Tobias Rüther hat in einem Text für die »Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung« so etwas wie eine Bilanz der letzten Folgen des »literarischen Quartetts« mit der Moderatorin Thea Dorn gezogen. Und am Schluss ist er dann einer ganz großen Sache auf der Spur.
Aber gemach. Zunächst geht es ihm um die bunte Schar der Gäste, die ja inzwischen von Sendung zu Sendung wechseln. Es sind Schauspieler, Kabarettisten, Musiker oder Sportler dabei. Weniger Literaturkritiker. Eigentlich gar keine. Wenigstens von den gängigen few niemand. Bisher. Stattdessen lauter fachfremde Gäste: Juli Zeh! Vea Kaiser! Sibylle Lewitscharoff! Eva Menasse! Alles Autorinnen, also Menschen, die für Rüther scheinbar nicht befähigt sind, über Literatur zu sprechen. Marko Martin, Moritz von Uslar und Bernhard Schlink erwähnt Rüther erst gar nicht. Wirklich ungeheuerlich, dass da Schriftsteller sich einfach anmaßen, über Literatur zu reden.
In die Sendung gehören nach Rüther die gestanden Kritiker hinein, die »das Erbe« von Marcel Reich-Ranicki fortführen. So wie beispielsweise in der Neuauflage mit Volker Weidermann als Moderator. Da war eine Christine Westermann, die zwar vorher wie nachher nie durch besondere Affinität zur Literatur aufgefallen, aber immerhin befähigt genug war, Tolstoj für verstaubt zu halten. Oder der Autor Maxim Miller, der Thomas Mann hochliterarisch als »Klosett-Schwuchtel« outete. Solch dezidierte, wohl herausgearbeitete Literaturkritik gab es in der Tat bei Lisa Eckhart im Dezember 2020 nicht. Die hatte einfach nur die Bücher gelesen und mit Argumenten ihr Urteil begründet. Wahnsinn.
Thea Dorn verwendet einmal den Begriff des »personalen Erzählens«, was Herr Rüther auch nicht gut findet, weil man vielleicht nicht weiß, was das bedeutet. Auf den Gedanken, dass der Zuschauer dies nachschlagen könnte, kommt er nicht. Er moniert einen »Schaumeierton« sowohl bei den Gästen als auch bei der Moderatorin. Vermutlich kennt Rüther die Reich-Ranicki-Quartette nicht genügend und die Verdikte des »Literaturpapstes«, der sich tatsächlich mit Erzählstrukturen in den Büchern nicht aufhielt, sondern gleich zum Geschmacksurteil kam. Wenn es MRR zu langweilig wurde kam die alles beherrschende Frage: ‘Taugt das Buch etwas oder nicht’. Daumen hoch oder runter. So hat es Herr Rüther gerne.
Aber dann holt er seinem Coup aus: Das »Literarische Quartett« im ZDF ist nämlich unterwandert, nein: infiltriert von Genderkritikern und Lockdowngegnern. Nicht nur die Gastgeberin Thea Dorn, sondern auch die Auswahl der Gäste lassen nur diesen Schluß zu: Juli Zeh! Die vermeintliche antisemitische Kabarettistin Lisa Eckhart! Und auch sonst sieht es wirklich schlecht aus. Als Bestätigung gilt die Aussage eines selbstverständlich anonym bleibenden ZDF-Mitarbeiters, dass das »Literarische Quartett« als »Format« gegen den »Meinungskorridor« praktisch eine Art Insel für die letzten Kritiker der politischen Korrektheit vorgesehen sei.
Tobias Rüther deckt also die »Quartett-Verschwörung« auf! Wirklich großartig, diese Rechercheleistung. Vielleicht gibt es demnächst einen Vorspann: »Diese Sendung ist nur für Zuschauer geeignet, die Gendern nicht mögen und die Corona-Politik kritisch begleiten.« Und vielleicht macht man es mit Tobias Rüther wie weiland der »Spiegel« mit dem »Spiegel«-Kritiker Enzensberger: Man lädt ihn ein. Aber bitte gendern, Herr Rüther. Und ein politisches Statement vorab.
Ach ja: Die Frage, die in der URL der FAZ steht – »was ist aus dem literarischen Quartett geworden – lässt sich ohne die Scheuklappen relativ kurz beantworten: eine Büchersendung im Fernsehen. Mal besser, mal schlechter. Also das, was sie immer war.