Wenn man in den letzten Wochen die Berichterstattung verfolgt hat, dann kann man nur noch mit dem Kopf schütteln. Da ist von einer Krise der Automobilindustrie die Rede, die angeblich alles bisher Gesehene in den Schatten stellt. Ein ähnliches Vokabular hatte man zwar im vergangenen Jahr schon angestimmt – freilich aus anderen Gründen (damals war es die Mehrwertsteuererhöhung in Deutschland). Ein »Rekordjahr« war es dann doch irgendwie.
Merkmal solch alarmistischer Prosa ist in der Regel, dass die Bestätigung mit Fakten bzw. eine halbwegs neutrale Einordnung des Phänomens unterbleibt. Wenn behauptet wird, die Nachfrage nach Automobilen breche drastisch ein, bleibt unberücksichtigt, aufgrund welcher (falscher) Prognosen über die Abnahme die Produktion beruhte und welches Niveau als Basis für den »Einbruch« gilt. Tatsächlich war man Anfang des Jahres von einem unveränderten Nachfrageboom in Europa ausgegangen. Das hat zu teilweise aberwitzigen Überkapazitäten geführt.
Das aufgrund der angespannten weltwirtschaftlichen Lage die Nachfrage eingedämmt wird, steht zwar ausser Zweifel, aber warum selbst seriöse Medien die vollkommen überzogenen Alarmmeldungen der Automobilindustrie unreflektiert nachplappern, bleibt rätselhaft.
Da wird von der »gebeutelten« Automobilindustrie gesprochen, weil Daimler Ende Oktober seine Gewinnerwartung von 7,7 Mrd. Euro auf 7 Mrd. Euro senken muss. Dabei wird bereits angedeutet, mit welchen bilanztechnischen Tricks man das Ergebnis weiter herunterzurechnen gedenkt. Der Absatz bei Mercedes werde deshalb im Gesamtjahr auf dem Vorjahresniveau verharren heisst es bei »boerse.ard« – aber was wäre an einem Absatz, der seinerzeit als Rekord bezeichnet wurde, schlimm?
Bei BMW hatte man schon im August in die Klagegesänge eingestimmt. Nebulös heisst es, dass die Umsatzrendite von 6,7% auf 4% fallen werde; das prognostizierte Ergebnis von 3,78 Mrd. Euro sei nicht zu halten. Jeder der rechnen kann, vermag festzustellen, dass BMW trotzdem weit davon entfernt ist, subventionswürdig zu sein. Kaum eine Meldung ist es den Alarmisten wert, dass VW seine Gewinnprognose nicht zurückgenommen hat (in den ersten drei Quartalen hat man dort einen Gewinn von 3,7 Mrd. Euro erzielt).
Manchmal weiss man nicht, ob es Naivität, Dummheit oder einfach nur Faulheit ist, wie Journalisten von einer Prüfung der so wunderbar von den Lobbyverbänden aufbereiteten Zahlen abhält. Wie kommt die Redaktion »Der Westen« dazu, die Prognose, dass 3,2 Millionen neue Fahrzeuge verkauft werden sollen, als Richtlinie für die Beurteilung einer Krise heranzuziehen? Warum wird nicht gefragt, nach welchen Kriterien bzw. in welchem gesamtwirtschaftlichen Kontext diese Prognose getroffen wurde? Und warum ist es bereits eine scheinbar existenzielle Krise, wenn dieses – willkürlich festgelegt »Ziel« – mit vielleicht 3,1 Millionen nicht ganz erreicht wird?
Warum werden die Thesen von VDA und VDIK fast immer kritik- und recherchelos übernommen? Sehen sich Journalisten immer mehr nur noch als Multiplikatoren der Informationen, die sie erhalten? Liegt das eventuell daran, dass sie entweder keine Zeit mehr haben, Zahlen und Fakten zu recherchieren oder einfach zu wenig Basiswissen haben um bestimmte Hintergründe entsprechend einzuordnen?
Die Gehirnwäsche zeigt derweil schon erste Früchte: 62% wünschen sich mehr staatliche Eingriffe in die Wirtschaft und 51% plädieren sogar dafür, dass sich der Staat verstärkt an wichtigen Unternehmen beteiligt. Wer gestern »Anne Will« gesehen hat, konnte erneut die gefährliche Leichtgläubigkeit etlicher Beteiligter sehen. Die drohende Insolvenz eines Automobilzulieferers wurde (von einem Arbeitnehmer dieser Firma) zu zwei Dritteln der Finanzkrise zugeschrieben und nur zu einem Dritteln der »Dussligkeit« der Geschäftsleitung der Firma. Das blieb unwidersprochen. Statt selbst zu recherchieren, warum eine Firma, die seit zwei Monaten einen sicherlich schlechten Auftragseingang hat, in dieser kurzen Zeit insolvent gehen kann, werden Stimmungen und vage Andeutungen als Fakten ausgegeben und gelten als Beleg, nur damit die eigene These stimmt.
Und was macht die Politik? Mit der Giesskanne werden Eilentschlüsse zur Senkung der Kfz-Steuer gemacht um die »arme« Automobilindustrie, die bis auf einige Ausnahmen (wo es zum grossen Teil hausgemachte Fehler handelt, die zu Schieflagen geführt haben) noch sehr gutes Geld verdient, zu unterstützen. Das ist schon schlimm genug. Aber die Dummheit und Faulheit von Journalisten, die sich zum willigen Sprachrohr einer ganzen Industrie machen – die schreit schon zum Himmel.
Die ‘Lafontainisierung’ der Wirtschaft scheint auch ohne ‘Die Linke’ zu funktionieren – wozu bedarf es da noch einer politischen Partizipation?
Naivität, Dummheit, Faulheit?
»...oder einfach zu wenig Basiswissen haben ...«
DAS trifft’s exakt.
Wie oft liest man in ernstzunehmenden Blogs Kommentare von Leuten die sich in einer bestimmten Materie auskennen und traurig oder entsetzt feststellen: Die Journaille liegt ja völlig schief in meinem Fach; ist das etwa in den anderen »Fächern« genauso: in Politik, Wirtschaft, Musik, Sport...?
Ich bin in der Musikbranche, und das nicht erst seit gestern. Ich kann das für mein Fach bestätigen: Journalisten haben einfach zu wenig Basiswissen (& schreiben gerne ab: von Kollegen die ebenfalls keine Ahnung haben, ...oder von der mitgelieferten Reklame, sorry: Promotion)
Ich arbeite in einer verwandten Branche, insofern kenne ich nicht nur die Zahlen in den Zeitungen, sondern auch die Schätzungen innerhalb der Firmen selbst. Man geht bei den Automobilzulieferern von 25–50% verringerter Produktion im nächsten Jahr aus. Diese Zulieferer (Namen darf ich hier keine nennen) produzieren für die gesamte Welt, insofern spiegelt die Senkung von 3,2 auf 3,1 Millionen produzierter Autos die Dramatik dieser Entwicklung nicht mal annähernd richtig dar. Die meisten fahren jetzt schon nur noch 80% Produktion, zum Jahresende machen die ersten bereits dicht. In den Firmen mit den intelligenteren Managern dürfen wenigstens die Entwicklungsabteilungen weiter arbeiten, machen zum Teil sogar satte Überstunden, währen in den dummen Firmen auch die Entwickler nur noch anteilig arbeiten dürfen.
Ich bestreite ja nicht, dass es Probleme gibt. Die Diskrepanz zwischen 25 und 50% ist allerdings sehr hoch. Man muss im Ernstfall immer als Niveau ansehen, von dem man ausgeht. Ich habe auch Kunden, die für die Automobilindustrie arbeiten und jetzt jammern. Einige Leute dort geben aber hinter vorgehaltener Hand zu, dass man sich zu lange zu sehr auf den einen Geschäftszweig (Automobile) fokussiert hat. Dabei waren die Gewinnmargen teilweise katastrophal (aber der Umsatz stetig und steigend!). Viele Zulieferer haben sich auf eine ständig steigende Boomkonjunktur verlassen.
Im übrigen würde die Förderung (Subventionierung) der Automobilindustrie den Zulieferern nur zum Teil helfen. Die befürchten nämlich wieder eine Neuauflage von so etwas wie dem »Lopez-Effekt«: knallhartes Kostenmanagement.
Die einzige sinnvolle Regelung der Bundesregierung war bis jetzt die Kurzarbeiterregelung. Dass sie funktioniert, setzt aber eine ausnahmsweise soziale Verantwortung des Managements der schwächelnden Firmen voraus plus massiven politischen Druck plus funktionierende Gewerkschaften. Hinter jeden dieser Punkte kann man ein großes Fragezeichen setzen.
Ich habe am Wochenende das Geo Epoche Heft über New York gelesen. Ein Artikel beschrieb die Abläufe an der Wall Street 1929. Wenn man nicht wüsste, dass dieser Artikel VOR den aktuellen Ereignissen geschrieben wurde – er beschreibt bis in die Details den Ablauf. Natürlich wird es keinen 3. Weltkrieg geben, natürlich weiß man heute mehr, und es gibt auch eine Menge weiterer Unterschiede. Aber die Parallelen gehen bis zum Aktienkauf auf Kredit, dem gegenseitigen Verweigern von Krediten und dem Gutsprech der Politiker.
Zwei Unterschiede zu 1929
...und zwar in der Behebung bzw. den Versuchen der Behebung dieser Krise: 1. Man arbeitet multilateral zusammen (auch wenn dann jeder sein eigenes Süppchen kocht, aber man legt wenigstens gemeinsam die Zutaten fest) und 2. man macht das Geld nicht knapp wie damals, sondern...schreitet eigentlich fort, in dem man versucht, den Geldkreislauf zu erhalten.
Ein wesentlicher Punkt fehlt noch: Vertrauen. Das kann man – gerade in der Wirtschaft – eben nicht kaufen.
Kleine Ergänzung
Ein ziemlich wüstes Interview zum Thema »Krise der Automobilindustrie« steht hier. Herr Meining, der zwei Minister beschimpft, führt ernsthaft an, dass die Unsicherheit über die Kfz-Steuer den Verbraucher davon abhält, neue Autos zu kaufen. Ich erspare mir einen Kommentar dazu.
Interessant am Ende des Interviews die Zahlen über Gewinne 2007 einzelner Konzerne.
Naivität, Dummheit oder Faulheit – wohl eher Inkompetenz.
Den wenigsten Journalisten ist es wohl gegönnt, mit der Gabe gesegnet zu sein, Bilanzen richtig lesen und interpretieren zu können. Stattdessen lehrt man in Redaktionen und Journalistenschulen wohl eher metakritische Betroffenheitsrhetorik.
Aber man sollte doch wenigstens versuchen, sich in Sachverhalte einzuarbeiten. Man muss keine Bilanz lesen können, um hinter dem Gejammer eine ziemlich geschickte PR-Aktion zu vermuten.
Aber man macht es sich auch sehr einfach, generell allem böße PR-Taktik zu unterstellen. Dann braucht man sich nicht mehr ernsthaft mit der wirtschaftlichen Lage auseinanderzusetzen. »Ist ja eh alles gestunken und gelogen – warum sollte ich mir da irgendwelche Kennzahlen angucken, von denen ich ja eh nix verstehe...«
Zu einfach? Nö. Ich will nur nicht verstehen, warum ein Industriezweig von Steuergeldern unterstützt werden soll, der jahre‑, wenn nicht jahrzehntelang falsche unternehmerische Ziele verfolgt hat, technologische Entwicklungen verschlief, mit ausgebufften Geschäftsmethoden den Neuwagenkauf künstlich forcierte (Leasingmodell), dabei riesige Gewinne verbuchte und jetzt, bei einem einzukalkulierenden Markttief, sofort evtl. Verluste sozialisieren will.
Auch wenn es der Staat dem Selbstlauf (~dem Markt) überlässt, werden die Verluste sozialisiert. Denn die dann entlassenen Arbeiter erhalten ihre Arbeitslosengelder nicht von den Aktionären, sondern vom Staat. Wenn der Staat mit seinem Geld verantwortlich handeln soll, muss er zweierlei tun:
– Er muss abwägen, welche Lösung ihn langfristig(!) weniger Geld kostet und
– er muss seinen Fuß in die Tür stellen und für das gegebene Geld Entscheidungsrechte verlangen.
Letzteres ist sehr wichtig, denn nur so lässt sich verhindern, dass, wie z.B. in den USA, Staatsgelder in Bonuszahlungen für das Managment zweckentfremdet werden. Bofinger mit seiner Forderung nach einer (zeitweisen) Verstaatlichung von Opel passt genau in diese Überlegungen.
Und unabhängig von diesem konkreten Fall ist tatsächlich zu überlegen, welche Wirtschaftszweige generell in staatlicher Hand bleiben sollten, um nicht eine Mehrheit von Bürgern zu Geiseln von Monopolen zu machen.
Es gibt ja eine einfache Regel, der man folgen kann: Überall, wo sich ein Monopol gebildet hat, wird es verstaatlicht (oder zerschlagen). Wo Monopole sind, gibt es keinen Markt, Monopole betreffen die gesamte Gesellschaft, und »gesamte Gesellschaft« bedeutet »Staat«.
@Köppnick
Was im Moment im Rahmen von Opel diskutiert wird, ist schon lustig. Da ist von einer Verstaatlichung die Rede (Du erwähnst das). Andere glauben Bedingungen stellen zu können, dass das Geld dann nicht doch in den USA bei GM versickert.
Beides zeigt eine erschreckende Ahnungslosigkeit. Die Adam Opel GmbH ist eine 100% Tochter von General Motors (was übrigens der Wirtschaftskrise 1929 geschuldet ist). Da es sich um eine GmbH handelt (seit 2005), ist weder eine Loslösung ohne Zustimmung von GM möglich noch eine Verstaatlichung. Letzteres höchstens dann, wenn man GM enteignet, was wohl ausser Sahra Wagenknecht kaum jemand erwägen dürfte.
Genauso absurd ist die Forderung, dass das Geld, welches für Bürgschaften zur Verfügung gestellt wird, nicht bei GM versickern soll. Spätestens wenn es dann irgendwann zu einer Gewinnausschüttung kommt (den GM zu 100% beanspruchen dürfte), fliesst mindestens indirekt Geld zurück. Ein Vertrag mit der Opel GmbH mit entsprechendem Passus wäre unwirksam, weil Opel im Zweifel gar nicht bestimmen kann, was mit seinem Geld geschieht.
Natürlich werden die Kosten bei einer Insolvenz von Opel auch der Allgemeinheit aufgebürdet – in dem es eben Sozialleistungen gibt. Es bedeutet allerdings nicht, dass sofort alle Mitarbeiter von Opel auf der Strasse stehen. Mindestens theoretisch könnte ein Investor gefunden werden und die Standorte mit kleinerer »Flamme« weitermachen.
DIe Diskussionen um eine Bürgschaft bei Opel erinnern fatal an die jahrzehntelangen Diskussion in Deutschland um die Kohlesubventionen. Auch hier hat man immer mit den potentiellen Arbeitslosen argumentiert und sinnlos Steuergelder verbrannt, statt rechtzeitig Strukturveränderungen in den Regionen vorzunehmen. Ausgerechnet diejenigen, die für eine sofortige Beendigung der Kohlesubventionen eintreten sind nun an vorderster Front, wenn es darum geht, Opel zu subventionieren (Rüttgers). Damit tritt man eine Lawine los, denn nach Opel kommt Ford, dann dürften sich die Wettbewerber von Opel und Ford beschweren und seinerseits in ihren Ländern Subventionen erhalten, usw.
Insgesamt betrachtet geht es der Automobilindustrie in Deutschland sehr gut – auch wenn es gravierende Absatzprobleme in 2009 geben dürfte. Aber Unternehmen wie BMW, Daimler oder die VW-Tochter Audi, die jahrelang immer weiter auf Motorkraft gesetzt haben und ihren Krempel jetzt nicht mehr loswerden für diese verfehlte Produktpolitik noch direkt oder indirekt (Kfz-Steuer) zu belohnen, ist absurd.
Gestern abend gab es eine Diskussionsrunde zu Opel. Teilnehmer waren Bofinger (einer der Wirtschaftsweisen der Bundesregierung), der die Verstaatlichung vorgeschlagen hat, Brüderle von der FDP, Sahra Wagenknecht (sic!) und ein IG-Metallmann, der bei Opel arbeitet.
Außer Herr Brüderle, der das übliche FDP-Mantra heruntergebetet hat, hatten alle etwas Konstruktives zu sagen. Es ging genau um die Punkte, die du hier angesprochen hast. Nach dem Opelmann ist Opel ein gesundes Unternehmen, es will keine Kredite vom Staat, sondern eine Bürgschaft. Bisher kamen die Kredite von GM, was auch die Begründung für das satte Abfließen der Gewinne geliefert hat. Jetzt bekommen die Opelaner kein Geld mehr von GM, aber von den Banken auch nicht, u.a. weil die das Abfließen ihrer Gelder nach GM befürchten.
Genau darauf zielt Bofingers Verstaatlichungsvorschlag und die Idee des Herauslösens aus GM. Bofinger ist kein Dummer, so wie die Sahra auch keine Dumme ist. (Auf letzteres brauchst du nicht eingehen, das ist eben meine persönliche Meinung und unser Dissens.) Die Verstaatlichung sollte nach Bofingers Meinung so schnell wie möglich rückgängig gemacht werden. Und – Verstaatlichung heißt ja nicht Enteignung, das wird in vielen Diskussionen häufig gleichgesetzt.
Wie kann man denn eine GmbH »verstaatlichen« ohne die bisherigen Eigentümer ihrer Rechte zu »berauben«? Eine GmbH hat juristische und/oder natürliche Personen als Inhaber. Es gibt einen Gesellschaftervertrag, der das regelt. Ich habe zwei Mal erlebt, dass Gesellschafter einen anderen Gesellschafter (einmal war es ein geschäftsführender Gesellschafter) loswerden wollten. Die Verträge gaben das nicht so einfach her. Es ging in beiden Fällen nur, weil die Anteile des Gesellschafters von den anderen aufgekauft wurden. Die Bestimmung der Werte (anders als bei der AG gibt es ja keinen Aktienwert, an dem man das schnell festmachen kann) obliegt in der Regel einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, die sich die Geschäftsentwicklung der letzten Jahre anschaut und dann eine Empfehlung abgibt;: geeinigt werden muss sich dann am Tisch.
Im FTD-Artikel wird ein anderer Wirtschaftsforscher zitiert, der das Verfahren so umreisst: »Auch Udo Ludwig vom Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) forderte eine Abspaltung Opels vom US-Mutterkonzern General Motors. Der Staat sollte Opel zurückkaufen und das Unternehmen in eine Aktiengesellschaft umwandeln, sagte Ludwig der ‘Thüringer Allgemeinen’.«
Die Folge von Bofingers und Ludwigs Vorschlag wäre, dass GM sich die Anteile fürstlich entlohnen liesse – andernfalls würde man einfach einer Übernahme nicht zustimmen.
Man kann übrigens auch nicht Gesellschafter mal für kurze Zeit »kaltstellen« und dann wieder einsetzen. Ein entsprechendes Gesetz (»Lex Opel«) wäre garantiert verfassungswidrig, weil es die Vertragsfreiheit tangiert.
Die einzige Möglichkeit eine Firma sozusagen anzueignen, wäre die Insolvenz. Hierfür gibt es allerdings eindeutige Kriterien. Dann würde der Staat zum Insolvenzverwalter bestimmt. Das wäre aber dann aber erst recht der Todesstoss.
Dass Bofinger kein Dummkopf ist, glaube ich gerne. Wenn aber jemand einen solchen vereinfachenden Unsinn erzählt, zweifle ich an seiner Kompetenz.
Von der Wettbewerbsverzerrung mal gar nicht erst zu reden.
In der besagten Fernsehsendung wurde erwähnt, dass das Insolvenzrecht in den USA anders aussieht als in Deutschland. Man kann wohl dort in Insolvenz gehen, wird alle seine Schulden los (zum Schaden der Gläubiger) und macht danach mit demselben Management einfach weiter. Nach deutschem Recht geht das nicht. Wenn sich bei uns die Gläubiger bedient haben, ist nichts mehr da. Wir sollten uns da nicht groß den Kopf zerbrechen, wie sich das die Vorschlagenden gedacht haben, es wird wohl juristische Möglichkeiten geben.
Ich denke ganz pragmatisch: Wenn die Bundesregierung mit Enteignung droht und auf der anderen Seite die US-Regierung GM mit Staatsgeldern rettet und die Erneuerung der Produktpalette massiv subventioniert, dann kann man sich sicher auf einen Preis einigen, der dem tatsächlichen Wert von Opel entspricht.
Wettbewerbsverzerrung ist für mich kein Argument, was dagegen spricht – es gibt überall in unserer Gesellschaft keine wirkliche Chancengleichheit, warum sollte man das ausgerechnet jetzt berücksichtigen, wo es überall brennt? Das Einzige, worauf meiner Meinung nach der Staat achten sollte, ist, dass das zur verfügung gestellte Geld nicht zu Leuten abfließt, die genug davon haben. Und genau das garantiert eine Verstaatlichung: Wenn Geld übrig bleibt, kassiert das der Staat wieder ein.
Es geht mir nicht um das amerikanische Recht oder amerikanische Insolvenzrecht, es geht um das deutsche Recht in Bezug auf eine GmbH.
Keine deutsche Regierung mit nur 5 cent Verstand kann mit Enteignung drohen und auf »pragmatische Lösungen« hoffen. GM hat heute den Verkauf abgelehnt (was nichts heissen muss, sondern nur den Preis nach oben bringen soll). Leider funktioniert sowas aber nicht wie im Monopoly-Spiel.
Ich weiss im übrigen auch nicht, ob der Staat mit solchen Aufgaben nicht völlig überfordert wäre (wie die Landesbanken ja zeigen).
Die Wettbewerbsverzerrung wird spätestens dann zum Argument, wenn die USA ihre Autombilindustrie mit 25 Mrd. $ unterstützen werden (heute gab es eine Anhörung dazu). Im übrigen habe ich nicht bemerkt, dass staatswirtschaftlich gelenkte Systeme wie der Kohlebergbau oder die Landwirtschaft nur einen Deut besser funktionieren.
Bei Staatsbetrieben gibt es zwei Aspekte zu beachten:
1. Das Interesse des Eigentümers an einem möglichst effizient arbeitenden Betrieb. Für mittelständische Betriebe führt das dazu, dass sie in privater Hand (meistens) besser funktionieren – weil es hier einen unmittelbaren Durchgriff der Eigentümer auf die Firmenleitung gibt. Bis zu einer gewissen Firmengröße tummeln sich auch mehrere Firmen auf dem Markt, sodass Wettbewerb funktioniert. Bei sehr großen Firmen, die sich in Privathand befinden (gestreuter Aktienbesitz), haben die Besitzer kein Interesse an den Produkten, sondern nur noch am Gewinn. Zudem verringert sich immer weiter der Wettbewerb, es entstehen Monopole, bei denen die wenigen Eigentümer den Rest der Gesellschaft übervorteilen.
2. Im Staatsbesitz befinden sich Unternehmen (Landesbanken, Kohle), bei denen es ein *politisches* Interesse am Erhalt gibt. Diese Firmen sind bereits vor der Verstaatlichung wirtschaftlich schlechter, bzw. in Privatbesitz würde es sie überhaupt nicht geben, weil sie gegen eine reine Wirtschaftslogik am Leben erhalten werden.
Man muss beide Aspekte im Hinterkopf behalten, und in jedem Fall zeigen sie, dass ein Vergleich von Staatsunternehmen und Privatfirmen nur nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten nicht sinnvoll ist – es gibt auch andere (politische, gesellschaftliche) Aspekte dafür und dagegen.
Der Vorschlag zur Verstaatlichung kam ja nicht, weil man glaubt, Opel würde dann besser produzieren, sondern weil die Gefahr besteht, dass man aus *wirtschaftlichen* Gründen Arbeitsplätze abbaut und damit Schaden anrichtet, den *Politik* und *Gesellschaft* auszubaden haben. Spätestens die Arbeitslosigkeit der Betreffenden ist ja eine Verstaatlichung der Probleme.
Man kann deinen Aspekt der »Wettbewerbsverzerrung« auch so sehen: Ist nicht die Entlassung von Mitarbeitern eine Wettbewerbsverzerrung, weil sie die Kosten über die dann notwendig erhöhten Steuern anderen Firmen zum Vorteil der eigenen Firma aufbrummt?
Zu 1. könnte man sehr viel sagen. Prinzipiell stimmt das zwar, was Du sagst, allerdings ist es auch so, dass KMUs, die in privater Hand sind, im Laufe der Zeit häufig an ihren starren Strukturen scheitern.
Meine Erfahrung mit privat geführten Firmen sind unterschiedlich. Man glaubt zunächst, dass man mit kurzen Entscheidungswegen flexibler am Markt agieren kann. Das stimmt aber nur dann, wenn die Bretter, die beim jeweiligen Inhaber (den Inhabern) zu bohren sind, nicht dicker sind, als in Grossunternehmen, wo es mehr um reine Fakten geht, während inhabergeführte KMUs häufig emotionale Entscheidungen treffen (oder – noch schlimmer – Entscheidungen aus emotionalen Gründen unterlassen). Aber lassen wir das.
2. Der »politische Erhalt« von Landesbanken, Bauern (die entweder zu teuere oder überflüssige Produkte erzeugen) und Kohle (die zu teuer ist), kann nur für gewisse Zeiten Sinn machen. Das hat man immer vergessen. Man hat geglaubt, die Kohle befinde sich nur momentan in der Krise – die Realität zeigt aber seit mehr als 30 Jahren, dass dieses »Modell« nicht mehr sinnvoll ist (es sei denn, wann will eine Engerieautarkie um tatsächlich jeden Preis erreichen).
Landesbanken waren (und sind) eigentlich vollkommen überflüssig und zwar seit je. Sie sollen die Wirtschaft des jeweiligen (Bundes)Landes fördern, was an sich schon Unsinn ist, weil es sich um keine autarken Wirtschaftsräume handelt.
Warum Unternehmen, die Produkte herstellen, die niemand zu diesen Preisen kaufen kann und/oder zwangsweise erhalten werden, leuchtet mir nicht ein. Statt sich rechtzeitig auf Veränderungen einzurichten und ggf. Nischenproduktion zu implementieren, wird ein lahmer Gaul zu Tode geritten.
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Es ist ja keinesfalls gesagt, dass ohne staatliche Unterstützung die Opel GmbH insolvent wird. Es könnte sich beispielsweise ein Käufer finden (wobei natürlich die Meldung von Solarworld gestern eine Lachnummer ist), der einen adäquaten Preis bezahlt (das will man vermutlich nicht unbedingt weil es sich zum Beispiel um einen »vorwitzigen« Chinesen handeln könnte). Oder Opel könnte per Gerichtsbeschluss die ausstehenden Zahlungen von GM einklagen (zugegeben, das ist arg hypothetisch, vor allem wenn man das hier liest). Selbst eine Insolvenz der Opel GmbH hat ja nicht zwangsläufig zur Folge, dass ALLE beschäftigten arbeitslos würden. Andererseits hört man doch immer, dass Ingenieure fehlen. Betroffen sind von solchen Arbeitslosigkeiten meist (nicht nur) die schlecher ausgebildeten.
Wenn die Bundesregierung mit 1 Mrd. Euro für Opel bürgt, kommt mit Sicherheit morgen Ford (ähnliche Problematik). Danach die Zulieferer der anderen Automobilkonzerne, die nun fürchten, dass ihre Autos aufgrund der Subventionierung der anderen nicht mehr genommen werden. Im übrigen halte ich es immer für extrem problematisch, Grossunternehmen zu subventionieren, nur weil sie mit einer entsprechen hohen Zahl potentieller Arbeitsloser argumentieren können.
So wie ich es in der Talkshow verstanden hatte, ist Opel ein gesundes Unternehmen. Es bekommt aber von Privatbanken derzeit keine Kredite, weil diese Banken Angst haben, dass im Fall einer Insolvenz von GM dieses Geld in den USA verschwindet. Die Bürgschaft der Bundesregierung ermöglicht es Opel Kredite von Privatbanken aufzunehmen.
Da dann im Zweifelsfall die Bundesregierung für einen Kreditausfall verantwortlich *wäre*, wenn GM-USA pleite geht – nicht Opel-Europa – besteht seitens der Bundesregierung eine Verpflichtung, mit der Regierung der USA eine Vereinbarung zu finden, wie das GM-Opel-Problem gelöst werden kann.
Im marktwirtschaftlichen Selbstlauf geht das alles derzeit nicht – deshalb interveniert doch überall Väterchen Staat – weil man im Liberalisierungswahn der letzten Jahre sämtliche Gesetze beseitigt hat, mit denen sich Volkswirtschaften voreinander schützen können. Das ist auch der Hintergrund der Verstaatlichungs-Idee: Dem deutschen Staat können private GM-Gläubiger kein Geld wegnehmen, und wenn, dann druckt er einfach welches.
Der Liberalisierungswahn ist polemisch. Deutschland war (und ist, aber nicht mehr lange) »Exportweltmeister«. Man nicht offene Grenzen für seine eigenen Produkte in Anspruch nehmen und gleichzeitig Mauern aufziehen.
Dass der Staat die Banken absichert, ist eine notwendige Massnahme (wenn auch übel, denn was passiert, wenn tatsächlich der Damm brechen sollte). Das aber jetzt in »lustiger Folge« bald jeder Industriezweig unter dem Mäntelchen des Staates schlüpfen möchte, ist in der Tat befremdlich. Regierungen sollten sich nicht mit Arbeitslosen erpressen lassen. Das ist – zugegebenermassen – in Wahljahren schwierig.
Dass Deutschland Exportweltmeister war, ist Teil des Problems, aber das schrieb ich ja bereits. Denn zum Exportweltmeister Deutschland gehört der Importweltmeister USA. Während die Amerikaner mehr konsumieren durften, als sie erarbeitet hatten, haben die Deutschen weniger konsumiert, als ihnen eigentlich zustand.
Und auch das mit der Erpressung sehe ich eigentlich anders (es fällt in dieselbe Kategorie wie der übliche Populismusvorwurf). Wofür sind Politiker da? Um die Interessen des Volkes zu wahren. Und Arbeitslose gehören auch zum Volk, und das nicht nur in Wahljahren. Die Erpressung geht von den privaten Eigentümer der betreffenden Firmen aus, denen sollte man ans Portemonnaie, mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln.
Naja, was sollen die Deutschen anderes tun, als ihre Produkte zu exportieren? Ansonsten ist doch der Binnenmarkt viel zu klein. Dass die Deutschen weniger konsumiert haben, hat nichts mit dem seit Jahrzehnten bestehenden Handelsbilanzdefizit der USA zu tun, sondern mit der Belastung insbesondere der Mittelschichten, die das Geld, was sie übrig haben, gespart und/oder noch in (teilweise windige) Bankprodukte angelegt haben (und jetzt Rotz und Wasser heulen). Und irgendwann hat dann auch jeder mal sein Auto, seinen Flachbildschirm, usw.
Ansonsten sind wir wohl sehr weit vom Thema abgekommen. Man kann die Dummheit etlicher Medien in der Berichterstattung über Subventionen nicht mit Enteignungsthesen begegnen. Und den Unternehmen an die Geldbörse zu gehen – das ist exakt das Gegenteil dessen, was man will: Man will sie subventionieren. Beides ist gleich unsinnig. Was dabei herauskommt, wenn staatliche oder gar multistaatliche Entitäten Märkte regeln, sieht man wunderbar hier.
Interessante Diskussion hier, in die ich mich gar nicht einmischen möchte, aber zum „Exportweltmeister“ stimme ich Gregor zu: „Was sollen die Deutschen anderes tun, als ihre Produkte zu exportieren? Ansonsten ist doch der Binnenmarkt viel zu klein.“ Das Problem ist jedoch der Jahr für Jahr bejubelte Handelsbilanzüberschuss und hier insbesondere mit den USA. Deren Handelsbilanzdefizit hat mittlerweile astronomische Größenordnungen erreicht, was ja wohl bedeutet, dass die erarbeiteten Produkte aus aller Welt in den USA konsumiert werden, aber aus den USA keine entsprechende Gegenleistung erfolgt, von grünem Papier einmal abgesehen. Sollte irgendwann mal jemand mit diesen Scheinen nicht mehr zufrieden sein und auf Warenausgleich bestehen, so kann er ja mal versuchen seine Außenstände einzutreiben. Da wird er auf Granit beißen, denn nicht umsonst geben die USA allein in 2008 rund 700 Milliarden Dollar fürs Militär aus.
Das Handelsbilanzdefizit der USA ist seit vielen Jahren schon bekannt. Emmanuel Todd hat es 2002 in seinem Buch »Weltmacht USA – Ein Nachruf« zum Anlass genommen, die USA schon damals für bankrott zu erklären. Er erläutert darin, dass die Vereinigten Staaten mit nahezu allen Ländern der Welt negative Handelsbilanzen haben (auch mit Staaten wie der Schweiz oder Ukraine). Dies gilt übrigens nicht für den Import von Rohstoffen alleine, sondern auch für Industrieerzeugnisse und – zunehmend – auch in Produkten, die allgemein der „Spitzentechnologie” zugerechnet werden (Computer; Biotechnologie; Luftfahrt).
Das hat schwerwiegende Folgen – nicht nur fiskalpolitischer Natur (man braucht laufend frisches Geld, um die Maschine am Laufen zu halten): Man begibt sich in wirtschaftliche Abhängigkeit von Importprodukten, verliert Produktions-Know-How, usw.
Bei der Definition des Exportweltmeisters ist es natürlich wichtig zu wissen, dass die anderen EU-Länder auch als »Exportnationen« gelten. Der grösste Teil unserer Exporte werden längst in der EU abgewickelt (>60%; in die USA gingen nur rd. 10% [starker Euro!], nach Asien ähnlich viel.)