»Glücksritter« nennt Michael Kleeberg seinen neuen Roman. Roman? Der Untertitel verrät Anderes: »Recherche über meinen Vater«. Eine Biographie? Nein, das ist es auch nicht. Vielleicht »Autofiktion«? Irgendwann hatte sich dieser Begriff für solch ein literarisch-biographisches Schreiben gefunden und hier scheint er zu passen.
Unlängst hatte Klaus Kastberger bei einem Text zum Bachmannpreis versucht, das (auto)biographische Schreiben von ihrem bisweilen negativen Image zu befreien. Er wies unter anderem auf die Schwierigkeiten dieser Gattung hin. Und tatsächlich: Schriftsteller, die es gewohnt sind, Fiktionen zu entwickeln, bekommen durch die »Geschichte«, die sie erzählen wollen, sozusagen Grenzen gesetzt. Je weiter sie diese dehnen, desto größer wird der fiktionale Anteil, der zumeist vom Leser nicht beurteilt werden kann, weil er die Nuancen der Wirklichkeit nicht kennen kann. Dabei sind es zumeist die fiktionalen Anteile, die für den Schreibenden notwendig sind, um sich eine gewisse Distanz zu verschaffen. Diese fehlt in der Ausgangssituation häufig, weil der Stoff allzu persönlich ist. Und hier findet sich womöglich der Grund für den zweifelhaften Ruf solcher Art von Prosa: Entweder wird es anklagend bis jammernd. Oder es ufert in veritable Selbstbeweihräuchung des Erzählers aus. Man erfährt wahlweise wie schrecklich die Kindheit, der Vater/die Mutter, die Verwandten, die Gesellschaft waren und/oder wie man es schon mit zwölf oder dreizehn Dostojewski, Rilke oder Brecht gelesen hatte.
Um es vorweg zu nehmen: Von dieser Art öder Selbstinszenierung ist »Glücksritter« meilenweit entfernt. Natürlich kommt Michael Kleeberg in diesem Buch vor – er macht keinen Hehl daraus und heißt schlichtweg Michael. Er ist der Ich-Erzähler. Die Familie, um die es geht, sind die Kleebergs. Aber er nimmt sich auch gleichzeitig zurück; eigentümlicherweise erfährt man über Michael relativ wenig, aber vom Vater (und der Mutter) sehr viel. Und das genau ist Absicht.
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Wiedermal hat Deine Rezension meine Neugier geweckt. Soviel kommt mir aus eigenen Erleben bekannt vor und weil ich nun mehr und detaillierter wissen möchte, werde ich Deiner Empfehlung folgen und mir das Buch mitbringen lassen, allerdings – erst wenn wieder Flüge hierhin möglich sind.
Alles Gute in den Süden!
Sehr geehrter Gregor Keuschnig,
wieder einmal haben Sie mich mit Ihrer ausführlichen und kenntnisreichen Besprechung auf ein Buch neugierig gemacht – das war bereits in Hinsicht auf Kleebergs Roman »Der Idiot des 21.Jhdts.« so -. Gestern nun habe ich »Glücksritter« ausgelesen. Ein großartiges Buch, das zum Nachdenken über die eigenen Wurzeln anregt. Bei der Lektüre begann ich etwas davon zu begreifen, wie Zeitgeschichte ein Leben prägen kann und wie die Sicht auf den Vater durch eigene Eintragungen, den Blick durch die eigene Brille beeinflusst, wohl auch verstellen kann. Ein versöhnliches, ein erhellendes Buch.
Danke für Ihre Besprechung. verbunden mit dem Wunsch, Sie mögen immer wieder diese Art der Literatur auf Ihrem exzellenten Blog vorstellen!
Olaf Schrage