Eigentlich sind es nur zwei. Also vier, nämlich zweimal zwei. Zwei Famima, zwei Sehbün, wie sie im Volksmund heißen. Weiter drüben ein drittes, Lawson, aber da komme ich selten hin. Für mich ist es eine Ellipse, die ich durchlaufe. Meine Wege haben ungefähr die Form einer Ellipse, mit einem Seven Eleven und einem Family Mart als Brennpunkten und je einem weiteren Seven und Fami an den äußersten Enden der Ellipse, die das Tal ist. In Wahrheit gehe ich aber oft auf der geraden Verbindungslinie dieser vier Punkte. Im Winter eher auf der Geraden, im Sommer auf der elliptischen Außenlinie, weil es dort am Abend, wenn es ein bißchen abgekühlt hat, dunkel ist und man die Sterne funkeln sehen und den Fluß rauschen und die Frösche quaken hören kann und sich nicht vom Strahllicht der Konbinis, dem Blendlicht und dem Motorenrauschen der Autos bedrängen lassen muß. Am Flußufer, bei den Bambushainen und den Lotusfeldern, deren riesige Blätter hin und her schwanken oder stillstehen, ist der Wanderer vollkommen allein, niemand strapaziert seine Nerven, die Blendlichter und Motorengeräusche sind nur Abarten des hohen Gefunkels und des ewigen Rauschens. Taguchi: eine Ellipse und ihr ovales Feld, das die schlafenden Reiher, die quakenden Frösche, den letzten Wanderer birgt.
Die Konbinis sind alle gleich, landesweit. Also die zu einer der Firmen, der Ketten sind gleich, außen wie innen, mehr oder weniger gleich, und auch die der verschiedenen Firmen unterscheiden sich nicht sehr voneinander, obwohl sie auf ihr spezielles Design, ihre kennzeichnenden Farben, Schrifttypen und Logos Wert legen. Famima ist blau-weiß-grün, Seven rot-weiß-grün-orange, ein bißchen streifiger und bunter als Famima. Die Famima-Kästen sind aus weißen Platten gebaut, die Seven-Kästen aus helleren und dunkleren orange- oder ockerfarbenen Backsteinen. Vorne natürlich Glasfront. Im Sommer wird der Kasten gekühlt wie ein Kühlschrank, im Winter warmgehalten, außer in der Nähe der Fensterscheiben und der Tür, da dringt kalte Luft ein. Im Seven kaufe ich meistens ein Melonenbrot und ein Getränk mit Yuzu, Zitrone und Soda; im Famima Famichickin und ein süßes Bohnenpastetebrötchen; in beiden gibt es im Winter Oden (Konyaku und Eier und Fleischspießchen liegen in dampfenden Kesselchen). Vor einigen Jahren sind viele Konbinis mit ein paar Stühlen (meistens vier) und einem Wandbrett (Tisch wäre zuviel gesagt) sowie einer Selbstbedienungskaffeemaschine ausgestattet worden. Es gibt Zeiten, da sitze ich frühmorgens, wenn alle Cafés und Geschäfte geschlossen haben, mit meinem Notizheft oder Notebook dort, einen Pappbecher Kaffee neben mir. Um halb acht, ungefähr, sehe ich die Karawanen der Volksschüler vorbeiziehen; vor einigen Jahren erkannte ich immer wieder einmal meine Tochter in so einem Pulk (aber oft ist sie mir, buchstäblich, entgangen). Sie hat mich nie gesehen, auch nicht mein Fahrrad, das ich in der Ecke zwischen Konbiniwand und Reisfeldzaun abstelle wie ein Verbrecher, der sich nicht einfangen lassen darf.
Eine Zeitlang habe ich im Konbini eine Dose Bier gekauft, nicht tagsüber, sondern abends, nach Einbruch der Dunkelheit, wenn es nicht gar so unschicklich wirkte (gut, man wird auch so von niemandem gesehen, höchstens von einem Radfahrer, flüchtig). Bierwanderung, dachte der Wanderer und betrat die Fußmatte, eine digitale Tonfolge auslösend, die dem Verkäufer eine Ankunft bedeutete. Ein Student, der ein Semester in Deutschland studiert hatte, hatte mir von seiner Gewohnheit erzählt, vor dem Konbini mit einem oder zwei Freunden zwei oder drei Dosen Bier zu leeren. Ob das nicht ungehörig sei? Er lachte. Verboten war es nicht. Seine Erzählung reizte mich, es ihm gleichzutun. Der Lehrer, der seinen Schüler, der Vater, der sein Kind nachahmt, das war immer mein Ideal. Verwirklichen läßt es sich recht und schlecht, wenn überhaupt.
Machen wir so einen Gang, eine kleine Wanderung. Von der Wohnung und den Wohnblocks aus gesehen rechter Hand, am Waisenhaus und dem Kindergarten vorbei, in den meine Tochter ein Jahr lang ging, bis wir vom Regime dieser wohltätigen und gutverdienenden Dynastie genug hatten, nach einer Kurve dann ins Tal hinunter auf dem abschüssigen schmalen Weg durch ein Kiefern- und Laubwäldchen. Im Sommer haben die Kinder, wenn sie von der Schule zurückkehren, eine tägliche Hitzeprüfung zu bestehen (keinesfalls die Thermosflasche vergessen!). Im Tal angelangt überqueren wir die Zubringerstraße zur Universität und nehmen den schönen, fast geheimen Pfad, der einst wunderschön war, mit den Jahren jedoch immer weniger. Die Bauernhäuser stehen noch da, ein paar Felder haben die Bauern verkauft, an ihrer Stelle glänzen Felder von sonneneverliebten Platten, schräg zum Himmel starrend, alle gleich. Die Sumpfwiesen mit dem Schilf sind vor gar nicht so langer Zeit planiert und betoniert worden, noch stehen da keine Fertighäuser. Am Ende des Pfads, wo gebeugte alte Leute, die nicht so bald aufgeben werden, ihre Gemüsebeete bestellen, streifen wir die kleine amateurhafte Autowerkstätte neben dem Einfamilienhaus der hier Wohnenden und Werkenden, sowie den Parkplatz alter, formschöner, nicht mehr oder noch nicht wieder funktionstüchtiger Autos vor einem Appartementhaus, wo ich nie verstanden habe, ob da noch jemand wohnt oder nicht, oder zeitweilig, oder wie. Nach einer Seite geht es hier wieder steil nach oben, und ich weiß, ja, spüre, da ist hundertstufige Treppe, die zu dem kaum besuchten Shinto-Schrein im Wald hinaufführen, wo ich vor drei, vier Jahren einige meiner schön-schmerzlichen Texte schrieb.
Wir aber bleiben unten im Tal, die Autostraße läßt sich auf einer kleinen Strecke nicht vermeiden, der Blick fällt zuerst auf das neue chinesische Restaurant, in dem sich oft tagelang kein Gast sehen läßt und dann plötzlich eine zahlreiche Gruppe auftaucht, junge Leute, feiernde Studenten vermutlich, die den Raum füllen. Es ist nämlich nur einer, ein Raum mit Kochecke und bescheidener Theke, früher von einer alten Einheimischen geführt, ich habe das Lokal ein einziges Mal besucht, die Taguchi-Frau schien über unseren Besuch halb erschrocken, halb belustigt und mußte nach einer Stunde Biernachschub kommen lassen. Noch ein Stück weiter, wieder Erinnerungen an Verschwundenes, auf der einen Straßenseite der Friseurladen, in den schon lange niemand mehr gegangen war (aber das kommt mir bei den meisten Friseurläden so vor, die ganze Gegend oben in Shitami ist geradezu friseurverseucht), und das Keisukeya gegenüber, eine nette Baracke, Keisukes Laden, den ich ebenfalls nur einmal aufgesucht habe, als meine Tochter noch ein Kleinkind war, das Essen dort gar nicht schlecht, aber fett, ein Ort für Motorradfahrer. Doch wie gesagt, auch dieses Restaurant ist verschwunden, der Abriß ging schnell und ebenso die Errichtung des schwarzen Fertighauses. Anders wird auf kleinfamilialer Ebene sowieso nicht mehr gebaut: billig, zügig, praktisch. Bald wird man sich Häuser bei Amazon kaufen.
Und dann, endlich, das erste Konbini! Ein Family Mart an der Kreuzung, gegenüber eine Lagerhalle, davor der schönste Garten weit und breit, eine wunderbare Mischung von Zier- und Nutzpflanzen, Blumen und Tomaten, Feigenbäumchen und Zwiebeln, alles da, gehegt und gepflegt von einem nahebei wohnenden Weiblein, das ab und an, nach Lust und Laune, einem der vorbeitrabenden Schulkinder eine Blumenkerze schenkt, die sein Haupt überragt. Hier, wie schon erwähnt, sitze ich zu bestimmten Zeiten morgens im Café, Notebook oder Notizheft vor mir, während die Schulkinder hinaufziehen nach der anderen Seite des Tals, zur Schule, die oben auf der Talschulter liegt, für meine Tochter ein Weg von etwa vier Kilometern, für die sie anfangs eine Stunde brauchte, zuletzt, nach fünf Jahren, wenig mehr als die Hälfte. Jedes Jahr kam ich zweimal mit ihr da herunter, nach dem großen Sportfest, zu dem Eltern und Großeltern geladen waren – eine schreckliche, sinnlose, manchmal gefährliche Veranstaltung in der Frühsommerhitze, bei der die Schüler stundenlang in strengster Ordnung im Staub sitzen und darauf warten mußten, daß sie endlich an die Reihe kamen. Ich nützte die Gelegenheit für ausgedehnte Spaziergänge und versuchte, zu Zeitpunkten zurück zu sein, wenn Yoko einen kleinen Auftritt hatte. Zur Rückkehr nach Hause fuhren ausnahmslos alle Schüler im Familienkraftwagen, nur wir beide nicht, und jedesmal verweilten wir am Flußufer, bis es zu dämmern begann. Der Fluß ist ein bißchen schmutzig, wie alle Gewässer hier, und natürlich »gefährlich« (den Schildern zufolge), Fabriken und Anrainer, vor allem aber Reisbauern haben keine Bedenken, ihren chemischen Dreck da hineinzuleiten. Trotzdem zogen wir die Schuhe aus und wateten im Wasser, in all den Jahren habe ich sonst keinen Menschen gesehen, der das getan hätte; wir sahen den geworfenen Stöckchen zu, wie sie mühsam weiterkamen, von einer Schilfinsel zur nächsten, und wie sie irgendwann hängenblieben; warfen Kiesel, sahen manchmal auch Fische, in den meisten Jahren aber nicht.
Der Weg am Fluß ist einer von vielen, die wenig benutzt werden, von Fußgehern fast nie, so daß ich oft das Gefühl habe, er gehöre mir allein. Am anderen Ufer steigt ein kleiner Bergrücken hoch, dicht bewachsen von Bambuswäldern, darüber eine von unten her nicht sichtbare Hochebene mit ein paar Siedlungen. Manchmal wandere ich die ganze Länge dieses Wegs bis ans Ende des Tals, wo es dann zum (von zwei Konbinis, Seven und Famima, flankierten) Shinkansen-Bahnhof hinaufgeht, aber das ist noch weit, und es kommt vor, daß ich mich bei der Brücke dort in das »Snack« setze, das nach meinem Eindruck überhaupt nichts Anrüchiges hat, es ist ein Tantencafé, mittlerweile zum Omacafé geworden, wo sich ein paar Nachbarn und Nachbarinnen im erweiterten Wohnzimmer beim Kaffee unterhalten; oft ist es geschlossen, lange wird es nicht mehr da sein, überhaupt sterben die Tantencafés aus. Manchmal biege ich aber in der Mitte meines Weges, wo das Flüßchen in einen Fluß fließt, der es dann bis zum Meer (bei Kure unten) mitnimmt, nach links ab, oder nach rechts, je nach dem, von welcher Seite ich komme; zurück zur Konbinistraße, das heißt Autostraße, auf die ich ungefähr an der Stelle stoße, wo eine Schulfreundin meiner Tochter ein Eleven betrieb. Natürlich nicht das Mädchen selbst, sondern seine Eltern, geschäftstüchtige Leute, auch im Cateringsektor aktiv; vor einigen Jahren haben sie das Konbini um etwa zweihundert Meter verlegt, an eine größere Kreuzung, wo Platz ist für einen weitflächigen Parkplatz, eine klare Verbesserung (nach geschäftlichen Maßstäben). Das alte Konbini war nach der Übersiedelung langsam verfallen, es wurde unansehnlich und ist es noch, aber kürzlich scheinen Bauarbeiten begonnen zu haben, vielleicht entsteht da wieder mal ein neuer Friseursalon. Würde ich vorne an der großen Kreuzung, wo es zu der jetzigen Schule, der »Mittelschule« meiner Tochter hinaufgeht, an der riesigen pyramidalen Sporthalle vorbei, wieder zurück in Richtung Fluß abbiegen, könnte ich mich empören – das Empören schenkt mir mit fortschreitendem Alter ein Lustgefühl, das mir suspekt ist und das ich zu bekämpfen versuche – über die Kläranlage, die dort, statt zu reinigen, das Flußwasser verschmutzt (nüchtern betrachtet ist der Gestank gelinder geworden, die Firma scheint ihre Technik verbessert zu haben). Dort ist auch eine dieser blöden hohen Umzäunungen, oder eher Umnetzungen, wo Golfnarren auf kleine weiße Bälle eindreschen und Jugendliche mit Baseballschlägern bisweilen dasselbe tun, so daß man die einzelnen Geräusche bis hinauf in das Wäldchen hören kann, von dem ich gleich noch sprechen werde (es scheint da so etwas wie einen Schallkorridor zu geben, denn unten auf der Straße kann man die Geräusche nicht so weit hören), und in weiterer Folge dann nur noch Lotusfelder, die mein unschuldiges Herz erfreuen.
Also, wir sind zurück am Fluß, am anderen nämlich, dem breiteren, und müssen uns jetzt den Autos stellen, zumal die Stadtverwalter für Fuß- und Radwege nicht viel übrig haben. Dort ist dann wieder ein Konbini, schon wieder ein Seven und mehr als das andere für Autofahrer gedacht, weshalb ich es selten betrete, Kaffee-Ecke hat es auch keine. Von hier aus können wir entweder die Überlandstraße weitergehen und unser Leben am Verkehrsfließband riskieren, oder aber zurück auf der Konbinistraße, aber nicht bis zum zweiten Famima unseres Tals, sondern bald einmal hinauf zum Schrein am Rand des schon erwähnten Wäldchens.
Riskieren wir zuerst einmal unser Leben, der Schrein kann warten. Wenn man die Überlandstraße wieder verläßt, wird es schön, aber zu bestimmten Zeiten ebenfalls laut, weil die Schüler der sich weitläufig erstreckenden Landwirtschaftsschule beim Baseball und anderen Sportarten zum Brüllen angehalten sind und auch seriös (wie ich) aussehende Erwachsene laut grüßen sollen, was sie dann bis zum Unerträglichen übersteigern (eine der wenigen Formen von Widerspenstigkeit). Die wellige Landschaft wechselt jetzt zwischen Teichen und Baumgruppen, kaum Felder, unser Hausberg drüben in Halbdistanz, manchmal riecht es nach Kuhmist und Heu, denn die Landwirtschaftsschule besitzt auch, in der Gegend hier selten, Ställe. Als Yoko ein Baby war, ein tragbares Kind, um den Ausdruck eines alten Freundes, inzwischen schon Großvater, zu gebrauchen, und ich sie tagtäglich ausführte, wobei sie zuerst auf einer winzigen Trage vor meiner Brust lag (meist schlafend), später an einem Gurt hing und sich die Welt und die Tiere anschaute, durchquerten wir gern das zur Schule gehörige, von einigen Schleichwegen durchzogene Gebiet, warfen auch Blicke auf die Kühe, was die Schülerinnen, wenn wir ihnen begegneten (was selten vorkam, weil sie meistens im Unterricht waren), ganz reizend fanden, und wurden nie von jemandem zur Rede gestellt, doch eines Tages war der Schleichweg, auf dem wir uns den Ställen zu nähern pflegten, von einer Schranke versperrt, mit einem Hinweisschild auf – ich weiß nicht mehr, was, jedenfalls hieß es: Kein Durchgang! Noch später haben sie zur Straße hin eine andere, mächtigere Sperre errichtet, eine Mauer, die nicht gegen uns gerichtet war, sondern gegen Fahrzeuge, unwahrscheinliche Panzer. Ich glaube, die bunkern sich ein; ein solches Verhalten habe ich während der letzten Jahre an vielerlei Orten bemerkt: ganz so, als stünde wieder mal ein Atomkrieg bevor.
Steht nicht bevor, glaube ich. Alles friedlich. Friedlicher denn je, fast schon unheimlich. Das einzig Gefährliche, schärfe ich meiner Tochter immer wieder ein, sind die Kraftfahrzeuge beziehungsweise die unfähigen, überängstlichen Lenker.
Wählen wir beim Seven Eleven nun die andere Möglichkeit, biegen wir nach einer Weile in ein unauffälliges Sträßchen, an einem kleinen Reisfeld mit runder Begrenzung vorbei, die der Kurve des Weges folgt. Dieses im Frühling und Sommer so vertrauenswürdige, ja, ehrenwerte Feld liegt unmittelbar vor der schönen weißen, von welligen Ziegeln gekrönten Mauer eines Bauernhauses, schon am Waldrand, wo ein steinernes Tor aufragt, das den heiligen Bezirk bezeichnet, in den wir sogleich treten werden, entweder über das Sträßchen von der Seite her oder auf einer nicht sehr hohen Steintreppe, die am oberen Ende, zwei ausgebreiteten Armen gleich, links und rechts eine Balustrade zeigt. Der Schrein dahinter ist ganz aus Holz, Nadelbäume ragen in die Höhe, der Gott und die Anrainer behüten und pflegen hier, wenigstens hier, seit Jahrhunderten die umgebende Natur. Unter dem Dach, auf dem Holzboden, finden manchmal Feiern statt, auch solche, die mit der Religion nichts zu tun haben – oder doch, vielleicht ist Gesang an sich schon Verehrung des Göttlichen. Bunte Glühbirnen, eine Musikanlage, Omas und Enkelkinder singen gemeinsam Schlager, alte und neue, auch J‑Popsongs. Opas haben Größeres in Sinn, sie werfen sich in Pose und singen irgendeines dieser weinerlich-schönen Lieder, Enka genannt, von vergeblicher oder zerbrochener Liebe und dem schlechten Trost des Alkohols, singen von der Vergeblichkeit überhaupt, und sie tun es besser, als der Originalsänger, der es berühmt gemacht hat, selbst es singt (glauben die Opas).
Derlei Veranstaltungen finden selten statt, zwei oder drei Mal im Jahr, die Glühbirnenschlangen werden abgenommen und – wenn ich an mein Herkunftsland denken darf – Weihnachtsschmuck verstaut. Unser Konbini-Rundgang neigt sich dem Ende zu. Das letzte Stück führt uns durch das finsterste Wäldchen, das man sich nur vorstellen kann. Eine sehr schmale, sehr steile, immerhin asphaltierte Straße, die ich letzten Sommer ein paar Mal nachts durchquerte, wobei ich nachgerade ins Fürchten gekommen bin. Nicht vor Räubern, die sind hier längst ausgerottet, aber vor Schlangen, auf die ich blindlings treten könnte. Hat man das Wäldchen glücklich unbeschadet verlassen, geht man einige Zeit in einem Hohlweg, links eine zwei Meter hohe dunkle, immer ein wenig feuchte Mauer, die eine Feldterrasse abschließt, rechts ebenso hohe Stauden, Gras, dichtestes Gewächs. Da die Straße immer noch ansteigt, das Feld oben aber waagerecht liegt, steigen auch wir langsam hervor, die Mauer wird niedriger, wir erreichen die von Teichen gesäumte Straße, sehen links das Krankenhaus, das ich recht gut von innen kenne, und bald sind wir bei mir zu Hause, wo ihr eingeladen seid, das mitgebrachte Konbini-Essen verzehren und eine Dose Asahi zu trinken.
Convenient food, praktisches Essen, bequem erstanden – das Wort »Konbini« verweist schließlich auf convenience store, aber die Sache selbst hat nicht viel Amerikanisches, obwohl die Anfänge vermutlich US-amerikanisch inspiriert sind. Neulich habe ich sogar in der Zeitung gelesen, daß Seven Eleven eine amerikanische Firma aufgekauft hat, zu der auch ein Tankstellennetz gehört. Viel Platz für Konbinis, oder nicht? Wie es aussieht, wird Amerika bald zur japanischen Auffassung von convenience bekehrt werden. Dieses praktische und bequeme Land mit seinen prinzipienfesten, aber auch pragmatischen, ebenso bequemen wie arbeitsamen Bewohnern wird den Rest der Erde beglücken, und meine Wanderungen werden am Ende globale gewesen sein.
© Leopold Federmair
Nur so aus Pedanterie: 7‑eleven ist nicht nur US-amerikanisch inspiriert sondern US-amerikanischen Ursprungs!
Ampan man wa kimi sa: Bohnenpastetebrötchen = Ampan!
Nette Beschreibung einer für Japaner untypischen kleinen Wanderung in einer typisch japanischen Umgebung.