Wer sich auch nur ein bisschen mit den Regularien multinationaler Sportkonzerne wie UEFA, FIFA oder IOC auskennt, war wohl nicht überrascht, als es vor ein paar Tagen hieß, dass die sogenannte »One-Love-Binde«, mit der mehrere nationale Fußballverbände Europas ihre Mannschaftskapitänen zum Zeichen von – ja was denn eigentlich? – auflaufen lassen wollten, nicht gestattet ist. Sie verstößt gegen die in den Verträgen genannten Kleidungsvorschriften – ein Tatbestand, den man sich hätte schon vorher klarmachen können, sofern man des Lesens kundig gewesen wäre.
Es ist eine Binsenweisheit: Die oben genannten Konzerne (nicht: Sportverbände!) tun alles, um die absolute Kontrolle über die jeweilige Veranstaltung zu gewinnen. Das geht vom Abkleben falscher Sponsoren auf T‑Shirts über Markenschutz für bestimmte Wettbewerbsslogans bis hin zu Kleidervorschriften der Mannschaften, die selbst im Training nicht frei wählbar ist. Wohl gemerkt: Dies sind alles Dinge, die mit dem eigentlichen Spiel, dem Fußball, und deren Regeln, nichts zu tun haben. Die Kontrolle dient nur einem Ziel: einen möglichst reibungslosen, für die teuer zahlenden Sponsoren und die Konzerne selber lukrativen Verlauf der Veranstaltung zu garantieren. Der Veranstalter vor Ort bleibt dabei sinnigerweise auf seinen Kosten meist sitzen; er bekommt nur Bruchteile der erwirtschafteten Gewinne. Katar ist das egal. Sie sollen 220 Milliarden US-Dollar ausgegeben haben. Pro zu erwartender Fußballminute wäre dies 3,8 Millionen Dollar. Vielleicht wird deswegen auch so lange nachgespielt, um den Preis pro Minute ein bisschen zu drücken.
Eine weitere Folge dieser Vereinbarung: Die Fußballstadien und alle Orte, die mit dem Wettbewerb zu tun haben (Trainingsplätze, Pressecenter, Quartiere) werden zu exterritorialen Zonen, ähnlich wie diplomatische Vertretungen in anderen Ländern. Diese Zonen sind für die Dauer des Wettbewerbs der Kontrolle des Staatsgebiets des Veranstalters entzogen. Sie werden zu FIFA-Land.
Das ist bei der WM in Katar nicht anders als bei den Austragungsorten zuvor. Umso überraschter muss man jetzt sein, dass die FIFA die sozialen und gesellschaftlichen Normen des Gastgeberlandes für absolut erklärt zu haben scheint. Sie bestehen z. B. in Alkoholverboten im Stadion, aber auch in spürbaren Einschränkungen der journalistischen Berichterstattung vor Ort. Der größte Dissens besteht jedoch im Verbot der in den letzten Jahren üblich gewordenen Bekenntnismanie sei es gegen Rassismus und Diskriminierung und, vor allem, um sexuelle Freizügigkeit und Rechte der »LGBTQIA+«-Personen.
Begründet wird dieses Verbot mit der anderen moralischen Bewertung von Homosexualität im Gastgeberland. Kataris gehen sogar dazu über, selbstbewusst von einem kulturellen Imperialismus zu sprechen. Die von uns, dem (sogenannten) Westen, vertretenen Werte seien, so die Interpretation, in ihrer Gesellschaftsordnung nicht gültig. Der Universalismus sei nur behauptet. Man fordert von den westlichen Teilnehmern (wie sich zeigt nicht nur den Mannschaften, sondern auch Fans, die in Regenbogen-Shirts nicht ins Stadion gelassen werden), dies zu respektieren. Die FIFA schließt sich dieser Bewertung an. Ob das damit zu tun hat, dass Herr Infantino mehrere Monate – vermutlich kostenlos – in Katar leben durfte, ist nicht bekannt.
Die Aufforderung der FIFA, die inkriminierte Kapitänsbinde nicht zu tragen, wird durch die Androhung einer gelben Karte bis hin zu Punktabzügen erstaunlich heftig formuliert. Dabei war die »One-Love«-Signatur bereits ein Kompromiss. Die sogenannte »Regenbogenbinde« wurde bereits im Vorfeld abgelehnt. Die Verbände sind in den letzten Tagen nun reihenweise eingeknickt, was insbesondere in Deutschland auf heftigste Reaktionen stieß. Den Spielern – speziell Kapitän Manuel Neuer – wurde »Gratismut« vorgeworfen. Sie würden sich zu ihren Werten nur dort bekennen, wo dies mehr oder weniger gesellschaftlicher Konsens sei.
Kaum jemand stellt allerdings die Frage, warum es eigentlich dieses Bekennertums bedarf. Ist es tatsächlich die Aufgabe von Fußball(national)spielern, sich auf dem Spielfeld zu was auch immer zu »bekennen«? Man stelle sich vor, vor einer »Tatort«-Folge würden Bekenntnisse der Schauspieler eingeblendet, dass sie für oder gegen eine gesellschaftliche Position Stellung beziehen. Woher kommt der Drang, sich auf diesem Parkett profilieren zu müssen?
Fest steht, dass der Fußball aber vor allem die deutsche Nationalmannschaft seit der mäßigen WM in der großartigen Demokratie Russland 2018 (merkwürdig, hier hat niemand etwas »bekannt« oder »demonstriert«) ein Imageproblem hat. Die zunehmende Kommerzialisierung, die absurde Blüten treibt und kaum mehr nachvollziehbar ist, zwingt Funktionäre dazu, andere Schichten der Bevölkerung für den Sport zu gewinnen. Schließlich muss die Show weitergehen. Dies geschieht zunächst mit medienwirksamen Nostalgieinszenierungen, die eine kontinuierliche heile Welt des einstigen Fußballs verklären und Traditionslinie aufbauen sollen. Hierzu dient die in der Fanszene inzwischen kanonisierte Ablehnung von Retortenvereinen wie RB Leipzig oder der TSG Hoffenheim; letztere hat sich notdürftig ein »1899« in den Vereinsnamen eingebaut. Die Feindbilder wirken noch, suggerieren sie jedoch eine Differenz zwischen »sauberem« respektive »ehrlichem« und »gekauftem« Fußball.
In Wirklichkeit ist das eine Farce. Der Traditionsfan, bisweilen als »Romantiker« belächelt bis verleumdet, besteht auf Identifikation mit dem Verein. Er verdrängt, dass sehr viele Spieler kaum bereit sind, dies zu erbringen. Sie betrachten ihr Spiel als »Job«. Manche ausländische Spieler machen sich nicht einmal die Mühe, die deutsche Sprache zu erlernen – warum sollten sie es, denn in zwei Jahren (oder noch früher) sind sie nicht mehr bei diesem Verein. Deutschland ist im europäischen Fußball zum Durchlauferhitzer für Karrieren in England, Italien oder Spanien geworden. Der Traditionalist wundert sich, dass die »Derby«-Gefühle bei den Spielern nicht aufkommen – wie sollten sie auch?
Immerhin ist in der Fanszene durchgesickert, dass es gewaltiger finanzieller Ressourcen bedarf, um im Spiel um Titel mitmachen zu können. Am Ende bleibt in Deutschland fast nur der FC Bayern München, deren Fans vor ein paar Monaten überraschend festgestellt haben, dass der Verein unter anderem aus Katar, dem Land, in dem sie immer ihr Winterquartier abhalten, gesponsert werden. Dessen jahrzehntelanges Wirtschaftsmanagement, welches zu den Erfolgen nicht nur beigetragen, sondern sie erst ermöglicht hat, wird längst allgemein zähneknirschend akzeptiert – vor allem, wenn es in Richtung Nationalmannschaft geht. Da aber die Fußballspieler der heutigen Zeit nicht zuletzt durch ihre massiven Werbeauftritte nicht mehr als soziale Vorbilder herhalten können, wird versucht, ihnen das Image des gesellschaftlichen Toleranzakteurs anzupassen.
Man kniet gegen Rassismus, legt eine Regenbogen- oder sonstige Toleranzarmbinde um und einige engagieren sich in sozialen »Projekten«, was natürlich ausführlich gewürdigt wird. Ein bisschen Pech hatte Joshua Kimmich im letzten Jahr, als er die hochheilige Impfkampagne der Covid-Häuptlinge nicht sofort adaptieren wollte. So kommt es eben, wenn man private Dinge, die privat gehören, in die Öffentlichkeit bringt.
Der Bekennerdrang von Fußballern ist zwar kein deutsches Phänomen, aber nirgendwo werden die Moralkeulen heftiger geschwungen als in Deutschland. Ja, es ist skandalös, dass die FIFA sich diesem Stück Stoff verweigert, weil es die Gefühle der Gastgeber verletzen könnte – ein Argument übrigens, dass links- wie rechtsidentitären Sekten in Europa dazu dient, beispielsweise neue Lektürekanons zu entwerfen, in dem man Bücher, Theaterstücke oder Filme indiziert. Man mag sich fragen, ob die Gefühle der Kataris unwichtiger sind als die der Aktivisten in Europa, die hinter jeder kleinsten Zweideutigkeit Diskriminierungspotenziale wittern.
Geschenkt. Die Knebel- und Sklavenverträge der FIFA müssen jedem Funktionär bekannt (gewesen) sein. Ebenso hat sich die Menschenrechtssituation in Katar seit der Vergabe 2010 nicht verändert. Dass die öffentlich-rechtlichen Anstalten in Deutschland für 214 Millionen Euro die Übertragungsrechte eingekauft haben (für jeden Demokratieabgabezahler sind dies fast 6 Euro; nicht eingerechnet, die Berichterstatterkosten) und jetzt, Jahre später, stundenlang dem potentiellen Zuschauer nahelegen, diese Veranstaltung nicht zu konsumieren, ist ein Schildbürgerstreich allererster Güte. Man wusste, was da passiert bzw. nicht passiert. Die Zerknirschtheit der deutschen Spieler und Funktionäre wirkt so echt wie die Überraschung, dass es nachts in Deutschland meist dunkel ist.
Also doch »Billigmut«, wenn man jetzt »einknickt« und keine Spielfeldbestrafung (oder gar mehr) riskieren möchte? Ja. Aber was mich persönlich noch mehr aufregt ist dieser wirkliche Gratismut all der Gestalten, die frustriert von ihrer eigenen Inkonsequenz sei es in Büros, Redaktionsstuben oder vielleicht sogar in der Familie anderen Vorschläge unterbreiten, wie man doch noch »ein Zeichen« setzen könnte. Neuer könnte, so las ich gestern, zum »Held« werden, wenn er dieses und jenes tun würde. Aber was, wenn er, der Multimillionär, einfach nur Fußball spielen möchte? Das interessiert wohl längst immer weniger, denn die Gratishelden vor dem PC brauchen Botschafter, brauchen Repräsentanten und sind nun enttäuscht darüber, dass das Wolkenkuckucksheim des wertegeleiteten Fußballspielers bei der gelben Karte aufhört, während sie vielleicht noch bemüht sind, private Ausgaben doch noch als Betriebsausgaben in der Steuererklärung geltend machen zu können.
Der Vorfall zeigt wie unter einem Mikroskop, wie der »Westen« dabei ist, seine gefühlte Wertedominanz zu verlieren. In Wirklichkeit haben ihn diese Werte immer nur soweit interessiert, wie es ihren ökonomischen Interessen passte. Aber auch diese Dominanz neigt sich dem Ende zu. Im Frühjahr bucklte der deutsche Wirtschaftsminister in Katar und bettelte um Flüssiggas. Längere Abnahmeverpflichtungen wollte Deutschland nicht eingehen, wir sind ja so modern und steigen überall aus. Das haben jetzt die Chinesen für das nächste Vierteljahrhundert übernommen. Dafür hätte man uns eigentlich dieses lächerliche Stückchen Stoff erlauben können.
hatte heute in aller Herrgott frühe so eine Eingebung, die sich mit dem Artikel deckt,
den ich mir erlaubt habe, an einige Redaktionen zu senden, und den ich deshalb ungekürzt hier einstelle.
ein Gespenst geht um – und nennt sich LGBTIQ-Community, Queer oder nun ONE-Love?
was haben Jens Spahn, Alice Weidel, Klaus Wowereit,
Tadzio Müller und Alice Schwarzer gemeinsam
richtig sie gehören der LGBTIQ-Community an.
Der gemeinsame Nenner besteht doch nur darin,
dass sie sich dagegen wehren diskriminiert zu werden,
wegen ihrer jeweiligen individuellen gelebten Art der Sexualität,
im vorliegenden Fall der der Homosexualität.
Homosexuelle wurden und werden noch, in vielen Teilen der Welt verfolgt,
bis hin mit dem Tode bestraf, in vielen Teilen der Welt mit vor allem Islam-Hintergrund,
wobei andere religiöse Fanatiker aus der kath. + ev. Kirche oder orthodoxe Juden
dem in Nichts nachstehen aber sonst dürfte diese hier genannten Personen
wohl nicht viel verbinden, was den Begriff Community = englisch für Gemeinschaft, eine Gruppe von Menschen mit Zusammengehörigkeitsgefühl rechtfertigt? (https://de.wikipedia.org/wiki/Community?)
Wer will hier also wem mit fragwürdigen Begriffen wie
LGBTIQ-Community, Queer und ONE-Love etwas vortäuschen?
Glaubt allen erstens Jemand, dass diese hier stellvertretend genannten Personen
auch nur etwas an Zusammengehörigkeitsgefühl hätten,
gehen die nach Feierabend ein Bierchen trinken,
oder unternehmen eine Spazierfahrt, wohl eher nicht?
Und so sieht es auch in der jeweiligen Szene
der queeren ONE-Love LGBTIQ-Community aus, sofern es diese überhaupt gibt,
Schwule wollen in einer »schwulen« Bar keine Lesben und umgekehrt das ist doch die Realität?
Wer sich nur halbwegs in der Szene der »Ausgegrenzten« auskennt,
der weiß wie Tolerant oder auch Intolerant diese Minderheiten selbst sein können.
Mit diesen Begriffen soll etwas generiert werden, was es aber in der Realität nicht gibt.
Ein weiteres Problem im Akronym LGBTIQ besteht doch darin,
dass dieses immer nur die Reduzierung auf den sexuellen Bestandteil ausmacht,
Wer schwul, lesbisch, trans- etc. ist, will nicht auf seinen sexuellen Trieb reduziert werden,
von einem der sich als »Normal = heterosexuell« bei einem Arbeitgeber vorstellt,
wird auch nicht abgefragt ob er auf blonde oder rothaarige mit d... T... steht, oder?
fraglich könnte sein,
ob wer auch immer diesen Begriff benutzt andere nicht dadurch selbst diskriminiert,
indem er die jeweilige Person von Ihrer individuellen Vielfalt nur auf das sexuelle reduziert?
Natürlich dürfen Fußballer auch schwul sein,
aber auf dem Feld soll kein Sex stattfinden, sondern Fußball gespielt werden,
somit ist es für UNS völlig irrelevant ob ein Fußball-Spieler schwul ist oder nicht?
Auch der Begriff Queer oder nun ONE-Love entspricht doch nicht der Realität?
Erinnern Wir uns an Fußball-Spieler Christoph Metzelder und fragen dann mal nach ONE-Love?
Dort wo Diskriminierungen stattfindet sollte man diese auch benenn,
und diejenigen ermutigen die es betrifft dagegen vorzugehen,
sei es in der eigenen Familie oder im öffentlichen Leben.
Hätte Herr Habeck mal sagen sollen, bei seinem Besuch in Katar,
WIR Deutsche machen erst Geschäft mit euch wenn ihr toleranter werdet,
das Auftreten von Frau Faeser mit ihrer Binde bei der WM
ist doch sowieso nur dem Populismus geschuldet,
die WM wird doch auch mit den Gebühren des Öffentlich-Rechtlichen-Fernseh- und Rundfunkbeitrags finanziert, und nicht zu knapp?
Und wenn die Jungs auf dem Feld gut gewesen wären hätten sie die Binde getragen
und dann auch die Konsequenzen dafür getragen, wären sie wenigstens in Erinnerung geblieben.
mfg ein toleranter Hesse
Danke für Ihren Kommentar. Auch mich interessieren die sexuellen Orientierungen von Fußballspielern, Schauspielern, Politikern oder sonstigen Prominenten nicht. Dass man auf Diskriminierungen aufmerksam machen möchte, ist natürlich legitim, aber wenn, dann sollte dies in anderem Rahmen geschehen. Hierfür steht diesen Leuten eine breite Palette an Möglichkeiten zur Verfügung.
Wie irrwitzig dieser Bekennerwahn inzwischen gediehen ist, sieht man an den Schlagzeilen der Medien, die den englischen Kapitän Harry Kane dafür feiern, »ein Zeichen« gesetzt zu haben. Das Zeichen bestand darin, eine Rolex-Uhr getragen zu haben, die entsprechend bunt gestaltet ist. Das Teil kostet angeblich rd. 500.000 Pfund. Das ist wirklich nur noch lächerlich.