Ein bisschen pseudo-investigativ gibt man sich bei »Report Mainz«: Dabei ist das Grusswort von Christian Klar vom 15.01.07 zur Rosa-Luxemburg-Konferenz, »das dem ARD-Politikmagazin REPORT MAINZ vorliegt« im Internet einfach herunterzuladen – bei der »Jungen Welt«.
In dieser Diskussion wurde u. a. gefragt, wie sich Christian Klar, der ein Gnadengesuch zur vorzeitigen Entlassung gestellt hat, zur heutigen politischen Situation stellt. Das Grusswort gibt hierüber wenigstens teilweise Auskunft. Ich stelle den Text hier im Original- Wortlaut ein.
Aber wie sieht das in Europa aus? Von hier aus rollt weiter dieses imperiale Bündnis, das sich ermächtigt, jedes Land der Erde, das sich seiner Zurichtung für die aktuelle Neuverteilung der Profite widersetzt, aus dem Himmel herab zu züchtigen und seine ganze gesellschaftliche Daseinsform in einen Trümmerhaufen zu verwandeln. Die propagandistische Vorarbeit leisten dabei Regierungen und große professionelle PR-Agenturen, die Ideologien verbreiten, mit denen alles verherrlicht wird, was den Menschen darauf reduziert, benutzt zu werden.
Trotzdem gilt hier ebenso: »Das geht anders«. Wo sollte sonst die Kraft zu kämpfen herkommen? Die spezielle Sache dürfte sein, daß die in Europa ökonomisch gerade abstürzenden großen Gesellschaftsbereiche den chauvinistischen »Rettern« entrissen werden. Sonst wird es nicht möglich sein, die Niederlage der Pläne des Kapitals zu vollenden und die Tür für eine andere Zukunft aufzumachen.
Es muß immer wieder betont werden: Schließlich ist die Welt geschichtlich reif dafür, daß die zukünftigen Neugeborenen in ein Leben treten können, das die volle Förderung aller ihrer menschlichen Potentiale bereithalten kann und die Gespenster der Entfremdung von des Menschen gesellschaftlicher Bestimmung vertrieben sind.
Stimmt es wirklich, wie es im jetzt aufbrausenden Presseecho suggeriert wird, dass Klar mit diesen Aussagen sein Gnadengesuch selber desavouiert hat?
Wer einen inhaltlichen Fehler in den Aussagen findet, möge dies darlegen. Ich glaube, das wird schwer.
Was bleibt ist der , aggressive Ton und die ideologische Verbohrtheit, so Beckstein. Weiter schließt Beckstein daraus, dass es sich um einen unverbesserlichen terroristischen Verbrecher handelt.
Ziehen wir Pathos und politische Instrumentalisierung ab, bleibt ein jämmerliches Häufchen Ressentiment übrig. Schleyer wird es lauter gefunden haben, wenn an New Yorker Rohstoffbörsen aus Profitgründen mit Preisen gespielt wurde, ohne Rücksicht auf Hunderttausende in der dritten Welt, die dadurch ins Elend gestürzt wurden. Das finde ich ideologisch verbohrt und unverbesserlich verbrecherisch. Ist das jämmerliches Ressentiment? Vermutlich ja.
Ein paar Gedanken
Die Äußerungen Klars sind ziemlich wirr. Ich frage mich, ob er durch die jahrelange Haft erst so geworden ist oder ob er schon immer so war. Wenn ersteres zutrifft, dann sollte man ihn schon deshalb entlassen, damit er wieder unter Menschen kommt und medizinisch-psychologisch betreut werden kann.
Die Äußerungen der CSU- und FDP-Leute erinnern mich in ihrer Reflexhaftigkeit und den Stereotypien an die SED. Es sind haargenau dieselben Verhaltensmuster. Diese Typen hätten auch in der DDR Karriere gemacht.
Gehts wirklich um C. Klar?
Man schlägt auf den Sack aber man meint die Esel, die immer noch (oder wieder?) in Kategorien antikapitalistischer Fundamentalkritik denken.
Den Stoiber, Westerwelle und Uns-mit-neuer-sozialer-Marktwirtchaft-Beglückern dürfte es höchst ärgerlich sein, wie ungeniert inzwischen (wenn auch noch folgenlos) die öffentliche Meinung den Kapitalismus schmäht.
http://opablog.twoday.net/stories/3371412/
Gedanken
Ja, Kranich, ich glaube, es geht um Christian Klar! Hätte irgendeiner der PDS nahestehender Intellektueller diese Grussbotschaft verschickt – sie wäre versickert ins Nirwana der Nachrichtenwelt.
»Antikapitalistische Fundamentalkritik«? Entschuldigung, aber ich lach’ mich tot. Klar das zu unterstellen, beleidigt jegliches intellektuell unterfütterte Unterfangen dieser Art. Der Text verbleibt in einem allgemeinen Geraune. Wen macht er als chauvenistische Retter aus? Wer regelt – des Menschen gesellschaftliche[r] Bestimmung? Er, Klar? Welche Anmassung! Mit welchem Instrumentarium werden die Gespenster der Entfremdung konstatiert? Es ist abermals ein Dokument eines sich selbst in der Vordergrund setzenden »Erlösers« – exakt in der RAF-Diktion der 70er Jahre.
Insofern muss man feststellen (an Köppnick gerichtet): Kontinuum. Man lese sich die RAF-Erklärungen von vor 30 Jahren durch – am Duktus hat sich nichts geändert (zum bewaffneten Kampf: diese). Vielleicht an der Methode – aber das geht aus dem geschriebenen nicht hervor.
Meines Wissens ist dieses Grusswort die erste öffentliche Stellungnahme von Klar seit dem Gespräch mit Günter Gaus (hier im Wortlaut wiedergegeben). Er versucht sich als Speerspitze eines diffus begründeten Antiglobalisierungskampfes. Um es deutlich zu sagen: Wenn die Antiglobalisierungsbewegung und die Linke diesen Protagonisten ernst nimmt, dann ist ihr nicht zu helfen; sie desavouiert sich selber.
Ich will nicht das zynische »Argument« vorbringen, dass Klar, wenn ihm dieses »System« so verhasst ist, auch keinen Platz hier hat. Das sehe ich nicht. Meine Bedenken hatte ich im anderswo verlinkten Beitrag geäussert. Eine Resozialisierung, die jedem lebenslänglich Verurteilen qua Gesetz zusteht, setzt voraus, dass diese stattfinden kann und auch vom Delinquenten erwünscht ist. Sie bedeutet aber nicht, dass ein irgendwie gearteter politischer Konformismus eine Grundvoraussetzung darstellt oder gar eingefordert werden kann. Klar jetzt aufgrund dieses Textes alleine die Entlassung in 2009 zu verwehren, wäre falsch. Zur Gewalt ruft er nicht mehr auf.
Zum Abschluss meines Statements eine kurze Reminiszenz: In meiner Jugendzeit begann ich die Diskussionen um die Freilassung von Rudolf Heß zu verfolgen, der irgendwann als einziger Gefangener in Spandau einsass. Heß war Gefangener der Alliierten. Es gab neben unverbesserlichen Neonazis auch durchaus ehrenwerte Leute, die sich aus humanitären Gründen für die Feilassung von Heß einsetzten (er starb 1987 dort). Ich habe dieses Engagement niemals verstanden und hatte mich in privaten Diskussionen immer dafür eingesetzt, dass dieser Verbrecher seine Untaten entsprechend büsst. Und jetzt eine provokative Frage in die Runde: Wäre der Häftling C. K. ein Neonazi und wäre sein Grusswort in dieser Diktion an irgendeine Konferenz, die rechets Gedankengut vertritt, verfasst worden – wie würden die Kommentare hierzu aussehen???
Danke
für den RAF-Link. Bisher habe ich nur das Buch von Stefan Aust gelesen (vor vielen Jahren, kurz nach der Wende). Ich werde mir die Seite in nächster Zeit ausführlicher zu Gemüte führen.
Habe jetzt ein bisschen mehr gelesen
Folgende Gedanken sind mir dabei gekommen:
Keine theoretischen Überlegungen. Aber wenn man eine Gesellschaft mit 80 Millionen Menschen (oder die ganze Welt?) verändern will, muss man sich vorher sehr genau überlegen, was man an die Stelle der alten Ordnung setzen will. Eine Gesellschaft funktioniert auf Dauer nur, wenn sich die Mehrheit der Menschen darin aufgehoben fühlt.
Es ist mir schleierhaft, wie so ein paar Leute sich 20 Jahre halten konnten und wieso sie den Staat so in Bedrängnis bringen konnten. Entweder hat dieser große Fehler gemacht oder es gab tatsächlich gravierende Missstände, die eine breite Unterstützerszene am Leben gehalten haben.
Vermutungen
Das ist genau das Problem (gewesen): Die RAF ist immer nur dagegen gewesen – man stellte keine Alternativen aus. Meine Frage an den anonymen Kommentierer hier, was denn der RAF genau wollte, blieb ja leider auch unbeantwortet; mich würde eine solche Diskussion sehr interessieren.
Die RAF hatte ihre »grösste Zeit« zwischen 1970 und 1977. Alles danach waren mehr oder weniger ungeordnete Rückzüge; ob beispielsweise die Morde an Herrhausen und Rohwedder der RAF zuzuordnen sind, ist ja durchaus umstritten. Selbst wenn, dann waren das nur noch Einzelfälle; der Kern der RAF existierte nach der Festnahme der 2. Generation (u. a. Klar) Anfang der 80er Jahre nicht mehr.
»Missstände« gab es in der Bundesrepublik in dem Sinne nicht. Aber bei der Jugend herrschte eine grössere Unzufriedenheit mit den restaurativen Strukturen der BRD. Die RAF ging aus dem 68er-Aufbruch hervor, der sich irgendwann aufspaltete – die einen gingen den »Marsch durch die Institutionen«, die anderen resignierten, und ein paar Leutchen versuchten den »bewaffneten Kampf«.
Die Zahl der Unterstützer der RAF mag anfangs in der Gesellschaft relativ zahlreich gewesen sein (so mutmasst das bspw. der Ex-RAF’ler Karlheinz Dellwo). Ich glaube aber, dass diese Unterstützung proportional zur Gewalttätigkeit schrumpfte. Der Staat fühlte sich nichtsdestotrotz bedroht (was in Anbetracht des Linksterrorismus bspw. in Italien zur gleichen Zeit übertrieben war), da schlagartig alle öffentliche Personen bedroht waren. Da etliche dieser öffentlichen Personen sich mit dem Staat gleichsetzten, fühlten sie auch diesen bedroht.
Wirr? Nomen est omen, ich finde den Text eigentlich ziemlich klar und gerade, und der könnte so in jeder ASTA-Zeitung stehen. Die chauvinistischen »Retter« sieht man doch an allen Ecken und Enden: Bush, Sarkozy, die Kazcinskys etc. pp.
Der Text offenbart eine unverbrüchlich antikapitalistische Haltung, von seinem heutigen Verhältnis zum Terrorismus lässt er gar nichts verlauten.