Den Zeitpunkt, von dem an Kriminalromane nur noch am Rande mit der eigentlichen Aufklärung des Verbrechens zu tun haben, kann man ganz gut auf Mitte der 1970er Jahre taxieren. Zwar hatten angelsächsische Autoren zuvor längst den kauzigen Privatdetektiv entdeckt und auch Persönliches des Fall-Lösers in die Geschichten eingewoben. Und auch George Simenons Figur Maigret war mehr als nur ein Kommissar, der Indizien aufspürte, Alibis überprüfte und Zeugenvernehmungen durchführte. Ebenso wurde die Psychologie des Täters immer weiter ausgeleuchtet und als Motiv reichte nicht mehr nur die übliche Testamentsklausel oder der unverzeihbare Seitensprung des Ehepartners. Aber den Anspruch, mit der Erzählung von Kriminalfällen auch, ja: vor allem gesellschaftspolitische und soziale Zustände zu reflektieren, wurde erstmals von den beiden schwedischen Autoren Maj Sjöwall und Per Wahlöö eingelöst. Zehn Romane entstanden vom Autorenpaar zwischen 1965 und 1975. Den Dekalog nannte man später »Roman über ein Verbrechen« – die Betonung liegt auf »ein«. Nicht nur, dass die Protagonisten der Stockholmer Mordkommission, hier vor allem Kriminalassistent bzw. Kommissar Martin Beck, sein engster Vertrauter Kollberg oder der gelegentlich cholerisch-unkonventionelle Gunvald Larsson nebst ihrem Privatleben im Mittelpunkt standen. Desweiteren wurden die Arbeitsbedingungen und Ränkespiele innerhalb der Polizeiadministration und die oktroyierten politischen Rücksichtnahmen ebenso thematisiert wie die gesellschaftspolitischen und sozialen Zustände des Landes selber, die sich in der Skurrilität und Brutalität der Verbrechen spiegeln sollten.
Dabei war eine subtile Form politischer Agitation durchaus beabsichtigt. Schließlich waren die beiden bekennende Marxisten. Aber bei allem klassenkämpferischem Habitus – auf das Element der Spannung wurde nicht verzichtet. Sie entstand nur nicht mehr aus der klassischen »Whodunnit«-Frage oder dem Aufzeigen der Genialität des Ermittlers. Kombinationen à la Sherlock Holmes oder Hercule Poirot hatten mit der realen Polizeiarbeit nichts zu tun. Auch die einzelgängerischen, unbestechlichen, nur seiner eigenen Moral verpflichteten Nachforschungen eines Philip Marlowe entstammten einer künstlichen, wenn nicht längst vergangenen so doch anderen Welt. Sjöwall/Wahlöös Romane evozierten in ihrem fast dokumentarischen Duktus einen Gesellschaftsrealismus, der die pseudodemokratische Attitüde eines Wohlfahrtsstaates gleich mit entlarven sollte. So waren die ermittelnden Polizeibeamten keine Technokraten, sondern Menschen, die oft genug in die Fälle wenn nicht persönlich so doch emotional verstrickt waren bzw. wurden. So wurden sie zu Involvierte wider Willen, wie sie auch Repräsentanten wider Willen wurden; Schwächste einer Hierarchie von politischen und ökonomischen Machtstrukturen.
Wahlöö starb 1975 mit 48 Jahren. Maj Sjöwall konnte alleine an die Erfolge nicht mehr anknüpfen. Bis heute entstehen »nach Motiven« der Romane Verfilmungen, die Kommissar Beck in das Zentrum rücken. Ohne den gesellschaftspolitischen Impetus mit aufzunehmen bleiben sie freilich müde Aufgüsse mit höchstens sensationalistischen Elementen wie besonders brutalen Morden. Die Motive Sjöwall/Wahlöös werden dabei fast bis zur Unkenntlichkeit abgeschliffen und dienen höchstens als Kulissen. Die Inspiration, die das Paar mit ihren Büchern ausübte, war enorm. Autoren wie Henning Mankell, Stieg Larsson oder Håkan Nesser wären ohne Sjöwall/Wahlöö nicht denkbar. Jeder Eifel‑, Venedig- oder Ruhrpottkrimi, jede »Tatort«-Folge, jeder sogenannte Polizeithriller beschäftigt sich heute auch (manche: vor allem) mit den persönlichen Befindlichkeiten der ermittelnden Polizisten und deren Auseinandersetzungen innerhalb des Polizei- und Justizapparats.
Matty und Yolonda
Richard Prices »Cash« ist ein Buch, dass, legte man eine Genealogie der Kriminalromane an, vermutlich als Großneffe eines Sjöwall/Wahlöö-Dekalogbuches bezeichnet werden könnte. Die Handlung ist schnell erzählt. Oktober 2002: Eric Cash, Geschäftsführer einer Bar an der Lower East Side von New York, leicht introvertiert, zieht mit dem neuen Barkeeper Ike Marcus und dem arbeitslosen Schauspieler Steve Boulware um die Häuser. In einer dunklen Ecke werden sie den vorher in einem zweiten Strang vorgestellten jugendlichen Kleinkriminellen Little Dap und Tristan überfallen. Während Eric bereitwillig seine Brieftasche herausrückt, provoziert Ike den waffenführenden Tristan mit den Worten »Heute nicht, mein Freund« wobei dieser die Nerven verliert und ihn erschießt. Eric Cash reagiert panisch, während Steve besoffen zusammenbricht. Detective Matty Clark, ein rotblonder Ire mit kantigem Kinn und der Figur eines alternden Highschool-Fullbacks und seine Kollegin, die rehäugige Latina und Jägerin Yolonda Bello beginnen ihre Ermittlungen. Dabei fallen ihnen Ungereimtheiten und Widersprüche in Erics Aussagen auf. Zwei Augenzeugen beschuldigen ihn außerdem. Sie nehmen Eric, der total übermüdet ist, aufs Revier, unterziehen ihn einem harten Kreuzverhör und prompt verstrickt er sich noch mehr in Widersprüche. Schließlich wird er sogar festgenommen, bis sich herausstellt, dass die Augenzeugen unzuverlässig waren. Zudem bestätigt der wieder zum Bewusstsein gekommene Steve Erics Version. Er kommt frei, verweigert sich aber von nun an jeglicher Zusammenarbeit mit der Polizei.
Matty und Yolonda kämpfen nun an mehreren Fronten: Zum einen müssen sie sich um die Hinterbliebenen und ihre Trauer kümmern. Ikes Vater Billy ist ein Taumelnder und zutiefst Verletzter, der immer zwischen Selbstjustiz und Freitod zu schwanken scheint. Matty verliebt sich auch noch ein bisschen in Minette, der Stiefmutter Ikes; es kommt zu einem Egal-Kuss. Zum anderen wird aufgezeigt, wie kompliziert sich die Ermittlungen gestalten, weil es »von oben« stets andere Prioritäten zu geben scheint – und das, obwohl das Opfer ein »Weißer« ist (solcher Art Rassismus ist gängig präsent in den Dialogen). Gleich zu Anfang gibt es die beeindruckende Szene, wie Matty immer wieder einen Schmauchspurentest für Eric beantragt, um festzustellen, ob er geschossen hat, dies jedoch in einem fürchterlichen Verwaltungsakt ausartet und trotz diverser Telefonate nicht zustande kommt bis dann irgendwann das Zeitfenster überschritten ist, weil der Test keine beweislastigen Resultate mehr liefern würde. In der Nachbetrachtung wird Matty dann vorgeworfen, er habe sich nicht durchsetzen können. Und schließlich versuchen sie, Eric doch noch zur Kooperation zu überreden.
Dies alles erfolglos; wertvolle Zeit verstreicht. Auch der zweite Angriff, eine Art »Neuaufnahme« der Recherchen zu dem Verbrechen nach einer Woche, kann nicht stattfinden, weil Personal wegen anderer Dinge abgezogen wird. Mattys Vorgesetzte scheinen eher anderen Interessen zuzuneigen. Matty versucht nun, über Billy mit Hilfe der Presse neuen Druck ausüben. Dieser steuert sogar noch öffentlichkeitswirksam 20.000 Dollar zusätzlich zur Belohnung bei. Nebenbei werden noch Mattys Söhne straffällig, was um so schwerer wiegt, als einer von ihnen selber Polizist ist und Mattys Ex-Frau ständig zynische Bemerkungen am Telefon ablässt. Am Ende wird der Fall des getöteten Ike durch Kommissar Zufall dann aufgeklärt.
»Cash« erntet in Deutschland unisono Lob. Da wird von einem Roman des New York nach dem 11. September gesprochen, obwohl dieses Ereignis überhaupt keine Rolle spielt; im Buch vielleicht dreimal erwähnt wird. Auch die »urbane Soziologie«, die der Kritiker der »Zeit« hier ausgebreitet sieht, erschließt sich mir in diesem kakophonen Wimmelbild nicht. Tatsächlich werden die sozialen Schichten und deren Interaktionen geschildert und immer ist es irgendwie wichtig, welche Hautfarbe und Herkunft jemand hat – aber mehr als Simulation von »Soziologie« kann man, ohne besonders anspruchslos zu sein, wohl kaum herauslesen. Vielleicht täuscht der Eindruck, aber soll da nicht ein eher spannungsloser Kriminalroman mit zusätzlichen Lesarten ein wenig aufgebrezelt werden? Denn wer dieses Buch, wie Felicitas von Lovenberg in der »F.A.Z.«, für das »Porträt eines entwurzelten Viertels« hält, kommt womöglich noch auf die Idee, das »Großstadtrevier« sei repräsentativ für den Hamburger Kiez.
Price’ Stärke ist das Dialogische und das Verhör zu Beginn von Matty und Yolonda mit Eric Cash ist gelungen und erzeugt eine Spannung, obwohl er Leser weiß, dass Cash unschuldig ist und sich dies auch schnell herausstellt. Von da an plätschert der Roman dann nur noch. Matty darf gelegentlich ein bisschen »Bad Lieutenant« sein und begegnet bei seinen Ermittlungen dem ein oder anderen One-Night-Stand. Price’ sprechende Namen sind eher unfreiwillig komisch. Da wird mit Mattys Nachname »Clark« auf Clark Kent (vulgo: Superman) angespielt und Yolonda »Bello« assoziiert pflichtgemäß dem Bildungsbürger das lateinische Wort für Krieg. Und Eric Cash macht »Cash«, indem er die Trinkgeldkasse der Bar zu seinen Gunsten manipuliert.
Die Figuren haben keine Narben, sie sind die Narben
Gut gelungen ist allerdings die Schilderung der Somnambulität der Vorgesetzten Mattys, die offensichtlich immer andere Prioritäten haben. Zwischendurch gibt es immer wieder Impressionen von Straßenpolizisten und deren Klientel, die in ihrer Zur-Schau-Stellung dann aber häufig arg folkloristisch daherkommen. Vielleicht hängt es damit zusammen, dass die unterschiedlichen Sprach-Timbres in der Übersetzung nicht hervorkommen. Das würde jedoch den Roman nur begrenzt in Schutz nehmen, denn schließlich sollte Literatur nicht reine Abbildung von Zuständen abgeben.
Die Figuren bleiben erschreckend eindimensional. Sie machen nicht neugierig jenseits dessen, was sich im Buch abspielt. Tristan, der 17jährige Siedlungs-Puerto-Ricaner, schreibt Rap-Texte, die schlicht zu nennen euphemistisch wäre. Natürlich ist er immer derjenige, dem man nicht zuhört und natürlich schmiegt sich am Anfang die Waffe wohlig und schwer in seine Hand. Er wird von seinem Ex-Stiefvater geprügelt und will ihn ermorden, was nur daran scheitert, dass dann keine Patrone mehr in der Waffe ist. Überhaupt bleiben die Klein- und Gelegenheitskriminellen (es gibt außer den Polizisten nur solche – und allenfalls noch ein paar Journalisten) immer in ihren Rollenklischees. Man hat sofort ein Bild aus »Taxi-Driver« im Kopf und es wird niemals widerlegt oder revidiert. Die Figuren bei Price haben keine Narben, sie sind die Narben.
Auch die Hauptfiguren sind davon nicht ausgenommen. Eric Cash, der mit dem hinterzogenen Geld irgendwann die Stadt verlassen möchte, scheitert mit seiner zweiten »Karriere« als Drogendealer und wird erneut ausgeraubt. Seine Motivationen bleiben vollständig im Unklaren; er hat angeblich ein Drehbuch geschrieben, aber man vermag diesem Mann so etwas nicht zuzutrauen, weil er von seinem Erfinder kein Leben eingehaucht bekam. Das überrascht, weil Price betonte, dass sein Leben ähnlich hätte verlaufen können wie das von Cash. Dieser findet sich am Ende des Romans in einem neuen Club seines Chefs in Atlantic City wieder. So aufregend ist das nicht.
Und die von vielen Lesern attestierte gute Beobachtungsgabe des Autors erschöpft sich zumeist in Ausdünstungen einer Pseudo-Coolness, die man in ihrer Derangiertheit fast schon wieder bewundert. Eine besondere Form einer Trauerbewältigung ist ein Zuckerschloss aus Irrsinn. Oder jemand hat Lippen, die sich noch bewegten wie die letzten Zuckungen eines abgeschlagenen Kopfes. Matty ist einmal nach fast 24 Stunden Dienst derart müde, dass er sein Doppelkinn wachsen fühlte und Ikes Vater sitzt sabbernd vor Konzentration vor ihm. Und Eric Cash konstatiert: Alle Menschen in dieser Stadt sind Gaffer…und ich bin der Autounfall. Da helfen auch die ein bisschen auf Provokation gebürsteten Anti-PC-Äußerungen der Cops nicht weiter, etwa wenn sie einen jüdischen New Yorker fragen, warum er, wenn es ihm in der Stadt nicht gefällt, nicht besser nach Israel zurückgehe oder wenn Zeugen gefragt werden, ob jemand schwarz- oder latino-englisch gesprochen habe. Das kommt alles ein bisschen schlüssellochhaft daher, als sollte uns die raue Wirklichkeit der Tabuverletzungen auf dem Silbertablett serviert werden.
Daneben gibt es auch kleine Ungereimtheiten. Warum kann sich beispielsweise der beim Überfall sturzbetrunkene und unkontrolliert vomitierende Steve an die einzelnen Abläufe so gut erinnern? Und warum wird zu Beginn als unmittelbarer Vorgesetzter von Matty ein Lieutenant Carmody eingeführt, der im Verlauf des ganzen Buches dann keine Rolle mehr spielt und auch in der Vorgesetztenhierarchie nicht mehr auftaucht?
Es bleibt ein Rätsel, wie Kritiker hier eine Verwandtschaft zu Scott Fitzgerald feststellen oder auf die großen Großstadtromane der Moderne à la »Manhattan Transfer« rekurrieren. Am ehesten kam mir Hubert Selbys »Letzte Ausfahrt Brooklyn« in den Sinn. Aber Selbys Buch – natürlich kein Krimi – erzählt das Milieu nicht nur sehr viel treffender, er schafft es auch, die Brüche innerhalb der Protagonisten herauszustellen, ohne diese damit zu denunzieren. Selbys Buch ist große Literatur. »Cash« dagegen höchstens mittelmäßiges Lesefutter.
Die kursiv gesetzten Stellen sind Zitate aus dem besprochenen Buch.
Oh, so negativ?
Das überrascht mich tatsächlich nach all dem Lob der letzten Monate – auch wenn dort mitunter durchklang, dass man Price in einem Aufwasch (und inhaltlich völlig zurecht, wie ich finde) für »The Wire« mitloben wollte.
Ganz interessant bzgl. Sjöwall und Wahlöö finde ich die vor wenigen Jahren veröffentlichte Neuauflage bzw. die Vorworte, die für jedes Buch ein anderer Erbe, Enkel, oder wie auch immer man die aktuellen Vertreter der skandinavischen Kriminalliteratur nennen mag, schrieb. Oder eine Enkelin.
Erwartungsgemäß hoben sie alle den Vorbildcharakter von Sjöwall und Wahlöö heraus und versuchten sich irgendwie in diese Tradition einzuordnen; spannender fand ich indes die jeweilige Kommentierung der zum Ende der Reihe (Verzeihung, des Romans) hin doch sehr offenen, teilweise nahezu plumpen Gesellschaftskritik, der die meisten in dieser Form nach meinem Verständnis eher nicht nacheifern wollten.
Ich habe das Buch genommen und nicht Price’ andere Meriten berücksichtigt – die ich, ehrlich gesagt, gar nicht beurteilen kann (kenne von ihm nichts und auch die Serie nicht).
Sie haben recht, dass die Gesellschaftskritik bei Sjöwall/Wahlöö gelegentlich sehr plump ausfiel. Aber trotzdem sind manche ihrer Bücher spannender und verblüffender als so manche Wallander-Behäbigkeit (ich denke an »Die Terroristen«).
»und nicht Price’ andere Meriten berücksichtigt«
So hatte ich das auch aufgefasst. Bei anderen Rezensenten kann ich davon nicht in jedem Fall ausgehen, deshalb ja der Hinweis darauf, dass man »The Wire« mit abgevespert habe.
Niemals käme ich auf den Gedanken, zu behaupten, die Sjöwall/Wahlöö-Reihe sei nicht spannend. Terroristen ist sicherlich ein Höhepunkt zum Schluss. Mir persönlich ist »Endstation für neun« irgendwie, naja, ans Herz gewachsen, ohne dass ich den Grund genau benennen könnte. Egal.
Ich habe mir vorgenommen, die Romane von Sjöwall/Wahlöö irgendwann noch einmal zu lesen. Wenn die Bilder der Schauspieler aus dem Kopf sind, die Beck & Co. inzwischen alle dargestellt haben.
Ich denke, man kann von Krimis (fast) satt werden. Zumindest geht es mir seit einger Zeit so. „Reine“ Krimis faszinieren mich schon länger nicht mehr. Trotzdem schaue ich immer wieder mal in die Richtung dieses Literatur-Genre. Aber dieses o.g. Buch ist mir entgangen, vielleicht weil ...
Ich bin überrascht, weil es selten ist, auf Begleitschreiben, Krimirezensionen zu lesen. Gab es überhaupt schon mal eine typische Krimirezension?
Und ich freue mich, es hier bei Ihnen rezensiert serviert zu bekommen.
„Die weiße Löwin“ von Henning Mankell habe ich so ziemlich als letzten (Polit-) Krimi gelesen ( Mitte der 90iger Jahre) und den fand ich so gelungen, dass ich seine Romane danach regelrecht verschlungen habe, um dann schlagartig für einige Zeit mit dem Krimi lesen aufzuhören. Die Morde, die immer entsetzlicher in ihrer Ausführung beschrieben wurden, lösten bei mir einen Würgereiz aus, der dazu führte, Krimis längere Zeit nicht mehr anzuschauen. Ich hatte irgendwie genug.
Vielleicht auch deshalb, weil ich schon seit der Jugend Krimis lese, angefangen von den „Drei ???“, hin zu E.A.Poe, Agatha Christie, Robert van Gulik, Sjöwall/Wallöö, E.T.A. Hoffmann ( Die Elexiere des Teufels), Dostojewski, Dürrenmatt, später auch Eliot Pattison, Fred Vargas, L.de Winter, M. Suter usw. usf..
Irgendwann war dann mal genug und mein Hauptinteresse liegt seither verstärkt auf andere Literaturgattungen.
Und wenn ich Ihre Rezension lese, dann fühle ich mich bestätigt, sparsam mit dem Krimi lesen umzugehen. Aber ganz ohne Krimi wird es in Zukunft auch nicht gehen, den einen oder anderen werde ich mir mal wieder vorholen oder vielleicht wird ja ein neuer KrimiautorIn entdeckt/geboren?
Und da Ihre Rezension wieder sehr lesenswert und informativ ist, von meiner Seite aus nichts zu fragen oder zu kritteln gibt, teile ich Ihnen meine ( z.Zt. etwas abgeschwächte) persönliche Krimileidenschaft mit, denn ich finde es doch immer sehr schade, wenn es auf Ihren Seiten zu so wenigen Statements oder auch mal persönlichen Mitteilungen kommt.
Mir schmeckte »Cash« nicht nur mittelmässig, sondern gut. Das Wort Lesefutter trifft es gut, ich hatte es in wenigen Tagen durch. Die Kritik, dass die Charaktere etwas oberflächlich daher kommen, trifft durchaus zu, hat mich aber beim Lesen nicht gestört – es kommt mE dem Lesefluss zugute. Nicht unspannend fand ich »Cash«, der auf mich etwas wie der Prototyp des aktuellen, etwas desorientierten Großstadtmitdreissiger wirkte, als der er vermutlich auch geplant war.
Der Vergleich mit »The Wire« drängt sich unbedingt auf. Die Übereinstimmungen bei den den Polizisten, zum Beispiel in den Verhören, sind offensichtlich. Auch die Dialoge tragen eindeutig die gleiche Handschrift. Und ja, cool ist das schon. Ein Buch, das vielleicht als Film noch besser funktioniert.
Ja, so unterschiedlich können die Geschmäcker sein. Sind dieser Form der Verhörmethoden nicht in fast jedem »Tatort« längst Standard?
Sorry, aber ich oute mich als schrecklich naiven Anhänger der (frühen) Columbo-Kammerspiele, die weniger ein Verhör als filigraner Dialog mit einer Art Fallgruben-Effekt waren; im Idealfall wenigstens. Natürlich war das irgendwann Masche, aber mir gefällt das heute zumeist noch mehr als diese »knallharten« Cops, die jemanden in die »Mangel« nehmen.
#5 – lou-salome
Ihre Aufzählung ist sehr breit – Dostojewski als Krimiautor?
Und Mankell fand ich zumeist langweilig; die Figur des Wallander viel zu larmoyant und mit einem abstoßenden Pseudo-Pflichtbewußtsein. Früher fand ich manchmal einen Roman von Trevinian ganz gut (besonders: »Im Auftrag des Drachen« respek. »The Eiger Sanction«). Inzwischen lese ich kaum noch Krimis. Und vielleicht ist Price ja gar kein Kriminalschriftsteller, sondern ein Szene- oder Stadtteilschreiber?
#5 und #8
Diese Einordnung von Dostojewskij fand ich auch schon immer irritierend. Thomas Mann wird, glaube ich, das Zitat zugeschrieben »Verbrechen und Strafe« sei der groesste Kriminalroman aller Zeiten. Vllt. war das auch Teil dieser widerlichen Klappentexte... – Nabokov hat ihn auch dort rubriziert, aber fuer den war Dostojewskij wohl eh’ so eine Art Edeltrash (der Suender wird natuerlich erloest von einer heiligen Hure usw...).
Die Grenze zur ‘echten’ Literatur sind wohl ohnehin fliessend. Mir hatte »Die Süße des Lebens« von Hochgatterer, da z.B. sehr gefallen.
PS. In der ‘konkret’ gab es einen Beitrag, bei dem es aber hauptsaechlich um die Uebersetzung ging. Der Autor stimmte wohl nicht so ganz mit den Lobeshymnen ueberein, die auch auf die Uebersetzerin angestimmt wuerden. – Allerdings fand er das Original wohl ueberragend. In der Tat koennte es sein, dass die »Coolness« und der Slang im Deutschen schnell noch mehr Schieflage bekommt und nur noch laecherlich wirkt. Bzw. ist’s ja ohnehin meist Pose. Es ist wohl immer eine persoenliche Frage, ob man diese Pose nun abkauft oder nicht – Ich z.B. hasse Hemingway, bisher zwar nur »Farewell to arms« gelesen, aber was fuer ein Kitsch, grauenhaft, das Interessanteste waren noch die italienischen Weinsorten, die verkonsumiert wurden, die haette man sich merken koennen. – Diese Pseudo-Toughness aus Dreck, Krieg, Schweiss und Alkohol auf solche Laenge ausgewalzt.. bis dann der Romantik genuege getan wird und das Liebespaerchen in einem Ruderboot entkommt?.. {Rosamunde Pilcher der Kriegsliteratur?!}
So aehnlich scheint es Ihnen hier auch ergangen zu sein, dass Sie die Pose nicht authentisch fanden (dabei hat’s der Hemingway ja selbst erlebt, aber das heisst ja nicht, dass daraus auch gute Literatur werden muesste).. Aber endlich wieder ein paar Verrisse!
»Rosamunde Pilcher der Kriegsliteratur« ist wirklich schön. Aber da möchte ich schon Hemingway ein bisschen in Schutz nehmen. So ganz schlecht ist er nur selten.
Na ja, Dostojeweski ist dazwischen gerutscht, weil Raskolnikov in „Schuld und Sühne“ kriminelle Energien hat und diese bis hin zum Mord ( Doppelmord) umsetzt. Verbrechen und Verfolgung sind Elemente eines Kriminalromans, insofern könnte man meinen, „Verbrechen und Strafe“ gehört dem Krimigenre an. Aber das ist zu wenig für diesen Klassiker. Milieustudie und Gesellschaftsstudie, Portrait/Charakterstudie zeichnen dieses Werk aus, ich weiß allerdings nicht, in welches Genre man diesen Roman einordnen muss.
„ Und vielleicht ist Price ja gar kein Kriminalschriftsteller, sondern ein Szene-oder Stadtteilschreiber.“
Das kann man ohne weiteres annehmen, wenn man Ihre obige Rezension liest. Da sich ein Krimi sicher sehr viel leichter verkaufen lässt als eine Milieustudie/Gesellschaftsstudie, Erzählung etc., werden die Verlage sicher keine Probleme damit haben, Romane als solche zu vermarkten.
P.S. Leider, leider lassen sich gepostete Beiträge bei Twoday nicht löschen. Meinen obigen Kommentar vom 1.9. hatte ich frisch und frei in die Kommentarleiste eingetippt, ohne „Rückblende“. Na, wenn ich gekonnt hätte, ich hätte manches gelöscht. Nun ist er drin der Text, vor allem diese unrühmliche Aufzählung. Habe deshalb auch ein paar Tage gebraucht, um Ihnen zu antworten. Wie heißt es doch so schön: erst denken, dann sprechen/dann schreiben. Ich will mal versuchen, ob es in Zukunft besser klappt. LG l‑s :)
#7 – Interessant,
dass Sie »knallharten« und »Mangel« in Anführungszeichen setzen, nicht aber die »Cops« – reicht doch allein die Verwendung dieser Bezeichnung häufig aus, um mehr als genug über den Krimi zu wissen.
(Ja, das ist zu einfach, zu pauschal und furchtbar vorurteilsbeladen.)
Naja, die amerikanischen Polizisten bezeichnen sich selber als »Cops« – und sie werden so genannt. (Oder irre ich da?) Warum sollte man das also in Bezug auf amerikanische Krimis und deren europäische Kopisten nicht verwenden?
Ob alleine dieses Wort bereits eine Einschätzung erlaubt? Schwierig. Wenn es sich um deutsche oder europäische Krimis handeln sollte – ja, vielleicht. Da weiss man dann, was man zu erwarten hat. Ähnlich, wenn man hierzulande »Bulle« liest, hört, sieht.
Sie nehmen mir die unterschlagene Unterscheidung zwischen amerikanischen (bzw. auch englischen, da der Begriff ursprünglich meines Wissens von dort kommt) und europäischen Krimis ab, danke.
Und haben natürlich recht, dass eine so getroffene Einschätzung nicht seriös sein kann.