Ass­an­ges »simp­le Stricke­rei«

Klu­ge Be­mer­kun­gen zum Wiki­Leaks-Hype von Ha­rald Staun in der F.A.Z.: »Der Su­per­star der Sicht­bar­keit«.

Zum Bei­spiel:

Vor lau­ter Su­che nach im­mer bri­san­te­ren De­tails kommt nie­mand mehr da­zu, die Re­le­vanz der In­for­ma­tio­nen zu hin­ter­fra­gen oder die In­ter­es­sen, die hin­ter ei­ner sol­chen Ver­öf­fent­li­chung stecken könn­ten.

Und war­um Wiki­Leaks ge­ra­de nicht das En­de der Ge­heim­nis­se be­deu­ten wird...

8 Kommentare Schreibe einen Kommentar

  1. Die Re­le­vanz der In­for­ma­ti­on steckt nicht in den In­for­ma­tio­nen selbst.
    Des­in­for­ma­ti­on hat man zu Zei­ten des kal­ten Krie­ges ge­kannt. Da­mals wa­ren die Rus­sen und die DDR die Bö­sen. Ame­ri­ka als Traum­land für Aus­wan­de­rer, das wa­ren die Gu­ten.
    In der Zwi­schen­zeit hat sich die­ses Image re­la­ti­viert, doch Mei­nungs­frei­heit und Mo­ral wer­den in den USA sehr stra­te­gisch und wer­be­wirk­sam für das Selbst­bild ver­mark­tet. Die In­for­ma­ti­on be­steht al­so dar­in, dass die Ame­ri­ka­ner um nichts bes­ser agie­ren als al­le an­de­ren auch.
    Das wis­sen zwar in­tel­li­gen­te Men­schen. Aber die sind ja in der Min­der­zahl. (Dass Krieg nur die Fort­set­zung der Di­plo­ma­tie mit an­de­ren Mit­teln ist, deu­tet ja dar­auf hin, dass es auch in der Di­plo­ma­tie nicht so sau­ber zu­geht.)
    Jetzt wird die »nicht-in­tel­li­gen­te« Mehr­heit über die Wiki­leaks-Ge­schich­te auf­ge­stört. Es han­delt sich um ei­ne Dou­ble-Bind-Si­tua­ti­on. Denn ent­we­der man stimmt den In­hal­ten zu und hat da­mit den schwar­zen Pe­ter oder man be­kämpft sie, und das geht jetzt auch nur mit Mit­teln, die je­der­mann ein­sich­tig sind, mit Zen­sur. Da­mit ver­gibt man sich aber den An­spruch auf ei­ge­ne Ver­fas­sung und Amend­ment.
    Al­so die Ame­ri­ka­ner sind auf al­le Fäl­le an­ge­patzt.
    Nach­dem ich nicht an­neh­me, dass Assan­ge ein ra­di­ka­ler Is­la­mist ist, kann man da die Schuld auch nicht beim Erz­feind su­chen.
    Schön wä­re es ja, wenn Assan­ge ein Ju­de wä­re, was er glau­be ich nicht ist. Dann wä­re es ei­ne Tri­ple-Bind-An­ge­le­gen­heit.
    Des­we­gen ha­be ich ja auf mei­nem Blog die Fra­ge ge­stellt, was schlim­mer ist: Kin­der­por­no­gra­fie oder Wiki­leaks.
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    An­stän­di­ge Men­schen soll­ten doch spä­te­stens jetzt das In­ter­net ver­wei­gern, oder?

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    Ja und üb­ri­gens dan­ke für den Link. Ich schät­ze den Ar­ti­kel, der auch Be­zü­ge auf Pi­as nimmt. Und der hat sei­ne Sa­chen schon seit ei­ni­ger Zeit ge­schrie­ben. »Was denk­bar ist, ist mach­bar. Was mach­bar ist, wird ge­macht.« Das ist jetzt aber von mir.

  2. Wenn man Ver­schwö­rungs­theo­rien mag, könn­te man glau­ben, dass die­se In­dis­kre­tio­nen wie­der­um ge­zielt ge­steu­ert sind. Mal­te Her­wig hat so et­was ge­schrie­ben: Jetzt wis­sen Län­der wie Nord­ko­rea und Iran WIRKLICH, wie iso­liert sie sind.

    Ich glau­be, dass kaum je­mand die Do­ku­men­te ge­le­sen hat (ich auch nicht; nur ei­ni­ges über die deut­schen Po­li­ti­ker und das war so spek­ta­ku­lär wie ein »Spiegel«-Artikel – näm­lich gar nicht). In­so­fern bleibt der Zu­griff auf die Do­ku­men­te nur ei­ne theo­re­ti­sche Mög­lich­keit. Die »Fil­ter« in Form der Me­di­en sind nach wie vor in­takt. Hier­für braucht man nur sehr gro­sse Da­ten­men­gen po­sten – das Er­geb­nis ist, dass we­ni­ger ge­le­sen wird.

    Die Me­di­en hy­pen Wiki­Leaks auf, weil sie da­mit pa­ra­do­xer­wei­se ih­re Funk­ti­on wie­der neu er­hal­ten. Ich glau­be nicht, dass das von Assan­ge be­ab­sich­tigt ist, aber es ist ein Ne­ben­ef­fekt. Man soll­te Ar­beits­grup­pen grün­den, die die Do­ku­men­te sy­ste­ma­tisch ana­ly­sie­ren und be­wer­ten. Das ge­nau lei­stet Wiki­Leaks nicht. Sie wol­len nicht ko­chen, son­dern lie­fern nur die Zu­ta­ten.

    Was ich nicht mag: Das Fei­ern von Assan­ge und Wiki­Leaks als Boll­wer­ke der De­mo­kra­tie. Und das ver­teu­feln als Ge­heim­nis­ver­rat. Bei­des sind Pro­duk­te ei­ner hy­ste­ri­sier­ten Ge­sell­schaft, die sich so im­mer wei­ter hoch­schau­kelt. In­ter­es­sant wä­re es fest­zu­stel­len, wel­che In­for­ma­tio­nen NICHT ver­öf­fent­licht wur­den. So­lan­ge nie­mand die­se Mög­lich­keit hat, blei­ben die Ver­öf­fent­li­chun­gen auch nur wie­der ge­steu­ert und ma­ni­pu­liert.

  3. ja, da stim­me ich in al­len Punk­ten zu.
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    Für mich gibt es ei­nen zu­sätz­li­chen Ef­fekt. Leu­te, die sich mit dem Com­pu­ter aus­ken­nen, be­kom­men ei­ne Art Waf­fe in die Hand, die für die Län­der und die »Star­ken« nicht ver­füg­bar sind.
    Eben­so­we­nig, wie die USA mit dem Gue­ril­la-Kampf in Viet­nam fer­tig ge­wor­den sind, eben­so­we­nig kön­nen sie ge­gen Gue­ril­la­kampf im In­ter­net ge­win­nen.
    Und das freut mich ir­gend­wie:)

  4. Na­ja, was den »Waf­fen­in­ha­bern« aber zu­meist fehlt ist die Le­gi­ti­ma­ti­on. Wir be­ge­ben uns in ei­ne an­ar­chi­sti­sche Un­ter­gra­bung de­mo­kra­ti­scher Re­prä­sen­ta­ti­on. Das ist nicht oh­ne Bri­sanz.

  5. Eben­so­we­nig, wie die USA mit dem Gue­ril­la-Kampf in Viet­nam fer­tig ge­wor­den sind, eben­so­we­nig kön­nen sie ge­gen Gue­ril­la­kampf im In­ter­net ge­win­nen.
    Und das freut mich ir­gend­wie:)

    Das ist ja ge­ra­de das Blö­de am In­ter­net – daß man es eben nicht kon­trol­lie­ren ode gar ab­schal­ten kann (denn ge­nau das war ja die ent­schei­den­de Idee da­hin­ter). Das konn­te bei den Mi­li­tärs ja da­mals kei­ner ah­nen, daß das »dum­me Fuß­volk« da ir­gend­wann rein­ge­las­sen wür­de... So’n Scheiß aber auch ;-)

  6. Letzt­lich kommt jetzt bei den Re­gie­run­gen, Ge­heim­dien­sten, Ban­ken, dem Mi­li­tär etc. der­sel­be Pro­zess an, der für den Ein­zel­nen schon lan­ge gilt: Wer das Netz be­nutzt, ist trans­pa­ren­ter als der Nicht­be­nut­zer. Au­ßer Wiki­leaks zei­gen auch Goog­le, Face­book, Stux­net und die DoS-An­grif­fe, dass die Welt eben jetzt ei­ne an­de­re ist. Sor­gen macht mir von al­len oben ge­nann­ten Din­gen am ehe­sten Stux­net, denn wenn mit Soft­ware kri­ti­sche In­fra­struk­tur an­ge­grif­fen wer­den kann, dann sind man­che Aus­wir­kun­gen viel­leicht nicht mehr kal­ku­lier­bar. Sie­mens-Steue­run­gen stecken z.B. auch in deut­schen Kern­kraft­wer­ken, und Pro­gram­mie­rer ma­chen um­so mehr Feh­ler, je kom­ple­xer die Pro­gram­me sind.

    Dass jeg­li­ches mensch­li­ches Han­deln in­ten­tio­nal ist und der Ein­zel­ne nicht je­des Ziel je­des an­de­ren ken­nen kann, ist da schon eher ei­ne Bin­se.

  7. Wir rü­sten auf oder gar nicht?
    In den Zei­ten der elek­tro­ni­schen Kriegs­füh­rung soll­ten wir an die wei­ter oben an­ge­führ­ten Pro­ble­me den­ken. Wi­ki leaks ist da das klein­ste Übel. In Chi­na wird be­reits ei­ne Ge­ne­ra­ti­on von ca. 1000 Sol­da­ten spe­zi­ell für den Cy­ber war aus­ge­bil­det.

  8. Das ist bei wei­tem nicht auf die Chi­ne­sen be­schränkt. In Spek­trum der Wis­sen­schaft 12/2010 fin­det sich ein Ar­ti­kel mit dem Ti­tel »Und fliegt und fliegt und fliegt«, in dem über ethi­sche Pro­ble­me im Zu­sam­men­hang mit dem Ein­satz von Mi­li­tär­ro­bo­tern re­fe­riert wird. Au­tor ist ein P.W. Sin­ger, der in ei­nem ame­ri­ka­ni­schen Ver­tei­di­gungs­in­sti­tut ar­bei­tet. Der Ein­satz die­ser Ma­schi­nen hat seit dem er­sten Irak­krieg ex­po­nen­zi­ell zu­ge­nom­men.

    In dem Ar­ti­kel wird auch über Sol­da­ten be­rich­tet, die in den USA le­ben, mor­gens mit dem Au­to zu ih­rem Ar­beits­platz fah­ren, ei­nem Com­pu­ter in ei­nem Bü­ro­ge­bäu­de, und von dort Droh­nen in Pa­ki­stan steu­ern, mit de­nen sie von ih­rem Bü­ro aus dort Men­schen tö­ten kön­nen, wie in ei­nem Vi­deo­spiel, nur eben in echt.