»Ich bin JAYDEN CHECKER auf YOUTUBE, @jaydenchecker auf TWITTER und SNAPCHAT sowie @jayden-checker auf INSTAGRAM und TIKTOK.« Es folgen die Subscriber- bzw. Followerzahlen, bei Youtube > 1 Million, TikTok > 4 Millionen, Instagram > 300.000, einer Fan-Seite auf Facebook und so weiter. Wie ein Börsenjunkie starrt Jayden täglich auf diese Zahlen. Dann beginnt die Morgengymnastik und im Laufe der Zeit werden sie immer abstruser, diese Zahl der Push-Ups, Pull-Ups, Crunshes, Handstände und Joggingerlebnisse mal mit mal ohne Unterhose bis er dann irgendwann Push-Ups »Ohne Arme« ausführt und über seinem Parkettboden schwebend mehrere Stunden verharrt. Das alles bis der Tinnitus erwacht oder aufhört, je nach dem.
Das Leben eines Influencers steht auf dem Cover, eine Art fiktives Tagebuch (die @ sind alle inexistent), wobei zunächst von Tag 7 aus rückwärts gezählt wird und danach bis Tag 7 wieder vorwärts. Warum auch immer. Die Zeit wird mit Produktpromotion, Videoproduktionen und im Zusammensein mit anderen Influencern verbracht, man feiert oder besucht Messen, zieht sich auf, gibt Ratschläge, versucht neue Produkte zu bekommen (wenn möglich nichts aus China), verhandelt mit Managern. Jayden fährt standesgemäss im Lamborghini Huracán vor, benutzt für seine Videos ein iPhone XR (irgendwann erfährt man, dass das alles in 2019 herum spielt) und setzt jeden Tag eine launige Videobotschaft für seine »family« ab, die zwischen Koch- und Lebensrezepten und einer Anleitung zum Selbstmord changiert. Sein Werben um eine Influencerin kommt aber nicht so richtig in Gang. Trotz der bevorzugten Drogenmischung aus Metamphetamin und Viagra. Später wird der Steroidzyklus mit Trenbolon, Testosteron-Enantat und Arimidex getweakt. Im weiteren Verlauf des Buches wird deutlich, warum man so etwas nie zu sich nehmen sollte.
»Ich bin auf der Flucht vor der Ewigkeit« bekennt Jayden in einer seiner raren klaren Momente und später einmal heißt es in einer seiner wirren Videoansprachen entwaffnend: »NATÜRLICH bin ich aufgedreht, aber das ist eine Rolle, versteht ihr?« Die Reise ins Influencer(alp)traumland wird nach einem furiosen Beginn mit zunehmender Länge für den Leser erst einmal mühsamer. Bevor dann der Zirkus mit einer Dubai-Reise und wahrlich großen Verwicklungen wieder Fahrt aufnimmt. Der lustigste Strang ist Jaydens Versuch, seinen Manager zu wechseln. Am Ende merkt man, dass der CHECKER Jan Jedrzejczak heißt, in München wohnt und seine Vasektomierechnung von 643,39 Euro nicht bezahlen kann. Am Bewegendsten bleibt einem der Videocall mit seiner polnischen Großmutter in Erinnerung, die rät, nach Rzeszów zurückzukommen.
Die Anleihen an die gängigen Pop-Romane mit ihrem gepflegten Markennamen-Fetischismus sind überdeutlich. Unklar bleibt, wie Jaydens Aufzeichnungen zustande kommen; am ehestens denkt man sie sich als Fundstücke auf einer Festplatte. Das Buch birst irgendwann vor Übertreibungen. Sicher, Übertreibung ist eine Kunst, die, wenn sie gelingt, erhellend auf den beleuchteten Gegenstand wirkt. Dem 1993 geborene Daniel Kostuj gleitet die Übertreibungskunst seines Erstlings allerdings leider zu oft ins Psychedelische ab. Dadurch wird die Influencer-Szene zwar lächerlich gemacht, bekommt jedoch auch etwas putziges. Der Leser entwickelt Mitleid. Aber vielleicht war das ja so gewollt.