Die­se Sai­son

A.d.L.e.R: Aus dem Le­ben ei­ner Rik­scha­fah­re­rin – Nr. 16

Ich fah­re raus zum Event. Völ­lig nor­ma­les Event. Ir­gend­ei­ne Ta­gung, 40 Fahr­gä­ste, 20 Rik­schas, vom ei­nen Ho­tel am Alex­an­der­platz zum an­de­ren Ho­tel in der Stauf­fen­berg­stra­ße, di­rek­ter Weg, Fahr­zeit ei­ne hal­be Stun­de, Eng­lisch­kennt­nis­se er­for­der­lich, Ab­fahrt 15.00 Uhr. Ich bin eu­pho­ri­siert da­von, dass ich die­se Sai­son nicht mehr mit der Rik­scha ar­bei­ten muss. Ich fah­re nur für das Event raus und da­nach gleich wie­der rein.

Um kurz vor drei kom­me ich am Ho­tel an, wer­de be­grüßt von un­se­rem Ge­schäfts­mann in kur­zen Ho­sen, der die­ses Event or­ga­ni­siert, rei­he mein Fahr­zeug in die For­ma­ti­ons­auf­stel­lung ein, und dann quat­sche ich mit den Kol­le­gen. Ich strah­le von ei­nem Ohr­läpp­chen bis zum an­de­ren. Ich war­te die Fra­ge, wie es mir ge­he, gar nicht erst ab. »Leu­te«, sag ich, »ich muss die­se Sai­son nicht mehr mit der Rik­scha ar­bei­ten.« Neid­erfüll­te Blicke von al­len Sei­ten, Neid durch­wach­sen von Freu­de, sie freu­en sich mit, sie wis­sen, was es be­deu­tet. Wie das denn. »Ich ha­be ein Sti­pen­di­um ge­schos­sen, das reicht für ei­ne Wei­le. Ich kann jetzt je­den Tag schreim, nur noch schreim, und am Nach­mit­tag le­ge ich mich in den Park und boh­re in der Na­se.« Die Freu­de und der Neid ma­chen ei­ne apar­te Kom­bi­na­ti­on, und ich muss al­les über das Sti­pen­di­um er­klä­ren. Wie krie­gen, von wem, wie viel, wo­für. Er­klä­re ich ger­ne. Für mein neu­es Ro­man­pro­jekt. Ach das, von dem Du neu­lich er­zählt hast. Ja ge­nau. Ja aber, schreibst Du denn dann Dei­ne Ad­ler noch wei­ter? Weiß ich nicht, bin kei­ne Mul­ti­tas­ke­rin, al­so wenn ja, dann auf je­den Fall we­ni­ger. Ist doch pri­ma, müs­sen wir end­lich nicht mehr so viel le­sen. Ich hab mich ja nur Eu­ret­we­gen be­wor­ben, weil ich da­von aus­ging, dass ichs eh nicht krie­ge. Na, herz­li­chen Glück­wunsch auf je­den Fall, hau rein, wa. Is in Ar­beit, dan­ke.

Die Gä­ste ha­ben Ver­spä­tung. Das ist völ­lig nor­mal und soll uns recht sein, wir wer­den ab dem ge­buch­ten Zeit­punkt be­zahlt. Im Ge­gen­satz zu un­be­zahlt war­tet es sich be­zahlt wirk­lich sehr kom­for­ta­bel. Und mit so ei­nem Sti­pen­di­um im Rücken ist es das War­ten de­lu­xe der ge­ho­be­nen Ex­tra­klas­se. Die Fah­re­rin­nen und Fah­rer tru­deln tröpf­chen­wei­se ein. Ich er­zähls je­dem. Das wä­re gar nicht nö­tig, ei­ner wür­de völ­lig ge­nü­gen, es spricht sich al­les im­mer ruck­zuck her­um. Manch­mal er­fährt man Din­ge über sich selbst, die man vor­her noch gar nicht wuss­te. Dann muss ich noch schnell mit zwei Kol­le­gen et­was we­gen die­ses bun­ten Rik­schaabends be­spre­chen, den wir am 30. Ju­ni im trak­tor neu­kölln – Acker­bau und Hoch­kul­tur ver­an­stal­ten wer­den. Und ge­ra­de wie ich mei­ne Kip­pe aus­tre­te, kom­men die Gä­ste aus dem Ho­tel, ver­tei­len sich in null Kom­ma nichts auf die Rik­schas, und wir rau­schen rü­ber in die Stauf­fen­berg­stra­ße. (Ist das Ihr Hob­by? Ja klar, echt jetzt, seit ge­stern.) Da­nach ha­ben es die ei­nen ir­re ei­lig, ge­ben rich­tig Gas und sind in Ge­dan­ken schon am näch­sten Stand­ort, wäh­rend an­de­re noch ein Schwätz­chen hal­ten, be­vor sie über­le­gen, wo sie als näch­stes hin­fah­ren wer­den, und ei­ner hat ei­ne ge­buch­te Tour in ei­ner Stun­de (Gut­schein). Mit dem geh ich noch ein Eis es­sen und lass mir den Bauch pin­seln. Dem er­zähl ich noch ein biss­chen übers Sti­pen­di­um, dass das näm­lich der Rolls Roy­ce un­ter den Sti­pen­di­en ist, zu Hau­se blei­ben, Geld aufs Kon­to krie­gen, fer­tig. Wir es­sen Eis, der Kol­le­ge pin­selt, aber wie wir uns ver­ab­schie­den, wird er ganz ernst: »Und du, hör mal, eins muss ich Dir noch sa­gen, wenn Du jetzt an­fängst, so­ne Preis­trä­ger­pro­sa zu schrei­ben, dann les ich nie wie­der was von dir.« Das nehm ich mir na­tür­lich zu Her­zen, und dann fährt er zu sei­ner Vor­be­stel­lung, und ich fahr rein und von da schnur­stracks nach Hau­se an den Schreib­tisch.

© Ste­pha­nie Bart

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3 Kommentare Schreibe einen Kommentar

  1. ge­nau, und dar­in be­steht die Tüch­tig­keit:

    Am­bi­ti­on is a po­or ex­cu­se for not ha­ving sen­se en­ough to be la­zy. (Mi­lan Kun­de­ra)

    und:

    What no wi­fe of a wri­ter can ever un­der­stand is that a wri­ter is working when [s]he’s sta­ring out of the win­dow. (Bur­ton Ras­coe)

  2. Na dann muß das näch­ste Schwätz­chen am Zeug­haus oder Tor wohl noch ein Weil­chen auf sich war­ten las­sen. Scha­de ei­gent­lich. Hat­te üb­ri­gens noch nicht von Dei­nem Glück er­fah­ren. So zu­ver­läs­sig ar­bei­tet der Busch­funk dann im Zwei­fels­fall doch nicht.

    Na dann laß es Dir mal gut ge­hen und auch mal wie­der et­was von Dir hö­ren.