Wenn man die aktuelle Doping-Hysterie anlässlich der Olympischen Winterspiele und die Bekenntnisse zum „sauberen Sportler“ verfolgt, so fühlt man sich in die Zeiten der 70er und 80er Jahre zurückversetzt, als die so umstrittene Amateurregelung für heftige Diskussionen und – aus heutiger Sicht – lächerliche Disqualifikationen sorgte.
Als man der vermeintlich wachsenden Kommerzialisierung nicht mehr widerstehen konnte, interessierte das IOC das Geschwätz von gestern nicht mehr. Galt vorher ein Sportler, der irgendwann einmal für 1000 Dollar an irgendeinem Sportfest teilgenommen hatte als Verbrecher, so vollzog man fast von heute auf morgen die Kehre. Konnte man doch prima selber von Übertragungsrechten, Werbeeinnahmen und Sponsoren partizipieren – natürlich alles zum Wohle des Sports.
Der mindestens seit den 60er Jahren zunehmenden Doping-Problematik (insbesondere in den osteuropäischen Staaten und den USA) versuchte man seit den 90er Jahren massiv entgegen zu wirken. Die Erfolge sind ähnlich derjenigen, wie im „zivilen Leben“ Rauschgiftkriminalität bekämpft wird: Mal erwischt man welche – ab und zu werden Idole von den Podesten gestürzt – aber letztlich ist die Dunkelziffer derjenigen, die einfach rechtzeitig genug die „Bremse“ ziehen, sehr gross; insbesondere was die Ausdauersportarten (Skilanglauf; Radsport; Leichtathletik) angeht.
Medikamente, die bei „normalen“ Erkrankungen verabreicht werden, stehen wegen ihrer Wirkstoffe auf der Dopingliste; der Athlet muss erkrankt antreten oder gleich aufgeben. Blut‑, Eigenblut- und EPO-Doper sind cleverer – sie hören vorher auf und sind von denen, die ihre Blutwerte aufgrund eines „legalen“ Höhentrainings erhalten haben, nicht zu unterscheiden.
Spektakuläre Aktionen wie die Razzia bei der österreichischen Biathlon-Mannschaft beruhigen in ihrem Aktionismus das Gewissen der Verantwortlichen; fast scheint man froh, wieder einige Sündenböcke gefunden zu haben. Dass die inkriminierten Athleten leistungsmässig (trotz eventuellem Doping) bisher nicht überragend in Erscheinung getreten sind, fällt im Selbstbefriedigungstrubel kaum auf.
Insbesondere Richard Pound von der Weltdopingagentur WADA kämpft unermüdlich „für den Sport“. Da kommen auch schon mal Athleten mit schwankenden Blutwerten (die auch noch falsch ermittelt wurden) a priori unter Generalverdacht. Immerhin räumt er im ZDF-Interview heute ein, manchmal durchaus zu skeptisch zu sein.
Vergessen wird dabei, woher die WADA eigentlich ihre Legitimation holt und durch wen sie kontrolliert wird. Auf der eigenen Webseite gibt man eher ein diffuses Bild. So erscheint die Organisation streng genommen im „luftleeren Raum“ zu operieren, ausgestattet mit erstaunlichen Kompetenzen. Demokratisch legitimiert und kontrolliert ist sie jedoch offensichtlich nicht. Finanziell fehlt es aber offensichtlich an nichts.
Um mich als interessierter Laie nicht zu sehr mit Blutwerten, Urinproben und pharmakologischen Grundkenntnissen belasten zu müssen, schlage ich vor, Doping grundsätzlich frei zu geben und dem Athleten die Entscheidung selber zu überlassen. Damit hätte auch die Geheimniskrämerei der Sportfunktionäre ein Ende; sie bräuchten ihre Sportler nicht mehr zu belügen. Jeder trägt im Bewusstsein des Risikos die Verantwortung selber. Und vor allem: Uns wird nicht das erbärmliche Märchen des „sauberen Sports“ vorgespielt. Wer’s sehen will, sieht’s – wer dem nichts mehr abgewinnen kann, lässt es sein. Führt es tatsächlich zu nachlassendem Interesse, wird über den ökonomischen Faktor das Regulativ wirken.
Und irgendwann veranstaltet man dann die Spiele der dopingfreien Sportler. Das wären dann meine Spiele.