wis­sen­an­tei­le nicht mehr er­ken­nen kann, wie er in die ein oder an­de­re Rich­tung di­ri­giert wird. (Be­son­ders fa­tal ist die Aus­las­sung von Aspek­ten in ei­ner Nach­rich­ten­mel­dung; sie ist nicht oh­ne ge­wis­se Mü­he zu de­cou­vrie­ren).

    Die Fra­ge ist, ob die Neu­tra­li­tät von Jour­na­li­sten die­sen nicht schon in der Aus­bil­dung ab­trai­niert wur­de. Der Be­kennt­nis­fu­ror ist ja noch ge­stie­gen – hier ha­ben die In­ter­net-Me­di­en tat­säch­lich ei­nen An­teil dar­an. Gleich­zei­tig sinkt die Schwel­le der To­le­ranz der An­ders­mei­nen­den, was zu Fil­ter­bla­sen führt, da zwi­schen den »La­gern« nicht mehr kom­mu­ni­ziert wird. Hier lä­ge ei­ne Funk­ti­on des Jour­na­lis­mus. Wenn nicht...siehe oben...

  16. Auch ich kann­te die­se »Ge­sell­schaft für Qua­li­täts­jour­na­lis­mus« bis zum Kress-Text nicht. Wenn die Au­toren die­ser »Fest­schrift« Mit­glie­der der Ge­sell­schaft sind, dann stellt sich mir die Fra­ge: Und wo sind die Qua­li­täts­jour­na­li­sten? Ver­tre­ten ist nur ei­ner und der ist aus der Schweiz. Beim Le­sen von Herrn D´Inkas mar­ki­gen und für mich schlüs­si­gen Sät­zen fie­len mir die vie­len faz-online-»Journalisten« ein, die qua­si als Blau­pau­se für das ste­hen, was D´Inka mo­niert: Man­gel an Hand­werk, Bil­dung, Er­fah­rung. Dort und an­derwo ist je­den Tag les­bar – wenn man ein sol­cher Ma­so­chist ist –, wie we­nig kom­pa­ti­bel ein ab­ge­schlos­se­nes Stu­di­um (wor­in auch im­mer) mit den Wolf Schneider´schen Wer­ten ist.

  17. … Sor­ry, Hälf­te ver­ges­sen: Dort und an­derwo ist je­den Tag les­bar – wenn man ein sol­cher Ma­so­chist ist –, wie we­nig kom­pa­ti­bel ein ab­ge­schlos­se­nes Stu­di­um (wor­in auch im­mer) per se mit den Wolf Schneider´schen Wer­ten ist. Den Be­ruf des Re­dak­teurs zu ler­nen hat schon was, lear­ning by do­ing reicht nicht.

  18. Mei­nun­gen und Fak­ten sind nicht mehr klar ge­trennt. Das ist si­cher ei­ne Crux. Hin­zu kom­men Aspek­te des Er­zäh­le­ri­schen, der »Sto­ry«, der Skan­dal und die Se­lek­ti­on. Man die gei­sti­ge Tä­tig­keit ei­gent­lich nur als »flui­de fre­che In­tel­li­genz« be­zeich­nen. Stren­ge Kri­te­ri­en sind kaum sinn­voll. Was mich ge­le­gent­lich sehr stört, sind die Kon­sens-Be­grif­fe, wie Flücht­lin­ge, An­ne­xi­on, Eu­ro­pa, Steu­er­zah­ler, etc. Da wird un­heim­lich viel Wirk­lich­keit zum Ver­schwin­den ge­bracht, weil man sich mit dif­fe­ren­zier­ten Be­trach­tun­gen schwer tut. Die­se Ver­knap­pung ist so ziem­lich das Ge­gen­teil von dem, was man in der Phi­lo­so­phie »auf den Be­griff brin­gen« nennt. Und das ler­nen die viel­leicht schon in der Aus­bil­dung...

  19. Hmm, wer sich das Im­pres­sum der Ge­sell­schaft für Qua­li­täts­jour­na­lis­mus an­sieht, stösst auf ei­nen Jour­na­li­sten, der laut XING-Pro­fil u. a. acht Jah­re »Wirt­schafts­re­dak­teur so­wie Me­di­en-Con­sul­tant der Frank­fur­ter All­ge­mei­ne Zei­tung so­wie So­cie­tät für Un­ter­neh­mens­pla­nung« war. Ha­ben wir es hier mit der Mar­ke­ting­stra­te­gie ei­nes Ein­zel­nen zu tun, der ver­sucht hat, sei­ne Kon­tak­te selbst­re­fe­ren­zi­ell zu nut­zen?

  20. @Qualitätsjournalistin: Wenn Sie Kress bzw. Ober­au­er und die Hand­voll »ex­klu­siv In­ter­view­ter« – ein­schließ­lich D´Inka – mei­nen, durch­aus denk­bar. Al­les an­de­re sind Aus­zü­ge aus Bü­chern, Ma­ga­zi­nen, sonst­was. Ist das Gan­ze nun cle­ver oder pein­lich? Aus kol­le­gia­ler Sicht (von Qua­li­täts­jour­na­li­sten) er­weist sich der Au­tor viel­leicht ei­nen Bä­ren­dienst. Un­ter­neh­mens­stra­te­gisch er­schließt er sich neue Kun­den: Öf­fent­lich­keit ge­sucht. Auf­merk­sam­keit ge­ne­riert. Ziel er­reicht im Thea­ter der Pur­zel­bäu­me. Ap­plaus.

  21. @Qualitätsjournalistin und @ask
    Ich fra­ge mich auch, war­um man so et­was wie die­se Schrift über­haupt in die Welt setzt. Es er­scheint doch eher sehr selbst­re­fe­ren­ti­ell, wenn man sich der­art lo­ben lässt – vor al­lem von Fi­gu­ren, mit de­nen man ei­gent­lich nicht un­be­dingt in ei­nem (jour­na­li­sti­schen) Boot sit­zen möch­te. Es ver­treibt na­tür­lich für kur­ze Zeit die na­gen­den Selbst­zwei­fel. Ob je­mand wie Chri­sti­an Prei­ser noch als Jour­na­list gilt oder nur als Mar­ke­ting-Fi­gur in ei­ge­ner Sa­che bleibt je­dem sel­ber über­las­sen.

    @die_kalte_Sophie
    Die von Ih­nen durch­aus zu­recht re­kla­mier­ten Kon­sens­be­grif­fe sind aber in ei­nem Dis­kurs not­wen­dig. Wich­tig ist nur, dass sie ein­heit­lich de­fi­niert sind. Zum Bei­spiel ist der Be­griff »Flücht­ling« der­art weit ge­fasst, dass nicht klar ist, ob da­mit Kriegs­flücht­lin­ge oder auch an­de­re Mo­ti­va­tio­nen für das Ver­las­sen der Hei­mat ge­meint sind. In­ter­es­sant ist der Hin­weis auf das Ru­brum »Steu­er­zah­ler«. Je­der, der et­was kauft, zahlt Steu­ern (min­de­stens Um­satz­steu­er). De­fi­nie­re ich »Steu­er­zah­ler« als »Ein­kom­men­steu­er­zah­ler«, wä­re die Kon­no­ta­ti­on schon an­ders.

    Das Pro­blem ist m. E. nicht ur­säch­lich die Ver­wen­dung von Be­grif­fen, son­dern die dis­kur­siv nicht aus­ge­han­del­te, ein­heit­li­che Be­deu­tung. Hier­durch ent­ste­hen Ver­zer­run­gen.

  22. Tag. Viel­leicht schrei­ben Sie ja mal ei­nes Ta­ges ei­nen Bei­trag über die Qua­li­täts­stan­dards in frei­en Blogs, z.B. bei Glanz und Elend, wo 2 Wo­chen nach dem Ab­sturz der Ger­man­wingsma­schi­ne die pas­sen­de »Kurz­ge­schich­te« er­schien, pro­mi­nent auf der Start­sei­te, dann al­ler­dings sang- und klang­los hin­ter ir­gend­ei­nem ob­sku­ren Link ver­schwand. Kein Wort da­zu, wie­so wes­halb war­um, und auf die man­tra­mä­ßig stets und stän­dig bei den gro­ßen Me­di­en­häu­sern ein­ge­for­der­ten Kom­men­ta­re der Le­ser­schaft mit ent­spre­chen­dem Ge­schrei, wenn’s mal kein Kom­men­tar durch die Mo­de­rie­rung schafft, ver­zich­tet man bei Glanz und Elend gleich ganz.

    Oder über Blogs wie den von ber­sa­rin, der in sei­nem Nach­ruf auf Grass dem Staat Is­ra­el ein »Apart­heits­sy­stem de fac­to und viel­fach de ju­re« at­te­stiert. Ich kann Ih­nen ver­si­chern, dass so ein an­ti­se­mi­ti­scher Krem­pel von ei­ner Kul­tur­re­dak­ti­on nicht pu­bli­ziert wor­den wä­re, schon gar nicht in ei­nem Nach­ruf auf Grass.

    Nur 2 Bei­spie­le, die ver­an­schau­li­chen, was D’In­ka mit dem Hin­weis auf die Qua­li­täts­un­ter­schie­de zwi­schen pro­fes­sio­nel­len Re­dak­tio­nen und Blog­gern bzw. In­ter­net­schrei­ber­lin­gen meint.

  23. @kulturjourno
    Man muss die Er­zäh­lung von Birk­holz bei Glanz und Elend nicht mö­gen, aber was das mit Jour­na­lis­mus zu tun hat, er­schließt sich mir nicht. Oder wol­len Sie die Kunst­frei­heit – bei pas­sen­den Sonn­tags­re­den ver­ehrt – an­grei­fen? (Kom­men­ta­re gibt es bei Glanz & Elend nicht; es ist üb­ri­gens nicht ein­mal ein Blog – das nur zur In­for­ma­ti­on.)

    Wo­mög­lich plä­die­ren Sie auch für ei­ne Sip­pen­haft, wenn ir­gend­ein Blog­ger ei­nen Text ver­fasst hat, der Ih­rer oder an­de­rer Leu­te Mei­nung nach nicht den Stan­dards ge­horcht. Üb­ri­gens wa­ren nicht we­ni­ge wei­land der Mei­nung, die Süd­deut­sche Zei­tung ha­be mit der Ge­dicht­pu­bli­ka­ti­on von Grass »an­ti­se­mi­ti­schen Krem­pel« pu­bli­ziert. Auch hier bin und war ich der Auf­fas­sung, dass (1.) we­der Grass’ Ge­dicht an­ti­se­mi­tisch war noch (2.) hier­über ad­äquat dis­ku­tiert wur­de. (Dass er es bes­ser im Tin­ten­fass ge­las­sen hät­te, ist ei­ne an­de­re Sa­che.)

    Im­mer­hin schön, dass Sie mal hin­ei­neja­ku­liert ha­ben.

  24. Ein bö­ses Wort zur rech­ten Zeit... Was der ver­wil­der­te Kol­le­ge an­spricht, ist wohl der Wunsch nach ei­nem Ab­riss sämt­li­cher For­ma­te, Or­ga­ni­sa­tio­nen, Kon­ven­tio­nen, etc. Die Höf­lich­keit gleich noch mit da­zu... Al­les in den Or­kus.
    Was die Kon­sens-Be­grif­fe an­geht, stim­me ich Ih­nen ab­so­lut zu. Trotz­dem wun­dert mich ein biss­chen die Ge­las­sen­heit, mit der sie das Wich­ti­ge aus­spre­chen. Die nicht ge­klär­ten K‑Begriffe eta­blie­ren sich (so­weit ich das er­ken­nen kann) doch mit­samt ih­ren Zwei­deu­tig­kei­ten. Ganz so, als ob sie die De­bat­ten, die un­ter die­sen Stich­wor­ten ru­bri­ziert wer­den, schon vor­struk­tu­rie­ren wür­den. Ein ge­plan­ter Dis­sens?! Je­de Klä­rung wä­re fast schon »kon­tra­pro­duk­tiv«. Was ich da­mit sa­gen will, als al­ter Mar­xist: mir scheint, es be­steht ein mas­si­ves In­ter­es­se am Er­halt der Zwei­deu­tig­kei­ten. Mit­hin wä­re die be­rühm­te »De­bat­te« wich­ti­ger als je­de Art von Ver­nunft.

  25. @ kul­tur­jour­no

    Ge­nau­so­gut könn­te man als Ge­gen­wurf sa­gen, daß die eta­blier­ten Me­di­en schlicht zu fei­ge sind, an­läß­lich sei­nes To­des eben­so den streit­ba­ren Grass zu nen­nen und sich statt­des­sen lie­ber der Krän­ze­ge­denk­ab­wurf­stel­len be­dien­ten, um in ih­rer ei­ge­nen me­di­en­bla­si­gen Rühr­se­lig­keit und Be­trof­fen­heit – mit­hin in den üb­li­chen Be­gräb­nis-Flos­keln zu schwel­gen. Mal so po­le­misch in den Raum ge­hal­ten.

    Und et­was vom The­ma weg, aber doch pas­send: Wie nen­nen Sie denn ei­nen Staat, der an­de­ren die Wohn­häu­ser un­term Arsch weg­schießt, der to­te Kin­der als Kol­la­te­ral­scha­den be­trach­tet, der Ara­ber in Schweiz­erlö­cher­kä­se­sied­lun­gen da­hin­ve­ge­tie­ren läßt und je­ne ara­bi­schen Be­woh­ner an Kon­troll­sta­tio­nen in un­ver­hält­nis­mä­ßi­ger Wei­se schi­ka­niert? Ich nen­ne sol­chen Staat ei­nen Apart­heits­staat. Le­sen Sie mal die Be­fehls­an­wei­sun­gen der is­rae­li­schen Ar­mee bei den An­grif­fen auf den Ga­za-Strei­fen und hö­ren Sie sich die Aus­sa­gen von Sol­da­ten an. Grass the­ma­ti­sier­te die­se Din­ge, al­so ge­hört das auf­rich­ti­ger- und ehr­li­cher­wei­se in ei­nen Nach­ruf hin­ein. Die­se Aspek­te kri­tisch zu sich­ten, wä­re Auf­ga­be der Me­di­en ge­we­sen. Da­mit wir uns nicht miß­ver­ste­hen: das Exi­stenz­recht Is­ra­els ist un­hin­ter­geh­bar und ich weiß sel­ber, daß die Ha­mas Kin­der teils als mensch­li­che Schutz­schil­de ge­braucht. Doch die dümm­ste Num­mer bleibt es, mit­tels Keu­len­ar­gu­ment jeg­li­che Kri­tik an Is­ra­el als an­ti­se­mi­tisch zu brand­mar­ken; in et­wa so ab­ge­wichst, wie der nach der Sho­ah wu­chern­de Phi­lo­se­mi­tis­mus, der in sei­ner un­re­flek­tier­ten Hal­tung zu Is­ra­el meint, ei­ne un­tilg­ba­re Schuld til­gen zu kön­nen. Das ist in et­wa so ab­ge­feimt wie das jü­disch-christ­li­che Eu­ro­pa. (Im üb­ri­gen ent­leert man durch ei­nen sol­chen Ge­brauch wie Sie das ma­chen, den Be­griff des An­ti­se­mi­tis­mus und spielt da­mit ge­nau je­nen An­ti­se­mi­ten in die Hän­de, die Sie kul­tur­jour­no, vor­geb­lich kri­ti­sie­ren.

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    Nur ei­ne Pres­se, die un­ab­hän­gig von An­zei­gen­kun­den und von par­tei­po­li­ti­schen Ver­ein­nah­mun­gen ih­re Ar­beit tut, hat ei­ne Chan­ce ernst­ge­nom­men zu wer­den. Hö­he­punkt und Stern­stun­de des Jour­na­lis­mus war dann dies: Erst schreibt je­ner Bitt­ner an der Re­de Gaucks auf der Mün­che­ner Si­cher­heits­kon­fe­renz mit. Dann be­rich­tet er in der „Zeit“ po­si­tiv über ge­nau die­se Re­de. Ein Schuft, wer da­bei Bö­ses denkt. Daß sol­che ei­gen­wil­li­ge Ver­quickung von Macht und Pres­se mit Un­wil­len auf­ge­nom­men wird, ver­wun­dert nicht. Eben­so die Be­richt­erstat­tung über die Er­eig­nis­se auf dem Mai­dan. Über die De­mos wur­de be­rich­tet, als han­de­le es sich um rein fried­li­che Pro­te­ste, die dann von bös­ar­ti­ger pro­rus­si­scher Po­li­zei nie­der­ge­met­zelt wur­den. Das ist in et­wa so, als hät­te man am 1. Mai 1987 in Ber­lin ge­schrie­ben, die Po­li­zei ha­be Kreuz­berg ver­wü­stet und fried­li­che De­mon­stran­ten bru­tal zu­sam­men­ge­schla­gen. Sol­che un­dif­fe­ren­zier­ten Be­rich­te wie über die Mai­dan-Pro­te­ste in den Nach­rich­ten des öf­fent­lich-recht­li­chen Fern­se­hens und in gro­ßen Tei­len der Zei­tun­gen tra­gen nicht da­zu bei, das Ver­trau­en in die­se Me­di­en zu stär­ken, wie be­reits Teil­zeit­sark­ast an­merk­te. Die Dar­stel­lung Pu­tins als Hit­ler-Ver­schnitt ge­hört ge­nau­so da­zu. Ich möch­te mal ei­ne Be­richt­erstat­tung er­le­ben, in der das, was Oba­ma macht, so be­ur­teilt wird, wie die mei­sten deut­schen Zei­tun­gen über Pu­tin schrei­ben. Die Li­ste ist lang, wenn wir die Punk­te nen­nen wol­len, wo Jour­na­li­sten ver­sag­ten. Aber das sind Nach­rich­ten, die D‘Inka et al. nicht ger­ne sich be­trach­ten und noch we­ni­ger mö­gen sie das ge­schrie­ben oder ge­sen­det se­hen. Denn schließ­lich wol­len Jour­na­li­sten Mei­nungs­ma­cher sein. Fragt sich nur: Wes­sen Mei­nung?

    Daß Blogs kei­ne Zei­tun­gen er­set­zen kön­nen, al­lein aus dem Grun­de, weil es sich meist um Ein-Mann- oder ‑Frau­be­trie­be han­delt, soll­te je­dem klar sein. Lei­der fin­det sich in den Me­di­en teils ei­ne sehr se­lek­ti­ve Be­richt­erstat­tung zu be­stimm­ten The­men­kom­ple­xen. Sie­he obi­gen Ab­satz. Vie­le der Pro­ble­me im Jour­na­lis­mus sind in der Tat haus­ge­macht. Bei den Spar­maß­nah­men in den Re­dak­tio­nen an­ge­fan­gen.

    Wei­ter­hin wä­re zu un­ter­schei­den zwi­schen Kul­tur- bzw. Kunst­blogs, die im Feld der Li­te­ra­tur- und Kunst­kri­tik „wil­dern“ und sol­chen, die sich pri­mär der Po­li­tik wid­men. Über Li­te­ra­tur und bil­den­de Kunst kann je­der schrei­ben, der sein Hand­werk ver­steht, der hin­rei­chend ge­le­sen hat, um Ur­teils­kraft aus­zu­bil­den, der mit den Me­tho­den der Li­te­ra­tur­kri­tik und ‑wis­sen­schaft ver­traut ist und der es ver­mag, von sei­nen Be­find­lich­keits- und Be­trof­fen­heits­re­gun­gen ab­zu­se­hen, um zu be­mer­ken, daß es in der Welt noch mehr gibt als die ei­ge­ne dün­ne Sub­jek­ti­vi­tät. Der An­laß des Schrei­bens ist für je­den Blog­ger, je­de Blog­ge­rin leicht zu­gäng­lich und käuf­lich zu er­wer­ben: sei es ein Buch, ei­ne Aus­stel­lung oder ein Kon­zert. An­ders ist dies im Feld der Po­li­tik. Hier sind Re­cher­chen vor Ort nö­tig, die Blog­ger nicht lei­sten kön­nen, weil das oh­ne Pres­se­aus­weis und Un­ter­stüt­zung von Re­dak­tio­nen oft un­mög­lich ist. Mal eben nach Ku­ba oder in den Iran rei­sen und Men­schen in­ter­view­en, wird kaum ei­nem Blog­ger mög­lich sein. Po­lit-Blog­gern bleibt nur, die Tex­te und das in Zei­tun­gen ge­lie­fer­te Ma­te­ri­al zu sich­ten, zu ana­ly­sie­ren und mit text­kri­ti­schen Me­tho­den zu durch­leuch­ten.

    Wie es nun ein­mal so ist: wer sich um­fas­send in­for­mie­ren will, muß zwi­schen den ver­schie­de­nen Me­di­en swit­chen. Die Dif­fe­renz Blog/seriöse Zei­tung hal­te auch ich für we­nig pro­duk­tiv. Al­ler­dings gibt es in der Blogo­sphä­re die Wu­che­run­gen des Ba­na­len. Da gilt es dann zu dif­fe­ren­zie­ren und aus­zu­schei­den. Aber auch in der Welt der Blogs gilt die De­vi­se, die be­reits beim Fern­se­hen sich be­währ­te: Es exi­stiert da die­ser klei­ne schwar­ze Knopf zum Aus- oder zum Um­schal­ten.

  26. ber­sa­rin, ich bit­te um Mä­ßi­gung. Dass ei­nem ei­ne »Dis­kus­si­on« über An­ti­se­mi­tis­mus vor­ge­kotzt wird, be­deu­tet nicht, die Kot­ze auf­wi­schen zu müs­sen.

  27. @die_kalte_Sophie
    Das In­ter­es­se am Auf­recht­erhal­ten der Zwei­deu­tig­kei­ten hal­te ich ein biss­chen für ein Ge­rücht. Tat­säch­lich ist es un­mög­lich in ei­nem auch noch so klei­nen Me­di­um Be­grif­fe ein für al­le­mal und für al­le gül­tig zu de­fi­nie­ren. Man müss­te am En­de mit ei­nem Wör­ter­buch her­um­ren­nen – das wä­re dann ähn­lich wie mit den PC-Re­ge­lun­gen, die fe­ste Nor­men ent­wickeln wol­len. Dem­zu­fol­ge wä­ren sol­che Nor­mie­run­gen am­bi­va­lent, weil sie auch im­mer ei­ne ge­wis­se Herr­schaft über bzw. im Dis­kurs be­deu­ten wür­den. All­ge­mein ten­diert die po­li­ti­sche Spra­che eher zur Ver­all­ge­mei­ne­rung statt zur Spe­zi­fi­zie­rung,

  28. @ Gre­gor Keu­sch­nig
    Es är­gert mich die­ser im­mer­glei­che re­flex­ar­tig ge­brauch­te An­ti­se­mi­tis­mus­vor­wurf, um jeg­li­che Kri­tik ab­zu­wür­gen. Wer mei­nen Blog ver­folgt, wird dort nichts An­ti­se­mi­ti­sches ent­decken. Ganz im Ge­gen­teil. Ins­be­son­de­re bin ich der Mei­nung, daß man, ge­ra­de um ei­nes of­fe­nen Dis­kur­ses wil­len, der nicht ins wi­der­li­che Fahr­was­ser des rea­len An­ti­se­mi­tis­mus ab­drif­tet, die Po­li­tik Is­ra­els un­be­dingt auf den Tisch brin­gen muß: Wenn näm­lich ei­ne aus­ge­spro­chen ern­ste und schlim­me An­ge­le­gen­heit, sprich Jahr­hun­der­te wäh­ren­der bru­ta­ler und wi­der­li­cher An­ti­se­mi­tis­mus in sei­nen ver­schie­den­sten Aus­prä­gun­gen und am En­de mit schlimm­sten Fol­gen plötz­lich als Dis­kurs­spiel­mar­ke ein­ge­setzt wird, um zu dis­kre­di­tie­ren. Frei­lich hät­te ich mir ge­wünscht, daß je­ner kul­tur­jour­no sei­ne Ein­wän­de bei mir im Blog vor­bräch­te. Ich hät­te dort har­scher und weit­aus po­le­mi­scher re­agiert als in Ih­rem Blog.

    Was den An­ti­se­mi­tis­mus und dem da­mit kor­re­spon­die­ren­den Keu­len­ar­gu­ment be­trifft, ver­wei­se ich auf Wolf­gang Pohrts in­struk­ti­ven Auf­satz „FAQ“.

  29. Sie ha­ben na­tür­lich recht: die Knapp­heit des Me­di­ums und die Ober­fläch­lich­keit des Dis­kur­ses lässt kei­ne hin­rei­chen­de Ge­nau­ig­keit zu. Was ich mein­te, ging in die Rich­tung: man »spielt« mit den Mäch­ten, man deu­tet Po­si­tio­nen an, ver­schiebt Ver­ant­wort­lich­kei­ten, etc. Da sind zwei­deu­ti­ge Be­grif­fe be­son­ders dank­bar. Je­de tie­fe­re Ge­nau­ig­keit macht näm­lich die Not­wen­dig­keit ei­ner Hand­lungs-Ebe­ne be­wusst, und die­se soll ei­gent­lich nicht auf­tau­chen. Gibt ja nix zu tun. Man lebt ja nicht vom Han­deln, man lebt von den Sto­rys, den Fak­ten, etc. Das »Den­ken«, das da­mit um­riss­ar­tig ge­zeich­net wird, ist im­mer noch ideen­haft, phä­no­me­no­lo­gisch. Und das kommt mir al­ter­tüm­lich vor, bis­wei­len däm­lich. Be­zie­he mich noch­mals auf die Fra­ge der Pro­gres­si­vi­tät von D’In­ka... Pro­gres­siv oh­ne zu Han­deln?! Das ist rein­ster Idea­lis­mus...

  30. Ver­schie­de­nes

    Kri­tik und Zwei­fel sit­zen auf ver­schie­de­nen Ebe­nen: Beim Schrei­ben­den selbst, in den Re­dak­tio­nen, blatt­in­tern in Form ver­schie­de­ner Ar­gu­men­ta­ti­ons­li­ni­en (Au­toren) und zu­letzt zwi­schen den ver­schie­de­nen Me­di­en; ver­sagt die Kri­tik so­gar zwi­schen den ein­zel­nen Me­di­en, al­so ei­gent­lich pu­bli­zi­sti­schen Kon­kur­ren­ten (oder schein­ba­ren Kon­kur­ren­ten, wenn sie zu den sel­ben Me­di­en­grup­pen ge­hö­ren), muss man von ei­ner Kri­se der ge­sam­ten me­dia­len Land­schaft spre­chen (die jüng­sten Bei­spie­le hat je­der noch in Er­in­ne­rung; da­bei darf man die in­halt­li­che Ebe­ne ei­nes Texts [»nicht mei­ne Mei­nung«] nicht mit der Art und Wei­se »des Vor­trags« [»se­riö­se Ar­gu­men­ta­ti­on «], ver­men­gen; et­was das mei­nen An­sich­ten wi­der­spricht, wer­de ich wo­mög­lich ge­nau­er prü­fen, es aber ak­zep­tie­ren, wenn es stich­hal­tig ist; den Ge­gen­wind den vie­le Jour­na­li­sten in der letz­ten Zeit er­tra­gen muss­ten, hat m.E. mehr mit dem »Wie« als den In­hal­ten [»der Mei­nung«] zu tun.).

    Die Pro­ble­me und Her­aus­for­de­run­gen, de­nen der Jour­na­lis­mus ge­gen­über­steht, sind viel­fäl­tig, sie ha­ben mit den neu­en Me­di­en zu tun, mit Ge­schäfts­mo­del­len, mit dem ka­pi­ta­li­sti­schen Wirt­schafts­sy­stem, mit un­er­war­te­ten Kon­kur­ren­ten und eben­sol­cher Kri­tik, Ver­quickun­gen von Macht­struk­tu­ren und jour­na­li­sti­schen In­sti­tu­tio­nen bzw. Per­so­nen, usf. — Par­tei­lich­keit wird heu­te oft als Tu­gend wahr­ge­nom­men, viel­leicht ein Er­be der 68iger Be­we­gung, be­för­dert si­cher­lich durch die ho­he Dif­fe­ren­zie­rung und Struk­tu­rie­rung der Ge­sell­schaft (In­ter­es­sen, Funk­tio­nen, Be­ru­fe,...). Die »di­gi­ta­le Welt« setzt dem we­nig ent­ge­gen, be­för­dert das so­gar (»fil­ter bubble«); die Kom­ple­xi­tät der Rea­li­tät (in­klu­si­ve ih­rer di­gi­ta­len Sei­te) treibt die­se Ein­ni­schung eben­falls vor­an, In­ter­es­sen, Teil­fel­der, Um­fel­der tre­ten in den Vor­der­grund.

    Wem das nicht ge­nügt, wer po­li­tisch, ge­sell­schaft­lich oder ge­mein­schaft­lich denkt, über »bloß« in­di­vi­du­el­les hin­aus, der be­sitzt ein Be­dürf­nis an ei­nem Dis­kurs, an an­de­ren – er­gän­zend, er­wei­tern­den, wi­der­spre­chen­den – Sicht­wei­sen, man miss­traut nicht ihm, je­den­falls nicht im Grund­satz, son­dern den »Funk­tio­nä­ren«, den öf­fent­li­chen Ver­mitt­lern, dem »Wie« und nur in­so­fern dem In­halt.

    Die er­wähn­ten »Zwei­deu­tig­kei­ten«, die man viel­leicht tref­fen­der be­zeich­nen kann, müss­te man ge­ra­de­zu er­war­ten, sie sind per­fekt für die In­ter­es­sens­durch­set­zung und Ma­ni­pu­la­ti­on in un­se­rer ra­san­ten, me­di­al ver­mit­tel­ten Rea­li­tät ge­eig­net: Wer sich nicht die Zeit nimmt und nach­bohrt, be­merkt nicht, dass et­was an­de­res ge­sagt, als ge­meint wird, Be­grif­fe müs­sen be­fragt und auf den Punkt wer­den, was meint man selbst da­mit und was kann ein an­de­rer da­mit mei­nen oder vor­spie­len (die Bei­spie­le oben zei­gen die Mög­lich­kei­ten sehr schön). — Dass sprach­li­che Un­schär­fen im­mer blei­ben wer­den und De­fi­ni­tio­nen nie end­gül­tig sind, son­dern im­mer ei­ne Art An­fang, sind kei­ne Wi­der­sprü­che an de­nen man ver­zwei­feln muss.

  31. Sehr gu­te Ver­dich­tung der wich­tig­sten Aspek­te. Ich bin über­rascht. Es kann die­sen Aus­füh­run­gen nach von ei­nem »struk­tu­rel­len Miss­trau­en« ge­spro­chen wer­den, das in der Be­griffs­per­son des »Funk­tio­närs« sei­nen kri­ti­schen Aus­druck fin­det. Ich ha­be vor ei­ni­ger Zeit die Grund­an­nah­me fal­len ge­las­sen, dass sich der öf­fent­li­che po­li­ti­sche Dis­kurs auf ein un­ge­form­tes vor­aus­set­zungs­lo­ses Sub­jekt be­zie­hen lässt. In poin­tier­ten Wor­ten: Nie­mand sagt die Wahr­heit, nie­mand spricht völ­lig frei von der Le­ber aus. Je­de kom­ple­xe Ein­las­sung lässt sich auf die zu­grun­de lie­gen­den »Be­din­gun­gen der Aus­sa­ge« hin über­prü­fen, und stets fin­det man struk­tu­rel­le Im­pli­ka­tio­nen. Die freie Re­de nach Mar­tin Lu­ther ist ein al­ter­tüm­li­ches Mär­chen ver­gli­chen mit den mo­der­nen me­dia­len Pro­duk­ti­ons­be­din­gun­gen. Der öf­fent­li­che Dis­kurs hat im­mer schon ei­ne ar­ti­fi­zi­el­le No­te, ei­ne »Ma­che«, die al­len idea­li­sti­schen An­nah­men zu­wi­der läuft. Ich ver­mu­te, je mehr die west­li­chen Ge­sell­schaf­ten zu Groß-Wer­te-Dis­kus­sio­nen her­aus­ge­for­dert bzw. ani­miert wer­den, de­sto schlim­mer die ar­ti­zi­el­le An­mu­tung... Als ob es ei­ne grund­sätz­li­che Span­nung zwi­schen dem All­ge­mei­nen ei­ner Aus­sa­ge und der Glaub­wür­dig­keit des Aus­sa­ge­sub­jekts gibt...

  32. Ge­nau, und die Miss­trau­ens­aus­sprü­che kom­men aus al­len so­zia­len Schich­ten. — Frei­heit gibt es nicht oh­ne Be­din­gun­gen oder (Natur)Gesetze; ich ha­be das Wort von der frei­en Re­de im­mer als Mög­lich­keit oh­ne Be­vor­mun­dung spre­chen (re­den) zu kön­nen, ver­stan­den, wir wür­den heu­te »Mei­nungs­frei­heit« sa­gen (das im­pli­ziert auch Ver­ant­wor­tung für das was man sagt).

    Ei­ne kom­ple­xe Re­de, ein Dis­kurs, er­for­dern Re­fle­xi­ons­ver­mö­gen, wir spre­chen nicht frei von Be­din­gun­gen, wir sind von un­se­rer Zeit und ih­ren Vor­aus­set­zun­gen ab­hän­gig, ja, aber wir kön­nen sie er­ken­nen und the­ma­ti­sie­ren (dis­ku­tie­ren), nicht je­der und viel­leicht nicht ein­mal al­le zu­sam­men al­les, aber im­mer­hin ... ich se­he die Be­reit­schaft zur Re­fle­xi­on, im Grun­de et­was wie Red­lich­keit, auch ge­gen sich selbst, als ein we­sent­li­ches, viel­leicht so­gar das Kri­te­ri­um, die Haupt­vor­aus­set­zung für das Funk­tio­nie­ren des öf­fent­li­chen Dis­kur­ses (es be­darf mehr, als nur in sei­nem In­ter­es­se oder dem ei­ner Grup­pe zu spre­chen).

    Die ar­ti­fi­zi­el­le No­te und die Span­nung, kön­nen Sie das noch ein­mal ver­deut­li­chen, ich bin nicht si­cher ob ich das rich­tig ver­ste­he?

  33. Es wa­ren (streng ge­nom­men) zwei ha­sti­ge In­tui­tio­nen:
    –da ist die Ar­ti­fi­zia­li­tät, die kei­ne Mei­nung mehr ver­deut­licht, son­dern nur auf Funk­tio­nen ver­weist (Pres­se­spre­cher Sei­bel), un­ech­te Re­fe­ren­zen her­stellt (Wer be­haup­tet, dass sich die Flücht­lings­pro­ble­ma­tik al­lein durch Ma­ri­ne­ein­sät­ze vor der li­by­schen Kü­ste...), Pro­to-The­sen be­nutzt (Es be­steht kei­ner­lei Wi­der­spruch zwi­schen dem Geist der Eu­ro­päi­schen Uni­on und sei­nen wirt­schafts­po­li­ti­schen Axio­men bzw Fis­kal­re­geln...), und vie­les mehr. Ich den­ke, wir sind so sehr an die rhe­to­ri­schen Stan­dards ge­wöhnt, dass wir den Wald vor lau­ter Bäu­men nicht se­hen.
    –das an­de­re war die »Span­nung«, das be­zog sich auf den nor­ma­ti­ven Ge­halt ei­nes Di­kur­ses, und zwar ei­nes sin­gu­lä­ren Spre­chers. Grob: der ein­zi­ge Text, der kei­nem (»an­de­ren«) Sub­jekt zu­ge­ord­net wer­den muss ist das Ge­setz (ver­al­tert: die Bi­bel). Al­les an­de­re ist mensch­li­chen Ur­sprungs, wie man so schön sagt. Of­fen­bar gibt es al­so ei­ne »Aus­schluss­re­gel«, die ei­nen par­ti­ku­lä­ren po­li­ti­schen Dis­kurs von der All­ge­mein­heit der Ge­set­ze (Got­tes Wort) un­ter­schei­det. Den­noch (oder ge­ra­de des­halb?!) ver­sucht der po­li­ti­sche Dis­kurs stän­dig, nor­ma­ti­ve Aus­sa­gen zu ver­fer­ti­gen, wel­che an die All­ge­mein­heit der Ge­set­ze an­knüp­fen, bzw. Be­zug dar­auf neh­men. Ich ha­be den Ein­druck, dass ins­be­son­de­re je­ne Ab­stu­fung zwi­schen Ge­setz (Norm) und po­li­ti­schem Dis­kurs häu­fig schon »Mei­nung« ge­nannt wird, oh­ne dass ir­gend­ein Vor­schlag, ein Plan, ei­ne Ak­ti­on be­nannt wor­den wä­re...

  34. Ich wür­de die be­schrie­be­nen Phä­no­me­ne für »Pro­duk­te« un­se­rer me­dia­li­sier­ten Ge­sell­schaft hal­ten: Viel­leicht muss man manch­mal nor­ma­tiv spre­chen, Rhe­to­rik und Mei­nun­gen für ge­wich­tig ver­kau­fen, um (als Po­li­ti­ker) im Me­di­en­all­tag be­stehen zu kön­nen. Oder aber man kann da­durch be­quem »Punk­te« sam­meln (oder glaubt es tun zu kön­nen). — Die Kri­se ist je­den­falls auch haus­ge­macht.

    »Ir­gend­wie« müs­sen die po­li­ti­schen Dis­kur­se in De­mo­kra­tien zu Nor­men (Ge­set­zen) füh­ren, tren­nen kann man die bei­den Ebe­nen nicht.

  35. »Ir­gend­wie« müs­sen die Dis­kur­se das nicht! Ge­stat­ten Sie mir die­se fröh­li­che Um­keh­rung. Es ist doch klar er­kenn­bar, dass es so­wohl bei den sub­al­ter­nen Teil­neh­mern, als auch bei den Lin­ken, als auch (und ins­be­son­de­re dar­über dis­ku­tie­ren wir!) bei den li­be­ra­len Pres­se-Or­ga­nen kei­ner­lei ge­set­zes­ma­che­ri­sche Am­bi­tio­nen gibt.
    Ich bin Ih­nen dank­bar, dass sie die (für mich) ab­so­lut rich­ti­ge Po­si­ti­on so ge­las­sen aus­spre­chen. Denn ich rät­se­le seit Jah­ren, was man in Tei­len der Ge­sell­schaft für »Po­li­tik« hält. Man könn­te es ge­mäß ih­res Ter­mi­nus die »Über­pro­duk­ti­on des Po­li­ti­schen« nen­nen.

  36. Soll­te, selbst­ver­ständ­lich! Mich führt das wie­der­um in die Me­di­en­welt: Wir dis­ku­tie­ren ein Pro­blem und sprin­gen, oh­ne es zu lö­sen, von ei­nem Fo­kus­punkt der Auf­merk­sam­keit zum näch­sten: Ei­ne Be­schäf­ti­gung oh­ne En­de, oh­ne Tie­fe, ein Tret­rad, wir schlucken, ver­dau­en, se­zie­ren bis­wei­len, pro­du­zie­ren (ei­nen Text) und sind schon wie­der wei­ter. —- Aber es soll­te ei­gent­lich ganz und gar nicht so sein (Kommt die zu­min­dest ge­fühl­te Un­zu­läng­lich­keit der Po­li­tik auch von dort?).

  37. Das ist wahr. Und doch sieht das »Funk­ti­ons­mo­dell der spät­mo­der­nen Ge­sell­schaft« nur ei­ne Rand­po­si­ti­on für das po­li­ti­sche Sub­jekt vor. Mal ab­ge­se­hen von den er­lern­ten Auf­merk­sam­keits­de­fi­zi­ten,- die Re­le­vanz der po­li­ti­schen Sphä­re für das zeit­ge­nös­si­schen In­di­vi­du­um wä­re in der Tat zu klä­ren. Was »sticht« uns denn, was treibt uns denn um?! Ich hal­te viel von der iden­ti­tä­ren Hy­po­the­se, kom­bi­niert mit ei­nem prag­ma­ti­schen Macht-Be­griff. Oh­ne Auf­merk­sam­keit, kei­ne Par­ti­zi­pa­ti­on. Oh­ne Par­ti­zi­pa­ti­on, kein po­li­ti­sches »Selbst«.
    Ich las so­eben die Re­de von Lu­kas Bär­fuss bei den So­lothr­ner Li­te­ra­tur­ta­gen. Er macht ei­ne ab­sur­de Be­mer­kung über ei­ne »Na­tio­na­li­tät«, die er be­reits be­saß, be­vor er spre­chen konn­te. Of­fen­bar ist ihm nicht wohl bei dem Ge­dan­ken. Es wä­re in sei­nem Fall die Schweiz. Un­an­ge­nehm!
    Die Über­schrei­tung des Na­tio­nen­zu­falls, hin zu ei­nem uni­ver­sa­li­sti­schen Selbst hal­te ich für eben­so trü­ge­risch wie ei­nen blo­ßen Rück­zug auf das Hu­ma­ne, be­stehend aus ei­ner Mi­kro-Ethik, die ge­le­gent­lich gran­dio­se Phan­ta­sien aus­stößt. Der Li­te­rat Bär­fuss mag da­mit zu­frie­den sein, aber so­weit ich se­he, ist das Mo­dell nicht ver­all­ge­mein­bar. Ir­gend­wie ist die Po­li­tik den »Mas­sen« nicht völ­lig egal, oder?! Die Wahl­be­tei­li­gung müss­te längst un­ter 5% lie­gen, wenn die Leu­te wirk­lich kri­tisch wä­ren.
    Bleibt die ge­fühl­te Un­zu­läng­lich­keit, sprich das Span­nungs­ver­hält­nis zwi­schen dem »Mach­ba­ren« und der Rand­po­si­ti­on des In­di­vi­du­ums, ei­nes Ich, das häu­fig nicht mit den Po­li­ti­ken der Ak­teu­re sym­pa­thi­siert. Ist das er­träg­lich, oder führt das zu »Über­sprungs­hand­lun­gen«, wie es im Tier­reich heißt?! Ich ha­be oft den Ein­druck, dass die Käl­te des po­li­ti­schen Sy­stems kom­pen­siert wird mit al­ler­lei Re­vol­ten. Ist die De­mo­kra­tie wirk­lich auf den Men­schen zu­ge­schnit­ten, wie es ein pe­ne­tran­ter Rech­te­dis­kurs be­haup­tet?! Ist die De­mo­kra­tie warm, freund­lich, hu­man?!

  38. Ja, es scheint al­les so in Funk­ti­ons­zu­sam­men­hän­ge ge­klei­det (ge­fügt), dass dem po­li­ti­schen Sub­jekt nicht mehr als die Aus­ein­an­der­set­zung und die Stimm­ab­ga­be bleibt. — Ich den­ke mir manch­mal: Nimmt nicht al­les ge­nau den­sel­ben Gang, wenn ich mich da­für nicht in­ter­es­sier­te? — Re­vol­ten se­he ich ei­gent­lich kei­ne, be­sten­falls An­sät­ze (ich ha­be auch Zwei­fel, dass sie das sind, was wir tat­säch­lich be­nö­ti­gen).

    Ist die Mo­der­ne warm, freund­lich, hu­man? Ist die »Nest­wär­me«, die Ge­bor­gen­heit, um et­was po­le­misch zu ant­wor­ten, nicht als Zu­stand von Dau­er, schlicht Un­wahr­heit; muss man da­für nicht eher blind wer­den? — Har­mo­nie ist zwei­fel­los ein mensch­li­ches Be­dürf­nis und le­gi­tim; Auf­klä­rung hie­ße, aber auch das an­de­re se­hen zu wol­len. — Na­tür­lich ist un­se­re ab­strak­te, ver­wal­te­te, ver­recht­lich­te und ver­wis­sen­schaft­lich­te Welt auch ein Schrecken, für den­ken­de, füh­len­de, or­ga­ni­sche We­sen, der eher zu- als ab­nimmt. Viel­leicht ist der Schrecken aber doch ge­rin­ger, als er vie­ler­orts schon war. — Un­se­re Lö­sun­gen wer­den im­mer mensch­li­che blei­ben.

  39. Schö­ne Wor­te. Mit Recht setz­ten sie »De­mo­kra­tie« und »Mo­der­ne« syn­onym. Den De­mo­kra­tie-Be­griff könn­te man häu­fig mit »er­wei­ter­te psy­cho­so­zia­le Um­ge­bung« er­set­zen, oh­ne dass sich die Aus­sa­ge ver­än­dern wür­de.
    Die Neu-Be­stim­mung des al­ten Auf­klä­rungs-Be­griffs ge­fällt mir eben­falls. Die Rau­ig­keit, die Här­ten, die schreck­li­chen Be­ob­ach­tun­gen sind be­stimmt die stärk­ste Mo­ti­va­ti­on für das Den­ken. Es ist ein ge­wis­ser Al­tru­is­mus nö­tig, der üb­ri­gens nicht völ­lig un­pro­ble­ma­tisch ist. Ich ha­be mich oft ge­fragt, wel­che Mo­ti­ve die we­sent­li­chen Den­ker bei ih­rer »Be­rufs­wahl« hat­ten. Dies wä­re ei­nes der wich­tig­sten.
    Mo­der­ne, De­mo­kra­tie, po­li­ti­sche Ethik, sie schei­nen bei­nah in eins zu flie­ßen. Ich ge­ste­he, dass ich hier am al­ler­läng­sten ge­zö­gert ha­be, ob es sich bei die­sem Drei­klang um das gro­ße »kul­tur­ge­schicht­li­che Ge­schenk« han­delt, nach dem es aus­sieht. Mein Miss­trau­en ge­treu der De­vi­se »Too good to be true« war ge­wal­tig. Aber der Mensch be­steht aus Schich­ten. Und was auf der ei­nen Ebe­ne ei­nen stim­mi­gen und kon­klu­den­ten Zu­sam­men­hang dar­stellt, kann auf ei­ner an­de­ren die al­ler­selt­sam­sten Fra­gen und An­wand­lun­gen her­vor­ru­fen.

  40. Ich ha­be mich an der Dis­kus­si­on be­wusst ei­ni­ge Zeit nicht be­tei­ligt und dan­ke für die kon­struk­ti­ven Kom­men­ta­re.

    @bersarin
    Ich bin in­zwi­schen wo­mög­lich da­hin­ge­hend et­was ru­hi­ger ge­wor­den, dass mich Kom­men­ta­re von Heu­schrecken (Ein­mal-Be­su­cher, die nie mehr wie­der­kom­men bzw. nur zum Kra­wall­ma­chen) ein­fach nicht mehr in­ter­es­sie­ren. Ich hat­te über­legt, den Kom­men­tar von kul­tur­jour­no ein­fach zu lö­schen, weil er (1.) An­grif­fe auf Ab­we­sen­de vor­nahm und (2.) die An­grif­fe nichts zur The­ma­tik des Tex­tes bei­getra­gen ha­ben. Ich hab ihn dann doch ste­hen­las­sen.

    @die kal­te So­phie und @metepsilonema
    In­ter­es­san­te Ab­zwei­ge, die die­se Dis­kus­si­on ge­nom­men hat. Wir kom­men im­mer ir­gend­wie auf die The­men »De­mo­kra­tie« und »Mo­der­ne« zu­rück, wenn wir uns ir­gend­wann über den Jour­na­lis­mus und sei­ne Un­zu­läng­lich­kei­ten und Vor­tei­le aus­ge­tauscht ha­ben. War­um ei­gent­lich?

    Ein Ge­dan­ke ist be­mer­kens­wert: Die Wahl­be­tei­li­gung müss­te längst un­ter 5% lie­gen, wenn die Leu­te wirk­lich kri­tisch wä­ren. Das kor­re­spon­diert mit dem Bon­mot, dass Wah­len längst ab­ge­schafft wor­den wä­ren, wenn sie et­was ver­än­dern wür­den. Ich ha­be das ja an an­de­rer Stel­le schon ein­mal ver­sucht zu de­fi­nie­ren: Wah­len wer­den so­lan­ge an­ge­nom­men, so lan­ge da­hin­ter ein Ver­spre­chen steht, dass sich et­was än­dern k ö n n t e. Wenn Wah­len ir­gend­wann nur de­mo­sko­pi­schen Vor­her­sa­gen ent­spre­chen oder durch Ko­ali­ti­ons­ab­spra­chen im Vor­feld schon klar ist, wer re­giert, wird die Be­tei­li­gung ab­neh­men. Man kann das ja in Öster­reich se­hen, wo es nur ei­ne Fra­ge der Zeit ist, wann die »Gro­ße Ko­ali­ti­on« zwi­schen ÖVP und SPÖ bei den Na­tio­nal­rats­wah­len un­ter 50% fal­len wird. Wenn dann Leu­te über­haupt noch wäh­len, dann Pro­test­par­tei­en – rechts oder links (der­zeit eher rechts). Je­de Stim­me für ei­ne sol­che Par­tei stei­gert na­tür­lich die Le­gi­ti­ma­ti­on der Re­gie­rung. Wahl­be­tei­li­gun­gen un­ter 50% aus Kom­mu­nal- oder Län­der­ebe­ne wer­den aber in Zu­kunft die Re­gel sein. Man darf hier Pro­test nicht mit Gleich­gül­tig­keit ver­wech­seln: Die Er­fah­rung zeigt, dass die Aus­tausch­bar­keit der po­li­ti­schen Par­tei­en zu­nimmt (hier ein ak­tu­el­les Bei­spiel aus der Düs­sel­dor­fer Lo­kal­po­li­tik). Am En­de blei­ben die Leu­te lie­ber zu Hau­se oder im Schwimm­bad.

    Me­di­en hät­ten nun die Auf­ga­be, hier­auf ein­zu­ge­hen. Das ge­schieht je­doch zu­meist nicht. Öf­fent­lich-recht­li­che Me­di­en mu­tie­ren zu Voll­zugs­or­ga­nen der Staats­macht; man­che Be­richt­erstat­tung mu­tet fast schon pro­pa­gan­da­haft an. Den Dis­kurs­raum, den sie zur Ver­fü­gung stel­len könn­ten, nut­zen sie nicht. Ver­mut­lich aus Furcht vor In­fil­tra­ti­on un­er­wünsch­ter Mei­nun­gen und The­sen.

  41. @Gregor
    Das ver­wun­dert mich ei­gent­lich nicht: Der Jour­na­lis­mus steht in ei­nem wech­sel­sei­ti­gen Ver­hält­nis zur De­mo­kra­tie und bei­de ge­dei­hen (oder wel­ken) un­ter den Be­din­gun­gen (auch: spät- oder post-) mo­der­ner Ge­sell­schaf­ten.