Wie Baby Schimmerlos für Arme irrlichtert Til Schweiger als Ludo Decker (nomen est omen – auch hier) in »Keinohrhasen« durch die Celebrity-Welt. Man lacht ein bisschen über sich selbst und verwechselt das mit Selbstironie; Klitschko heißt da Klitschko, Catterfeld Catterfeld und Jürgen Vogel spielt gegen Ende Jürgen Vogel (bzw. er spielt als Jürgen Vogel den Jürgen Vogel wie er den Jürgen Vogel gespielt haben möchte). Der Minister, der seine Geliebte geschwängert hat, ist allerdings nicht Seehofer. Soviel »Reality« ist dann doch nicht.
Schweiger spielt den Klatschreporter als skrupellosen Insider (mit mafiösen Attitüden) und machohaften Frauenhelden mit seiner eigenen Philosophie des one-night-stands nebst entsprechendem Verbrauch. So verknüpft man das Nützliche mit dem Angenehmen – und gibt dem Zuschauer nebenbei das Gefühl, es immer schon gewusst zu haben. Es wird gevögelt, gestöhnt, geschrien und die Wörter »blasen«, »bumsen« und »ficken« werden in allen Konjugationen dekliniert. (Der Film ist »FSK ab 12«, was einiges über das Zutrauen an das Sprachvermögen der heutigen Jugend aussagt.) Es beschleicht einem im weiteren Verlauf des Films der Eindruck, dass nicht zuletzt die deftige Sprache die eher mediokren schauspielerischen Leistungen einiger Akteure verschleiern soll.
Schweiger will die Yellow-Press-Welt der schönen Bildergeschichten und Lügenberichte karikieren aber er macht den Fehler, dass er diese Welt auch noch ins Lächerliche zieht (vermutlich aus Selbstschutz). Szenen werden mit überbordendem Text und/oder anderen Reizen aufgepeppt, um den Zuschauer mit dem Holzhammer auf den vermeintlich richtigen Weg zu bringen. In Deutschland nennt man solche Filme der Einfachheit halber Komödien, weil man den Begriff der »Klamotte« nicht mehr kennt. Sie »laufen« im Kino, haben aber ganz bestimmt nichts Cineastisches.
Die Figuren entwickeln sich nicht, lediglich die Situationen sind am Ende andere. Die Rollenklischees sind zementiert wie das Arminius-Denkmal im Teutoburger Wald. Die Frau wartet auf Erlösung durch ihren Märchenprinzen und erscheint dann als Liebende in vollkommener Schönheit und der Macho überzeugt durch Bettgymnastik und anschließender Läuterung.
Das alles ist auch noch mässig gespielt: Als sich Ludo während seiner Sozialstunden in einem Kinderhort in die widerspenstige Anna (Nora Tschirner) verliebt (sie hatte sich schon längst vorher in ihn verknallt), als »Journalist« gefeuert wird und Kindergärtner werden will, spielt Til Schweiger diese Figur mit dem gleichen Ausdruck wie am Anfang den rattigen Paparazzo. Sein schauspielerisches Repertoire ist auf wenige, eher sparsame Gesten beschränkt (vielleicht hebt er sich aber noch einige für weitere Filme auf). Und da er rhetorisch eher ein Aufsager als ein Schauspieler ist, braucht der Film um nicht in eine vollkommen banale Groschenromanschnulze abzudriften schwülstige Musik und ganz viele Cameo-Auftritte von bekannten Schauspielern; die natürlich meistens auch schwach bleiben (eine Ausnahme: Wolfgang Stumph als hartherziger, prinzipienreiterischer Taxifahrer – mit einer grandiosen Schlußszene). Eine Komödie zu inszenieren ist eben eine Kunst und keine Abfilmen von Witzchen à la »Sketchup«.
Die Zeiten, in denen deutsche Regisseure wunderbare, pointenreiche, vielleicht schräge, heiter-leichte (aber nicht banale) – kurzum: herrliche Komödien inszenieren konnten, scheinen vorbei. Hierzu bedarf es natürlich mehr als der bloßen Zurschaustellung der Pseudo-Coolness einer gefrusteten Wohlstandsgeneration. Schweiger ahnt das wohl und plündert hemmungslos bei Helmut Dietl (»Kir Royal« und »Rossini«) wie auch bei diversen US-amerikanischen Filmen von »Pillow Talk« bis »Harry und Sally«. Das wäre noch nicht einmal das Schlimmste. Aber während es bei »Rossini« noch um die »mörderische Frage, wer mit wem schlief« ging, zählt bei »Keinohrhasen« nur noch der Enthaarungsstatus der Frau und ob diese Unterwäsche trägt oder nicht.
Von Komik ist das meistens soweit entfernt wie Berlin von Australien. Dass es dennoch veritable Preise für diesen Film gab kann entweder an den Kritikern liegen, die ihre Kriterien allzu bereitwillig der Zeitgeistästhetik geopfert haben und alles abnicken was mit entsprechender Promiquote daherkommt oder es steht tatsächlich so schlecht um das, was man gemeinhin den »deutschen Humor« nennt.
Der deutsche Film wird hoffnungslos und vollkommen überschätzt. Ich bleibe bei Hollywood und genieße die wenigen deutschen Ausnahmen wie »Marias letzte Reise«, der dezent gespielt ist und auf jeglichen Klimbim, Pseudohumor, Überzeichnung oder Überagieren etc. auskommt.... LG tinius
Willkommen!
Wieder da? Wäre schön.
Online ja, bloggend nein... LG tinius
Erstes gut, zweites schlecht
Es hat keinen Sinn, etwas von einer gewissen Kontinuität abhängendes weiterzuführen, wenn Hilfe beim PC ca. ein halbes Jahr dauert oder ganz ausfällt. Einen Fachmann kann ich mir nicht leisten, gerade mal notwendige Ersatzteile. Ich hab zwar noch zusätzlich ein subventioniertes Netbook, aber das taugt gerade dazu, in Kontakt zu bleiben und Blogs und News zu lesen. Zum Arbeiten ist es eher nicht geeignet – Tastatur, Display. Und der jetzt reparierte PC hat vermutlich (wieder) nur eine begrenzte Schadensfreiheitsperiode....
Aber so komm ich mehr zum lesen. Das hat bei meiner Sammelwut denn doch was Gutes. Meine letzten Tops : Silvia Bovenschen : »Älter werden« und »Verschwunden« und meine derzeitige Lektüre von Amir Gutfreund »Unser Holocaust. Meine Flops – weil inhaltlich bedenklich : Arno Surminski : »Die Vogelwelt von Auschwitz« und (leider) Ulla Hahns »Unscharfe Bilder«.... LG tinius
Vermisst Du das Schreiben? Oder, anders gefragt: Schreibst Du trotzdem, aber jetzt für die »Schublade«?
Nein, ich schreibe nicht. Und vermissen tu ich allenfalls das Gefühl, was wichtiges zu tun. ;) Und das mag eine Illusion sein – online – Rezensenten gibt es ne Menge, auch Gute.... LG tinius
ich glaube, daß die Online-Rezensenten mehr oder weniger für sich selber schreiben, d. h. es gibt eine kleine Gruppe von Leuten, die gelgentlich einmal etwas anderes lesen als die gängigen Feuilleton-Besprechungen (die lesen sie natürlich auch). Darüber hinaus erzeugt so ein Blog nur das Gefühl, man erreiche damit »die ganze Welt«. Theoretisch (technisch) ist das zwar möglich, praktisch geschieht dies nicht. Es sei denn, man steigt irgendwann in die Riege der »Multiplikatoren« auf. Aber dafür taugen Online-Buchbesprecher nicht. Es sind schlichtweg zu viele.
Jetzt bin ich aber froh!
Wirklich und richtig froh, wieder von Ihnen zu lesen, lieber tinius, und sei es auch nur sporadisch und in einigen Kommentaren! Und mir
fastnoch wichtiger ist es, um Sie zu wissen! Und falls Ihnen das zu schwammig formuliert ist, so suchen Sie sich eine Interpretationsvariante aus, denn sie stimmen alle irgendwie.@Gregor Keuschnig
Entschuldigen Sie bitte mein Off-Topic, aber das wollte geschrieben werden.
»ich glaube, daß die Online-Rezensenten mehr oder weniger für sich selber schreiben, d. h. es gibt eine kleine Gruppe von Leuten, die gelegentlich einmal etwas anderes lesen als die gängigen Feuilleton-Besprechungen (die lesen sie natürlich auch).«
Ich bin mir sicher, es gibt eine nicht unerhebliche Anzahl von Lesern, die lesen die Feuilleton-Besprechungen höchstens dann, wenn sie von Online-Rezensenten dorthin via Link geführt werden... ;-)
@Peter Viehrig
Ich glaube, Ihre Sicht ist ein bisschen zu »euphorisch«. Alleine dahingehend schon, weil die »Masse« der Feuilleton-Leser eher wenig mit Online-Medien anfangen können und lieber auf die Zeitung oder das Magazin zurückgreifen: Das ist auch eine Generationenfrage.
Ja, das trieb mich auch um. Aber ich hab ja schon 60 tägliche Leser als »die Welt« und als sinnstiftend gesehen. Auf der anderen Seite kann man auch in Rechnung stellen, was im Feuilleton alles nicht vorkommt..... oder was längst vergriffen ist – und daher auch in den Archiven der Zeitungen verschwunden -, aber dank des Internet – Buchhandels immer noch greifbar und oft nicht weniger zu empfehlen ist. – Ich grüße Sie, Herr Viehrig. :) Es scheint, auch Sie sind in diesem Medium nicht mehr aktiv ? Für mich gilt : Unkraut vergeht nicht – und ebenso : Süchte – wie das Internet und das Sich – Darin – Äußern lassen sich schwer bekämpfen. ;) Das Bedürfnis, sich auszutauschen – über Bücher, Politik – ist mangels adäquater Gesprächspartner eigentlich nur noch im Netz zu befriedigen, sodaß ich reumütig zurückgekrochen komme, regelmäßig Blogs lese und in zwei Bücherforen – zurückhaltend – aktiv bin (auch da gibt es keine Rezensionen meinerseits). Und es gibt eine rein persönliche Ebene : Personen, die man über einige Jahre virtuell kennt, mag man nicht wirklich dauerhaft missen. LG tinius (aber sowas von offtopic. *gg*)
Auftrag
Ich musste letzten Samstag zufällig eine Rezension von Christine Westermann auf WDR2 ertragen. Ich hatte körperliche Schmerzen.
So gesehen ist es fast ein Auftrag weiterzumachen.
@Peter42
Naja, Schmerzen hin – Schmerzen her: Die Dame wird mit einer »Funktion« ausgestattet. Sie »darf« als Multiplikatorin agieren.
@tinius
60 regelmäßige Leser wären für mich Luxus. Seit Google wieder irgendwie mitspielt, gibt’s mehr »Klicker«. Leser aber höchstens ein Dutzend.
Ich hab mir den Film gezwungenermaßen auch ansehen müssen. Scheint das »Eis am Stiel« des 21. Jahrhunderts zu sein. Ein gewisser WernerE fasst es in seinem gerechten Zorn auf der Seite http://de.wikipedia.org/wiki/Diskussion:Keinohrhasen#Kritiken
meiner Meinung nach treffend zusammen (das Nord-Ossi-Bashing sei ihm verziehen):
»...Dazu ist die sog. »Lovestory« bar jeder Wahrscheinlichkeit. 1 1/2 Stunden mühte sich der gezwungene Betrachter durch hiesigen »auf-lustig«-Matsch, so gut wie ausschliesslich gestützt auf Schadenfreude, Sexismus, schlechten Geschmack, Schmerz-Slapstick und gehörig Rührei-Sentimentalität. Mein Gott Jürgen Vogel, was hatte der einzige Lichtblick da verloren. Und was die wahrscheinlich ungemein frivol und spritzig beabsichtigten Dialoge zum Thema Erotik angeht: dieser wohl nordostdeutsche bzw. hauptstädtische Schweinezüchter- und Gossenjargon, bar jeden Esprits, kotzt (Verzeihung) den Connaisseur wirklich an. Aber das ist und bleibt wohl das Niveau unsrer blöden Masse...«
In vielem
ziemlich zutreffend. »Rührei-Sentimentalität« gefällt mir dabei ausnehmend gut.