»Ge­spen­ster der Ent­frem­dung« – Chri­sti­an Klar äu­ssert sich

Ein biss­chen pseu­do-in­ve­sti­ga­tiv gibt man sich bei »Re­port Mainz«: Da­bei ist das Gruss­wort von Chri­sti­an Klar vom 15.01.07 zur Ro­sa-Lu­xem­burg-Kon­fe­renz, »das dem ARD-Po­li­tik­ma­ga­zin REPORT MAINZ vor­liegt« im In­ter­net ein­fach her­un­ter­zu­la­den – bei der »Jun­gen Welt«.

In die­ser Dis­kus­si­on wur­de u. a. ge­fragt, wie sich Chri­sti­an Klar, der ein Gna­den­ge­such zur vor­zei­ti­gen Ent­las­sung ge­stellt hat, zur heu­ti­gen po­li­ti­schen Si­tua­ti­on stellt. Das Gruss­wort gibt hier­über we­nig­stens teil­wei­se Aus­kunft. Ich stel­le den Text hier im Ori­gi­nal- Wort­laut ein.

Lie­be Freun­de, das The­ma der dies­jäh­ri­gen Ro­sa-Lu­xem­burg-Kon­fe­renz »Das geht an­ders« be­deu­tet – so ver­ste­he ich es – vor al­lem die Wür­di­gung der In­spi­ra­ti­on, die seit ei­ni­ger Zeit von ver­schie­de­nen Län­dern La­tein­ame­ri­kas aus­geht. Dort wird nach zwei Jahr­zehn­ten so­zi­al ver­nich­ten­der Re­zep­te der in­ter­na­tio­na­len Be­sit­zer­klas­se end­lich den Rech­ten der Mas­sen wie­der Gel­tung ge­ge­ben und dar­über hin­aus an ei­ner Per­spek­ti­ve ge­ar­bei­tet.

Aber wie sieht das in Eu­ro­pa aus? Von hier aus rollt wei­ter die­ses im­pe­ria­le Bünd­nis, das sich er­mäch­tigt, je­des Land der Er­de, das sich sei­ner Zu­rich­tung für die ak­tu­el­le Neu­ver­tei­lung der Pro­fi­te wi­der­setzt, aus dem Him­mel her­ab zu züch­ti­gen und sei­ne gan­ze ge­sell­schaft­li­che Da­seins­form in ei­nen Trüm­mer­hau­fen zu ver­wan­deln. Die pro­pa­gan­di­sti­sche Vor­ar­beit lei­sten da­bei Re­gie­run­gen und gro­ße pro­fes­sio­nel­le PR-Agen­tu­ren, die Ideo­lo­gien ver­brei­ten, mit de­nen al­les ver­herr­licht wird, was den Men­schen dar­auf re­du­ziert, be­nutzt zu wer­den.

Trotz­dem gilt hier eben­so: »Das geht an­ders«. Wo soll­te sonst die Kraft zu kämp­fen her­kom­men? Die spe­zi­el­le Sa­che dürf­te sein, daß die in Eu­ro­pa öko­no­misch ge­ra­de ab­stür­zen­den gro­ßen Ge­sell­schafts­be­rei­che den chau­vi­ni­sti­schen »Ret­tern« ent­ris­sen wer­den. Sonst wird es nicht mög­lich sein, die Nie­der­la­ge der Plä­ne des Ka­pi­tals zu voll­enden und die Tür für ei­ne an­de­re Zu­kunft auf­zu­ma­chen.

Es muß im­mer wie­der be­tont wer­den: Schließ­lich ist die Welt ge­schicht­lich reif da­für, daß die zu­künf­ti­gen Neu­ge­bo­re­nen in ein Le­ben tre­ten kön­nen, das die vol­le För­de­rung al­ler ih­rer mensch­li­chen Po­ten­tia­le be­reit­hal­ten kann und die Ge­spen­ster der Ent­frem­dung von des Men­schen ge­sell­schaft­li­cher Be­stim­mung ver­trie­ben sind.

Stimmt es wirk­lich, wie es im jetzt auf­brau­sen­den Pres­se­echo sug­ge­riert wird, dass Klar mit die­sen Aus­sa­gen sein Gna­den­ge­such sel­ber des­avou­iert hat?

8 Kommentare Schreibe einen Kommentar

  1. Wer ei­nen in­halt­li­chen Feh­ler in den Aus­sa­gen fin­det, mö­ge dies dar­le­gen. Ich glau­be, das wird schwer.

    Was bleibt ist der , ag­gres­si­ve Ton und die ideo­lo­gi­sche Ver­bohrt­heit, so Beck­stein. Wei­ter schließt Beck­stein dar­aus, dass es sich um ei­nen un­ver­bes­ser­li­chen ter­ro­ri­sti­schen Ver­bre­cher han­delt.

    Zie­hen wir Pa­thos und po­li­ti­sche In­stru­men­ta­li­sie­rung ab, bleibt ein jäm­mer­li­ches Häuf­chen Res­sen­ti­ment üb­rig. Schley­er wird es lau­ter ge­fun­den ha­ben, wenn an New Yor­ker Roh­stoff­bör­sen aus Pro­fit­grün­den mit Prei­sen ge­spielt wur­de, oh­ne Rück­sicht auf Hun­dert­tau­sen­de in der drit­ten Welt, die da­durch ins Elend ge­stürzt wur­den. Das fin­de ich ideo­lo­gisch ver­bohrt und un­ver­bes­ser­lich ver­bre­che­risch. Ist das jäm­mer­li­ches Res­sen­ti­ment? Ver­mut­lich ja.

  2. Ein paar Ge­dan­ken
    Die Äu­ße­run­gen Klars sind ziem­lich wirr. Ich fra­ge mich, ob er durch die jah­re­lan­ge Haft erst so ge­wor­den ist oder ob er schon im­mer so war. Wenn er­ste­res zu­trifft, dann soll­te man ihn schon des­halb ent­las­sen, da­mit er wie­der un­ter Men­schen kommt und me­di­zi­nisch-psy­cho­lo­gisch be­treut wer­den kann.

    Die Äu­ße­run­gen der CSU- und FDP-Leu­te er­in­nern mich in ih­rer Re­flex­haf­tig­keit und den Ste­reo­ty­pien an die SED. Es sind haar­ge­nau die­sel­ben Ver­hal­tens­mu­ster. Die­se Ty­pen hät­ten auch in der DDR Kar­rie­re ge­macht.

  3. Gehts wirk­lich um C. Klar?
    Man schlägt auf den Sack aber man meint die Esel, die im­mer noch (oder wie­der?) in Ka­te­go­rien an­ti­ka­pi­ta­li­sti­scher Fun­da­men­tal­kri­tik den­ken.
    Den Stoi­ber, We­ster­wel­le und Uns-mit-neu­er-so­zia­ler-Markt­wirt­chaft-Be­glückern dürf­te es höchst är­ger­lich sein, wie un­ge­niert in­zwi­schen (wenn auch noch fol­gen­los) die öf­fent­li­che Mei­nung den Ka­pi­ta­lis­mus schmäht.
    http://opablog.twoday.net/stories/3371412/

  4. Ge­dan­ken
    Ja, Kra­nich, ich glau­be, es geht um Chri­sti­an Klar! Hät­te ir­gend­ei­ner der PDS na­he­ste­hen­der In­tel­lek­tu­el­ler die­se Gruss­bot­schaft ver­schickt – sie wä­re ver­sickert ins Nir­wa­na der Nach­rich­ten­welt.

    »An­ti­ka­pi­ta­li­sti­sche Fun­da­men­tal­kri­tik«? Ent­schul­di­gung, aber ich lach’ mich tot. Klar das zu un­ter­stel­len, be­lei­digt jeg­li­ches in­tel­lek­tu­ell un­ter­füt­ter­te Un­ter­fan­gen die­ser Art. Der Text ver­bleibt in ei­nem all­ge­mei­nen Ge­rau­ne. Wen macht er als chau­veni­sti­sche Ret­ter aus? Wer re­gelt – des Men­schen gesellschaftliche[r] Be­stim­mung? Er, Klar? Wel­che An­ma­ssung! Mit wel­chem In­stru­men­ta­ri­um wer­den die Ge­spen­ster der Ent­frem­dung kon­sta­tiert? Es ist aber­mals ein Do­ku­ment ei­nes sich selbst in der Vor­der­grund set­zen­den »Er­lö­sers« – ex­akt in der RAF-Dik­ti­on der 70er Jah­re.

    In­so­fern muss man fest­stel­len (an Köpp­nick ge­rich­tet): Kon­ti­nu­um. Man le­se sich die RAF-Er­klä­run­gen von vor 30 Jah­ren durch – am Duk­tus hat sich nichts ge­än­dert (zum be­waff­ne­ten Kampf: die­se). Viel­leicht an der Me­tho­de – aber das geht aus dem ge­schrie­be­nen nicht her­vor.

    Mei­nes Wis­sens ist die­ses Gruss­wort die er­ste öf­fent­li­che Stel­lung­nah­me von Klar seit dem Ge­spräch mit Gün­ter Gaus (hier im Wort­laut wie­der­ge­ge­ben). Er ver­sucht sich als Speer­spit­ze ei­nes dif­fus be­grün­de­ten An­ti­glo­ba­li­sie­rungs­kamp­fes. Um es deut­lich zu sa­gen: Wenn die An­ti­glo­ba­li­sie­rungs­be­we­gung und die Lin­ke die­sen Prot­ago­ni­sten ernst nimmt, dann ist ihr nicht zu hel­fen; sie des­avou­iert sich sel­ber.

    Ich will nicht das zy­ni­sche »Ar­gu­ment« vor­brin­gen, dass Klar, wenn ihm die­ses »Sy­stem« so ver­hasst ist, auch kei­nen Platz hier hat. Das se­he ich nicht. Mei­ne Be­den­ken hat­te ich im an­ders­wo ver­link­ten Bei­trag ge­äu­ssert. Ei­ne Re­so­zia­li­sie­rung, die je­dem le­bens­läng­lich Ver­ur­tei­len qua Ge­setz zu­steht, setzt vor­aus, dass die­se statt­fin­den kann und auch vom De­lin­quen­ten er­wünscht ist. Sie be­deu­tet aber nicht, dass ein ir­gend­wie ge­ar­te­ter po­li­ti­scher Kon­for­mis­mus ei­ne Grund­vor­aus­set­zung dar­stellt oder gar ein­ge­for­dert wer­den kann. Klar jetzt auf­grund die­ses Tex­tes al­lei­ne die Ent­las­sung in 2009 zu ver­weh­ren, wä­re falsch. Zur Ge­walt ruft er nicht mehr auf.

    Zum Ab­schluss mei­nes State­ments ei­ne kur­ze Re­mi­nis­zenz: In mei­ner Ju­gend­zeit be­gann ich die Dis­kus­sio­nen um die Frei­las­sung von Ru­dolf Heß zu ver­fol­gen, der ir­gend­wann als ein­zi­ger Ge­fan­ge­ner in Span­dau ein­sass. Heß war Ge­fan­ge­ner der Al­li­ier­ten. Es gab ne­ben un­ver­bes­ser­li­chen Neo­na­zis auch durch­aus eh­ren­wer­te Leu­te, die sich aus hu­ma­ni­tä­ren Grün­den für die Feil­as­sung von Heß ein­setz­ten (er starb 1987 dort). Ich ha­be die­ses En­ga­ge­ment nie­mals ver­stan­den und hat­te mich in pri­va­ten Dis­kus­sio­nen im­mer da­für ein­ge­setzt, dass die­ser Ver­bre­cher sei­ne Un­ta­ten ent­spre­chend büsst. Und jetzt ei­ne pro­vo­ka­ti­ve Fra­ge in die Run­de: Wä­re der Häft­ling C. K. ein Neo­na­zi und wä­re sein Gruss­wort in die­ser Dik­ti­on an ir­gend­ei­ne Kon­fe­renz, die re­che­ts Ge­dan­ken­gut ver­tritt, ver­fasst wor­den – wie wür­den die Kom­men­ta­re hier­zu aus­se­hen???

  5. Dan­ke
    für den RAF-Link. Bis­her ha­be ich nur das Buch von Ste­fan Aust ge­le­sen (vor vie­len Jah­ren, kurz nach der Wen­de). Ich wer­de mir die Sei­te in näch­ster Zeit aus­führ­li­cher zu Ge­mü­te füh­ren.

  6. Ha­be jetzt ein biss­chen mehr ge­le­sen
    Fol­gen­de Ge­dan­ken sind mir da­bei ge­kom­men:
    Kei­ne theo­re­ti­schen Über­le­gun­gen. Aber wenn man ei­ne Ge­sell­schaft mit 80 Mil­lio­nen Men­schen (oder die gan­ze Welt?) ver­än­dern will, muss man sich vor­her sehr ge­nau über­le­gen, was man an die Stel­le der al­ten Ord­nung set­zen will. Ei­ne Ge­sell­schaft funk­tio­niert auf Dau­er nur, wenn sich die Mehr­heit der Men­schen dar­in auf­ge­ho­ben fühlt.

    Es ist mir schlei­er­haft, wie so ein paar Leu­te sich 20 Jah­re hal­ten konn­ten und wie­so sie den Staat so in Be­dräng­nis brin­gen konn­ten. Ent­we­der hat die­ser gro­ße Feh­ler ge­macht oder es gab tat­säch­lich gra­vie­ren­de Miss­stän­de, die ei­ne brei­te Un­ter­stüt­zer­sze­ne am Le­ben ge­hal­ten ha­ben.

  7. Ver­mu­tun­gen
    Das ist ge­nau das Pro­blem (ge­we­sen): Die RAF ist im­mer nur da­ge­gen ge­we­sen – man stell­te kei­ne Al­ter­na­ti­ven aus. Mei­ne Fra­ge an den an­ony­men Kom­men­tie­rer hier, was denn der RAF ge­nau woll­te, blieb ja lei­der auch un­be­ant­wor­tet; mich wür­de ei­ne sol­che Dis­kus­si­on sehr in­ter­es­sie­ren.

    Die RAF hat­te ih­re »gröss­te Zeit« zwi­schen 1970 und 1977. Al­les da­nach wa­ren mehr oder we­ni­ger un­ge­ord­ne­te Rück­zü­ge; ob bei­spiels­wei­se die Mor­de an Herr­hau­sen und Roh­wed­der der RAF zu­zu­ord­nen sind, ist ja durch­aus um­strit­ten. Selbst wenn, dann wa­ren das nur noch Ein­zel­fäl­le; der Kern der RAF exi­stier­te nach der Fest­nah­me der 2. Ge­ne­ra­ti­on (u. a. Klar) An­fang der 80er Jah­re nicht mehr.

    »Miss­stän­de« gab es in der Bun­des­re­pu­blik in dem Sin­ne nicht. Aber bei der Ju­gend herrsch­te ei­ne grö­sse­re Un­zu­frie­den­heit mit den re­stau­ra­ti­ven Struk­tu­ren der BRD. Die RAF ging aus dem 68er-Auf­bruch her­vor, der sich ir­gend­wann auf­spal­te­te – die ei­nen gin­gen den »Marsch durch die In­sti­tu­tio­nen«, die an­de­ren re­si­gnier­ten, und ein paar Leut­chen ver­such­ten den »be­waff­ne­ten Kampf«.

    Die Zahl der Un­ter­stüt­zer der RAF mag an­fangs in der Ge­sell­schaft re­la­tiv zahl­reich ge­we­sen sein (so mut­masst das bspw. der Ex-RAF’­ler Karl­heinz Dell­wo). Ich glau­be aber, dass die­se Un­ter­stüt­zung pro­por­tio­nal zur Ge­walt­tä­tig­keit schrumpf­te. Der Staat fühl­te sich nichts­de­sto­trotz be­droht (was in An­be­tracht des Links­ter­ro­ris­mus bspw. in Ita­li­en zur glei­chen Zeit über­trie­ben war), da schlag­ar­tig al­le öf­fent­li­che Per­so­nen be­droht wa­ren. Da et­li­che die­ser öf­fent­li­chen Per­so­nen sich mit dem Staat gleich­setz­ten, fühl­ten sie auch die­sen be­droht.

  8. Wirr? No­men est omen, ich fin­de den Text ei­gent­lich ziem­lich klar und ge­ra­de, und der könn­te so in je­der ASTA-Zei­tung ste­hen. Die chau­vi­ni­sti­schen »Ret­ter« sieht man doch an al­len Ecken und En­den: Bush, Sar­ko­zy, die Kaz­cin­skys etc. pp.

    Der Text of­fen­bart ei­ne un­ver­brüch­lich an­ti­ka­pi­ta­li­sti­sche Hal­tung, von sei­nem heu­ti­gen Ver­hält­nis zum Ter­ro­ris­mus lässt er gar nichts ver­lau­ten.