Aus­lö­schung (2)

— Teil 1

2

Kid­za­nia ist ein vor­sint­flut­li­cher Spiel­kon­ti­nent, er­rich­tet und be­trie­ben mit den Mit­teln mo­dern­ster Tech­nik und Kom­mu­ni­ka­ti­on. Die Kin­der ge­hen dort hin, um spie­lend zu ar­bei­ten, al­so die Tä­tig­kei­ten der Er­wach­se­nen zu imi­tie­ren, dar­un­ter sol­che, für die in der Er­wach­se­nen­wirk­lich­keit gar kein Per­so­nal mehr be­nö­tigt wird. Die mei­sten be­glei­ten­den El­tern oder Groß­el­tern tun ih­re Pflicht, in­dem sie di­gi­ta­le Re­pro­duk­ti­ons­tech­ni­ken – Ka­me­ras, Han­dys – zum Ein­satz brin­gen und die Klei­nen bei ih­ren Tä­tig­kei­ten photo­graphieren und fil­men, was in der Re­gel ein Selbst­zweck ist, in­so­fern die Über­fül­le der ge­spei­cher­ten Bil­der in der Zu­kunft die­ser Fa­mi­li­en in vir­tu­el­len Ab­stell­kam­mern ver­stau­ben wird (um ei­ne vor­sint­flut­li­che Me­ta­pher zu ge­brau­chen). Das Ab­lich­ten selbst ist ein Ri­tu­al, ei­ne Art Spiel, das die Ge­pflo­gen­hei­ten in ei­ner tech­ni­sier­ten Kon­sum­welt be­dient. An­de­re An­ge­hö­ri­ge sit­zen in ei­ner Ecke der Kin­der­stadt auf ei­ner Ru­he­bank für Er­wach­se­ne und be­schäf­ti­gen sich mit ih­ren Smart­phones. Ein paar Mi­nu­ten lang ha­be ich ei­nem Va­ter über die Schul­ter ge­schaut, der ei­nes die­ser bun­ten Spie­le spiel­te, wo man be­weg­li­che ab­strak­te For­men ord­nen und Hin­der­nis­sen aus­wei­chen muß. Wäh­rend sein Sohn mit größ­tem Ei­fer die Rol­le ei­nes Po­li­zi­sten aus­füll­te, lüm­mel­te der Va­ter da und gab sich der Be­schäf­ti­gung hin, die ver­mut­lich ei­nen Groß­teil sei­ner Frei­zeit zu Hau­se, im Zug im Au­to oder in der Mit­tags­pau­se aus­füllt. Der Sohn wird die­sen Grad der In­fan­ti­li­sie­rung erst im Er­wach­se­nen­al­ter er­rei­chen. Einst­wei­len hängt er in sei­nem ern­sten Spiel der Il­lu­si­on nach, in der Welt der Vä­ter wür­den ver­nünf­ti­ge und be­deut­sa­me Din­ge ge­schehen, zu der je­des wert­vol­le Ge­sell­schafts­mit­glied sei­nen Bei­trag zu lei­sten ha­be.

Ich selbst spie­le kei­ne sol­chen Games. Al­ler­dings be­steht ein Teil mei­ner Un­ter­hal­tung dar­in, spiel­ver­ses­se­ne Er­wach­se­ne zu or­ten, sie zu be­ob­ach­ten und mich in­ner­lich über die­se Art von Kul­tur zu er­re­gen. Ich su­che nicht nach Po­ke­mons, son­dern ver­fol­ge Po­ke­mon-go-Spie­ler. Ei­ner, auf ei­nem Bahn­steig in Osa­ka, tat es ver­steckt, hin­ter dem Rücken sei­ner et­wa vier­jäh­ri­gen Toch­ter. So las­se ich mich selbst, er­klär­ter Geg­ner der In­fan­ti­li­sie­rung, in mei­nem täg­li­chen Ver­hal­ten von der tech­no­lo­gi­schen Ver­spielt­heit be­herr­schen. Wahr­schein­lich wä­re es bes­ser, klein bei­zu­ge­ben, mir ein Smart­phone oder Ta­blet zu kau­fen und mich ir­gend­wel­chen die­ser Spie­le hin­zu­ge­ben. Kri­ti­sche be­ob­ach­ten oder ein­fach mit­tun, das macht letzt­lich gar kei­nen Un­ter­schied. Au­ßer viel­leicht den, daß man nur mit ei­nem Mi­ni­mum an Di­stanz zu dem, was vor sich geht und Sa­che ist, dar­über schrei­ben kann. Dar­an hal­te ich im­mer noch fest. Der näch­ste Schritt, die näch­ste Fra­ge wä­re: Wo­zu über­haupt schrei­ben? Wenn man doch schau­en, be­rüh­ren und klicken kann.

Nicht al­le Tä­tig­kei­ten in Kid­za­nia sind ernst, pro­duk­tiv oder dienst­fer­tig. Äs­the­tik und Show­busi­ness spie­len ge­nau wie in der Er­wach­se­nen­welt ei­ne wich­ti­ge Rol­le. Al­ler­dings doch ei­ne ver­gleichs­wei­se klei­ne­re Rol­le, denn die er­wach­se­ne Öko­no­mie setzt weit mehr als die kind­li­che auf Spiel und Spe­ku­la­ti­on, Wet­te und De­sign, Wunsch und Il­lu­si­on, Kul­tur und Sport. In die­sen mehr oder min­der ima­gi­nä­ren Be­rei­chen macht der Kapi­talismus des 21. Jahr­hun­derts sei­ne Pro­fi­te. Ei­ne der Tä­tig­kei­ten, die mei­ne Toch­ter in Kid­za­nia wähl­te, war die Fa­shion-Show, wie man hier sagt, und was wä­re so ei­ne Show oh­ne Pho­to­gra­phien, die nach dem Event me­di­al ver­brei­tet wer­den. Die Mo­de­schau ge­hört zu den Phä­no­me­nen, die durch die Vi­sua­li­sie­rung und Di­gi­ta­li­sie­rung der Kom­mu­ni­ka­ti­on ge­wal­ti­gen Auf­trieb be­kom­men ha­ben, sie ist mit­samt ih­ren ma­ge­ren, un­ge­schickt daher­stap­fen­den, selbst­ver­sun­ken oder ab­wei­send drein­blicken­den Hel­den ein Em­blem der Pop­kul­tur­in­du­strie, und daß mei­ne Toch­ter – wie ich selbst – In­ter­es­se da­für zeigt (sie viel­leicht et­was we­ni­ger »kri­tisch«), kann ich ihr nicht ver­den­ken. Kurz und gut, pro­fes­sio­nel­le Pho­to­gra­phen schwir­ren in Kid­za­nia um­her und pho­to­gra­phie­ren die Kin­der bei ih­ren Tä­tig­kei­ten, und die Mo­de­schau ist ein Hö­he­punkt, der nicht un­re­pro­du­ziert blei­ben darf. Hier liegt üb­ri­gens ei­ne Ver­bes­se­rungs­mög­lich­keit des Kid­za­nia-Sy­stems, denn die Pho­to­gra­phen sind aus­nahms­los Er­wach­se­ne. Wie wä­re es, Kin­der­trupps un­ter der An­lei­tung von Pro­fis zur Do­ku­men­ta­ti­ons­tä­tig­keit aus­zu­schicken? Am En­de des Ar­beits­tags kann man die aus­ge­stell­ten Pho­tos auf groß­for­ma­ti­gem Hoch­glanz­pa­pier be­wun­dern und käuf­lich er­wer­ben. Frei­lich, pho­to­gra­phie­ren ist da aus­drück­lich ver­bo­ten, sonst wür­den die Be­su­cher, al­so die Kun­den, die Re­pro­duk­tio­nen mit ih­ren Han­dys re­pro­du­zie­ren und un­ent­gelt­lich mit nach Hau­se neh­men. Das ist ei­nes der Phä­no­me­ne der flä­chen­decken­den Di­gi­tal­pho­to­gra­phie und der un­be­grenz­ten Spei­che­rung von Bil­dern, die – im Prin­zip – je­der­zeit ab­ruf­bar sind: Man braucht sich In­for­ma­tio­nen un­ter­wegs nicht zu mer­ken, man muß nichts ab- und auf­schrei­ben oder gar ab­zeich­nen, man drückt kurz auf den Aus­lö­ser und die Sa­che hat sich, ist be­wahrt. Die Di­gi­ta­li­tät treibt im all­täg­li­chen Ver­hal­ten der Mas­se der Kon­su­men­ten (vul­go Nut­zer) das Ver­trau­en in die ana­lo­ge Ab­bil­dung auf neue Hö­hen. Die Be­quem­lich­keit die­ses Tuns, die Leich­tig­keit, mit der man Feh­ler, Irr­tü­mer, Män­gel lö­schen, rück­gän­gig ma­chen oder kor­ri­gie­ren kann, för­dert ein sucht­ähn­li­ches Ver­hal­ten. Man kann nie ge­nug Fo­tos schie­ßen, zu­mal sie ja nichts ko­sten. Zwan­zig Fo­tos oder zwei­tau­send an ei­nem Tag, das macht kei­nen Un­ter­schied. In der prä­di­gi­ta­len Ära muß­te man sich je­de Auf­nah­me gut über­le­gen, nicht nur aus per­spek­ti­vi­schen, aus äs­the­ti­schen Grün­den, son­dern auch, weil die Zahl der mög­li­chen Schüs­se durch den Film be­grenzt und das Ent­wickeln teu­er war. Im di­gi­ta­len Zeit­al­ter gibt es ei­nen un­ge­heu­ren, und zwar täg­li­chen Wild­wuchs der ste­hen­den und be­weg­ten Bil­der, die zum Glück fast al­le­samt für im­mer ver­schwin­den und auf pa­ra­do­xe Wei­se ei­ner Ver­geß­lich­keit Vor­schub lei­sten, ei­ner Klick- und Auslöse­mentalität, die in den ge­gen­wär­ti­gen Au­gen­blick ver­strickt ist und die­sen ver­säumt, weil sie sich ja aufs Re­pro­du­zie­ren kon­zen­trie­ren muß.

Im ana­lo­gen Zeit­al­ter, als ich ein Kind war, ver­wen­de­ten wir viel Zeit auf die Zusammen­stellung von Fo­to­al­ben, die ei­nen Eh­ren­platz im spär­lich be­stück­ten Bü­cher­re­gal hat­ten und bei be­stimm­ten Ge­le­gen­hei­ten her­vor­ge­nom­men und an­ge­schaut und ge­le­sen wur­den. Ge­le­sen des­halb, weil wir uns pas­sen­de Bild­un­ter­schrif­ten aus­ge­dacht und schön­ge­schrie­ben hat­ten, und weil die­se Schrei­ne der Do­ku­men­ta­ti­on nicht nur Fo­tos ent­hiel­ten, son­dern auch an­de­re Do­ku­men­te, Fahr­kar­ten von Ei­sen­bah­nen und Seil­bahnen, Ein­tritts­kar­ten von Mu­se­en, zu­wei­len auch Ge­dich­te oder Ge­be­te. Viel Zeit? Nicht gar so viel, wenn man be­denkt, wie­viel Zeit heu­te mit ziel- und er­geb­nis­lo­sem Sur­fen, Su­chen und War­ten, mit Si­cher­heits­vor­keh­run­gen und Up­dates, mit un­er­wünsch­ten Wer­be­bot­schaf­ten und sinn­lo­sen Mit­tei­lun­gen der Schrei­ber­lin­ge an un­se­rem Ar­beits­platz ver­schwen­det wird. Wir da­mals, wir ver­such­ten die Do­ku­men­ta­ti­on un­se­rer Vergangen­heit zu ge­stal­ten, und ge­wiß ver­su­chen das heu­te noch vie­le, wo­bei sie na­tur­ge­mäß elek­tro­ni­sche Tech­ni­ken zum Ein­satz brin­gen. Spei­cher­or­te zu Do­ku­men­ta­ti­ons­zwecken bie­ten auch die so­ge­nann­ten so­zia­len Me­di­en, die ja Freund- und Verwandtschaftsbe­ziehungen nach­zu­bil­den ver­su­chen – wie­der ein­mal di­gi­ta­le Tech­nik im Dien­ste des Ana­lo­gen! Face­book hat ei­ne so­ge­nann­te Time­line, das Me­di­um er­laubt uns, von der Ober­flä­che der täg­li­chen, stünd­li­chen, se­künd­li­chen Nut­zung zu­rück­zu­ge­hen in die Tie­fe ei­ner Ver­gan­gen­heit (das Wort selbst wird ver­mie­den), aber de fac­to tun wir es nicht. Wenn ei­ner un­se­rer Bei­trä­ge – meist sind es Fo­to­bei­trä­ge – an­ge­klickt, das heißt ge­li­ket, das heißt ver­bucht wird, dann im­mer am Tag des »Po­stings«, der pri­va­ten oder öffent­lichen Ver­öf­fent­li­chung. For­dern Sie mal auf Face­book ei­nen »Freun­des­kreis« da­zu auf, sich ge­mein­sam die Fo­tos von vor drei Jah­ren an­zu­se­hen! Al­le die­se Freun­de, zu de­nen po­ten­ti­ell al­le ge­wor­den sind, sind doch längst da­bei, neue Fo­tos zu schie­ßen, her­zu­zei­gen und im näch­sten Au­gen­blick zu ver­ges­sen, um so­gleich neue Fo­tos zu schie­ßen. Face­book und die ana­lo­ge Welt, die die so­ge­nann­te vir­tu­el­le imi­tiert, drän­gen zum Small­talk der Au­gen­blick­s­kom­mu­ni­ka­ti­on, zum be­müht wit­zi­gen Ge­schwätz, zum Chat­ting, das stän­dig statt­fin­den soll, je­den Au­gen­blick, oh­ne In­halt, als blo­ßes Rau­schen, denn im Au­gen­blick tut man nichts als (sich) zei­gen und chat­ten. Ar­chi­ve sind un­ter sol­chen Um­stän­den kei­ne Auf­be­wah­rungs­or­te, son­dern Müll­hal­den, die Gott sei Dank un­sicht­bar, un­be­rührt, un­ge­klickt blei­ben. Face­book hat für vie­le Ur­ein­woh­ner der di­gi­ta­len Welt da­bei im­mer noch zu­viel Text. Mehr und mehr User zie­hen Or­te wie In­sta­gram vor, wo man klickt und blickt und sich Kom­men­ta­re er­spart.

Es ist gut ein Jahr her, daß ich mit ei­ner Freun­din im al­ten Stadt­zen­trum von Gua­d­a­la­ja­ra, Me­xi­ko, um­her­spa­zier­te. Mei­ne Freun­din ist Pho­to­gra­phin, sie macht häu­fig Fo­tos, spei­chert ei­nen sorg­fäl­tig aus­ge­wähl­ten Teil da­von auch im In­ter­net, auf Flickr. (All die­se selt­sam kind­li­chen, wo nicht kin­di­schen Na­men, hin­ter de­nen sich mäch­ti­ge, weltbe­stimmende Kon­zer­ne ver­ber­gen: Goog­le, Ap­ple, Ya­hoo, Twit­ter... Von oben her­ab, mit ih­ren glo­ba­len Ge­sten, sug­ge­rie­ren sie uns, all das, was wir tun und tun müs­sen, über­all und täg­lich, sei ein Spiel und sonst nichts.) Bei ei­ner schmie­de­ei­ser­nen Glo­ri­et­te seit­lich der Ka­the­dra­le stie­ßen wir auf ein al­tes Männ­chen mit vor der Brust bau­meln­der Ka­me­ra, das uns sei­ne Pho­to­gra­phen­dien­ste an­bot. Ich zö­ger­te; mei­ne Freun­din war be­gei­stert. Ein ech­ter, le­ben­di­ger – wie sagt man: Ausflugs‑, Platz­pho­to­graph? Wie ein Ehe­paar, für das uns das Männ­chen ver­mut­lich hielt, stell­ten wir uns un­ter das Glo­ri­et­ten­dach, nicht die Ka­the­dra­le, son­dern ei­ne Miet­haus­fas­sa­de im Hin­ter­grund, und lie­ßen uns ab­lich­ten, fest­hal­ten, do­ku­men­tie­ren. Da­nach ver­schwand das Männ­chen hin­ter dem Sockel der Glo­ri­et­te, und wir folg­ten ihm vor­sich­tig, neu­gie­rig. Wir sa­hen, wie er in ei­ner Ni­sche mit ei­nem klei­nen Ap­pa­rat han­tier­te, ei­nem Drucker, an den er die Ka­me­ra an­ge­schlos­sen hat­te. »Neue­ste Tech­nik aus Ja­pan!«, be­merk­te er stolz. Es war ihm über­haupt nicht pein­lich, daß wir sei­ne heim­li­che Werk­stät­te in­spi­zier­ten. Viel­mehr klag­te er uns sein Leid, das Ge­schäft ge­he nicht gut, wir sei­en seit sechs Ta­gen die er­ste Kund­schaft, so lan­ge ha­be er auf uns ge­war­tet. Wir ent­lohn­ten ihn reich­lich, aber sei­ne Pro­fes­si­on wer­den wir da­durch nicht ret­ten kön­nen. Sie ist dem Un­ter­gang ge­weiht, da auch im Be­reich des op­ti­schen Do­ku­men­tie­rens nie­mand mehr Kon­su­ment sein will, al­le nur noch (Re-)Produzenten, in ei­nem fort, un­er­müd­lich, un­er­sätt­lich.

Selfiefotografinnen - © Leopold Federmair

Sel­fie­fo­to­gra­fin­nen – © Leo­pold Fe­der­mair

Pro­duk­ti­ons­kon­su­men­ten. Kon­sum­pro­du­zen­ten. Je­der ver­fügt über ei­ne, zwei, drei Ka­me­ras, je­der schießt in al­le Rich­tun­gen. Nicht ein­mal die ei­ge­nen Fo­tos wer­den noch kon­su­miert, d. h. an­ge­se­hen oder gar be­trach­tet, das Spiel des Klickens, des Aus­lö­sens ge­nügt sich selbst. In­so­fern ist das Sel­fie als neu­es pho­to­gra­phi­sches Gen­re mit­samt sei­ner in Win­des­ei­le per­fek­tio­nier­ten Tech­nik, sei­nen Ac­ces­soirs ei­ne höchst kon­se­quen­te Ent­wick­lung und das nicht sel­ten zu be­ob­ach­ten­de Pho­to­gra­phie­ren von Photographie­renden ein letz­tes Sinn­bild, so­zu­sa­gen das Me­taem­blem un­se­rer Zeit. Auch mei­ne Freun­din hat das al­te Männ­chen bei sei­ner Ar­beit ab­ge­lich­tet. Nicht oh­ne ein Ge­fühl der Scham, wie sie mir ge­stand. Mit all­dem ver­hält es sich so, als woll­ten wir al­le tat­säch­lich die Wirk­lich­keit aus­lö­sen. Oder aus­lö­schen. Aus­lö­send aus­lö­schen.

Im­mer­hin, das me­xi­ka­ni­sche Männ­chen mit sei­ner al­ten Ka­me­ra und sei­ner neu­en Tech­no­lo­gie ist mir im Ge­dächt­nis ge­blie­ben, und jetzt ha­be ich es schon zwei­mal, in zwei ver­schie­de­nen Tex­ten, auf­ge­schrie­ben, auf mei­ne Art fest­ge­hal­ten, an Or­ten, wo es zu blei­ben und zu le­ben, al­so sich zu ver­än­dern ver­spricht. Denn das Ge­schrie­be­ne und das Er­in­ner­te ha­ben ei­nes ge­mein­sam: Es bleibt nicht so, wie es ein­mal war, son­dern be­darf der stän­di­gen, über wei­te Strecken auch un­be­wuß­ten Neu­ge­stal­tung, al­so der Interpreta­tion. Das Er­in­ner­te ist wie das Ge­schrie­be­ne sei­nem We­sen nach kei­ne Ko­pie. Im Unter­schied zum Ge­spei­cher­ten und zum Ab­ge­lich­te­ten. Nur durch den Akt des Er­in­nerns be­kommt un­se­re Ver­gan­gen­heit Tie­fe.

© Leo­pold Fe­der­mair

Teil 3/3 —>

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