Nein, nicht die aktuelle. Die von 1990.
Das Daumenhalten für die Tschechen während des gestrigen Spiels oder die Hoffnung bis zum Verlängerungsschlusspfiff, es möge Kamerun gelingen, die Engländer zu schlagen, worauf sie im Halbfinale den Deutschen zeigen, was eine ehemalige Kolonie auf die Beine zu stellen vermag. (Das Ganze natrülich nicht ohne Rückfälle: Klinsmann und Littbarski sind schon gut. Hoffentlich holt sich Matthäus nicht eine zweite gelbe Karte.)
[4.7.90]
Italien ist seit gestern draußen. Der Stiefel weint. Aber die Argentinier waren überraschend besser: bis zum Elfmeterschießen. Diese Ersatzkriege haben ihre Funktion; und sollte es, falls England heute die Deutschen besiegt, zum Endspiel England gegen Argentinien kommen, könnte der Falklandkrieg noch einmal über die Bühne gehen: diesmal unblutig.
[5.7.90]
Das Spiel gestern endete mit Elfmeterschießen, das die Deutschen gewannen. Ertappe mich dabei, wie ich nun doch bei englischen Torchancen den Deutschen die Daumen drücke.
Aus: Günter Grass – Unterwegs von Deutschland nach Deutschland, Tagebuch 1990; Steidl-Verlag 2009
Die Überschrift hat mich ja schon etwas stutzig gemacht, aber es kamen dann ja noch mehr an Infos und dann ... :)
Beim Thema Fußball fällt mir nur der Slogan: »Das Runde ins Eckige« o.ä. ein, ansonsten sind die Feinheiten dieser Sportart mir fremd. Und wenn ich im sonstigen Leben (fast) nie Fußball schaue, heute werde ich das TV-Gerät einschalten, denn wie Grass: ich ertappe mich dabei, wie ich nun doch bei Torchancen den Deutschen die Daumen drücke.
Ich mag solche (Text-)Passagen, wie Sie die obige eingestellt haben, ungemein. Fremde Augen ( wie hier Grass) sehen Dinge, die man selbst auch so sieht, zumindest sehr ähnlich.
Einen spannenden Fußballabend, LG l‑s
Manchmal scheint Daumen drücken zu helfen.
Spannend war es, ich konnte kaum ruhig sitzen. Die afrikanische Mannschaft war auch ziemlich stark und wenn nicht soviel Glück bzw. Dusel für die Deutschen auf dem Feld unterwegs gewesen wäre, na dann ...
Das war schon sehr enttäuschend.
Was da geboten wurde verdient den Namen Fußball nicht, und ausgerechnet dafür habe ich mir Zeit genommen. Nun, ja: Ich verstehe, dass man das als Nicht-Neutraler anders sehen kann...
So schlimm?
Als solchen Grottenkick hab’ ich das nicht empfunden (aber ich hab ja auch einen ‘Bias’ und hatte daneben auch noch Wein und ansprechende Lektüre) – Hohes Tempo (auch Nervösität und Hektik) von beiden Mannschaften, Torchancen auf beiden Seiten (mehrfach von der Linie gekratzt, 2x allein auf den Torwart), ein schönes Tor,.. ich glaub’ da gab’s bei dieser WM meist schlimmere Spiele.
Ne, aber das muss jetzt doch nicht sein, dass ich das die Qualität des Deutschlandspiels zu verteidigen suche.
(unqualifizierte Pöbelei von der Seite)
Die Nicht-Neutralin fand das Spiel spannend, weil das ganz sicher daran liegt, dass sie überhaupt keine Ahnung vom Fußballspiel hat, ausser ... das der Ball rund ist, zwei Mannschaften sich gegenüber stehen und versuchen sollten, den Ball nicht! ins eigene Tor zu versenken. Mir hat es tatsächlich Spaß gemacht, mal einen Abend für die Liveübertragung zu opfern, und ich weiß jetzt aber auch, am Sonntag werde ich mir das D‑GB-Spiel nicht ansehen, weil ... s.o..
Ich glaube, wenn man mit Fußball generell wenig »am Hut« hat, empfindet man solche Spiele, die ja faktisch schlecht sind und nur von der Spannung leben, als langweilig. Ging mir ähnlich, als ich mal ein Rugby-Spiel im Fernsehen gesehen habe (vorher ein bisschen die Spielregeln angeschaut). Das war auch enorm langweilig, weil ich keinen Bezug dazu entwickeln konnte. Abgesehen davon war es mir egal, wer gewinnt.
Grass’ Wort der »Ersatzkriege« ist ja so falsch nicht – siehe am Sonntag Deutschland-England. Die Boulevardpresse in GB macht das ständig so auf; aktuell sind die Nazi-Bezüge noch ausgeblieben, aber das kommt vielleicht noch. Fußball ist zusätzlich mythenstiftend, was man natürlich nur »genießen« kann, wenn man zumindest ständiger Verfolger des Geschehens ist (ich gebe zu, dass mir Fantum immer ein bisschen abstrus vorkam; ich habe mich beispielsweise gestern für die Slowakei gefreut, ohne »Fan« zu sein – einfach weil ich den italienischen Fußball nicht mag – was wiederum historische Gründe hat).
Und dann, liebe lou-salome gibt es kein D-GB-Spiel, sondern D‑England (es gibt keine GB-Nationalmannschaft, sondern England, Wales, Schottland und Nordirland).
Ja, tatsächlich so schlimm.
Aber deshalb weil ich mit Fußball durchaus etwas am Hut habe (und ab und an auch selbst spiele – hobbymäßig versteht sich).
Ich dachte mir, dass die deutsche Mannschaft das tun wird, was sie gut kann, sich steigern und alles daran setzen wird dieses Spiel zu gewinnen (und für Ghana ging es ebenfalls um viel). Genau das ist aber nicht passiert: Technische Fehler, schlechte Pässe, hier wie dort, zweimal alleine vor dem Tor, und beide Male vergeben (es sah für mich nach wollen und nicht können aus) – und das Tempo war alles andere als hoch (meiner Meinung nach). Und irgendwann wusste man, dass sich nichts mehr tun wird, weil beide weiter waren... Aber ich verstehe, dass man mitfiebert, und das Spiel dann tatsächlich anders erlebt (kenne ich ja selbst zur Genüge).
Ja, schön, dass es die Slowakei geschafft hat, da kann ich Gregor nur zustimmen (Fangebaren ist mir auch ein »Gräuel«).
Gerade weil auch mir Fußball am Herzen liegt (ebenfalls Hobbykicker), habe ich widersprochen.
Über den FAZ Fußballblog war ich an diese Seite gekommen:
http://www.zonalmarking.net/2010/06/23/germany‑1–0‑ghana-tactics/
Dort steht über Özils Tor: »Regardless, it was a tremendous strike – and was in keeping with the high standard of the game.«
Nun weiß ich nicht, ob Sie dieses Urteil als ausgewogen, neutral genug ansehen. Meiner Meinung nach war es aber dem Druck entsprechend, usw. ein ganz ordentlicher Spiel (wahrscheinlich durchaus schon am Limit einiger Spieler), s.o. –
[Aber amüsant, dass unsere Wahrnehmungen so diametral sind. – Das ist ja schon bald wie die Rezeption eines Kinofilms, Musikaufführunge, Theaterstückes, Buches – dass es äußerst sensibel von den eigenen Erwartungen, Stimmungen abhängt – Vor Kinofilmen versuche ich schon meine Erwartungen absichtlich niedrig zu halten, um dann positiv überrascht zu werden, aber der Trick funktioniert schon nicht mehr sehr gut. – Vielleicht liegt es hier daran, dass mir das Spiel eigentlich recht gleichgültig war, bzw. ein Ausscheiden endlich für ein bisschen Ruhe gesorgt hätte, und so konnte ich dann wiederum doch dem Spiel milde Zustimmung entgegen bringen..]
@ G.K.; Und das alles nur wegen meiner Schreibfaulheit, mir war es einfach zu ewig lang ‘D‑England’ zu schreiben, aber ‘D‑GB’ geht einfach nicht.
Ich hoffe, Sie haben auch so schmunzeln müssen wie ich, denn als ich Ihre Antwort las, da habe ich mir vorgestellt, wie so manch’ anderem Leser ob dieser Unkenntnis die Mimik erstarrte.
Es gibt drei Erklärungen für dieses doch eher bescheidene Spiel (und so viele andere, bescheidene Spiele bei dieser WM).
1. Nervosität – Niemand will »versagen«; der Erwartungsdruck bei Medien und »Fans« ist sehr hoch. Demzufolge mag niemand einen Fehler machen.
2. Perfektion – man lese dieses Gespräch über den zunehmenden »Perfektionismus« im Fußball, der das Spiel sozusagen aushöhlt.
3. Kompliziertheit – Der »moderne« Fussball ist sehr komplex geworden. So werden fast nur noch multifunktionale Spieler bevorzugt, d. h. ein Angreifer muss je nach Bedarf auch Abwehraufgaben leisten und die Außenverteidiger müssen sich in das Angriffsspiel einschalten. Durch äquivalente Spielsysteme neutralisieren sich beide Mannschaften unter Umständen, was einen mindestens zähen Beginn zur Folge hat.
Diese drei Faktoren greifen m. E. ineinander und macht das alles nicht attraktiver. Wenn – wie gestern – eine Mannschaft wie Chile anders vorgeht und relativ offensiv agiert, führt dies bei den »Experten« schon zum Kopfschütteln und verblüffenden Fragen nach dem Motto »Wie konnten die nur…«
Man kann diese Veränderungen leicht sehen, wenn man sich alte WM-Spiele anschaut (beispielsweise von 1990). Das wirkt heute wie ein possierliches Freizeitgekicke. Wo diese Entwicklung hinführen soll, weiss ich nicht. Vermutlich wird man irgendwann an der Abseits-Regel stricken, um den Stürmern mehr Entfaltungsmöglichkeiten zu geben. Ansonsten drohen uns hypernervöse Grottenkicks, die nur noch mit Freistössen und/oder Elfmetern entschieden werden.
–
@lou-salome
Sie sind da in guter Gesellschaft. Frau Holst von den tagesthemen sagte das in einer Halbzeitpause auch sinngemäss – ‘zurück zum Spiel XX-Grossbritannien’...
Also, angesehen habe ich mir das Spiel ja nicht, aber ...
... angehört, im Auto, während einer längerer Fahrt gen Bayern. Nach dem ersten Tor wäre ich fast in den Graben gefahren, habe aber nochmal die Kurve bekommen und nach dem zweiten Tor lief die Fahrt von ganz alleine; die Rückfahrt dann, im Ohr die zweite Halbzeit, war etwas hitziger ( nicht nur von oben).
Das Fußballspiel im Radio zu hören hat mir gut gefallen.
Nun bin ich auf Kommentare aus England gespannt.
Es geht ja auch anders
Das Englandspiel bestätigt die These eines Freundes, der meinte, dass die deutsche Mannschaft dann Probleme hat, wenn sie das Spiel machen muss, d.h. gegen einen Gegner der primär auf Verteidigung aus ist.
@Phorkyas
Özils Tor war sehr schön, aber ein Tor macht noch kein gutes Spiel, was sich bei mir primär durch Spannung, Einsatz, schöne Spielzüge usw. definiert. Ja, interessant, dass unsere Wahrnehmungen derart auseinander klaffen.
@Gregor
Ja, das Interview war interessant, insbesondere die »Perfektionsthese«, aber ich glaube die traf beim Ghana Spiel nicht zu (zu viele schlechte Pässe, Stoppfehler, etc.).
Noch »lustiger« sind ältere Spiele, in Schwarz-weiß aufgenommen. Und es wäre nur konsequent, endlich Videoanalysen im Falle strittiger Tore einzuführen.
@metepsilonema
Im Ghana-Spiel merkte man den Deutschen die Angst an, in der Vorrunde auszuscheiden, was eine Riesenblamage gewesen wäre. Gegen England gibt es offenbar eine evolutionär implantierte Rivalität, die Flügel verleihen kann. England hatte vorher übrigens beim 1:0 gegen Slowenien auch nicht überzeugt.
Nach den Königen droht jetzt tatsächlich die vorletzte Unfehlbarkeitsinstanz zu wackeln: Blatter überlegt.
das Daumendrücken am Sonntag war für die deutsche National-Elf ja beinah überflüssig, so gut wie die gespielt haben. das lag allerdings auch an den engländern, die irgendwie sehr starr und statisch den ball kickten ...