Kun­de in Deutsch­land

Der Ar­ti­kel »Vom Kö­nig zum Knecht« spricht mir aus der See­le. Das, was seit Jahr­zehn­ten schlei­chend ei­ne ehe­ma­lig exi­stie­ren­de Ein­kaufs­kul­tur per­ver­tiert, wird vom wil­li­gen Kon­su­men­ten (häu­fig ge­nug man­gels Al­ter­na­ti­ve) exe­ku­tiert.

In­zwi­schen ist der Dienst­lei­stungs­ort Deutsch­land der­ar­tig ver­kom­men, dass ich frei­wil­lig Fahr­kar­ten der Bun­des­bahn im In­ter­net kau­fe – nur um nicht den gran­ti­gen und über­for­der­ten Ver­käu­fern aus­ge­lie­fert zu sein. Es gibt in­zwi­schen Fri­sör­lä­den, die den Kun­den den Föhn sel­ber in die Hand drücken. Selbst wenn ich die paar Eu­ro nicht spa­ren möch­te, ha­be ich kei­ne Al­ter­na­ti­ve. Dem­nächst muss man ver­mut­lich in der Bäcke­rei die Bröt­chen noch sel­ber backen und be­kommt nur den (che­misch an­ge­rei­cher­ten) Teig­klotz über­ge­ben – nein: man sucht ihn im Re­gal aus. Spä­te­stens wenn man das Tier, des­sen Fleisch man kau­fen möch­te, sel­ber aus­neh­men muss, wer­de ich Ve­ge­ta­ri­er wer­den.

Elek­tronik­märk­te ge­ne­rie­ren sich als Preis­bre­cher, weil sie fast aus­nahms­los mit 400 Eu­ro-Ah­nungs­los-Kräf­ten aus­kom­men, die, wenn sie ei­nen neu­en Kun­den se­hen, zü­gig die Flucht er­grei­fen. Als po­ten­ti­el­ler Kon­su­ment ver­schaf­fe ich mir bes­ser vor­her sel­ber ei­ne Über­sicht über Mo­del­le und Aus­stat­tungs­de­tails. Man geht dann nur noch in den La­den, um wie ein Kind mit dem Fin­ger auf das Ob­jekt der Be­gier­de zu zei­gen. Gott sei Dank gibt es noch das Fach­ge­schäft, wo ich bin­nen 24 Stun­den ein Er­satz­ge­rät be­kom­me, statt mich mit end­lo­sen »Service«-Hotlines (zwei Lü­gen auf ein­mal!) be­schäf­ti­gen zu müs­sen. Preis­ver­glei­che zei­gen üb­ri­gens, dass oft ge­nug die schrei­en­den Märk­te kaum oder gar nicht gün­sti­ger sind.

Heut­zu­ta­ge stört der Kun­de fast nur noch. Nicht nur, dass ich in den Selbst­be­die­nungs­lä­den mei­ne Wa­re min­de­stens drei­mal an­fas­sen muss – so­fort nach dem Scan­nen der Kas­se wer­den die Ar­ti­kel lieb­los in ei­ne ver­dreck­te und/oder mit Ge­mü­se­re­sten über­sä­te Ab­la­ge wei­ter­ge­schau­felt. Vor­her muss­te ich schon auf dem För­der­band die ak­tu­el­le »ZEIT« an ei­ne (ver­mut­li­che) Kon­dens­was­ser­pfüt­ze vor­bei la­vie­ren; nach dem Ein­scan­nen schleu­dert die Da­me ge­konnt das Zei­tungs­pa­ket auf das Tief­kühl­eis (den Leit­ar­ti­kel kann ich nach Trock­nung zu Hau­se erst nach ei­ner hal­ben Stun­de le­sen). Über die Kun­den­schlan­ge hin­weg tau­schen die Kas­sie­re­rin­nen un­ge­stört wei­ter pri­va­te Neu­ig­kei­ten aus. Ha­stig schmei­sse ich al­les in ei­ne Ta­sche, um nicht den Fluss der zah­len­den »Kun­den« auf­zu­hal­ten.

An Hal­te­stel­len, die als »U‑­Bahn-Hal­te­stel­len« aus­ge­wie­sen sind (ko­misch, ich dach­te, die müss­ten un­ter der Er­de sein), wer­de ich an­ge­wie­sen, die Fahr­kar­ten vor Fahr­an­tritt am Au­to­ma­ten zu kau­fen. Die­ser zeigt an, dass er nur noch Klein­geld an­nimmt. Um den Au­to­ma­ten be­die­nen zu kön­nen, muss man vor­her Geld wech­seln. Und so wei­ter...

11 Kommentare Schreibe einen Kommentar

  1. XXL
    Mein Bei­leid! Mein Aha-Er­leb­nis in die­ser Hin­sicht ge­schah beim letz­ten So­fa­kauf. (Da­zu muss ge­sagt wer­den, Öster­reich ist vol­ge­stellt mit XXL-Ein­rich­tungs­häu­sern, weil den Men­schen der Gar­ten­zaun, das da­hin­ter be­find­li­che Ei­gen­heim und des­sen mög­lichst ge­schmacks­fer­ne Ein­rich­tung im­mens wich­tig zu sein scheint.) Al­so frisch drauf­los: Al­le XXL-So­f­adea­ler ab­ge­klap­pert, Be­ra­tung Null, gräus­li­che Mö­bel, sticki­ge Luft, Ge­schmacks­ver­ir­rung und Aus­trock­nung dro­hen. Zu­letzt bei ei­nem klei­nen Hand­wer­ker ge­lan­det der ver­meint­lich sau­teu­re De­si­gner­tei­le (ge­die­gen her­ge­stellt in Deutsch­land) ver­treibt. Der war ganz oh­ne Feil­schen um 1/3 gün­sti­ger als die XXL-Rie­sen! Nicht weil er so bil­lig, son­dern weil die bil­li­gen so teu­er sind.

  2. Kun­de sein? Ei­ne Men­ta­li­täts­fra­ge
    Aber es sind doch WIR, die zu teu­er sind – und zu­gleich uns sel­ber nicht teu­er ge­nug sind. Und da­mit die Din­ge ent­wer­ten.
    Wenn ich in Eng­land ein Call-Cen­ter an­ru­fe (ein eng­li­sches), kom­me ich in je­dem Fall wei­ter. Das kann mir zwar auch hier pas­sie­ren, aber nur, wenn die Sa­che ir­gend­je­man­dem auch et­was „ko­stet“ (zu­letzt al­so mir sel­ber et­was wert ist).

    Wir aber sind es, die nichts be­zah­len möch­ten, die spa­ren wol­len „um je­den Preis“. Und so ver­die­nen wir es uns auch!

    Und die glei­che Lieb­lo­sig­keit gibt es üb­ri­gens auch bei all dem vul­gä­ren Lu­xus der „Mar­ken“ und ih­rer Ver­hö­ke­rung. Kun­de sein ist ei­ne Sa­che der Men­ta­li­tä­ten. Und zu jeg­li­chem Sein, ge­hört auch im­mer in Gran Hin­ge­ge­ben­sein. Das scheint bei der Ver­fla­chung der Ge­mü­ter das Kost­bar­ste...

  3. Ich ver­ste­he das Ar­gu­ment schon
    Aber die Glei­chung: Kauft man Fleisch beim Metz­ger statt in der Bil­lig­the­ke, dann hat man ga­ran­tiert kein Gam­mel­fleisch stimmt lei­der nicht per se! Der hö­he­re Preis ist be­dau­er­li­cher­wei­se kei­ne 100%- Ga­ran­tie für ein bes­se­res Pro­dukt. Ich ver­ur­tei­le die­ses Bil­lig­tum auch – und kau­fe im­mer wenn es geht auf Märk­ten oder in Fach­ge­schäf­ten. Üb­ri­gens: In den »Feinkost«-Abteilungen der Wa­ren­häu­ser wird man ge­nau so be­han­delt wie bei Al­di.

    Letzt­lich fehlt in Deutsch­land ein Ver­ständ­nis für DIenst­lei­stun­gen; »die­nen« gilt als ob­so­let und er­nied­ri­gend. Deutsch­spra­chi­ge Call­cen­ter sind oft nicht 24 Stun­den be­setzt; be­zah­len muss ich trotz­dem (ob mir ge­hol­fen wur­de oder nicht) – über die Te­le­fon­ge­bühr.

    Ich ver­lan­ge üb­ri­gens nicht, dass man mir ei­nen ro­ten Tep­pich aus­rollt...

  4. Wie wä­re es mit ei­nem
    klei­nen blau­en Läu­fer.......?

    Die Ge­schich­ten mit dem Call­cen­tern fin­de ich mehr als unerträglich.Ich fra­ge mich dann auch des öf­tern ‚wie das denn ein al­ter schwer­hö­ri­ger Mensch macht, wenn er von ei­nem vir­tu­el­len Ge­gen­über dumm an­ge­macht wird?
    Ich brau­che gar kei­ne Call­cen­ter, de­ren Mu­sik ken­ne ich FAST auswendig.Meine Er­fah­rung ist,dass das nur auf mei­nen Ner­ven rum­tram­pelt, wenn ei­ne wahr­schein­lich auch 400€-Hab-NUll-Ahnung-Kraft an der Lei­tung sitzt und mich dumm an­macht, da zu­sätz­lich noch Hab-kei­nen-Bock-Kraft und bin NUll-ein­ge­ar­bei­tet-Kraft.
    Denn ei­nen Na­men ha­ben die meist nicht und wenn sie ei­nen ha­ben, ken­nen sie sich nicht ge­gen­sei­tig .
    Ich wür­de manch­mal ger­ne für gu­ten Ser­vice be­zah­len, vor al­lem in Elek­tro­ge­schäf­ten.
    Ob WIR den Ser­vice nicht wert sind ‚weil wir spa­ren wol­len, weiß ich nicht.Ich weiß nur, dass in vie­len Be­ru­fen das VERWALTEN wich­ti­ger ist als, der Dienst am Men­schen.
    Wir QUa­li­täts­kon­trol­lie­ren uns zu To­de.

    Ich schen­ke dir/ Ih­nen ei­nen klei­nen wei­ßen Flo­ka­ti!

  5. ...doch noch ein­mal Men­ta­li­tä­ten
    Al­so der ro­te oder sonst­wie far­bi­ge Tep­pich kann ei­nen ja da­zu nö­ti­gen, sich sel­ber noch mehr bloß­zu­stel­len, egal ob beim So­cie­ty-Emp­fang oder beim Kun­den­pro­fi­le aus­spä­hen – wer sich in die Öf­fent­lich­keit be­gibt, kommt dar­in um.

    Der Punkt „Dienst­lei­stung = Die­nen“ be­rührt aber in je­dem Fall wie­der die Men­ta­li­täts­fra­ge; die­ses „Mehr­be­zah­len“ (als Mar­ke­ting­trick der Selbst­auf­wer­tung des Kun­den) ist ja nur ein Ne­ben­schau­platz.

    Aber zu­letzt: meint die Herz­lich­keit ei­ner süd­län­di­schen Markt-Mam­ma, die Kom­pli­zen­schaft un­ter hin­ge­ge­be­nen Co­nais­seurs in ei­nem fran­zö­si­schen De­li oder die rhei­nisch-kum­pe­li­ge (und im­mer na­tür­lich Kunden‑, al­so Ein­nah­me­be­wuss­te) Tüch­tig­keit ei­nes köll­schen Ver­käu­fers nicht das­sel­be?

    Der Un­ter­schio­ed scheint mir in der per­sön­li­chen ge­gen­sei­ti­gen Ver­pflich­tung zu lie­gen, in der Ver­ant­wor­tung des so­zia­len Ak­tes, im – neu­deutsch – „com­mitt­ment“ an das, was man mit dem an­de­ren zu tun hat. Der mie­se be­zahl­te Ver­käu­fer wird sich kaum zum die­nen über­re­det füh­len – aber er lässt sich si­cher per­sön­lich an­spre­chen. Und dem nölen­den, for­dern­den, oh­ne ei­ge­nen Ver­pflich­tungs-Be­griff kul­tur­lo­sen Kun­den be­geg­net nie­mand gern.

    Um es per­sön­li­cher zu sa­gen: Als ich wäh­rend ei­ner Uni-Zeit ein­mal dar­auf an­ge­wie­sen war, abends und nachts zu Ar­bei­ten, ha­be ich sel­ber im Call-Cen­ter ge­jobbt. Ein Satz aus den Crash-Trai­nings hat sich mir ein­ge­prägt, weil er über al­le Pseu­do-Freund­lich­keit („schö­nen Tag noch“ – ich kanns nicht mehr hö­ren!) und vor­ge­täusch­te Kom­pe­ten­zen das We­sent­li­che des ja auch me­dia­len Vor­gangs der so­zia­len In­ter­ak­ti­on in ei­nem Satz zu er­fas­sen schien: „Führ‘ ein gu­tes Ge­spräch!“

    Ich den­ke, das wür­de tat­säch­lich al­len und im­mer wei­ter­hel­fen!

  6. Ver­pflich­tungs­be­griff
    Und dem nölen­den, for­dern­den, oh­ne ei­ge­nen Ver­pflich­tungs-Be­griff kul­tur­lo­sen Kun­den be­geg­net nie­mand gern.
    Ei­ne (po­ten­ti­el­ler) Kun­de ist zu­nächst ein­mal tat­säch­lich oh­ne »Ver­pflich­tungs-Be­griff«. Hier­auf wür­de ich auch zu­nächst be­stehen (las­sen wir die so­zi­al [in­zwi­schen als ok­troy­iert emp­fun­de­nen?] Höf­lich­keits-In­ter­ak­tio­nen ein­mal bei­sei­te).

    Pri­mär bin ich für die mie­se Ent­loh­nung der Leu­te nicht ver­ant­wort­lich. In den Tex­til­ab­tei­lun­gen der Kauf­häu­ser wer­den selbst No­bel­mar­ken, die dort Stand­flä­chen mie­ten, von 400-Eu­ro-Kräf­ten ver­kauft (drei rei­chen). Die Leu­te wer­den in drei, vier Ta­gen an­ge­lernt und fer­tig. In den Prei­sen schlägt sich das – na­tür­lich! – nicht nie­der.

    »Führ’ ein gu­tes Ge­spräch« – Ja, ei­ne schö­ne Ma­xi­me. Wenn man mal ei­nen Ver­käu­fer hat, der auch die Zeit da­für hat und nicht ei­nen an­de­ren Kun­den des­we­gen war­ten las­sen muss.

    Ich stim­me über­ein, dass die »Kun­den« in Deutsch­land am Ast sä­gen, den sie ei­gent­lich pfle­gen soll­ten. Ich neh­me mich da na­tür­lich nicht aus. Aber die im Ar­ti­kel an­ge­spro­che­nen Aus­wüch­se oder auch nur die On­line-Ein­kaufs­mög­lich­kei­ten, sind – poin­tiert for­mu­liert – Er­geb­nis­se jahr­zehn­te­lan­ger Sug­ge­stio­nen, die dem Kun­den zei­gen sol­len, dass es bes­ser ist, er küm­me­re sich um sei­ne po­ten­ti­el­len Ein­käu­fe mög­lichst sel­ber.

    Von der (un­säg­li­chen) »Do-it-yourself«-Welle der 70er/80er-Jah­re schwapp­te der Ge­dan­ke der mög­lichst aut­ar­ken Be­dürf­nis­be­frie­di­gung auf den Dienst­lei­stungs­be­reich über, be­vor die­ser über­haupt ent­ste­hen konn­te. In­zwi­schen ver­schont er kaum noch ei­nen Le­bens­be­reich. Selbst Ärz­te be­kla­gen, dass die Pa­ti­en­ten be­reits mit fer­tig ent­wickel­ten Dia­gno­sen zu ih­nen kom­men.

  7. Ich in­si­stie­re: Men­ta­li­tä­ten!
    Mit der „Ver­pflich­tung“ mein­te ich den An­teil an Rol­le, der schlicht in je­dem so­zia­len Akt in­be­grif­fen ist: Egal wel­chem. Und das Kun­de-sein ist durch die Per­ma­nenz und Pe­ne­tranz der seins-um­stel­len­den Re­kla­me­wel­ten so zu­sa­gen ei­ne Al­ter Ego-Rol­le ei­nes je­den, d.h. er hat ein fa­cet­ten­rei­ches Bild von sich in den Rol­len sei­ner Kauf­ak­ti­vi­tä­ten (vom Bäcker­la­den über den du­ty-free-shop zur Lu­xus-Bou­tique usw.... bis ins Un­end­li­che der ge­sell­schaft­li­chen Di­ver­si­fi­ka­tio­nen).

    Die­se Art so­zia­le – so zu sa­gen Mas­kie­rung – des Ver­hal­tens ver­kommt aber im­mer mehr mit dem Kul­tur-Ver­lust (sic!) beim Be­zah­len: Ich kann igno­rant sein – schließ­lich le­ge ich Geld da­für hin!
    (Man be­ach­te das be­son­ders kras­se Aus­ein­an­der­fal­len bei den Neu­rei­chen, heut­zu­ta­ge den Rus­sen und Chi­ne­sen: Je­der mo­kiert sich über ihr Ba­nau­sen­tum, aber ih­re Nai­vi­tät als Kun­den ist doch auch geld­wert = will­kom­men.)

    Der ewi­ge „Ver­glei­cher“ der zum Sa­turn-Markt geht (oder ist das die an­de­re Ket­te? Hab’s ge­ra­de nicht pa­rat), ist über das Preis­mar­ke­ting ge­wis­ser­ma­ßen im vor­aus um sei­ne son­sti­gen Kun­den- und al­so Rol­len-Mög­lich­kei­ten & auch (ihn da­mit er­he­ben­den) ‑Ver­pflich­tun­gen ge­bracht wor­den, und tritt dann ent­spre­chend „re­du­ziert“ dort auf. Das heißt, er ist als Kun­de nur mehr ein For­de­rer und Be­zah­ler – und um da­mit et­li­che sei­ner so­zia­len In­ter­ak­ti­ons­mög­lich­kei­ten ent­wer­tet (u.a. auch als „Kö­nig“ – denn nicht nur mit den Bench­marks jeg­li­chen In­ve­sti­ments in ihn ist schon al­les de­fi­niert).

    (Ähn­li­che Ef­fek­te auch im Su­per­markt: Bis zur Kas­se ha­be ich un­be­grenz­ten Kre­dit – bin aber eben­so ein po­ten­zi­el­ler Dieb und ste­he un­ter Über­wa­chung. Usw. Pa­ra­do­xien des Ka­pi­ta­lis­mus. Ana­log den „me­ta­phy­si­schen Mucken“ der Wa­ren­welt à la Marx?)

    Man be­ach­te den Rück­zug von WalM­art aus Deutsch­land – ein­zig­ar­tig in der Welt!

    & als Mar­gi­na­lie (wenn das hier zu Lin­ken er­laubt ist) noch das von heu­te:

    http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,439566,00.html

  8. Men­ta­li­tä­ten
    Ich glau­be, das gan­ze »Kunden«-Geschwafel der letz­ten Jah­re re­sul­tiert nur auf den ste­ti­gen Nie­der­gang des­sen, was ei­ne »nor­ma­le« so­zia­le In­ter­ak­ti­on mit kom­mer­zi­el­lem Hin­ter­grund ist: ein Mi­ni­mum ein Höf­lich­keit – von bei­den Sei­ten; Kom­pe­tenz von sei­ten des Ver­käu­fers; Loya­li­tät des Kun­den, nicht die Be­ra­tung im Fach­ge­schäft zu su­chen und dann im Son­der­an­ge­bot ei­nes Dis­coun­ters den Fern­se­her für 30 Eu­ro preis­wer­ter kau­fen – kurz: die »Men­ta­li­tä­ten« wa­ren an­de­re.

    Die Sicht, der Kun­de sei nur noch For­de­rer und Be­zah­ler ist ein von au­ssen auf­ge­stülp­tes Ver­hal­ten; für den Ver­käu­fer ist die­ses Ver­hal­ten u. U. kom­for­ta­bler (= bil­li­ger), als durch ein »gu­tes Ge­spräch« ei­ne Kun­den­bin­dung zu ge­ne­rie­ren. Ge­wis­ser­ma­ssen sind die­se so­zia­len Vor­gän­ge ver­sach­licht wor­den – wie man das üb­ri­gens im ex­tre­men Fall in Al­ten­pfle­ge­hei­men se­hen kann: die ex­trem ho­hen Ko­sten dort (ab rd. 3.000 Eu­ro im Mo­nat) ste­hen in kei­nem Ver­hält­nis mehr zu der er­brach­ten Lei­stung – da­her sind bei­de Sei­ten (zu recht!) un­zu­frie­den: die »Kun­den« (die al­ten Men­schen), die nur als blo­sses bü­ro­kra­ti­sches Ob­jekt be­trach­tet wer­den, wel­ches ei­ne Un­men­ge Geld zu be­zah­len hat und die »Dienst­lei­ster« (Pfle­ger, Kran­ken­schwe­ster; in Gren­zen auch Ver­wal­ter), die ge­zwun­gen sind, nach Quo­ten und Plä­nen zu agie­ren.

    Üb­ri­gens: Die Men­ta­li­tät des »For­de­rers« ist bei wei­tem noch nicht durch­gän­gig in Deutsch­land vor­han­den. Ich glau­be, dass man sich in Deutsch­land als An­bie­ter noch ei­ne Men­ge »er­lau­ben« kann; der »Ser­vice­ge­dan­ke« ist in an­gel­säch­si­schen Län­dern, aber auch Frank­reich oder Spa­ni­en we­sent­lich aus­ge­präg­ter. In Deutsch­land ist da­für die Men­ta­li­tät des »Sel­ber­ma­chens« sehr viel eher er­folg­rei­cher, als in an­de­ren ver­gleich­ba­ren Län­dern.

    WalM­art ist – da ha­ben Sie recht – si­cher­lich ein­ma­lig. War­um das Schei­tern? Die Ame­ri­ka­ner, die von au­ssen in die deut­sche Su­per­markt­land­schaft ein­ge­bro­chen sind, konn­ten den Preis­wett­be­werb ge­gen die eta­blier­ten Händ­ler (und Ket­ten) nicht mit­hal­ten. Hin­zu kam, dass das Image von An­fang an recht schlecht war. Lei­der (ein Ver­säum­nis mei­ner­seits) war ich nie in ei­nem sol­chen La­den und kann nicht be­ur­tei­len, ob es dort mehr »Dienst­lei­stung« gab; ich ver­mu­te je­doch eher nicht bzw. nur so mar­gi­nal, dass die Kun­den lie­ber wie­der zu den »Stamm­dis­coun­tern« wech­sel­ten, so­bald man dort auf die WalM­art-An­ge­bo­te ein­ge­stie­gen war. Ir­gend­wann ist die Preis­spi­ra­le na­tür­lich zu En­de und zu wei­te­ren Ver­lust­jah­ren war man wohl in den Staa­ten nicht be­reit.

    Der ver­link­te Ar­ti­kel ist in­ter­es­sant. Die­se Men­ta­li­tät (»ich lie­be mei­ne Kun­den«) ist na­tür­lich das an­de­re Ex­trem; es wirkt ziem­lich dick auf­ge­tra­gen...

  9. Kun­de uns Kun­den­we­sen als »lo­ka­ler« Ef­fekt
    Ge­nau das mein­te ich: Wie es (in der Ten­denz) ein höf­li­che­res, for­ma­li­sier­tes Mit­ein­an­der in Eng­land und an­ders­wo gibt, egal ob auf der Stra­ße oder „in­door“, gibt es auch Un­ter­schie­de in der Kun­den­be­hand­lung – und im Kun­den­selbst­ver­ständ­nis. (Al­ler­dings auch mit den je lo­ka­len Selt­sam­kei­ten: Die bis zum De­vo­ten höf­li­che Tür­ste­he­rin ei­nes ja­pa­ni­schen Kauf­hau­ses im Zen­trum wird zur Rus­hour et­wa im Ban­hof Shin­juku ge­nau­so ein Ell­bo­gen­teu­fel wie al­le an­de­ren.)

    Hier, wo je­der Zwei­te duzt und of­fen­siv und un­ge­niert schaut, dass er im Vor­teil ge­gen­über sei­nem „Näch­sten“ bleibt, fällt er dann eben auch als Kun­de aus der Rol­le – nach bei­den Sei­ten. Und es stimmt wohl lei­der auch, dass man sich hier noch ei­ne Men­ge ge­gen­über dem Kun­den „er­lau­ben“ kann, egal wie sehr man ihn rhe­to­risch im Vor­feld des Kauf­ak­tes auf­wer­tet.

    Was WalM­art an­ge­langt: Na­tür­lich bin ich Laie, aber bei den we­ni­gen Be­su­chen dort konn­te ich kei­ner­lei Un­ter­schie­de fest­stel­len – die glei­che ef­fek­ti­ve Lieb­lo­sig­keit, ein so zu­sa­gen „deut­sches“ WalM­art, oh­ne sei­ne US-Spe­zi­fi­ka. Und viel­leicht war DAS das Pro­blem (au­ßer der un­se­li­gen Ver­kür­zung von al­lem und je­dem auf den „Preis“) – die man­geln­de Qua­li­tät ir­gend­ei­ner Dif­fe­renz?

    Um ein Fa­zit zu ver­su­chen: Es ist al­so wohl ei­ne Fra­ge des Be­wusst­seins (um die „Men­ta­li­tät“ ein­mal zu ver­mei­den), wel­che Sor­te Kun­de man ist – die selbst kom­mu­ni­ziert sich und ge­ne­riert ent­spre­chen­den Re­spon­se.
    Letzt­lich aber steht je­der­mann (wie beim tref­fen­den Bei­spie­le Al­ten­pfle­ge und zu­neh­mend auch im „Ge­sund­heits­we­sen“) un­ter der­sel­ben Dro­hung der Letzt­be­grün­dung von al­lem und je­dem: Eben Geld als ge­mein­sa­mer und zu­neh­mend letz­ter Nen­ner sämt­li­cher Wer­te. (Ge­org Sim­mel)

  10. Lo­ka­ler Ef­fekt
    Zu un­ter­su­chen wä­re, in­wie­fern bei­spiels­wei­se die bri­ti­sche Höf­lich­keit letzt­lich nur ein Rol­len­spiel dar­stellt und das deut­sche (mir ge­le­gent­lich wi­der­lich schei­nen­de) »di­rek­te« nicht ein­fach »ehr­li­cher« ist.

    Ich ar­bei­te seit vie­len Jah­ren eng mit ei­ner eng­li­schen Kol­le­gin be­ruf­lich zu­sam­men. Wenn sie mit Freun­den oder Ver­wand­ten in GB ein­kau­fen geht, so ist man über ih­re »Ein­deut­schung« fast schockiert; in vie­len Fäl­len hat sie das flos­kel­haf­te Drum­her­um­re­den ab­ge­legt und sagt – tat­säch­lich! un­er­hört! – auch schon ein­mal deut­lich »nein«. Um­ge­kehrt, wenn man hier mit ihr ein­kau­fen geht, so pocht sie enorm auf »Ser­vice« und fin­det das Ein­kau­fen in Deutsch­land fast im­mer fürch­ter­lich. Für die­je­ni­gen, die bei­spiels­wei­se mit »Schö­nen Tag noch« an­gel­säch­si­sches Ver­hal­ten ko­pie­ren (sie er­wähn­ten es schon), hat sie nur Spott üb­rig.

    Dan­ke für Ih­re sehr schö­nen Kom­men­ta­re. Im­mer ger­ne ein­ge­la­den...(kei­ne Flos­kel)

  11. ja wenn man ei­ne fahr­kar­te
    z.b. in bre­men nach ve­ge­sack kauft und als ei­gent­lich aus­laen­der nicht mit­be­kommpt das man die kar­te auch au­to­ma­tisch ab­stem­pel, en­tuel­ti­gen, muss, dann kann man schon ar­re­tiert wer­den, wenn man als ent­schul­di­gung, fuer den an­geb­li­chen ver­such der ab­stem­pe­lung zu hin­ter­ge­hen, kei­nen ame­rik­an­si­chen pass hat, von dem bra­ven bun­des­bahn po­li­zi­sten!