Man kommt nach Jahren noch einmal zurück zu einem besonderen Ort oder trifft eine lange aus den Augen verlorene Person – und beginnt sich sofort an »damals« zu erinnern, wie es war. Oft changiert das klassentreffenartig in die Verklärung, während das Jetzt, die Gegenwart nur am Rand erwähnt oder gar ausgeblendet wird. Nichts Diesseitiges soll die Zeitreise trüben; es ist die Sehnsucht nach der Wiederkehr der Momente des (vermeintlichen) Glücklichseins.
Das war auch gestern das Prinzip bei der Jubiläumssendung von »Wetten, dass…?« im ZDF. Groß war die Vorfreude, vor allem bei denjenigen, die ihre Erinnerungen damit hatten. Die Boomer-Generation kennt noch die Anfänge mit Frank Elstner 1981, aus einer Zeit, in der die »große Samstagabend-Unterhaltung« am Montag Gesprächsstoff war. Es gab nur drei Kanäle; das Privatfernsehen stand vor der Tür. Frank Elstner erfand die Sendung, in der Menschen verrückte Wetten anboten, die von Prominenten in einer Art »Patenschaft« übernommen wurden. Das war alles neu und gut gemacht und also erfolgreich. Einige Jahre später gab der unstete Elstner die Sendung ab an Thomas Gottschalk. Es folgte ein kurzes Intermezzo mit Wolfgang Lippert, bevor Gottschalk, der Strahlemann und Promi-Freund, wieder übernahm. 2011 hörte er auf; Markus Lanz beerdigte die Sendung dann endgültig.
Nun also wieder ein wie es heißt einmaliges Revival. Kann das gutgehen? Gottschalk ist 71; schon früher brachte er Abläufe durcheinander und vergaß Namen, so dass man ihm irgendwann Michelle Hunziker an die Seite stellte, die sich mit den Kandidaten unterhielt, während Gottschalk die Promis auf der Couch mit Small Talk quälte (es gab auch lichte Momente, aber selten).
Und es wurde so ähnlich, wie man sich das erwartet – und auch teilweise befürchtet – hatte: Gottschalk und Hunziker schwelgten zunächst in gegenseitigen Lobhudeleien, unterstützt vom maskenfreien Publikum in der Halle, was einigermaßen befremdlich ist, wenn man berücksichtigt, dass man auch in einem 3G-geführten Restaurant beim Gang zur Toilette eine Maske anlegen muss. Er sei sogar geduscht, also 4G, so Gottschalk bei einem seiner eher raren, vorbereiteten Witze. Wie immer waren seine spontanen Sachen origineller.
Die Sendung knüpfte, was die Wetten angingen, problemlos an die Vergangenheit an. Es gab Skurriles (Erkennen einer Melodie mit den Wischgeräuschen einer Toilettenbürste), eine Wette mit einem Kind als Held, eine mit einem Tier – und eine Baggerwette. Gleich geblieben war auch Gottschalks Wurstigkeit den Kandidaten gegenüber. Beim Darts-Spieler fiel ihm immerhin ein, dass er ein schönes Hemd trage. Bei Gottschalk sind die Kandidaten Spielfiguren, die ihren kurzen Moment haben – mehr nicht. Wie die Sendung früher einmal gewesen war, konnte man sehen, als Frank Elstner als Ehrengast die letzte Wette – die mit dem Bagger – präsentieren durfte. Er interessierte sich für die Kandidaten, stellte sie in den Mittelpunkt. Dann jedoch waren sich beide nicht sicher, ob die Wette bei 4 von 5 gefangenen Scheiben schon gewonnen war oder erst bei 5 von 5. Da man sich auf letzteres einigte, verloren sie. Merkwürdig, denn allen anderen Wetten war stets ein Fehler gestattet.
Glamour kam bei den Prominenten nicht auf. Mehrmals betonte Gottschalk, dass man keine internationale Stars mehr brauche, da man diese selber habe und er meinte Helene Fischer damit, Joko und Klaas oder Heino Ferch. Das war wirklich lustig. Und so richtig klar war auch nicht, wieso die beiden ABBA-Männer eingeladen wurden. Von Corona fast kein Wort. Helene Fischer sah man an wie anstrengend es ist, wenn man als Star stundenlang irgendwo ausharren muss, ohne wie gewohnt im Mittelpunkt zu stehen, dabei aber ständig beobachtet wird. Der bei solchen Gelegenheiten scheinbar unvermeidliche Udo Lindenberg tat sich das nicht an: Er müsse weg – mit dem Flieger. Auch hier ein Hauch von früher, als sich die Hollywood-Größen so oft nach wenigen Minuten entfernten. Der sichtlich derangierte Lindenberg schrie noch etwas von »Panik« und »Panikorchester« in den Saal und versicherte, der Flieger würde mit Salatöl betrieben. Es war der peinlichste Moment einer Sendung.
Am Ende regte Elstner an, wenigstens einmal im Jahr »Wetten, dass…?« mit Gottschalk einzuplanen. Der Programmdirektor – bald Intendant – saß im Publikum und wurde mit seinem seltsamen metallicblauen Anzug auch lächelnd eingeblendet. Sollte man es tatsächlich erwägen, darf es nicht mehr zu einem dauerhaften Nostalgie- und »Weißt-Du-noch-wie-es-früher-war«-Quark kommen wie am Samstag. Dem Zeitgeist trotzt man nicht damit, dass man dauernd sagt, dass man ihm trotzt. Man macht einfach so weiter wie früher.