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Der Titel könnte patriotischer nicht sein: »Ein verheißenes Land«. Im (kurzen) Vorwort erklärt Obama, warum für ihn die USA immer noch diese Zuweisung verdient. Die Vokabel des »amerikanischen Traums« verwendet er zwar nicht direkt, aber sie wird feierlich umschrieben. Und Obama kann auch Pathos, wenn er davon spricht, »die Möglichkeit von Amerika« nicht aufzugeben, und zwar »um der gesamten Menschheit willen«. Denn die amerikanische Demokratie taumele, so der Befund der Gegenwart (August 2020; 178.000 Pandemie-Tote in den USA) »am Rand einer Krise«. Die jüngsten Bilder verstärken diese Diagnose.
Das Land stand jedoch, als er die Präsidentschaft an seinen Nachfolger, »der in allem das exakte Gegenteil von dem verkörperte, wofür wir standen«, besser da als vor seiner Präsidentschaft, so die These. Der Name von Donald Trump fällt lange nicht, erst auf Seite 933 zum ersten Mal. Die Anspielungen sind allerdings deutlich, die Besorgnis auch. Aber sind es mehr als floskelhafte Kassandra-Rufe? Warum hat er nicht das Ergebnis der Wahl abgewartet?
Obama entschuldigt sich gleich zu Beginn für die Fülle des Materials. Und dafür, dass es noch ein zweites Buch geben wird. »Ein verheißenes Land« endet im Mai 2011, unmittelbar nach der Tötung von Osama bin Laden. Das Buch ist in sieben Teile gegliedert, insgesamt 27 Kapitel. Die Zeitachse ist weitgehend chronologisch, wobei Kindheit und Jugend bisweilen Gegenstand für kurze Rückblenden und Reflexionen werden. Gelegentlich greift er Entwicklungen auch voraus, in dem er die Entscheidungen, die getroffen wurden, und deren Folgen nachträglich bewertet. Da er Fuß- und Endnoten nicht mag, gibt es auch in diesem Buch keine.
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Ist der Titel grammatikalisch korrekt? Müßte man das Land der Verheißung nicht je nach intendierter Bedeutung mit »Ein verheißendes Land« oder »Ein verhießenes Land« benannt werden?
Promised land, verheißenes Land, das ist halt der Ausdruck in der Bibel (Luther), und den wollte Obama vermutlich bewahren. Und die Übersetzer auch.
Ich fand den Titel auch arg pathetisch und gekünstelt. Aber die von @Leopold Federmair angesprochene Bedeutung soll es wohl sein.
Es ist eher eine Projektion, eine Sehnsucht, die Obama in die Zukunft verwirklicht sehen möchte.
Danke für die Rezension, ich hätte Mühe, den Ideen-politisch ausführlich Redenden über 1000 Seiten die Treue zu halten. Es gibt immer noch keinen Populismus für die gebildeten Aufsteiger, dafür haben auch die zwei Amtszeiten von Barack Baptizin’ Obama nicht ausgereicht.
All die vielen Einzelheiten muten wie eine Suche nach jener verpassten Möglichkeit an, die sich im Titel andeutet. Wo war sie denn, die Chance, den Fuß auf das verheißene Land zu setzen?! Es bleibt nichts weiter übrig, als das Heilsversprechen in die Zukunft zu verschieben.
Ein wahrhaft westlicher Politiker, der merkwürdig spät die Bühne betritt, und prompt den Nobelpreis bekommt. Fast schon verräterisch, diese Verleihung für vergangene Verdienste, weil es keine Verdienste sondern nur übertriebene Hoffnungen der Westeuropäer (ältere Generation) waren, die inzwischen brutal zerschlagen wurden. Als ob die Kontraste inzwischen für die Blinden und Tauben gesteigert werden müssten. Haben das jetzt endlich alle verstanden, oder muss die Pastoren-Mutti streng werden?!
Ich habe keinerlei Verständnis für Geo-Politik in den Ausführungen gefunden. Europa hatte seine letzte Chance vermutlich in Libyen; ich erkenne das selbst nur im Nachhinein. Syrien war schon eine Nummer zu groß.
In einem Paralleluniversum wäre Deutschland zusammen mit Frankreich eine Führungsrolle zugewachsen, gar nicht mal so humanitär, wie man es hierzulande gerne hat, aber das ist wohl auch nur »Wunschdenken«. Die U.S.A. dagegen scheinen wirklich ihren gescheiterten Interventionismus aussitzen zu wollen. Irak, Afghanistan, und kein Ende. Wenn Du abziehst, hast Du verloren! Nicht mal die blonde Abrissbirne hat die Jungs »nach Hause bringen können«. Klassisches Symptom eines unregierbar werdenden Landes. Der Westen zerbröselt.
Die Zeiten der Ideen sind vorbei. Das hat mit den Demokratien und ihren Medien zu tun, all den Spin-Doktoren, den vielen dummen Kommentaren, und zuletzt auch mit dem »politischen Denken« selbst, das gar nicht mal so ungeheuer komplex ist, wie es seine Beobachter vermuten.
Das Buch ist ein ehrliches Buch, wie mir scheint. You get what you voted for!
Naja, für die Nobelpreis-Vergabe kann man Obama nicht verantwortlich machen. Er zeigt deutlich im Buch, wie überrascht er ist. Die Vergabe selber in Norwegen schildert er fast demütig, erinnert an die anderen, verdienten Persönlichkeiten, die diesen Preis bekommen haben. Dabei blendet er aus, dass der Preis oft genug aus rein pragmatischen Gründen vergeben wurde (man denke nur an Kissinger oder Begin oder Arafat) und nicht, weil die Persönlichkeiten so »rein« waren.
Obamas Buch zeigt, wie eine Außenpolitik der »Menschenrechte«, wenn sie über geostrategische Außenpolitik gesetzt wird, scheitern muss. Und wie geostrategische Politik nach Interessen mit den hehren »Werten« des Westens kollidiert. Ein Zwischending – jenseits des bloßen diplomatischen Miteinander – müsste erst noch gefunden werden.
Erinnert mich an Deleuze: Noch nie ist jemand an seinen Widersprüchen gestorben! Aber vielleicht ja ein Bündnis, eine Selbstdefinition, eine »Wertegemeinschaft«, gewiss keine natürliche Person.
Es steht schlecht um den Westen, gerade weil er seine Widersprüche nicht mehr in die Zukunft verlagern bzw. unter den Tisch fallen lassen kann. Utopie oder Verdrängung?! Beides funktioniert nicht mehr so richtig.
Ich bestehe darauf, dass die Menschenrechte der Anfang vom Ende sind. Ich weiß nur noch keinen Autor, der das sauber ausbuchstabiert hätte. Es gibt jede Menge Völkerrechtler, die ständig den Brei am Kochen halten, etwa die Freiburger: vom Anspruch zur Aufgabe, von der Akklamation zur Verpflichtung, etc. Ich kann mich nicht entsinnen, dass die Völker jemals dazu befragt wurden. Hier haben immer noch die »Anwälte« das Sagen, genau wie in der Französischen Revolution.
Es gilt wohl immer noch als Unziemlichkeit, an dieser »höchsten Errungenschaft von allen« Bedenken anzumelden.
Aber nichts ist in der Politik ungetan, auch nicht die Unterlassungen. Wenn man weiterhin die »de-territorialisierten Naturrechts-Surrogate«, genannt Menschenrechte, aufrecht erhalten möchte, dann werden wir halt weiterhin jene zweideutigen Zwitter der Moral und des Politischen bleiben, als die wir in die Menschheitsgeschichte bereits eingegangen sind. So was von Identität, das würde man nicht für möglich halten.
Ich zitiere Thea Dorn: »Allmählich wird einem klar, dass wir die Freaks sind, wir Leute aus dem Westen, und nicht die anderen...«.
Lesen wir Obama! Oh Moral, oh Höhe, oh Scheitern, oh Verhängnis!
Ich bestehe darauf, dass die Menschenrechte der Anfang vom Ende sind. Ich weiß nur noch keinen Autor, der das sauber ausbuchstabiert hätte.
Warten wir’s ab. Ich glaube, dass die Wirtschaft dies sozusagen als »normative Kraft« klären könnte. China als erfolgreiches kapitalistisches, aber autokratisches Land versus »Westen« (bspw. USA, EU) mit Menschenrechtsagenda. Die Frage ist: Wer bekommt Zugänge zu Rohstoffe? Für welches System entscheiden sich die Schwellenländer? Wer bekommt bei ihnen den Fuß in die Tür? Das ist keine ausgemachte Sache. Der Eiserne Vorhang ist kein Grenzzaun mehr, sondern besteht aus Handelskontrakten.
Notiz: wenigstens einen Autor kann ich empfehlen, der den »Kollektivismus« der Menschenrechte bemerkt hat, und darin eine Brechung der neuzeitlichen Entwicklung erkennt. – Vgl. Udo di Fabio, »Menschenrechte in unterschiedlichen Kulturräumen«, insbes. Kapitel 3, »Droht eine inhaltliche Politisierung und Kollektivierung von
Menschen- und Grundrechten?«.
Wir bemerken diesen Überhang an »gefährlich freien politischen Gruppierungen« natürlich jederzeit im Tagesgeschehen, aber so gut wie niemand erkennt hier ein Verfallssymptom des Westens. Darüber wundere ich mich sehr. Tatsächlich handelt es sich um keine aktuelle Übertreibung, sondern eine folgerichtige FEHL-Entwicklung.
Zu viel Kommentar abseits des Buches?! Ja und Nein. Es liegt in der Tragik der Verhältnisse, dass die Politiker bereits in voller Breite auf dem falschen Dampfer in die Zukunft hocken.