Kluge Bemerkungen zum WikiLeaks-Hype von Harald Staun in der F.A.Z.: »Der Superstar der Sichtbarkeit«.
Zum Beispiel:
Vor lauter Suche nach immer brisanteren Details kommt niemand mehr dazu, die Relevanz der Informationen zu hinterfragen oder die Interessen, die hinter einer solchen Veröffentlichung stecken könnten.
Und warum WikiLeaks gerade nicht das Ende der Geheimnisse bedeuten wird...
Die Relevanz der Information steckt nicht in den Informationen selbst.
Desinformation hat man zu Zeiten des kalten Krieges gekannt. Damals waren die Russen und die DDR die Bösen. Amerika als Traumland für Auswanderer, das waren die Guten.
In der Zwischenzeit hat sich dieses Image relativiert, doch Meinungsfreiheit und Moral werden in den USA sehr strategisch und werbewirksam für das Selbstbild vermarktet. Die Information besteht also darin, dass die Amerikaner um nichts besser agieren als alle anderen auch.
Das wissen zwar intelligente Menschen. Aber die sind ja in der Minderzahl. (Dass Krieg nur die Fortsetzung der Diplomatie mit anderen Mitteln ist, deutet ja darauf hin, dass es auch in der Diplomatie nicht so sauber zugeht.)
Jetzt wird die »nicht-intelligente« Mehrheit über die Wikileaks-Geschichte aufgestört. Es handelt sich um eine Double-Bind-Situation. Denn entweder man stimmt den Inhalten zu und hat damit den schwarzen Peter oder man bekämpft sie, und das geht jetzt auch nur mit Mitteln, die jedermann einsichtig sind, mit Zensur. Damit vergibt man sich aber den Anspruch auf eigene Verfassung und Amendment.
Also die Amerikaner sind auf alle Fälle angepatzt.
Nachdem ich nicht annehme, dass Assange ein radikaler Islamist ist, kann man da die Schuld auch nicht beim Erzfeind suchen.
Schön wäre es ja, wenn Assange ein Jude wäre, was er glaube ich nicht ist. Dann wäre es eine Triple-Bind-Angelegenheit.
Deswegen habe ich ja auf meinem Blog die Frage gestellt, was schlimmer ist: Kinderpornografie oder Wikileaks.
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Anständige Menschen sollten doch spätestens jetzt das Internet verweigern, oder?
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Ja und übrigens danke für den Link. Ich schätze den Artikel, der auch Bezüge auf Pias nimmt. Und der hat seine Sachen schon seit einiger Zeit geschrieben. »Was denkbar ist, ist machbar. Was machbar ist, wird gemacht.« Das ist jetzt aber von mir.
Wenn man Verschwörungstheorien mag, könnte man glauben, dass diese Indiskretionen wiederum gezielt gesteuert sind. Malte Herwig hat so etwas geschrieben: Jetzt wissen Länder wie Nordkorea und Iran WIRKLICH, wie isoliert sie sind.
Ich glaube, dass kaum jemand die Dokumente gelesen hat (ich auch nicht; nur einiges über die deutschen Politiker und das war so spektakulär wie ein »Spiegel«-Artikel – nämlich gar nicht). Insofern bleibt der Zugriff auf die Dokumente nur eine theoretische Möglichkeit. Die »Filter« in Form der Medien sind nach wie vor intakt. Hierfür braucht man nur sehr grosse Datenmengen posten – das Ergebnis ist, dass weniger gelesen wird.
Die Medien hypen WikiLeaks auf, weil sie damit paradoxerweise ihre Funktion wieder neu erhalten. Ich glaube nicht, dass das von Assange beabsichtigt ist, aber es ist ein Nebeneffekt. Man sollte Arbeitsgruppen gründen, die die Dokumente systematisch analysieren und bewerten. Das genau leistet WikiLeaks nicht. Sie wollen nicht kochen, sondern liefern nur die Zutaten.
Was ich nicht mag: Das Feiern von Assange und WikiLeaks als Bollwerke der Demokratie. Und das verteufeln als Geheimnisverrat. Beides sind Produkte einer hysterisierten Gesellschaft, die sich so immer weiter hochschaukelt. Interessant wäre es festzustellen, welche Informationen NICHT veröffentlicht wurden. Solange niemand diese Möglichkeit hat, bleiben die Veröffentlichungen auch nur wieder gesteuert und manipuliert.
ja, da stimme ich in allen Punkten zu.
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Für mich gibt es einen zusätzlichen Effekt. Leute, die sich mit dem Computer auskennen, bekommen eine Art Waffe in die Hand, die für die Länder und die »Starken« nicht verfügbar sind.
Ebensowenig, wie die USA mit dem Guerilla-Kampf in Vietnam fertig geworden sind, ebensowenig können sie gegen Guerillakampf im Internet gewinnen.
Und das freut mich irgendwie:)
Naja, was den »Waffeninhabern« aber zumeist fehlt ist die Legitimation. Wir begeben uns in eine anarchistische Untergrabung demokratischer Repräsentation. Das ist nicht ohne Brisanz.
Ebensowenig, wie die USA mit dem Guerilla-Kampf in Vietnam fertig geworden sind, ebensowenig können sie gegen Guerillakampf im Internet gewinnen.
Und das freut mich irgendwie:)
Das ist ja gerade das Blöde am Internet – daß man es eben nicht kontrollieren ode gar abschalten kann (denn genau das war ja die entscheidende Idee dahinter). Das konnte bei den Militärs ja damals keiner ahnen, daß das »dumme Fußvolk« da irgendwann reingelassen würde... So’n Scheiß aber auch ;-)
Letztlich kommt jetzt bei den Regierungen, Geheimdiensten, Banken, dem Militär etc. derselbe Prozess an, der für den Einzelnen schon lange gilt: Wer das Netz benutzt, ist transparenter als der Nichtbenutzer. Außer Wikileaks zeigen auch Google, Facebook, Stuxnet und die DoS-Angriffe, dass die Welt eben jetzt eine andere ist. Sorgen macht mir von allen oben genannten Dingen am ehesten Stuxnet, denn wenn mit Software kritische Infrastruktur angegriffen werden kann, dann sind manche Auswirkungen vielleicht nicht mehr kalkulierbar. Siemens-Steuerungen stecken z.B. auch in deutschen Kernkraftwerken, und Programmierer machen umso mehr Fehler, je komplexer die Programme sind.
Dass jegliches menschliches Handeln intentional ist und der Einzelne nicht jedes Ziel jedes anderen kennen kann, ist da schon eher eine Binse.
Wir rüsten auf oder gar nicht?
In den Zeiten der elektronischen Kriegsführung sollten wir an die weiter oben angeführten Probleme denken. Wiki leaks ist da das kleinste Übel. In China wird bereits eine Generation von ca. 1000 Soldaten speziell für den Cyber war ausgebildet.
Das ist bei weitem nicht auf die Chinesen beschränkt. In Spektrum der Wissenschaft 12/2010 findet sich ein Artikel mit dem Titel »Und fliegt und fliegt und fliegt«, in dem über ethische Probleme im Zusammenhang mit dem Einsatz von Militärrobotern referiert wird. Autor ist ein P.W. Singer, der in einem amerikanischen Verteidigungsinstitut arbeitet. Der Einsatz dieser Maschinen hat seit dem ersten Irakkrieg exponenziell zugenommen.
In dem Artikel wird auch über Soldaten berichtet, die in den USA leben, morgens mit dem Auto zu ihrem Arbeitsplatz fahren, einem Computer in einem Bürogebäude, und von dort Drohnen in Pakistan steuern, mit denen sie von ihrem Büro aus dort Menschen töten können, wie in einem Videospiel, nur eben in echt.