Bereits 1978, im Prix-Goncourt-prämierten Roman »Rue des Boutiques Obscures« (1979 Deutsch von Gerhard Heller: »Die Gasse der dunklen Läden«), kommt bei Patrick Modiano die Detektei Hutte vor. Und nun, im neuestem auf deutsch erschienenen Buch »Unsichtbare Tinte« (Übersetzung Elisabeth Edl), erinnert sich ein Ich-Erzähler mit dem Namen Jean Eyben an seine kurze Tätigkeit bei dieser Agentur, vor fast einem halben Jahrhundert, als er »nicht älter als zwanzig« war. Sein Auftrag bestand darin, etwas über den Aufenthalt einer plötzlich verschwundenen Frau mit dem Namen Noëlle Lefebvre herauszubekommen. Er bekam seinerzeit eine sehr dünne, mit vagen und unvollständigen Angaben ausgestattete Akte, die er damals, als er die Agentur verließ, mitgehen ließ, weil sich irgendwann niemand mehr für den Fall interessierte. Noëlle blieb spurlos verschwunden; die Agentur konnte nicht helfen.
Eyben, der einen belgischen Pass hat (Reminiszenz an Simenon?), sitzt nun am Schreibtisch und erinnert sich, begibt sich an die Bergung des Verschütteten, dem Zusammensetzen von Bruchstücken und manchmal »riss ein Schleier, noch viel ältere Erinnerungen stiegen langsam an die Oberfläche«. Es ist mühsam, er zwingt sich zur Rekonstruktion, zu einer Chronologie seiner Nachforschungen, die immer wieder einmal neu ansetzten, auch als er längst schon anderes machte (was genau, bleibt unklar). »Noëlle Lefebvres Verschwinden rief in mir viel tiefere Erinnerungen wach, so tief, dass es mir schwergefallen wäre, sie zu erhellen.« Hilfen gibt es keine, auch das Internet nicht. Als der Zwang nicht geholfen hat, schließlich der Versuch, die Erinnerungen frei zu erzeugen, »mit dem Kritzeln der Feder«, »einfach schreiben und dabei so wenig wie möglich streichen.«
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