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Überraschend dann: Die Lektüre, diese dauerplappernde, synästhetische Ich-Erzählerin mit ihren hyperventilierenden Wahrnehmungen strengt an. Fast jeder Satz von Helena Adler schneidet, beißt, trifft. Aber man täusche sich nicht: Wo andere mit Repetitionen arbeiten, wo die Zorn in blinde Wut gerinnt, ist hier alles unter Kontrolle. Und gleichzeitig in Aufruhr. Eben waren die Urgroßeltern noch der Alptraum, leicht müffelnd, geizig, erstarrt in ihren Ritualen – dann, wenige Seiten später, wird ihr Tod betrauert, die »leibhaftige Großmut« des Urgroßvaters gerühmt, die Schuldkomplexe beim Tod der Urgroßmutter hervorgeholt (das Kind hatte die Alarmvorrichtung am häuslichen Krankenbett nach dem dritten Schlaganfall abgeschaltet) und dann werden Zeitsplitter von Wohlbehagen evoziert, gipfelnd in eine untergründige Zeitkritik, die man gar nicht erwartet hätte: »Sie bunkern und horten, sie sammeln und archivieren. Sie stapeln Konservendosen und lieben das Wort, denn ihre Erinnerungen sind in ihren Köpfen konserviert wie in Dosen. Sie falten Plastiksackerl und sammeln Himbeeren…Sie besitzen fast nichts, aber dieses Wenige ist so viel wert, dass es mehr ist als alles, was die Moderne an Überfluss hervorbringt oder die Zeit an Fortschritt.« [...]
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