Heute sitze ich auf drei horizontal nebeneinander liegenden langen, kräftigen, grauen und trockenen Bambusstämmen. Hinter der Haupthütte des Schreins hat man sie auf zwei Granitsteine gestützt, die sich in der Nähe ihrer glatt geschnittenen Enden befinden, so daß eine lange, freie Mitte entsteht (die auch bei starker Belastung nicht durchhängt). Die Stämme sind genau so hoch über dem von totem Laub bedeckten Erdboden, daß ich bequem sitzen kann, die Beine im rechten Winkel, die Sohlen auf dem Boden. Aber als Sitzbank ist die Vorrichtung nicht gedacht, es ist überhaupt keine Vorrichtung, nur der hintere, fast ornamentale Abschluß des Schreins, denn die Länge der Bambusstämme entspricht genau der Grundrißlänge des Holzgebäudes (das heißt, die Stämme stehen seitlich ein wenig vor, gleichmäßig links und rechts, bis zu der granitenen Einfassung des Bodens). Die Stämme scheinen eine Art Reserve zu sein. Aber wofür? Für die Texte, die ich hier schreibe? Lange, sehr lange Buchstaben? Schriftgehege?
Meine Tochter ist jetzt, während ich auf den gefällten Bambusstämmen sitze, den Computer auf dem Schoß, in der Schule, einen Tag vor dem Gedenktag des Atombombenabwurfs, in den Sommerferien. Auch damals waren Sommerferien, die Kinder arbeiteten in Kriegsfabriken. Ich blicke auf, schaue zu den senkrechten, kräftigen, gelblichen Bambusstämmen in der Halbdistanz und weiß meine Tochter in Sicherheit. Ich glaube uns in Sicherheit, während all das geschieht und geschehen kann. Ich erinnere uns an Yuya, ihren Schulfreund, getötet von einem Automobil, dessen Fahrer einem Mobiltelephon seine Aufmerksamkeit schenkte, aber nicht Yuya-kun, der jetzt für immer fehlt.
Das war vor wenigen Wochen. Es gibt keine Sicherheit, aber den Glauben und das zeitweilige Gefühl.
© Leopold Federmair