Die Fussball-Weltmeisterschaft ist zu Ende – Italien ist Weltmeister; Sieger eines kuriosen Finales. Es war – wie man allenthalben hört – ein tolles Fest; das Wort der »WM-Party« machte die Runde. Hunderttausende standen vor Grossbildschirmen. Berichterstattung hierüber war Pflicht. Gelegentlich konnte man glauben, das Drumherum sei wichtiger als die Spiele.
Die Euphorie, die spätestens nach dem furios gewonnenen Eröffnungsspiel der deutschen Mannschaft einsetzte, kannte kaum noch Grenzen. Voreilige Urteile, ein neuer, gar gefährlicher Patriotismus könne sich entzünden, müssen allerdings wohl begraben werden. Die Fahnen sind schon weitgehend wieder verschwunden. Vermutlich wird die Prognose von Harald Schmidt eintreffen: Spätestens zum Advent ist wieder die alte Stimmung im Land!
Und wie so oft haben die Deutschen selber mehr Probleme mit ihrer entdeckten Hymnenliebe als andere Länder. Ganz interessant war, dass bei Übertragungen des ZDF auf einer Videotextseite die Nationalhymnen der gerade am Spiel beteiligten Nationen »zum Mitsingen« abgedruckt wurden – samt entsprechender Übersetzung ins Deutsche. Wer das gelesen hat und die martialischen Texte (die sicherlich in langen Traditionen ihre Berechtigung haben) anderer Länder dadurch kennenlernte, weiss um die Harmlosigkeit der dritten Strophe der deutschen Hymne. Umso peinlicher dann der Vorstoss der GEW.
Vergessen wird dabei, was diese Euphorie erzeugte. Deutschland, überall und von allen politischen Lagern seit Jahren heruntergeredet (zuletzt durch die Bemerkung der Kanzlerin, Deutschland sei auch ein Sanierungsfall), schien aufgrund einer selbsterfüllenden Prophezeiung etwas zu schaffen, was ihnen niemand – nicht einmal die grössten Fans – zugetraut hatten. Dabei spielt es keine Rolle, dass die Mannschaft unter Klinsmann formal schlechter abschnitt als 2002 unter dem braven Rudi Völler, der mit Rumpelfussball und viel Glück (Siege über Paraguay und die USA – beides Spiele zum Abwinken) ins Endspiel kam. Dass man dann dort das beste Spiel zeigte und dennoch verlor, erklärte die gute Laune 2002.
Im Gegensatz zu damals spielte Deutschland aber nicht nur erfolgreich, sondern auch noch gut. Sicherlich nicht technisch gut, aber kämpferisch. Man konnte als Fan sozusagen »Flagge zeigen« ohne die Häme im Hintergrund zu hören (»Fussball ist ein Spiel für 22 Leute, und am Ende gewinnt immer Deutschland.«) oder sich gar zu schämen. Ein Fussballspiel der deutschen Nationalmannschaft anzuschauen, war nicht länger eine Pflichtübung, sondern ein Vergnügen. Die ersten dreissig Minuten im Achtelfinalspiel gegen Schweden war das Beste, was seit Jahren von einer deutschen Nationalelf gezeigt wurde. Und der Einsatz gegen Argentinien, mit dem es gelang, eine spielerisch eigentlich überlegene Mannschaft zu besiegen (freilich, der argentinische Trainer Pekermann hatte sich auch klassisch »verzockt«, als er zu früh auf das Halten des 1:0 Vorsprungs setzte und Riquelme und Crespo gegen defensive Spieler auswechelte), war – neben dem Glück beim Elfmeterschiessen – beeindruckend.
Klinsmanns Konzept, fehlende Klasse und Erfahrung durch psychologische und körperliche Fitness zu kompensieren, ging (fast) voll auf. Dabei ist es eine verkürzende Darstellung, dass es sich um eine »junge Mannschaft« handele. Die wichtigen Positionen (Tor; Mittelfeld durch Ballack und Frings; Klose / Neuville) waren mit Spielern besetzt, die 2010 normalerweise zu alt sein dürften. Ihre letzte Chance ist die EM 2008. »Jung« war allerdings die im Vorfeld so oft geschmähte Innenverteidigung. Einige der jungen Spieler (Schweinsteiger und am Anfang Podolski) enttäuschten sogar ein wenig. Andere kamen kaum zum Einsatz. Dennoch: Der »Umbruch«, der »Generationenwechsel« kommt für die deutsche Nationalmannschaft nicht so stark wie für andere Teams (beispielsweise die Franzosen). Eine längerfristige Perspektive ist gegeben.
Die WM bot alles in allem enttäuschenden Fussball. Damit ist nicht gemeint, dass es nicht spannend war. Aber es zeigte sich, dass es fast schon als mutig gilt, mit zwei Stürmern zu spielen. Allzu oft sah sich die einzige Spitze (beispielsweise Englands, Hollands, Frankreichs, Portugals) von sieben oder acht defensiven Gegenspielern umringt. Wenn dann doch die Mannschaften technisch mässig spielen und/oder nervös sind, gibt es Spiele wie Ukraine-Schweiz (Achtelfinale) – Fussball zum Abwinken. Oder: 4–4‑1–1. Na toll. Wann gibt’s denn 4–5‑1–0? Für eine WM kann man sich so was einmal nschauen. Sollte dies aber die Regel werden, büsst der Fussball an Attraktivität ein.
Risikofussball, der die Gefahr von Kontern für den Gegner in sich birgt, wurde kaum belohnt. Mannschaften wie die Elfenbeinküste oder auch Ghana scheiterten neben der Abschlussschwäche ihrer Stürmer an der Abgeklärtheit professioneller Abwehrketten. Eine der perfektesten defensiven Leistungen des Turniers zeigte zwei Spiele lang die Mannschaft des kleinsten Teilnehmerlandes: Trinidad und Tobago. Natürlich hatten sie gegen England keine Chance, aber bis rund zehn Minuten vor Schluss hielten sie in einem grossen Kraftakt ein 0:0. Der Überraschungseffekt von unbekannten Mannschaften verlagert sich dahingehend, dass sie nicht mehr gegen die »grossen Mannschaften« gewinnen, sondern nicht verlieren. Ein Unentschieden »retten« galt als Erfolg – sicherlich zu Recht, aber soll es auch als Tugend gelten?
In den Viertel- und Halbfinalspielen zeigte sich, dass das Elfmeterschiessen als eventueller Abschluss eines Spieles ambivalent ist. Als Deutschland sich bereits hierauf einstellte, gelang den Italienern, die es unter allen Umständen verhindern wollten, das entscheidende Tor. Ich hatte vorher auf Phoenix noch einmal in das Spiel Deutschland-Italien im Halbfinale 1970 geschaut (von vielen als das »Jahrhundertspiel« bezeichnet). Die Verlängerung war sehr viel intensiver als fast alle Verlängerungen in der WM 2006. Vermutlich aus einem Grund: Damals, 1970, wurde nach einem eventuellen Unentschieden nach 120 Minuten gelost. Das bedeutete, man hatte keinen Einfluss mehr. Beim Elfmeterschiessen gibt es jedoch Einflüsse genug (Torhüter; sogenannte »sichere Schützen«, usw.). Vielleicht sollte man das Los als »Drohung« wieder einführen, um die Verlängerungen attraktiver zu machen.
Leider bestimmten über die Massen die Schiedsrichter auch die Entscheidungen dieser WM. Die kategorische Weigerung der FIFA, für wichtige und strittige Entscheidungen einen Videobeweis zuzulassen, könnte auf lange Sicht den Fussball beschädigen.
Die Situation ist vollkommen pervers: Der Schiedsrichter muss sofort eine Entscheidung treffen (Elfmeter; Tor oder Nicht-Tor; Abseits). Auf den Videoleinwänden im Stadion werden den Zuschauern die inkriminierten Vorgänge nicht gezeigt (wenigstens im Finale ist das so gewesen). Millionen Menschen wissen binnen Sekunden mehr als die fünf Schiedsrichter und 60.000 Zuschauer im Stadion. Im Endspiel machte man für Zidanes Kopfstoss eine Ausnahme; ein zweifelhaftes Unterfangen. (Wie immer wurde der Provokateur zum Opfer deklariert; interessantes dazu hier).
Diesem Blödsinn haben es die Italiener zu verdanken, dass sie überhaupt so weit gekommen sind. Denn der Elfmeter zehn Sekunden vor Schluss gegen Australien war keiner. Oder das 2:0 der Franzosen gegen Südkorea, als der Ball eindeutig hinter der Linie war und nicht gegeben wurde. Das Spiel endete 1:1 und hätte den Franzosen fast das Weiterkommen gekostet. Oder die Szene im Halbfinale Deutschland-Italien als ein italienischer Spieler Ballacks Schuss mit dem Arm herumdrehte! Und so weiter.
Besonders benachteiligt wurden die Mannschaften mit kleiner »Lobby«. Die Elfenbeinküste im Spiel gegen Argentinien (eines der besten Spiele der WM) bekamen einen klaren Strafstoss nicht; Brasilien erkannte man ein Tor gegen Ghana an, welches eindeutig abseits war. Mussten immer die »richtigen« Mannschaften weiterkommen?
Mit Italien ist eine Mannschaft Weltmeister geworden, von denen etliche Spieler in die Wett- und Korruptionsaffären der Heimat verwickelt sind. Heute soll dort das Urteil über einen eventuellen Zwangsabstieg der betroffenen Vereine gefällt werden. Wie es wohl ausfallen mag? Und: Kann es sein, dass derartige Spielmanipulationen ohne Wissen der Spieler geschehen? Und wie soll man eigentlich diese merkwürdige Verbundenheit zu den Angeklagten (die ja bis zu einer Verurteilung als unschuldig zu gelten haben) verstehen? Vergleichbar, als hätte man in Deutschland Solidaritätsadressen für den Schieberrichter Hoyzer abgegeben. Daher ein schaler Nachgeschmack (der nichts mit »schlechter Verlierer« zu tun hat), gilt doch im Sport allgemein, dass der Verdacht bereits eine Nichtteilnahme nach sich zieht (beispielsweise beim Doping).
Neben Deutschland überzeugten die Italiener fussballerisch am stärksten; die Franzosen zeigten sich als Turniermannschaft, begannen schlecht und steigerten sich kontinuierlich. Die arroganten Brasilianer, deren lauffaule und pummelige Stürmer (Ronaldo und Adriano) Symbol für die ganze Mannschaft waren, schieden verdient aus. Hier steht – genau wie im wieder einmal vollkommen überschätzten englischen Fussball – ein Neuanfang an.
Gibt es auch einen Neuanfang (den wievielten?) bei der deutschen Mannschaft? Bleibt Klinsmann Bundestrainer? Jetzt, da er fast heilig gesprochen scheint (wie weiland 1990 Beckenbauer nach dem Titelgewinn, der vorher auch von den Medien nicht sanft angegangen wurde und dennoch stur blieb). Oder sagt Klinsmann sich, dass man dann aufhören soll, wenn es am Schönsten ist?
Es würde dem Geist dessen, was er dort in eine Mannschaft hineingebracht hat widersprechen, würde er aufhören. Er wird vielleicht in einem neuen Vertrag grössere Freiheiten als bisher fordern, vielleicht auch mehr Geld – und alles bekommen. Klinsmann ist intelligent genug zu wissen, dass zwei verlorene Spiele in der EM-Qualifikation die Stimmung wieder kippen könnte. Aber er denkt nie das Negative zuerst, sondern motiviert sich und die anderen am positiven. Ein Träumer ist er aber nicht und das Schönreden des isländischen Fussballs eines Rudi Völler in dem legendären Ausraster-Interview käme ihm nie in den Sinn. In den Verbandsniederungen und –intrigen des DFB war Klinsmann nie zu Hause. Das ist ein Riesenvorteil. Viel zu wenig wird gesehen, dass ausgerechnet derjenige, der als Verkörperung verkrusteter Strukturen gilt, der (scheidende) DFB-Präsident Meyer-Vorfelder, einer der glühendsten Verfechter pro Klinsmann war – und zwar immer, auch als zaudernde »Kaiser« nach Anwesenheiten fragten.
Klinsmann hat erkannt, dass der deutsche Fussball Defizite im spielerischen Bereich hat. Im Gegensatz zu seinen Vorgängen belässt er es nicht dabei, dies als Pauschalentschuldigung zu nehmen, sondern versucht über Taktik, Kondition und Strategie gegenzusteuern. In den letzten Interviews der WM-Tage thematisierte er immer mehr den Bereich der Nachwuchsförderung. Junge, deutsche Spieler sollten nicht nur gefördert werden, sondern auch in den Klubs früh und dauerhaft spielen. Den Halbsatz, der auf die anderen zeigen würde, die Chefeinkäufer der grossen Vereine, lässt er weg. Das ist Klinsmann-typisch. Jeder kann ihn sich denken. Der Wahnsinn, aus allen Ländern in einem Wettbewerb die besten Spieler für riesige Summen einzukaufen, kann und wird auf Dauer keine Lösung sein. Ein Provinzverein wie Borussia Mönchengladbach hat es schon in den 70er Jahren vorgemacht, was mit konsequenter Nachwuchsförderung erreicht werden kann.
England und Spanien, also Länder deren Vereinsmannschaften in den Ligen auf den Zukauf ausländischer Spieler fokussiert sind, sind frühzeitig ausgeschieden. Deutschland war hier die Ausnahme. Dennoch: Wenn man an den Anfang denkt, an die Nominierung des Kaders, stellte sich sehr schnell die Frage, warum man Spieler X oder Y nehmen soll, der im Verein nur zweite Wahl sei oder gar auf der Bank sitzen würde.
Eine Mannschaft, das ist die banale Botschaft, ist mehr als die Summe ihrer einzelnen Spieler. Das hatten spätestens die Griechen bei der EM 2004 gezeigt. Die Mannschaften, die mit „Superstars“ glänzen wollten und hierüber den Zusammenhalt vergassen, fuhren meist schnell wieder zurück (Ausnahme Frankreich).
Noch ein Wort zu der Fernsehberichterstattung: Wäre es nicht technisch möglich, auf einer parallelen Tonspur nur den Stadionton auszustrahlen, und die Kommentare von Herrn Beckmann auf einer anderen, abschaltbaren Spur? Das muss doch möglich sein, oder?
Nachtrag 12.07.2006
Jürgen Klinsmann wird seinen Vertrag nicht verlängern. Da ist schon von »Brocken hinwerfen« die Rede und die Spekulationen schiessen ins Kraut, wer denn der Nachfolger wird.
Offenbar wollte sich Klinsmann in den immer wieder zu erwartenden Kämpfen mit dem DFB und den Pöbeleien durch den Boulevard (von »BILD« bis »Spiegel«) nicht aussetzen. Ich habe grosses Verständnis dafür. Jetzt hoffieren sie ihn – aber nach ein, zwei schlechten Spielen ginge die Häme wieder los. Vielleicht hat es auch etwas damit zu tun, dass der unsägliche Beckenbauer nicht UEFA-Präsident werden wird, da der jetzige noch eine Amtszeit verlängert (mit 76 Jahren).
Fussball könnte so schön sein...
Lieber Keuschnig, den Ton kann man einfach abschalten
kurzfristig aufkommendes Gemaule im Auditorium ist schnell verstummt. Versprochen.
Man nehme Opas Weltempfänger, suche mal eben (so ca. eine halbe Stunde lang) nach BBC World, allein das vermag die versammelte Terasse in helle Begeisterung zu versetzen (todesmutig mit Wurfantenne bewaffnet auf dem Dach und so...), und genießt dann die mangelhafte Synchronisation zwischen Bild und Ton. Dass der Reporter, obschon die Flanke noch unterwegs ist, das Tor bereits frenetisch feiert. Vom qualitativen Quantensprung in Sachen Berichterstattung ganz zu schweigen.
Entgegen allen Behauptungen hat das Mutterland auch diesmal Großes geleistet, und zwar im Radio. Nur beim Elferschießen habe ich kurz an meinem Konzept gezweifelt, janu, habe ich eigentlich an allem gezweifelt – aber das steht auf einem anderen Blatt.
Tja, den Ton...
kann man abschalten, aber dann hört man gar nichts mehr. Auf die Idee mit dem Radio war ich dann auch gekommen, aber das war dann doch arg anstrengend; von der Verzögerung erst einmal gar nicht zu reden.
Vielleicht klappt es mit Ihrer favorisierten Mannschaft ja bei der EM.
Enttäuschender Fußball?
Viele haben das geschrieben, aber meiner Meinung nach liegt hier eine fehlerhafte Einschätzung vor. »Schöner« Fußball wird auf lange Sicht weder von den Fans noch von den sonstigen Geldgebern honoriert, Erfolg muss her! Und für diesen Erfolg werden alle derzeit zur Verfügung stehenden Mittel eingesetzt, einschließlich der (wie ich an anderer Stelle schon geschrieben habe) unschönen Methoden am Rande der Legalität und darüber hinaus.
Eine Mannschaft der 70er Jahre, die mit ihrem damaligen Fitnesszustand, ihren spielerischen Mitteln und taktischen Kenntnissen heute bei einem Turnier auftauchen würde, ginge mit Mann und Maus unter, hätte keine Chance gegen heutige Topmannschaften, es _wird_ also besserer Fußball als früher gespielt. Weil aber i.a. beide Mannschaften top sind, sieht es nicht mehr so gut aus.
Wenn ich mal wieder eine Parallele zum Schach ziehen darf: Vor noch zwei Jahren drohte dem Spitzenschach der Tod durch viele Kurzremisen. Jetzt gibt es bei einigen Topturnieren die von den Sponsoren durchgedrückte Regel, dass sich die Spieler während einer Partie nicht unterhalten und kein Remis anbieten dürfen. Außerdem haben die Geldgeber gedroht, ausgewiesene Langweiler nicht mehr einzuladen – das hat gewirkt.
Auf Fußball übertragen: Wenn die Spieler heute physisch fitter sind als früher, muss man dem Rechnung tragen: Tore vergrößern, Zahl der Spieler verringern, Spielzeit verlängern. Regeln wie die zum Abseits oder zur gelben Karte überprüfen, keine Auswechslungen mehr oder mehr Auswechslungen. Oder eine Mannschaft spielt von Beginn an mit einem Mann mehr, die anderen dürfen zum Ausgleich dreimal auswechseln. Oder es spielen immer drei Mannschaften gegeneinander, jeweils drei Drittel, zuerst 1–3, dann 2–3, dann 1–2. Usw. usf.
An anderer Stelle...
hatte ich ähnliche Regeländerungen auch schon vorgeschlagen. M. E. kann man sich beim Eishockey einiges abgucken: Videobeweis; »fliegende« Wechsel; für kleinere Unsportlichkeiten Zeitstrafen statt gelbe Karten; Abschaffung des passiven Abseits, usw. Bei dem Innovationstempo der FIFA kommt das in ca. 143 Jahren.
Das Spiel heute mit dem der 70er Jahre zu vergleichen, geht nicht; die Gründe hast Du schon erwähnt. Natürlich würde eine Spielweise wie 1974 heute nicht die Vorrunde überstehen. Es gibt aber Statistiken (die sind gnadenlos), die zeigen, dass die Anzahl der durchschnittlichen Tore bei einer WM immer sinken (liegt für 2006 bei glaube ich 2,3). Das hat damit zu tun, dass von seiten der Trainer mehr in die defensiven Kräfte »investiert« wurde. Die Abwehr – das konnte man oft hören – sei das »Prunkstück«. Klinsmann wurde ja kurz vor der WM noch überzeugt, nicht mit noch mehr als zwei Spitzen zu spielen, da diese sonst nicht schnell genug der Abwehr helfen können.
Die Parallele zum Schach ist in interessant: Spieler wie Ex-Weltmeister Karpov, der seinerzeit sehr erfolgreich war, aber sehr technokratisch spielte, werden beim dilettantischen Hobbyspieler (wie ich einer bin) nie dahingehend Begeisterung auslösen, dass man irgendwann unbedingt seine Partien einmal nachspielen möchte. Bei Kasparov sieht das schon ganz anders aus. Hinzu kommt, dass Kasparov durch die Abspaltung von der FIDE und Implementierung einer neuen, eigenen Organisation, für mächtig Bewegung gesorgt hat. Das Monopol der selbstherrlichen FIFA zu brechen, könnte also im Fussball auch eine Alternative darstellen.