Herr Schmidt, der in seinem Machtkalkül von Anfang an mit Schleyers Tod spekulierte, kann ihn in der Rue Charles Peguy in Mülhausen in einem grünen Audi 100 mit Bad Hornburger Kennzeichen abholen. Für unseren Schmerz und unsere Wut über die Massaker von Mogadischu und Stammheim ist sein Tod bedeutungslos. Andreas, Gudrun, Jan, Irmgard und uns überrascht die faschistische Dramaturgie der Imperialisten zur Vernichtung der Befreiungsbewegung nicht.
Wir werden Schmidt und den ihn unterstützenden Imperialisten nie das vergossene Blut vergessen. Der Kampf hat erst begonnen. Freiheit durch bewaffneten antiimperialistischen Kampf.
Das ist der Original-Text des Kommandos »Siegfried Hausner«. Am 19.10.1977 – also vor fast 30 Jahren – fand die Polizei am angegebenen Ort die Leiche des entführten Hanns-Martin Schleyer.
In Stefan Austs Buch »Der Baader-Meinhof-Komplex« heisst es weiter:
Der Leichenfund Schleyers markierte den traurigen Höhepunkt des »Deutschen Herbstes«. Um die erste RAF-Generation um Baader und Ensslin freizupressen, wurde Schleyer am 5. September 1977 entführt; sein begleitendes Personal (drei Polizisten und sein Fahrer) ermordet. Als es sich abzeichnete, dass die Bundesregierung in einem breiten, parteienübergreifenden Konsens den Forderungen der Terroristen nicht nachgeben würde, wurde am 13.10.1977 das Flugzeug »Landshut« von Gesinnungsgenossen der RAF entführt. Hiermit sollte der Forderung Nachdruck verliehen werden. Das Ende ist bekannt: Die GSG 9 stürmte in Mogadischu das Flugzeug – keine der Geiseln im Flugzeug kam dabei ums Leben. Kurz danach gab es die Selbsttötungen in Stammheim, u. a. von Baader und Ensslin. Dann der Mord an Schleyer.
Von den Mördern der zweiten RAF-Generation ist jetzt wieder die Rede. Brigitte Mohnhaupt hat in wenigen Tagen ihre Mindesthaftstrafe von 24 Jahren abgesessen. Christian Klar hat ein Gnadengesuch gestellt; sein Ende der Mindesthaftstrafe ist in 2009. Der Bundespräsident prüft.
Wie nicht anders zu erwarten, beginnt nun die Diskussion um die potentielle Freilassung und Begnadigung. Kann man Leute, die rechtskräftig derartiger Verbrechen schuldig gesprochen und überführt wurden, nach einer gewissen Zeit einfach freilassen? Oder, polemisch formuliert: Kann man denen Gnade erweisen, die selber ihren Opfern keine zugestanden haben?
Wie erwartet, wird die Diskussion hochemotional geführt. Zu berücksichtigen ist dabei, dass das Bundesverfassungsgericht 1977 festgestellt hat, eine lebenslange Freiheitsstrafe ist verfassungsmäßig, wenn dem Verurteilten (über die Aussicht auf Begnadigung hinaus) die Möglichkeit einer Strafaussetzung verbleibt. Damit wird zwar die Formulierung »lebenslang« ad absurdum geführt – eindeutig ist aber herauszulesen, dass jedem Verurteilten eine Chance zur Resozialisierung erhalten soll. Normalerweise endet die lebenslange Freiheitsstrafe in Deutschland mit 15 Jahren – bei Mohnhaupt und Klar wurden aufgrund der Schwere der Verbrechen schon Ausnahmen gemacht.
Die Befürworter der Freilassung Mohnhaupts bzw. des Gnadengesuchs von Klar führen diese Rechtssprechung als Kern ihrer formaljuristischen Argumentation an. Es scheint auch so, als sei die potentielle Resozialisierung an keinerlei Voraussetzungen gebunden ist – was mindestens überrascht, denn in Prozessen gibt es sehr wohl strafmildernde und natürlich auch strafverschärfende Umstände. Das von vielen Gegnern des Verfahrens ins Feld geführte Argument, dass sowohl bei Mohnhaupt – vor allem jedoch bei Klar keinerlei Reue erkennbar ist, sollte dabei nicht ganz ohne Einfluss sein. Die bisherigen vorzeitigen Freilassungen (vor allem bei Peter-Jürgen Boock) wurden u. a. damit begründet, dass Einsicht in die Fehlerhaftigkeit der eigenen Taten und Mitgefühl mit den Opfern gereift war – und zwar über blosse Lippenbekenntnisse hinaus.
Von Mohnhaupt und Klar gibt es m. W. keine derartige Äusserung. Christian Klar hat in einem interessanten Fernsehinterview 2001 mit Günter Gaus eindeutig klargestellt, dass sich die Frage nach dem Leid der Opfer und deren Angehörigen sich für ihn nicht stellt: Ich überlasse der anderen Seite ihre Gefühle und respektiere sie, aber ich mache sie mir nicht zu Eigen. Das sitzt zu tief drin, dass hier, gerade in den reichen Ländern, zu viele Leben nicht zählen. Das müsste sich sehr ändern, damit ein solches Gefühl aufkommt. Schuldgefühle und Reue seien im politischen Raum, vor dem Hintergrund ihres Kampfes keine Begriffe, so Klar damals. Da diesen Aussagen bisher (medial) nicht widersprochen wurde, müssen sie als noch gültig angenommen werden. (Gaus hatte übrigens nach dem Interview Klar vorgeschlagen, ein Gnadengesuch beim Bundespräsidenten zu stellen.)
Viele, die damals in politisch prominenter Position agiert hatten, sprechen sich heute für die Freilassung von Mohnhaupt und Klar aus. Sie führen u. a. ins Feld, dass von beiden nach der selbsterklärten Auflösung der RAF 1998 keine Gefahr mehr ausgeht. Und das der Rechtsstaat Grösse und Verzeihen zeigen muss. Alles einleuchtende und gut nachvollziehbare Gründe. Aber muss nicht auch der Rechtsstaat auf die Wahrung einer Rechtskultur achten? Kann es sein, dass jemand, der der vorsätzlichen Ermordung von Menschen (die ideologischen Verbrämungen zu den Morden werden heute von vielen merkwürdig milde beurteilt) mit schuldig ist, sie vielleicht sogar selber ausgeführt hat (es ist nie ganz geklärt worden, wer die tödlichen Schüsse auf Schleyer abgegeben hat; es könnten auch zwei Personen sein; neben dem hierfür dezidiert verurteilten Rolf-Clemens Wagner) und heute hierfür keinerlei Einsicht ob des begangenen Unrechts zeigt – kann es sein, dass der Rechtsstaat hierüber nonchalant hinwegsehen kann oder es einfach soll?
Über den Sinn, die Funktion von »Strafe« sagt Jan-Philipp Reemtsma: Die Bestrafung eines Täters kann vielleicht nichts heilen, sehr wohl kann ihr Ausbleiben zusätzlich etwas zerstören. Und: Ich glaube, daß sie für das Opfer eines Verbrechens symbolisiert, daß sich die Gesellschaft auf seine Seite stellt, es in der Gesellschaft willkommen heißt und im Gegenzug den Verbrecher zurückweist und ausschließt.
Und keine Empathie bei Mohnhaupt und Klar. Keine Empathie, nirgends. Und dennoch sollen sie freikommen?
Da hast du Dir
ein explosibles Thema rausgesucht.
Von mir kriegt keiner Empathie.Denn ich würde auch keine bekommen.(Das reicht allerdings als Argument nicht aus.)
Aber ich meine, es ist weniger von Gefühlen abhängig sondern von Paragrafen in unserm wunderbaren Rechtsstaat.
Sie sollen behandelt werden wie jeder andere ‚der gemordet hat,entführt hat..etc.
Gleichbehandlung
Zweifellos ist das Gleichbehandlungsgebot sehr wichtig; Gerd Koenen hat das gestern in »Kulturzeit« als Pro-Argument für eine Freilassung genannt. Man würde bei einem »normalen« Mörder auch nicht nach Reue fragen – die Kriterien seien andere (bspw. Rückfallgefahr).
Ich kann mich allerdings an keine anderen Urteile in Deutschland erinnern, in dem jemand zu »5 x lebenslänglich« verurteilt worden ist. D. h. es lag eine besondere Schwere vor. Das drückt sich auch in der verlängerten Mindesthaftstrafe aus (normalerweise 15 Jahre – hier weit über 20 Jahre). Insofern hat man anhand der Schwere der Taten natürlich differenziert. Die Frage ist, ob man nach der Mindesthaftstrafe zu einem »normalen« Ablauf kommen soll bzw. ob es da tatsächlich (auch bei den »normalen« Mördern) einen Automatismus gibt.
[EDIT: 2007-01-25 13:16]
Rein gefühlsmäßig sträubt sich auch bei mir einiges dagegen, denen, die keinerlei Mitgefühl für ihre Opfer hatten und wohl auch bis heute nicht haben, nun Mitgefühl und Gnade zu erweisen. Je länger ich allerdings darüber nachdenke, desto mehr taucht die Zeit des deutschen Herbstes 1977 wieder aus der Vergangenheit auf und meine eigene ambivalente Einstellung zu den Terroristen und zur geschürten Terrorismushysterie durch die Medien und die Staatsorgane damals.
Verglichen mit den Terroristen heutiger Prägung, waren die RAF-Täter ja geradezu ordentliche Menschen. Sie sprengten nicht wahllos Busse oder Bahnen in die Luft, sondern suchten sich ihre Opfer ganz gezielt unter den Mächtigen des Landes, denen sie den Krieg erklärt hatten, natürlich mit ziemlich wirren Argumenten und unrealistischen Zielen.
Die Reaktion des Staates war martialisch. Über Monate schaute man in die Läufe von Schnellfeuergewehren, wenn man eine der überall im Lande eingerichteten Polizeisperren passierte. Wer öffentlich die Unverhältnismäßigkeit der staatlichen Reaktionen auf dieses verschwindend kleine Häufchen von RAF-Leuten beklagte, geriet selber sofort in Verdacht. Eine Diskussion unter Bekannten oder Arbeitskollegen über den RAF-Terror, wollte man etwas differenzierter argumentieren und nicht nur die tägliche Bildzeitungsmeinung wiederkäuen, musste grundsätzlich mit dem Eingangsbekenntnis eröffnet werden, man sei selbstverständlich auch gegen diese Terroristen. Selbst ein Nobelpreisträger wie Heinrich Böll geriet in den Verdacht, ein Sympathiesant der RAF zu sein, nur weil er einen relativierenden Aufsatz im Spiegel veröffentlicht hatte.
Dass auch ich nach der Entführung des Arbeitgeberverbandspräsidenten Schleyer nicht etwa entsetzt war, sondern so etwas wie die heute schon sprichwörtliche „klammheimliche Freude“ oder Genugtuung empfand, muss ich ehrlicherweise zugeben.
Die Person Schleyers verkörperte damals alles, was im linken Spektrum der BRD verhasst und verachtet war. Seine bullige Gestalt, sein von Corporationsschmissen zernarbtes Antlitz, seine Nazivergangenheit und seine dauernde Medienpräsenz als Oberkapitalist und Gewerkschaftsfresser – mit Schleyer hatte die RAF, auch nach meiner „klammheimlichen“ Meinung, endlich mal den Richtigen erwischt. Die toten Polizisten und Leibwächter – bedauerlich, aber deren Berufsrisiko. So dachte ich damals.
Dass der Staat den Forderungen der RAF nach Freilassung der in Stammheim Inhaftierten 1. RAF-Generation nicht nachgeben konnte, war natürlich auch klar und als dann die Landshut-Entführung in Mogadischu so spektakulär beendet wurde, habe ich, wie fast alle im Lande, erleichtert aufgeatmet. Die merkwürdigen Selbstmorde der Stammheim-Gefangenen noch in der selben Nacht säten noch einmal Zweifel an der Rechtsstaatlichkeit der BRD. Die anschließende Ermordung Schleyers empfand ich nur noch als zynisch und abstoßend.
Die dann in späteren Jahren verübten Anschläge und Banküberfälle waren nur noch untaugliche Versuche, dem sinnlosen Gebilde RAF wieder einen Rest von Leben einzuhauchen (Herrhausen war natürlich keine Marginalie). Schon lange vor der Festnahme von Klar und Mohnhaupt war die RAF erledigt.
Ich schreibe das ganze hier nach meiner Erinnerung, um aufzuzeigen, dass das mit der Reue nicht so einfach ist. Soll ich meine damaligen Gedanken bereuen? Denke ich heute anders? Wie kann man erwarten, dass Klar und Mohnhaupt ihr damaliges Denken und die daraus resultierenden Taten bereuen? Sie denken vielleicht heute anders, aber was geschehen ist, ist geschehen. Es ist lange her und versinkt langsam im Nebel des Vergessens. 24 Jahre Haft sind genug. Werden Klar und Mohnhaupt wieder einschlägig straffällig – die Frage kann man stellen? Wenn nicht, dann sollte man sie jetzt freilassen!
Dreissig Jahre vor und zurück
Erstaunlich wie lange Gefühlslagen im Gedächtnis bleiben, die blackconti wieder zum Leben erweckt hat. Ich erinnerte mich gerade deutlich, wie man sich bei dem Versuch fühlte, die Motive der Terroristen nachzuvollziehen oder womöglich zu relativieren. Natürlich keinen Baader erklärbar machen, das war ein Dummkopf, aber möglicherweise die Meinhof, die so unschuldig wirkte gegenüber dem brachialen Schleyer.
Vermutlich ist alles gesagt, alle Pros und Contras erwähnt. Man bedenke aber, dass im deutschen Herbst das Dritte Reich gerade so lange Geschichte war, wie heute die Schleyer-Entführung. Wie fühlt man sich, wenn man alte Nazis die Geschicke des neuen Deutschlands leiten sieht. Wie fühlt man sich, wenn man die straffrei ausgehen sieht, die zenterweise Schuld auf sich geladen haben. Die Kohlhaas unter uns waren alle gefährdet.
Da mag ich Peter-Jürgen Boocks Argument der Verhältnismäßigkeit nicht so leicht vom Tisch wischen. So nonchalant wie man alte Nazis rehabilitiert hat, so hysterisch dämonisierte man die Protagonisten der Terrorszene. Mein damaliges Radio erlaubte mir per Polizeifunk einen Teil des Wahnsinns mitzuerleben.
Bubacks Sohn hat die Sache für mich auf den Punkt gebracht. Die Anschläge galten der Funktion, nicht dem Menschen. Daher muss eine Entschuldigung Lippenbekenntnis bleiben: »Ich glaube zwar, dass das System ungerecht und korrupt ist, ihr Mann war wesentlicher Teil davon, aber es tut mir Leid«. Nein, das wäre unehrlich. Mohnhaupt und Klar müssen die Gesellschaft überzeugen, dass Gewalt für sie kein Mittel der Wahl mehr ist und nicht die Angehörigen der Opfer. Eine Entschuldigung bei Frau Schleyer erscheint mir ebenso unmöglich wie weitere Läuterung nach 24 Jahren Gefängnis. Also, freilassen.
@blackconti @Peter
Vielen Dank beiden für die sehr differenzierten und interessanten Kommentare. Da beide teilweise sehr persönlich sind, möchte ich auch meine Erinnerungen aus der Zeit beisteuern.
Ja, ich habe die Hysterie mitbekommen und war gelegentlich ein Teil von ihr (vor dem Fernseher oder Radio). Klammheimliche Freude habe ich nie empfunden, da ich – trotz der vielen Fehler der Bundesrepublik – dieses »System« auch damals für wertvoll (und sogar verteidigungswert) hielt. Vielleicht hängt es auch damit zusammen, dass ich missionarischen Geistern, die mir erklären und demonstrieren wollen, dass sie etwas grundsätzlich Besseres für mein Wohl im Schilde führen, immer zutiefst misstraut habe. Für die 68er war ich zu jung – vielleicht deshalb verstand ich damals die sozialliberale Regierung als gesellschaftspolitische Chance. Es ist eine Tragik, dass der RAF-Terror ausgerechnet unter ihr gross wurde.
Der politische Überbau der RAF wurde m. E. immer überschätzt – dieser Meinung war ich auch damals schon. Zwar mag der Impetus der Welt- bzw. Systemveränderungen bestanden haben, aber er war schnell vollkommen pervertiert in blinder Gewalt. Was blackconti schreibt, ist natürlich richtig: Im Vergleich zu den heutigen Terroristen mutet das alles relativ »bescheiden« an – aber auch im Vergleich zu den »Roten Brigaden« damals in Italien; das Land stand kurz vor einer veritablen Staatskrise, da diese Leute nicht zuletzt aufgrund des grösseren Zulaufs ein enormes Gewalt- und Mordpotential entwickelten. Richtig ist aber auch, dass auch ohne entsprechende mediale Beeinflussung der Grad der Sympathie für die RAF in der Bevölkerung gen null tendierte.
Wenn ich oben schrieb, ich sei Teil der Hysterie gewesen, so muss ich zu meiner Entlastung sagen, dass ich die Reaktionen der rechtskonservativen Kräfte allerdings auch immer verurteilt habe. Hätte der Staat damals so reagiert, wie dies beispielsweise aus bestimmten Kreisen der CDU/CSU an die Öffentlichkeit drang, wäre ein grösserer Nährboden für die dritte und sogar vierte Generation entstanden. Schmidts Agieren trägt wesentlich dazu bei, dass es dazu nicht gekommen ist – obwohl in der damaligen Zeit viele Gesetze beschlossen wurden, die ambivalent waren – vieles gilt übrigens heute noch.
Der Kohlhaas-»Vergleich« ist ziemlich treffend. Obwohl – wenn man die Biografien der Terroristen anschaut – niemand eine direkte Ungerechtigkeit wie Kohlhaas zu erleiden hatte. Und noch eine Aussage in Peters Kommentar ist interessant: Man bedenke aber, dass im deutschen Herbst das Dritte Reich gerade so lange Geschichte war, wie heute die Schleyer-Entführung. Daran hatte ich ehrlich gesagt nicht gedacht; ein wichtiger Aspekt, wie ich finde. Aber: Wenn man damals (und heute) beklagt, die Alt-Nazis zu früh rehabilitiert zu haben – warum soll man den gleichen Fehler heute machen? (Ich weiss, das ist polemisch.)
Ich bin auch nicht der Meinung, dass jegliche Entschuldigung Lippenbekenntnis bleiben muss. Ich glaube, Boock hat gezeigt, dass das nicht so sein muss. Auf ein blosses Lippenbekenntnis können die Angehörigen sicherlich verzichten – hierum geht es natürlich wirklich nicht.
Mohnhaupt und Klar waren weitaus gewalttätiger und skrupelloser als die erste Generation der RAF. Sie sind trotz der exorbitant langen Haftzeit scheinbar ungeläutert. Das muss man akzeptieren. Gerd Koenen hat gestern in »Kulturzeit« gesagt, man frage auch einen »normalen« Mörder nicht nach der Reue; er komme nach 15 Jahren frei. Diese Art von Automatismus war (ist) mir neu; ich hielte ihn für falsch.
Mohnhaupt und Klar müssen die Gesellschaft überzeugen, dass Gewalt für sie kein Mittel der Wahl mehr ist..
Das wäre meine Minimalforderung an beide. Solange dieses Bekenntnis ausbleibt, hielte ich eine vorzeitige Freilassung für falsch – wohl wissend, dass mit weiterer Haftzeit nichts gebessert wird. Ein Dilemma.
@blackconti
volle Zustimmung.
Nach meiner Information hat sich auch Schleyer nie von seiner Nazi-Vergangenheit distanziert oder bestimmte Aussagen zurückgenommen.
Ich bin heilfroh, dass ich damals und auch bis jetzt zu unpolitisch war, um mich radikalisieren zu lassen. Strategisch würde ich es als einziges taugliches Mittel gegen die nahezu vollkommen skrupellose Aktionen der heutigen Regierenden sehen. (Ich nehme jetzt als Beispiel die kolportierten Aktionen rund um Stoiber, Überwachungen etc.)
Manchmal erfährt man Details nach Jahren, die klein gespielt werden, weil sie nicht mehr das Zeitgeschehen beeinträchtigen können. Dann zeigt man sich großzügig.
Ich kann mir zB gut vorstellen, dass in manchen Personen ein wahnsinniger Hass gegen Hartz erwächst, denn eine stärkere Polarisierung zwischen Hartz-IV und den Skandalen kann man sich ja schwer vorstellen.
Ich stimme zu, dass das Bekenntnis zur Gewaltfreiheit das Kriterium sein müsste, ob Mohnhaupt und Klar freigelassen werden dürfen.
Echte Reuebekenntnisse kann ich mir schwer vorstellen.
@steppenhund
Ich hatte an anderer Stelle auch schon mal geschrieben, dass ich heilfroh bin, dass ich nicht 50 Jahre früher geboren wurde. Dann hätte sich für mich die Frage gestellt, wie ich dem NS-Regime gegenübertreten wäre (oder vielleicht auch nicht). Ich befürchte, ich wäre vielleicht kein grossartiger Widerstandskämpfer gewesen...
Im Wikipedia-Artikel ist einiges über Schleyers Nazi-Vergangenheit beschrieben. Ich gehe der Einfachheit halber einmal davon aus, dass es stimmt. Schleyer ist demnach ein Bilderbuch-Karrierist im Nachkriegsdeutschland gewesen – das war möglich, weil viele wirklich fähige Köpfe Opfer des Krieges wurden. Die Alliierten hatten das früh gesehen; die »Entnazifizierungsprogramme« waren schnell ziemlich routiniert »abgewickelt« worden.
Im Wikipedia-Arikel über Schleyer gibt es einen verräterischen Satz: Durch seine harte Haltung in den Arbeitskämpfen der 1960er Jahre... seine nationalsozialistische Vergangenheit und wohl auch durch seine – vor allem im Fernsehen – aggressiv bzw. brutal wirkende äußere Erscheinung (die New York Times beschrieb ihn als »Karikatur des hässlichen Kapitalisten«) gibt Schleyer ein ideales Feindbild für die 68er-Bewegung ab. Dieser Satz zeigt vor allem: Die »Karikatur des hässlichen Kapitalisten« ist nicht weit von der antijüdischen NS-Propaganda à la Veit Harlan entfernt – man benutzt also (unbewusst?) das gleiche Instrumentarium, welches man angeblich bekämpft.
Die Botschaft, in der man sich mit der Ermordung Schleyers schmückt, zeigt das deutlich: Die »Richter« haben gesprochen; Boock hat diesen Anspruch der RAF mehrmals beschrieben: Die Terroristen sahen sich quasi als Vollstrecker einer »guten Sache« – im wörtlichen Sinn.
Eine »Reue« der Täter könnte darin liegen, dass man erläutert, dass diese Anmassung von damals falsch war, ja, das sie letztlich dem verwandt war, was man eigentlich bekämpfen wollte. Wenn man dies nicht als falsch erachtet, sondern als eine Art »Kollateralschaden« des Kampfes (wie ich Klars Äusserung von 2001 im Gaus-Interview verstehe), so kann ein Staat dies nicht achselzuckend zur Kenntnis nehmen – auch wenn die RAF nicht mehr existiert.
Schleyer mag sich nie distanziert haben von seiner Vergangenheit – das ist natürlich zu verurteilen (ich habe nie etwas davon gehalten, Strassen oder Bauwerke nach ihm zu benennen). Aber auch Mohnhaupt und Klar haben sich auch nie »distanziert«. Ich mag auch keine Worthülsen und das loriotsche »dann entschuldigen Sie sich für irgendwas« bringt niemandem etwas. Ich habe sogar Respekt vor der Haltung Klars, der nicht mit blossen Betroffenheitsbekundungen seine Freilassung herbeiführt.
»man benutzt also (unbewusst?) das gleiche Instrumentarium, welches man angeblich bekämpft...«
Da steckt viel Wahrheit drinnen. Ich glaube, dass wir es hier mit einem systemischen Vorgang zu tun haben, den ich einmal »Anpassung« im technischen Sinn nennen möchte.
Ich nehme mich selbst jetzt einmal als »schlechtes« Beispiel und dafür das Hartz-Bashing her. Diese Art der Argumentation entspricht nicht meiner üblichen, wie man sich wohl in meinen Texten überzeugen kann. Doch in diesem Fall kann ich nicht anders, als mich auf eine politisch vereinfachende, demagogische und polemische Plattform zu begeben, weil alles andere als akademisch weggewischt wird. Vom Intellekt, von den uns angeborenen Verdrängungsmechanismen. (Ich selbst bin ja gar nicht betroffen davon.) Doch in diesem Fall ist es mir lieber, jemand regt sich wenigstens über mich auf und bekommt dabei meine Meinung unterschwellig mit, als er nimmt gar nichts zur Kenntnis.
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Im übrigen ist es eigentlich fürchterlich, wenn man sich überlegt, dass der damalige »häßliche« Kapitalist noch der »gute« Kapitalist war, wenn man ihn mit dem heutigen Shareholder-Kapitalismus vergleicht, bei dem nicht die Kapitalisten selbst sondern ihre Söldner, die Executives, brutaler vorgehen, als es selbst ein Schleyer gemacht hätte.
@Gregor
1935 Das Corps Suevia weigert sich, jüdische Alte Herren aus seinen Reihen auszuschließen. Schleyer wirft der Verbindung daraufhin mangelnde nationalsozialistische Gesinnung vor und erklärt öffentlich seinen Austritt.
Na, das ist schon etwas mehr als Mitläufertum, vor allem zu einer Zeit als der öffentliche Druck noch nicht so stark war. So jemand hätte nie wieder ein Amt bekleiden dürfen.
@Peter
Na, das ist schon etwas mehr als Mitläufertum..
Das ist richtig. Ich habe nie geschrieben, dass er ein »Engel« war...
So jemand hätte nie wieder ein Amt bekleiden dürfen.
Das ist auch richtig. Aber was bedeutet »öffentliches Amt«? Wenn ihn eine Organisation demokratisch wählt – das sagt ja letztlich einiges über diese Organisation aus.
Aber – und diese Frage ist polemisch und nicht persönlich zu verstehen: Darf man sich deshalb zu seinem Richter machen? Gibt es eine hieraus ableitbare Legitimation für die Tat der RAF an ihm (und die Ermordung der vier Personen bei seiner Entführung)?
Aber
@Peter
Aber – und diese Frage ist polemisch und nicht persönlich zu verstehen: Darf man sich deshalb zu seinem Richter machen? Gibt es eine hieraus ableitbare Legitimation für die Tat der RAF an ihm (und die Ermordung der vier Personen bei seiner Entführung)?
Zu seinem moralischen Richter ja, juristisch natürlich nicht. Die Denkart der RAF verbietet sich von selbst. Aber doch bleibt immer dieses »aber« im Raum hängen, da die Motive zumindest anscheinend lautere waren, was es mir nicht leichter macht.Keine Empathie, nirgends hast du geschrieben. Richtig, aber doch bleibt dieses »aber«.
Um fast in Shakespeare’sche Dimensionen abzugleiten, man stelle sich vor, Ulrike Meinhof wäre von einem alten Nazi-Richter abgeurteilt worden. Ich hätte ihr jedes Mittel der Wahl zugesprochen, da der Staat sich in eine Reductio ad absurdum begeben hätte.
@Peter @Gregor
http://walhalladada.twoday.net/stories/3236502/#comments
Ich habe dort einen Kommentar hinterlassen, der über die Entscheidung zwischen gut und böse herumlabert.
Fast denke ich, dass man ihn hier genauso anwenden kann.
@Peter – Richter
Ich glaube, man hat jegliche moralische Kraft in dem Augenblick verloren, als man zur Durchsetzung seiner vielleicht moralisch befeuerten Ziele grundlos vier Menschen kaltblütig ermordet hat.
Es gibt ein Interview mit Jean Améry, in dem er sinngemäss einmal sagte: Jeder, der durch Durchsetzung seiner Ziele Gewalt anwendet, hat sofort jeden Kredit verspielt und stellt sich sofort ausserhalb einer zivilisierten Gesellschaft. Das apodiktische dieses Satzes erklärt sich aus seiner Lebensgeschichte; ich könnte mir von diesem Anti-Gewalt-Imperativ durchaus Ausnahmen vorstellen.
Ja, es bleibt bei der historischen Betrachtung der Person Schleyer ein aber (es ist also nicht nur die Funktion gemeint gewesen, wenn RAF-Terroristen zugeschlagen hatten, sondern auch die Person). Dieses aber rechtfertigt aber nicht das Geschehene.
Interessanter Gedanke am Schluss des Kommentars...
Viele Argumentationen pro und Kontra
gab es in den letzten Tagen. Was mir nach dem Lesen des Interviews mit der Tochter von Ulrike Meinhof auf Spiegel Online als erstes aufgefallen ist, sind die zwei vollkommen unterschiedlichen Aspekte der Urteile: Politisch, wegen der tatsächlichen oder vermeintlichen Gefährdung der BRD (ich kann es nicht beurteilen, es war nicht mein Land und nicht meine Zeit) durch den RAF-Terrorismus. Und menschlich wegen der Morde.
Dass sich ein Staat mit allen Mitteln gegen eine Bedrohung seiner Existenz schützen muss, ist selbstverständlich. Die dabei eingesetzten Mittel (und in diesem Fall das Strafmaß) sind nicht so klar. Rein pragmatisch gedacht, erlischt die Notwendigkeit des Staatsschutzes mit dem Ende der Bedrohung. Da es die RAF nicht mehr gibt, besteht unter diesem Gesichtspunkt kein Grund mehr für die fortdauernde Haft. Unter diesem Aspekt kann ein gefestigter Staat ohne Probleme »Gnade« walten lassen.
Bleibt der Tatbestand „normaler“ Morde, für die es im Gesetz Mindest- und Höchststrafen gibt. Mit den abgesessenen Jahren ist man da wohl über dem in Deutschland Üblichen. Was sind die Maßstäbe, die bei normalen Mördern für eine vorzeitige Haftentlassung angelegt werden? Wahrscheinlich ein gutes Benehmen im Knast und eine positive psychologische Prognose für die Zeit nach der Entlassung. Gehört ein (nicht überprüfbares) Reuebekenntnis auch dazu?
Die Tochter von Ulrike Meinhof hat der zweiten Generation der RAF, zu der Klar und Monhaupt gehört haben, die politische Motivation abgesprochen und mehr oder weniger aus diesem Blickpunkt ein Bekenntnis der Reue für die Morde eingefordert. Ich denke, damit liegt sie falsch. Die damaligen Mitglieder der RAF (der 2. Generation) hatten durchaus politische Motive. Und, wie man bereits in den Diskussionen um die Todesstrafe erfahren musste, gehört die Inkaufnahme des Todes von Menschen zum politischen Kalkül, von der Führung von Kriegen bis zur Genehmigung von Atomkraftwerken.
Was mich persönlich viel mehr interessieren würde, sind Aussagen von Klar, Monhaupt und den anderen Ex-RAFlern zur heutigen politischen Situation in Deutschland. Denn an diesen Aussagen könnte man überlegen, ob die Betreffenden sich geändert haben, und ob das Land sich geändert hat. Auch Terror entwickelt sich ja nicht aus dem Nichts, sondern hat immer eine Ursache.
Ich habe hier eine Abschrift vom Interview von Günter Gaus mit Christian Klar von Ende 2001 gesehen; der Link, der das Textarchiv des Tagesspiegel als Quelle nennt, funktioniert nicht mehr. Gehen wir einmal davon aus, dass es stimmt. Die Antwortpassagen Klars habe ich hervorgeboben; die Fragen von Gaus kursiv dargestellt.
»Reue ist im politischen Kampf kein Begriff«
Günter Gaus spricht im Gefängnis von Bruchsal mit dem RAF-Terroristen Christian Klar. Eine Dokumentation
Christian Klar ist 49 und sitzt seit 19 Jahren im Gefängnis, davon lange Zeit in Einzelhaft. Klar, Kind einer Lehrerfamilie, war führender Kopf der terroristischen »Rote Armee Fraktion« (RAF), verurteilt wurde er wegen mehrfachen Mordes. Er hat bisher keine Reue gezeigt. Günter Gaus hat als erster Journalist mit Klar ein Interview führen können, 45 Minuten, am Mittwoch im ORB zu sehen, aus dem wir einige Passagen dokumentieren. Bilder und Worte widersprachen einander zum Teil. Zu sehen war ein augenscheinlich gebrochener, beinahe gebrechlicher Mann mit deutlichen Kommunikations- und Konzentrationsschwierigkeiten. Wir drucken das Gespräch aus dem gleichen Grund, aus dem Gaus es geführt hat – weil Klar ein Teil der bundesdeutschen Geschichte ist, den zu verstehen man sich immer noch schwer tut. Das gesamte Interview wird am 23. Dezember auf Sat 1 wiederholt.
Können Sie noch Glück definieren?
Das wäre zu theoretisch.
Worauf setzen Sie Ihre Hoffnung?
Natürlich, dass Menschen sich nicht mit Unterdrückung und Demütigung abfinden. Jedes Erlebnis, wo Menschen aufstehen und in diese reaktionäre Normalität Bewegung reinbringen. Es sind ja vor Monaten in Genua interessante Ereignisse gewesen.
Sie meinen die Globalisierungsgegner. Mögen Sie etwas über Ihre Eltern sagen, Herr Klar?
Fünf Kinder. Wir sind von den Eltern aus in der Bildung aufgewachsen, alle Möglichkeiten sind mitgegeben worden. Schule, und was da so drin ist. Meine Mutter – eine sehr frei eingestellte Frau ... Ich erinnere mich an viele Kämpfe von ihr mit Nachbarn, weil sie ihre Kinder nicht prügelt, die zu fünft natürlich viel durcheinander gebracht haben. Ich höre von meinen Geschwistern ab und zu. Ich habe das Gefühl der Zuneigung, aber gleichzeitig ist nie viel zusammen gelaufen. Irgendwas ist bei mir anders gewesen. Deswegen bin ich wohl fortgegangen.
Was ist die stärkste Antriebskraft für Sie gewesen, diesen Schritt in die Gewalt hinein zu tun?
Ich denke, die Erfahrung von einer kollektiven Lebensweise. Das ist was ganz Neues gewesen. Es sind persönliche Erfahrungen gewesen. Also, dass kommunistische Vorstellungen nicht aus den Büchern stammen, keine Theorie sind. Ein Schulfreund hat mir mal an einem Nachmittag die Arbeiterbewegung erklärt, und ein anderer hat mir das Buch »Der SS-Staat« von Kogon gezeigt...
Ulrike Meinhof, Andreas Baader, Gudrun Ensslin und die anderen der ersten RAF-Generation: Was hat Sie an diesen Menschen angezogen?
Als Personen habe ich sie erst später genauer wahrgenommen. Am Anfang war das Interesse mehr für die Organisation. Für das Konzept, wo zu einem Zeitpunkt die Hefte rumgegangen sind und durch Zeitungslektüre und auch eigene Ideen.
Welche Hefte?
Ich weiß jetzt nicht mehr, welche.
Haben Sie meinesgleichen verachtet?
Nein. Der Bezug ist ja auf die Mächtigen ausgerichtet gewesen, auf ihre Politik und auf andere Bereiche in der Linken, beide Auseinandersetzungen hat es gegeben. Ich wüsste jetzt nicht, wo ich Sie hin tun soll.
Hat Ihnen der Stil der RAF nicht Entsetzen eingeflößt? Ich habe immer gedacht, warum drücken sich diese Leute so verstiegen aus?
Es gab damals ja auch aus der Linken die Kritik an dem Abstrakten in den Erklärungen. Man muss halt sehen, dass ein politisches Konzept, das auf Befreiung aus ist, guten Grund hat, abstrakt zu sein.
Sie ließen sich ohne Gegenwehr festnehmen. Es ist gemutmaßt worden, Sie seien kampfmüde gewesen.
Das ist die Verhöhnung von jemandem, den sie lange gesucht und dann gefasst haben. Wenn man verhaftet wird, geht es einem dreckig. Über Illegalität ist im »taz«-Milieu immer referiert worden, was für ein Druck das sei. Ich habe Illegalität als große Freiheit erlebt. Für uns ist die Illegalität ein Raum gewesen, aus dem man politisch handeln kann. Eine Situation, in der man für alles selber verantwortlich ist.
Sie sind zu fünf Mal lebenslänglich und 15 Jahren Haft verurteilt worden. Sie sind ausdrücklich ausgenommen worden von der üblichen Entlassungsfrist. Hoffen Sie?
Es sind fünf von uns, die noch sitzen. Eva Haule, Brigitte Mohnhaupt, Rolf-Clemens Wagner, Birgit Hogefeld und ich. Und es sind draußen immer wieder Leute, die aktiv werden, um die Frage in die Öffentlichkeit zu bringen. Die Regierung behandelt das opportunistisch. Es gibt für sie keinen Grund, sich da zu bewegen.
Sie verstehen sich als politischer Häftling?
Das sollte man, ja. Für einen persönlich bedeutet das keine Auszeichnung. Es ist auch wichtig, weil in der Herrschaft der Regierung spielt es ja gerade eine große Rolle, das abzustreiten. Gerade die Sozialdemokratie hat da immer ein Übersoll gehabt, weil ja gerade in der sozialistischen Richtung neben ihnen nichts existieren darf.
Ist das eine Wahrung von Selbstachtung, Herr Klar? Wichtiger für das Überleben als Anpassung an die gebotenen Normen?
Wenn jemand an die Wand gedrückt wird, muss er kämpfen. Aber ich denke nicht so sehr über Selbstachtung nach. An erster Stelle kommt, dass ich verantwortlich dafür handeln will, dass der Aufbruch, den auch eben die RAF dargestellt hat, weitergetragen wird. Ich fühle mich verantwortlich, da nichts zuzuschütten oder zu denunzieren.
Und Reuegefühle? Sind das für Sie Vorgänge im Kopf, von denen Sie sagen, es geht Euch nichts an?
In dem politischen Raum, vor dem Hintergrund von unserem Kampf, sind das keine Begriffe.
Aber das könnten doch Begriffe sein, die Bedeutung haben. Wegen der Opfer.
Ich überlasse der anderen Seite ihre Gefühle und respektiere die, aber ich mache es mir nicht zu eigen. Gerade hier in den reichen Ländern zählen so viele Menschenleben nichts. Belgrad wird bombardiert, das bedeutet nicht... In vielen Ländern werden Verhältnisse hergestellt, wo Menschenleben nicht mal einen Namen hat.
Ist Religiosität für Sie von Bedeutung?
Spiritualität im Allgemeinen, da habe ich Verständnis für. Aber Religiosität nicht.
Sind Sie im Stande, Pläne zu machen für die Zeit, die vor Ihnen liegt?
Nicht wirklich. Die einzige Vorstellung ist, mit Leuten zusammen zu kommen, mit denen ich Jahre nicht sprechen konnte. Dinge besprechen, die liegen geblieben sind. Ja.
Ich hatte das Interview damals gesehen. Klar war – was eine Antworten nur andeuten – fürchterlich arrogant und herablassend. Gleichzetig wirkte er gefasst; er war überhaupt nicht emotional.
Ich glaube, es ist ein grosser Fehler zu glauben, die Terroristen seien implizit politische Gefangene. Das wollten sie natürlich immer sein, um ihren Aktionen eine moralische Rechtfertigung zu geben. Das ist jedoch m. E. ein Trugschluss. Dass der Staat damals vieles dafür getan hat, damit diese Sichtweise vorgebracht werden konnte, ist bedauerlich.
Die Bundesrepublik war damals in ihren Grundfesten nicht erschüttert. Dennoch wurde dieser Eindruck in den Medien heftig geschürt und verbreitet. Es gab aber niemals eine Staatskrise. Dennoch müsste dem Phänomen entgegengetreten werden. Dass das nicht immer mit den richtigen und angemessenen Mitteln stattfand, hat den Terroristen bei einigen Teilen der Linken ein gewisses Verständnis gebracht.
Es ist ja keineswegs so, dass Klar, Mohnhaupt und all die anderen an die Wand gedrückt wurden. Es sei denn, man betrachtet eine polizeiliche Fahndung nach diversen Mordanschlägen als »an die Wand drücken«. Diese, seine Aussage ist in Wirklichkeit eine Verhöhung. Mit einer politischen Sosse soll das ungeniessbare Gericht gerettet werden.
Ich verstehe, dass Reue als Kriterium für eine Freilassung sehr schwierig einzufordern ist. Wenn Du aber Aussagen zu den heutigen politischen Verhältnissen einforderst (ein interessantes Unterfangen), schlägt es ein bisschen in die gleiche Kerbe: Wie gross ist beispielsweise die Wahrscheinlichkeit, dass Klar und/oder Mohnhaupt die RAF wiederbeleben? (Ich glaube, sie ist ziemlich gering.) In welchen Punkten sollen sie sich geändert haben? Vor allem: Wer vermag das nachzuprüfen?
All das zeigt, dass es bei der Betrachtung der Freilassung bzw. Begnadigung keinen Automatismus geben kann. Auch hier muss geprüft werden, inwiefern ein Rückfall gegeben ist.
Gestern stand bei SpOn, dass Klar in seinem Gnadengesuch 2003 Reue eingestanden habe: Selbstverständlich muss ich eine Schuld anerkennen. Ich verstehe die Gefühle der Opfer und bedauere das Leid dieser Menschen. Ich frage mich, warum das nicht schon vorher in die Diskussion geworfen wurde.
arrogant?
»Ich überlasse der anderen Seite ihre Gefühle und respektiere die, aber ich mache es mir nicht zu eigen. Gerade hier in den reichen Ländern zählen so viele Menschenleben nichts. Belgrad wird bombardiert, das bedeutet nicht... In vielen Ländern werden Verhältnisse hergestellt, wo Menschenleben nicht mal einen Namen hat.«
Komisch, ich empfinde die Antworten nicht als arrogant. Oder sagen wir, nicht arroganter als die Aussagen angesehener Politiker.
Um das einmal von Deutschland wegzutragen: wieviele amerikanische Soldaten sind schon im letzten Irakeinsatz gestorben? Über 3000? Für eine Lüge.
Die sind ebenso unschuldig, wie die vier Mordopfer der RAF. Menschenleben zählen doch nur dann, wenn sie politisch verwertbar sind.
Oder ein anderes Beispiel: Feuerdrama in der Seilbahn in Kaprun. 153 Tote (glaube ich). Eine oberösterreichische Stadt trauert um 13 Todesopfer. »Größter Aderlass« schreiben die Medien. Durchschnittliche Todesrate in Oberösterreich: 11 bei Verkehrsunfällen pro Spezialwochenende (Pfingsten, Ostern etc.)
Ich höre das Gegenargument. Bei der RAF war es Mord, bewußt in Kauf genommener Kollateralschaden. Genau das ist es bei den amerikanischen Soldaten. Was hatten sie im Irak verloren?
Was mich mehr trifft, ist der Tod eines UNO-Friedenssoldaten, der eigentlich nur als Beobachter zwischen Israel und Libanon steht.
Irgendwie beschleicht mich das Gefühl, dass mit zweierlei Maß gemessen wird.
Ja und nein
Mit arrogant meinte ich weniger die Aussagen Klars (obwohl es für mich schon ziemlich herablassend herüberkommt, wenn jemand sagt, er respektiere die Gefühle der anderen Seite [!] – ich empfinde so etwas wie Respekt eigentlich für selbtverständlich), sondern die Art und Weise, wie er dies sagte (bzw. wie ich das, seine Diktion, noch in Erinnerung habe).
Dem Vergleich mit den getöteten Soldaten im Irak vermag ich nicht nachzuvollziehen. Immerhin waren / sind die amerikanischen Soldaten im Irak Soldaten, d. h. ihre Konfrontation mit dem Krieg bzw. mit dem Tod des eigenen Lebens ist immer präsent. Ein Fahrer des Arbeitgeberpräsidenten 1977 kann nicht mit einem Soldaten einer Berufsarmee verglichen werden.
Natürlich rechtfertigt der Beruf (!) des Soldaten oder Polizisten nicht den sinnlosen Tod dieser Leute. Und der Tod im Irak ist sinnlos, da dieser ganze Krieg sinnlos ist. Aber aufgrund dieser Tatsache ist doch nicht jeder automatisch berechtigt, sich als Richter oder gar Vorkämpfer für die eigene Sache ausserhalb jeglicher Gesetze zu stellen.
Die RAF der 2. Generation haben den politischen Impetus ihrer Handlungen als Rechtfertigung verwendet. Von der ersten Generation (Baader, Meinhof, Ensslin) war tatsächlich nur Ulrike Meinhof sozial- und gesellschaftpolitisch kompetent.
mal einmischen möchte...
»Es gibt ein Interview mit Jean Améry, in dem er sinngemäss einmal sagte: Jeder, der durch Durchsetzung seiner Ziele Gewalt anwendet, hat sofort jeden Kredit verspielt und stellt sich sofort ausserhalb einer zivilisierten Gesellschaft. Das apodiktische dieses Satzes erklärt sich aus seiner Lebensgeschichte; ich könnte mir von diesem Anti-Gewalt-Imperativ durchaus Ausnahmen vorstellen.«
beim letzten satz empfiehlt sich zb. ein blick auf günther anders, der wiederum aus seiner eigenen erfahrung zu einem améry völlig entgegengesetzten schluß gelangt – damals zwar besonders im hinblick auf die atomenergie und die sie fördernden verantwortlichen; generell aber hat er eine erweiterung der möglichen betroffenen seiner position nicht grundsätzlich ausgeschlossen:
(...)»Deshalb ist die Drohung, diese zu beschädigen, nur dann wirksam und sinnvoll, wenn wir außerdem oder an erster Stelle den an der Herstellung, der Installierung und dem eventuellen Einsatz dieser Geräte Interessierten unmißverständlich erklären, daß dasjenige, was wir bis jetzt (höchstens) ihren Produkten zugedacht haben (das Wort »angetan« wäre zu prahlerisch), daß das nur die Vorankündigung dessen gewesen ist, was wir auch ihnen selbst anzutun gezwungen sein werden. Da sie uns pausenlos terrorisieren, könnte es geschehen, daß auch sie einmal pausenlos eingeschüchtert werden und sich in acht nehmen werden müssen. Jeder von ihnen, einer nach dem anderen, in nicht voraussehbarer Reihenfolge. Damit unseren Kindern und Kindeskindern das Uberleben gesichert werde. »Werde« – nicht etwa »bleibe«.
§ 4 Das gebrochene Tabu
Diese letzten schrecklichen Worte schreibe ich nicht etwa leichtfertig nieder wie irgendeine andere beliebige Hypothese oder Einsicht oder Aufforderung. Schließlich hat mich seit siebzig Jahren, seit den ersten Augusttagen 1914, das Staunen der Tatsache, daß Menschen Mitmenschen töten, sogar gern töten können, nicht verlassen. Schon als Knabe habe ich dieses Verbum nur zögernd aussprechen können, so als wäre schon der Laut selbst so mörderisch wie das Tun. Und seit meinen ersten Schreibversuchen hat es wohl nur wenige Seiten gegeben, durch die nicht das Grauen vor dem Töten hindurchgegeistert wäre.
Daher erfüllt es mich natürlich mit Schrecken und Ungläubigkeit, daß ich nun dieses Wort nicht nur niederschreibe, sondern niederschreiben muß, weil es keine andere Rettungsmethode gibt als die, die Drohenden zu bedrohen. Denen, die mich dazu zwingen, das Tötungstabu zu brechen, werde ich das niemals vergeben können.
Ich verlange und ich habe ich Recht darauf zu verlangen, daß man mich nicht der Leichtfertigkeit zeihe, wenn ich zum Schluß wiederhole: Es gibt kein Alternativmittel, kein anderes als diese Drohung, wenn wir das Überleben unserer Generation und das der von uns erhofften künftigen Generationen zu sichern wünschen, als diejenigen, die darauf insistieren, die atomare Gefährdung des irdischen Lebens (gleich ob die »kriegerische« oder die angeblich »friedliche«) fortzusetzen und grundsätzlich Stopp-Angebote abzulehnen – es gibt keine andere Alternative, als diesen Männern ausdrücklich mitzuteilen, daß sie sich nun, einer wie der andere, als Freiwild werden betrachten müssen.
Voll Schmerz, aber entschlossen erkläre ich daher: Wir werden nicht davor zurückscheuen, diejenigen Menschen zu töten, die aus Beschränktheit der Phantasie oder aus Blödheit des Herzens vor der Gefährdung und Tötung der Menschheit nicht zurückscheuen.«
und diese position halte ich für völlig (!) diskussionsfähig – heute mehr denn je.
@mo
Wir werden nicht davor zurückscheuen, diejenigen Menschen zu töten, die aus Beschränktheit der Phantasie oder aus Blödheit des Herzens vor der Gefährdung und Tötung der Menschheit nicht zurückscheuen.
Leider vergisst Anders, sich das legitimieren zu lassen. Wenn nämlich jeder derartiges Handeln für sich in Anspruch nehmen würde, dann könnte man die gesamte Zivilisation vergessen.
Wenn er die Legitimation nicht begründet, dann ist das letztlich faschistoid. Es genügt nicht, auf ein selbstausgestelltes Recht zu pochen. Das macht der Rechtsradikale auch.
Mit Ausnahmen zum »Anti-Gewalt-Imperativ« meine ich die a. a. O. angesprochenen Situationen wie bspw. das Recht auf Selbstverteidigung bzw. das, was man den »finalen Rettungsschuss« nennt.
Staatsterrorismus
Alle Diskussionsbeiträge zu dem vorliegenden Thema „Gnade und Freilassung unreuiger Terroristen und Mörder“ versuchen sich entweder in philosophisch-humanistischer oder gar rechtsstaatlicher Rechtfertigung der einen oder anderen Position. – Natürlich haben alle Recht in ihrem Urteil, und zwar völlig unabhängig von der jeweiligen Zielsetzung. – Ich denke daher, dass man die Aussage des Jan-Philipp Reemtsma noch mehr ins Kalkül ziehen sollte, denn reichlich „bestraft“ sind alle so genannten und damaligen Terroristen durch die Gesellschaft und auch rechtsstaatlich sanktioniert. Die staats- wie gesellschaftspolitische Solidarität ist zudem den Opfern der RAF mehr als sicher … und niemand, der die Zeit der RAF in Deutschland miterlebte – und sei seine Freude auch noch so sympathisierend und „klammheimlich“ bis in die Jetztzeit – , hat als denkender wie auch politischer Mensch sich mit den Mordtaten der RAF – Mitglieder identifiziert, selbst wenn er sich selbst für noch so revolutionär verstand. – Jan-Philipp Reemtsma will vermutlich auf etwas Anderes hinaus: die psychologisch-menschliche Seite.
Lassen Sie mich am Beispiel des Rolf C. Wagner versuchen, diese Seite ein wenig zu beleuchten. Ich bin ein früher Jugendfreund des R.C.W.; er war Einzelkind einer mächtigen Vaterfigur, gütig, aber auch kompromisslos stark, und einer sanften, einfühlsamen Mutter. – Und zwischen diesen beiden wuchs dieser unendlich sensible und ebenso intelligente Junge heran: Wissbegierig wie ein „Schwamm“ – als Messdiener bekamen wir den „Rösch“ des Neuen Testaments als Weihnachtsgabe, den er schon am nächsten Tag durchgelesen hatte, während andere noch gar nicht wussten, dass man das NT wie einen Roman durchlesen konnte – und einfühlsam wie ein „Heiliger“ – nach dem Tode seiner Großmutter – wir waren ca. 9 – 10 Jahre – liefen wir tagelang schweigend nebeneinander her, weil Rolf dieses Phänomen „Tod“ so hautnah erst für sich realisieren musste, während andere es einfach unverstanden hinnahmen. – Ist das der Terrorist Rolf Clemens Wagner, dem man niemals verzeihen kann, der sich erst einmal bei der Witwe Schleyer zu entschuldigen hat, bevor man überhaupt sich wieder seiner erinnern mag?
Wagner ist seit 12.2003 wieder auf freiem Fuß, und das ist wirklich gut so. – Der Staat, der den Naziverbrechern so großzügig Verzeihung gewährte, der jetzt erneut den DDR – Verbrechern in noch größerer Verzeihensorgie mit Rehabilitation hinterherläuft, obwohl hier autonom organisierte Staatsverbrecher im entarteten Zirkelschluss am Werk waren, hat seinerseits überhaupt kein Recht, sich an Verirrten zu rächen, die er selbst erst zu dem gemacht hat, was sie wurden, indem er erst sein Rechtssystem in dem Maße pervertierte, dass es sein menschenähnliches Gesicht nahezu vollständig verlor. Macht = Willkür ist die Institution, die in unserem Staat mit dem Mantel des Rechts stets und ständig kaschiert worden ist und ummäntelt wird, um durch Repression unangepasst Bürger willfährig zu machen und zu halten – vom Kindergarten an bis ….
Sich diesem entmenschlichten sog. „Rechtsstaat“ entgegenzustellen, ist nur exemplarisch möglich, selbst wenn man in diesem nur seinen „Vater“ zu strafen sucht; und diese Negation ist einfach nicht vorgesehen, also muss sie „bestraft“ werden. – Wo aber die Strafe dafür vollzogen ist, setzt „Rache“ ein, wenn sie dennoch fortgesetzt wird. – Rache ist unmenschlich, selbst in diesem beschämenden Rechtsstaat. – Es kann nur heißen: lasst die RAF – Terroristen endlich frei, behandelt sie zumindest so, wie andere Staatsterroristen auch, die jedoch unendlich mehr an Unrecht verübt haben. Vor diesen frei umherlaufenden Irren fürchte ich mich, nicht jedoch vor der RAF ….
Ein paar Bemerkungen
Vielen Dank für diesen interessanten Kommentar.
Rolf Clemens Wagner
Was mich am meisten gewundert hat, ist die Tatsache, dass die vorzeitige Entlassung Wagners so geräuschlos über die Bühne ging. Das hatte einerseits den Vorteil, dass diese Debatte nicht immer wieder aufs Neue aufgerollt wird (Wagner ist ja nach der Entlassung nicht medial »vermarktet« worden bzw. hat sich medial vermarkten lassen), hat jedoch den Nachteil, dass hieraus jetzt eine Art Automatismus abgeleitet wird. Es ist tatsächlich schwerlich einer Frau Mohnhaupt oder auch Herrn Klar etwas zu verweigern, was anderen in ähnlichen Situationen zugestanden wurde.
Gemäss dieser Quelle wurde Wagner ja im Prozess als der Mörder Schleyers ermittelt; spätere Recherchen widersprechen dem. Aust suggeriert ja tatsächlich, dass es mindestens noch einen anderen Exekutor gab.
Weder Boock noch Wagner noch andere inzwischen freigelassene haben sich dazu jemals klärend geäussert. Mohnhaupt und Klar geben auch keinerlei aufklärende Hinweise. Dieses omertàhafte Schweigen schafft wenig Vertrauen. Freilich kann man dieses nicht einfordern, aber ist es einem Staat zu verdenken, dass er dies als eine minimale Voraussetzung betrachtet? Und dies unabhängig von den Gefühlen der Opfer bzw. Hinterbliebenen.
Was Sie über Wagners Kindheit und Entwicklung schreiben ist interessant. Aber Menschen ändern sich. Ich bestreite nicht per se den politisch geprägten Urimpuls, der bei einigen Terroristen irgendwann eine Initialzündung ausgelöst hat. Ich bestreite aber, dass dieser Impuls die spätere Gewalt per se schon legitimiert. Mit dieser Argumentation kann man jede Gewaltaktion »legitimieren«. Das wäre dann Willkür.
Macht = Willkür / Rechtsstaat
Es bedarf schon grosser Geschichtsklitterung zu behaupten, dass der Staat die »Verirrten« erst zu dem machte, was sie sind. Das ist – mit Verlaub – grosser Unsinn. Es stimmt zwar, dass die Bundesrepublik kurzfristig in Gefahr stand, die Rechtsstaatlichkeit zu Gunsten von überzogenen Sicherheitsgesetzen zu verlassen – aber auch das hätte niemals die Morde an Buback, Ponto oder Schleyer legitimiert. Sie verwechseln Ursache und Wirkung.
Übrigens: Die Tatsache, dass bis auf vier alle RAF-Häftlinge entlassen sind, ist ein Beleg für das Vorhandensein eines Rechtsstaats. Wo dieser »entmenschlicht« ist, erschliesst sich mir nicht. Vor allem ist es ziemlich klargeworden, dass diejenigen, die eine »Befreiung« von diesem »entmenschlichten Rechtsstaat« anstrebten, in ihren Mitteln derart menschenverachtend und selbstherrlich vorgingen, dass sie schlichtweg keine Alternative darstellten. Um es pointiert zu sagen: Wenn ich die Wahl habe zwischen der sozial-liberalen Regierung der 70er Jahre oder einer (faschistoid strukturierten) »RAF-Regierung« – dann ziehe ich allemal das Gewesene vor.
Der Widerstand der RAF fand übrigens zu dem Zeitpunkt statt, als die restaurativen Kräfte in der damaligen BRD längst auf dem Rückzug waren. Die sozial-liberale Koalition unter dem im NS-Regime emigrierten Kanzler Willy Brandt bot die Chance zu politischer Partizipation. Sie wurde – weitgehend – nicht genutzt; der vielbeschworene »Marsch durch die Institutionen« fand viel später statt, als sich grosse Teile der Grünen Mitte der 80er Jahre institutionalisierten.
Strafe / »Rache«
In einem Vortrag mit dem Titel »Was sind eigentlich Opferinteressen« spezifiziert Reemtsma recht deutlich, welche Bedeutung seiner Meinung nach Strafe in unserem Rechtssystem erfüllt:
An die Stelle der individuellen Rache kann die Strafe nicht treten. Strafe ist etwas anderes, nicht nur der Sache nach, sondern auch psychologisch. Wahrscheinlich sind auch viele der in den erwähnten Umfragen Gefragten darum so gleichgültig gegenüber dem Strafmaß, weil sie intuitiv wissen, daß eine hohe Strafe nicht wirklich befriedigt.
Aber, noch einmal: was wäre, wenn die Strafe ausbliebe? Die Anerkennung der Strafbarkeit bedeutet die Anerkennung, daß Unrecht geschehen ist. Das Opfer hat nicht Pech gehabt, es ist überfallen worden, nicht von einem herunterfallenden Ast
getroffen worden. Der Täter durfte nicht tun, was er getan hat. Das Opfer hat nicht nur Schaden erlitten, sondern ihm ist Unrecht geschehen. In unserer Rechtskultur ist das von eminenter Bedeutung – diese Bedeutung aber wird erst fühlbar, wenn die Bestätigung unterbleibt.
Das Interesse des Opfers an der Bestätigung, daß ihm Unrecht geschehen ist, und das Interesse der Öffentlichkeit, daß festgestellt wird, daß eine Norm verletzt wurde, und daß sie trotz dieser Verletzung gilt – was durch die Strafe („das durfte nicht getan werden!“) bestätigt wird – konvergieren. Hieraus ergibt sich der Zusammenklang von Opferinteressen und öffentlichen Interessen. Daraus folgt, daß insoweit der Schaden, den ein Opfer erlitten hat, kompensierbar ist, dies getan wird – hieraus folgt, daß der Schaden, den es erlitten hat, nicht weiter vergrößert wird durch die Prozeduren, die nun einsetzen. Opferinteressen finden aber dort ihre Grenze, wo das öffentliche Interesse an der Objektivität der Strafverfahren und an der Angemessenheit der Kompensationen mit den Wünschen der Opfer kollidiert. Wünsche sind oft maßlos. Sie dürfen das auch sein. Sie können nur nicht immer erfüllt werden. Die individuelle Sicht des Opfers auf die Tat muß – dazu ist die Nebenklage da, nicht dazu, darauf zu achten, daß der Täter eine möglichst hohe Strafe bekommt (das allen Nebenklagevertretern ins Stammbuch) – in das Strafverfahren eingebracht werden.
Aber es gibt keinen Anspruch des Verletzten, daß das Gericht seine Sicht der Dinge übernimmt – nur, daß es sie berücksichtigt, und dies kompetent tut. Nicht nur in diesem Zusammenhang ist es wichtig, auf einen Umstand hinzuweisen, der allgemein nicht genügend berücksichtigt wird. Es geht darum, daß die Interessen der Opfer von Verbrechen im Kern tendenziell dilemmatisch sind. Wer Opfer eines Verbrechens geworden ist, will, daß das zur Kenntnis genommen wird, will, daß sich die Umwelt darauf einstellt – und will gleichzeitig nicht auf diese Rolle festgelegt werden. „Tendenziell dilemmatisch“ heißt: der Widerspruch löst sich im Laufe der verstreichenden Zeit auf (wenn man Glück hat), produziert aber immer wieder Wünsche, die nicht gleichzeitig erfüllt werden können. Jede Politik für das Opfer muß das berücksichtigen – vor allem aber: jeder, der Opfer eines Verbrechens geworden ist, sollte das wissen.
Ergänzungen und Korrekturen
2. Kommentar:
Ein paar wenige Ergänzungen und Korrekturen seien mir noch gestattet:
Zu Rolf Wagner: Seine Vita weist noch eine Reihe weiterer Parameter auf, die darauf deuten lassen, dass die Weisheit „Menschen ändern sich“ in ihrer Fundamentalbedeutung für Wagner nicht notwendig greift. Darüber hier zu sprechen wäre für Wagner ein Sakrileg, das ich niemals begehen würde. – Die Geräuschlosigkeit seiner Entlassung aber und sein entschiedenes Desinteresse an medialer Präsenz seien hinlängliches Indiz für meine These von Wagners prädisponierter Persönlichkeitsentwicklung. – Und abschließend sei auch noch rein spekulativ angemerkt, dass ich – ganz persönlich und privat – es für ausgeschlossen halte, dass die tödlichen Schüsse auf den Alt-Nazi Schleyer von Wagner initiiert und dann auch noch abgegeben sein könnten; wenn überhaupt – und entgegen meiner Kenntnis um die Persönlichkeit Wagners – eben jener dennoch die Schüsse abgegeben haben sollte, könnte dies nur für die ungeheure Persönlichkeitskraft seiner Komplizen sprechen, die ihn diesem Gruppenzwang ausgesetzt hatten oder aber dann für Ihre These: „Menschen ändern sich“ – vor allem auch durch Hirnwäsche … Taktlos finde ich in diesem Zusammenhang Ihren Verweis auf die mafiöse „Omertà“; die Verschwiegenheit der Mitglieder der RAF über interne Vorgänge und Beschlüsse tragen nicht im Mindesten die faschistoiden Grundzüge menschenverachtenden Terrors zum Zwecke der persönlichen Machtausübung und Bereicherung. – Die RAF hat auch zu keinem Zeitpunkt eine eigene „Machtergreifung“ angestrebt. – Es ist – im Verständnis der RAF – für Außenstehende ohne jede Bedeutung, wer was ausgeführt hat. Es gibt keine individuelle Tat, sondern nur eine kollektive Verantwortung, für die jeder der Gruppe in gleichem Maße steht. – Das ist auch ein Grund, weshalb es nicht zu „Entschuldigungen“ kommen kann, die grundsätzlich nur individuelle Bedeutung besitzen. – Zudem: Gehört eine „Entschuldigung“ eines „trivialen“ Triebtäters notwendig zu einer Freilassung nach verbüßter Strafe? – Ist mir nicht bekannt, eher sind mit der Freilassung neuerliche Racheschwüre gegenüber denen, die sich ihrem Verbrechen nicht klaglos beugten, verbunden. – Ein Schuldeingeständnis wäre von RAF Mitgliedern wohl kaum zu erlangen… Und genau diese Sichtweise wird auch von Reemtsma mit getragen. – Natürlich erwartet der „Geschädigte“ mehr als allein die gesetzmäßig vorgesehene „Strafe“, verlangt möglicherweise sogar nach „Rache“ als Genugtuung. – „Strafe“ hat aber eine andere Funktion, eben die Konvergenz zwischen gesellschaftlicher und individueller Wahrnehmung einer Normverletzung. – Sollte sich ein Täter diese Identität in der Wahrnehmung seiner Tat zu Eigen machen, wäre das Ideal einer normativ manifestierten Gesellschaft realisiert. – Aber das kann es leider nicht mehr geben! – Die Griechische Polis war das einzige Staatsgebilde, das – ganz zu Anfang – auf 4 normativen Säulen ruhte, die eben Göttlich waren: undAls dann der legendäre Solon mit dem eine 5. Komponente dem Polisgebilde zuordnete, war der Untergang dieser programmiert. Nomoi, Gesetze, sind eben leider nicht mehr nur normativ, sondern von Menschen kreierte Gesetze, die dem Einen mehr, dem Anderen weniger zu Pass sind. – Wer nun innerhalb dieses Gebildes seine politische Position verankert sieht, redet gern von einem „Rechtsstaat“; wer sich mit diesem Codex nicht identifizieren kann und ihn auch noch bekämpft, ist „Terrorist“. – Daraus folgt logisch, dass jedes rechtsstaatliche Gebilde a priori seine eigenen „Terroristen“ zeugt; wenn zudem das Gebäude rechtsstaatlicher Prinzipien auch noch gegen einzelne herrschende moralische Prinzipien – möglicherweise gar ethisch untermauert – verstößt, ist Terrorismus notwendig. – Das ist die Krux der eigentlich dümmsten Staatstheorie, des Positivismus.
Wenn Sie dies nun für „mit Verlaub – großen Unsinn“ halten, verkennen Sie die reale Situation, in der die so genannten westlichen Demokratien sich auch z. Z. wieder befinden. –
Normative Gesellschaftsformen sind auf dem Vormarsch, der Islam ist eine davon. Auf Gesetz beruhende Ordnungen mögen zwar demokratisch sein, aber schon jetzt haben unsere rechtsstaatlich verpflichteten Richter erste Scharia – Scheren in Ihren Hirnen. Und hier – z.B. – sind „Terroristen“ = „Märtyrer“, worauf sich unser positivistisches Recht mehr und mehr einstellt. Der säkulare Rechtsstaat hat hier nur noch begrenzte Berechtigung. – Und wenn man dann auch noch die Lex – RAF der ausgehenden 70-er Jahre mit in die Überlegungen einbezieht – den verzweifelte Versuch, „Terrorismus“ als RAF zu definieren -, weiß ich eigentlich nicht mehr, wo überhaupt noch Unterscheidungen zwischen Ursache und Wirkung zu erkennen sind. – Es geht überhaupt nicht um die Legitimation von Morden, ob an den Opfern der RAF oder an „Ungläubigen“, wie ich ganz zu Anfang des 1. Kommentars bereits ausführte. – Morde sind niemals und in gar keinem Rechtssystem zu rechtfertigen, aber – und dieser Frage werden Sie sich stellen müssen – Was ist denn „Mord“? – Das ist doch eine der perversen Fragestellungen …
Banausus N.N.
@Banausus N.N
...es für ausgeschlossen halte, dass die tödlichen Schüsse auf den Alt-Nazi Schleyer von Wagner initiiert und dann auch noch abgegeben sein könnten; wenn überhaupt – und entgegen meiner Kenntnis um die Persönlichkeit Wagners – eben jener dennoch die Schüsse abgegeben haben sollte, könnte dies nur für die ungeheure Persönlichkeitskraft seiner Komplizen sprechen, die ihn diesem Gruppenzwang ausgesetzt hatten oder aber dann für Ihre These: „Menschen ändern sich“ – vor allem auch durch Hirnwäsche
Wenn nicht Wagner die Schüsse abgegeben hat – wer denn dann? Ich habe mich eigentlich schon immer gefragt, warum ein Mensch drei Schüsse angibt, wenn einer auch gereicht hätte. Und wenn es ein Mensch war: Welcher Hass muss ihn ihm gesteckt haben?
Taktlos finde ich in diesem Zusammenhang Ihren Verweis auf die mafiöse „Omertà“; die Verschwiegenheit der Mitglieder der RAF über interne Vorgänge und Beschlüsse tragen nicht im Mindesten die faschistoiden Grundzüge menschenverachtenden Terrors zum Zwecke der persönlichen Machtausübung und Bereicherung.
Hier widerspreche ich ausdrücklich. Weiter oben schreiben sie selber von einem Gruppenzwang; dieser dürfte auch bis weit in den 90er Jahre bei den Häftlingen existent gewesen sein. Insofern trifft die Kategorisierung der Omertà exakt ins Schwarze.
Es ist übrigens interessant, wie ablehend sie der Mafia gegenüber stehen. Diese Organisation hat in einigen Teilen Italiens (bzw. anderer Länder) eine durchaus wichtige, sozusagen staats-substituierende Funktion: Sie definiert – ähnlich wie die RAF oder ähnliche Terroristenorganisationen oder jetzt die islamistischen Hass-Ausleger – ihre Rechtsauslegung exklusiv selber. Der Kanon ist sehr streng gegliedert (aber es ist kein Rechtsstaat; hierzu gehört mehr); Verstösse werden gewalttätig gelöst (wie bei der RAF). Es gibt keine Gerichtsbarkeit, sondern oligarchische Entscheidungen. Berufungen sind nicht möglich; Begnadigungen erst recht nicht. Es gibt einen Gruppenzwang. Usw.
Die RAF hat auch zu keinem Zeitpunkt eine eigene „Machtergreifung“ angestrebt.
Was hat sie denn angestrebt?
Es ist – im Verständnis der RAF – für Außenstehende ohne jede Bedeutung, wer was ausgeführt hat. Es gibt keine individuelle Tat, sondern nur eine kollektive Verantwortung, für die jeder der Gruppe in gleichem Maße steht.
Dem haben sich die Strafverfolgungsbehörden ja auch angeschlossen. Da nicht festgestellt werden konnte, wer was getan hat, reichte ja schon die »Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung«, um bspw. des Mordes angeklagt zu werden. Demzufolge verstehe ich nicht, dass die Häftlinge alle tröpfchenweise herauskommen.
Zudem: Gehört eine „Entschuldigung“ eines „trivialen“ Triebtäters notwendig zu einer Freilassung nach verbüßter Strafe? – Ist mir nicht bekannt, eher sind mit der Freilassung neuerliche Racheschwüre gegenüber denen, die sich ihrem Verbrechen nicht klaglos beugten, verbunden.
Die Racheschwüre sind Bestandteile schlechter Krimis. In Wirklichkeit wird sehr wohl die Stellung des Täters zu seiner Tat in Erwägung gezogen, wenn es um vorzeitige Haftentlassungen geht (genau, wie es einen wesentlichen Einfluss auf das Strafmass beim Prozess hat). Desweiteren werden Rückfallprognosen erstellt; bei Triebtätern gibt es ja die nachträgliche Sicherheitsverwahrung (diese hätte man sehr wohl auf die Terroristen anwenden können –wenn es denn »Triebtäter« gewesen wären – was m. E. nicht der Fall ist). Die Kriterien für die soeben beschlossene Freilassung von Brigitte Mohnhaupt kann man hier [PDF-Dokument] sehr gut nachlesen.
Wer nun innerhalb dieses Gebildes seine politische Position verankert sieht, redet gern von einem „Rechtsstaat“; wer sich mit diesem Codex nicht identifizieren kann und ihn auch noch bekämpft, ist „Terrorist“.
Das ist leider sehr holzschnittartig und falsch. Zunächst einmal ist die griechische »Demokratie« aus heutiger Sicht ambivalent; grosse Teile der Bevölkerung waren von elementaren Rechten ausgeschlossen; heutzutage würde man dieses System, sollte es in einem Land so wirken, als oligarchisch bezeichnen. Sie als Kronzeuge für irgendetwas heranzuziehen, ist nicht fruchtbar.
Was ein Rechtsstaat ist und wie man ihn definieren kann, – das brauchen wir sicherlich nicht erörtern. Der Unterschied zwischen einem Rechtsstaat und einem Willkürstaat (z. B. der Nationalsozialisten) liegt in seiner Orientierung an universellen Rechten (die derzeit hauptsächlich – allerdings m. E. ungenügend – an den sogenannten »Menschenrechten« festgemacht werden. Diese Orientierung ermöglicht u. a. vorzeitige Haftentlassungen (ich weiss, das ist polemisch).
Normative Gesellschaftsformen sind auf dem Vormarsch, der Islam ist eine davon. Auf Gesetz beruhende Ordnungen mögen zwar demokratisch sein, aber schon jetzt haben unsere rechtsstaatlich verpflichteten Richter erste Scharia – Scheren in Ihren Hirnen. Und hier – z.B. – sind „Terroristen“ = „Märtyrer“, worauf sich unser positivistisches Recht mehr und mehr einstellt. Der säkulare Rechtsstaat hat hier nur noch begrenzte Berechtigung.
Der säkulare Rechtsstaat ist ebenfalls normativ! Und er hat natürlich die volle Berechtigung. Er ist nur – das muss ich Ihnen sagen? – ein bisschen müde, da er durch die Politik der letzten rd. 20 Jahre ausschliesslich auf den Normen des Kapitalismus gegründet wurde. Wenn diese Verheissungen des säkularen Staates plötzlich aber keine direkte Anreize für Menschen darstellen, d. h. wenn sie eine transzendentale Lebensführung (egal, wie diese im Einzelfall aussieht; wir könnten auch über fundamentalistische Christen reden) wesentlich attraktiver ist und ausschliesslich hierüber Werte konstituiert werden – dann ist der säkulare Staat hohl und die Rechtsstaatlichkeit dient nur noch dazu, den Staat bekämpfen zu können. Terroristen können diese Hohlheit allerdings nicht füllen (siehe Irak); Kirchen auch nicht. Und beides ist mir auch nicht attraktiv genug.
Und wenn man dann auch noch die Lex – RAF der ausgehenden 70-er Jahre mit in die Überlegungen einbezieht – den verzweifelte Versuch, „Terrorismus“ als RAF zu definieren -, weiß ich eigentlich nicht mehr, wo überhaupt noch Unterscheidungen zwischen Ursache und Wirkung zu erkennen sind.
Es steht und fällt mit Anmassung der willkürlichen Gewaltanwendung.
Es geht überhaupt nicht um die Legitimation von Morden, ob an den Opfern der RAF oder an „Ungläubigen“, wie ich ganz zu Anfang des 1. Kommentars bereits ausführte. – Morde sind niemals und in gar keinem Rechtssystem zu rechtfertigen, aber – und dieser Frage werden Sie sich stellen müssen – Was ist denn „Mord“?
Mord ist – kurz gefasst – die vorsätzliche Tötung eines Menschen; erschwerend kommt die Motivlage dazu. Die RAF hat sich immer aus der Schlinge dieser Argumentation herausziehen wollen, in dem sie einen politisch-sozialen Impetus vorgeschoben hat. Der war sicherlich in den Anfängen vorhanden. Ich denke da vor allem an Ulrike Meinhof. Und mehr fallen mir schon fast nicht mehr ein.
Warum bekämpfen Sie eigentlich so vehement diesen sehr einfachen Spruch »Menschen ändern sich«? Würde man ihn nicht zu Grunde gelegen – was wäre überhaupt noch möglich?