In seinen Anfängen war das Projekt Moderne1 noch der Suche nach Wahrheit verbunden; aber das Wahre begann zu verblassen, als man das Projekt rückhaltlos dem Neuen verschrieb, es mit der Wahrheit in eins setzte, warf, verwechselte und mischte: Das Wahre wurde abstrakt und die Suchbewegungen der Moderne hilflos: Aber man trieb das Projekt voran und überantwortete Mensch und Natur diesen oszillierenden Bewegungen: Im Leerlauf verbrauchten, zerrieben und überhitzten sich die Körper: Die Reste verbrannten Treibstoffs und der Ruß erloschener Flammen [markieren] die Flugbahnen des Fortschritts2.
Weiterer Text als PDF: Bejahen und Überschreiten (pdf, 225 KB)
Anmerkung zu den Kommentaren: Mit der Übertragung von begleitschreiben.twoday zu dieser Plattform wurde der »Kommentarbaum« geopfert. Die eingegangenen Kommentare wurden über die Steuerung des Datums und der Uhrzeit so geordnet, dass die Thread-Struktur und vor allem die Nachvollziehbarkeit und Übersichtlichkeit dieser gehaltvollen Diskussion einigermassen erhalten bleibt.
Für strukturkonservative Teilnehmer wird jedoch ausnahmsweise die Kommentarbaumstruktur der Diskussion vom 09.04.–19.05.2011 als pdf-Dokument geliefert. Hier können auch die »Original«-Daten (Uhrzeit) eingesehen werden. –> Kommentarbaum
Dies soll Teilnehmer nicht davon abhalten, weiter zu diskutieren.
G.K.
Der erste Eindruck ist: Das Sentiment der Autorin oder des Autors bastelt sich eine Bewusstseinsgeschichte der Moderne zurecht, bis das Phänomen zum Gefühl passt. Dies geschieht sehr stark über emotionalisierende Formulierungen, weniger über Analyse und Argument, z.B. man habe »das Projekt rückhaltlos dem Neuen verschrieben«. Rückhaltlos? Stimmt das denn? Und wer überhaupt?
Die »Moderne«, wann und wo immer sie begann, ob in Florenz, Göttingen, Paris oder in Manchester, ist ja kein kampfloser Prozess gewesen. In jedem Moment gab und gibt es mächtige anti-moderne Kräfte. Das ist auch heute so. Ich würde noch nicht einmal wagen abzuschätzen, ob die anti-modernen oder die modernen Kräfte stärker sind. Rein mengenmäßig vermute ich, dass mehr Menschen »unmodern« sind und zum Teil extreme Vorbehalte gegen alles Moderne haben (egel wie sie sich gleichzeitig an der Oberfläche adaptieren). Wie oft wurden die Neuerer verjagt, gefoltert, eingesperrt, getötet?
Allerdings – wovon reden wir? Ist von »Produkten« die Rede, reden wir von der modernen Wirtschaft. Da hat der »Furor der Veränderung« tatsächlich ein hohes Tempo erreicht. Dafür gibt es allerdings Gründe, die herzlich wenig mit einem Willkürakt des Bewusstseins zu tun haben.
»Das Neue ist das Wahre ...« – stimmt das denn? Für meine Großmutter, geb, 1894, war Goethe etc. das Größte und »einzig Wahre«. In ihrem Leben wurde sie mit allen möglichen Erneuerungen konfrontiert – moderne Literatur, moderne Kunst hat bei ihr kaum stattgefunden und wurde von ihr zeit ihres Lebens zu keinem Zeitpunkt emhatisch erwartet. Ihre Tochter, meine Mutter, hasste die ererbten Möbel aus alter Zeit, das dürfte eine Reaktion auf die verhasste Beziehung zu ihrer lieblosen Mutter gewesen sein. Jetzt mischen sich bei mir alt und jung durcheinander, und der alte Bücherschrank meiner Oma steht dazwischen, komplett mit den Büchern, die damals schon darin waren. Modern sein heißt eben auch, ein kompliziertes Bewusstsein für die eigene Geschichte zu haben, eben weil man stärker als frühere Jahrhunderte weiß, wie die Zeit alles umwälzt. Vergleiche damit z.B. den Umgang des mittelalterlichen Menschen mit seinen Altvorderen, also mit der Antike ... Paradox, aber wahr: Mit der Moderne entstand eben auch Aufbewahren, Sammeln, schützen, Geschichte bis ins Kleinste aufschreiben und erkennen etc. – also das konservative Bewusstsein ist von Anfang an ein wichtiger Teil der Moderne.
Man muss einfach genauer hinschauen und nicht nur aus dem Gefühl heraus auf »die Moderne« eindreschen. Es fragt sich sowieso, ob es den modernen Menschen gibt. War vielleicht Seneca schon ein moderner Mensch, als er sich darüber beklagte, wie die Reichen sich an blödsinnigen alten Tonkrügen ergötzten? »Der Geist war schon früh komplett«, meinte Jakob Burckhardt einmal – heißt das eventuell, dass der Geist (in diesem nachdrücklich-elitären Sinn) immer schon »modern« war? Sind »Geist« und »Modernität« gar nicht voneinander zu trennen?
Sicherlich ein anregender Aufsatz. Skepsis hat ja immer etwas Wohltuendes. Und die Neuigkeitssucht hat zweifellos in vierlerlei Hinsicht lächerliche, meinetwegen auch bedrückende Ausmaße angenommen. Ich empfinde allerdings, dass die Thesen hinter der Vielschichtigkeit der vielen, oft diametralen Bewusstseinsformen der »Moderne« zurückbleiben. Und das ist das Signum, was in meinen Augen die entscheidende Rechtfertigung für die Moderne in Kunst, Musik und Literatur ist: sich die Frage nach dem »Wahren« so schwer wie irgend möglich zu machen. Von den Antworten ganz zu schweigen.
[Bemerkung: Dieser Kommentar wurde von mir, Gregor Keuschnig, eingegeben, nachdem Fritz mit der Kommentarfunktion Probleme hatte und mich per Mail bat, zu intervenieren; G. K.]
@Fritz
Zunächst danke für den langen Kommentar. Die gewählte Textsorte gestattet mir zugespitzte, persönliche Formulierungen und auch Vereinfachungen, ob ich manchmal (auch in der Absicht zu provozieren) den Bogen überspannt habe, können wir gerne diskutieren. Zum »rückhaltlos«: Nun ja, wie würden Sie das Verständnis hinter den Veränderungen der letzten 200 Jahre bezeichnen? Sollte dahinter kein deutlich artikulierter Wille zur Veränderung stehen?
Die zugrundeliegende These, dass das Selbstverständnis der Moderne möglicherweise eine Ideologie darstellt, problematisch ist oder ein Missverständnis, habe ich mir nicht gebastelt und die Quellen dafür auch genannt. Fortschritt, also der Wille das Gegenwärtige zu verbessern und Neues zu schaffen, fällt nicht notwendig mit »wahr« und »gut« zusammen; er hat aber innerhalb eines Paradigmas, das sich in seinem Selbstverständnis als Moderne bezeichnet, offenbar eine besondere Bedeutung. Soweit einverstanden?
Wenn es noch immer antimoderne Kräfte gibt, liegt das vielleicht daran, dass sie durch die Art des dargestellten Denkens immer wieder »auf den Plan gerufen« werden: Dadurch, dass das Neue eindeutig bestimmt wird, produziert man zugleich das Überkommene: Es ist innerhalb dieses Paradigmas gar nicht möglich, dass keine un- oder antimodernen Einstellungen gibt. Ihre Beispiele zeigen das doch sehr gut: Man weiß was alt ist, archiviert es, und grenzt es damit vom Neuen ab, das doch – auch wenn uns das nicht immer passt – per se einen »Vorschuss« genießt (das war mit dem zusammengehen von »neu«, »gut« und »wahr« gemeint). Man muss also konservieren um sehen und nachvollziehen zu können, ob etwas überhaupt neu ist; es stimmt, das Alte besitzt einen – allerdings mit Blick auf das Neue – eingeschränkten Wert. Ich will es so formulieren: Wir hören gerne Beethoven und schätzen ihn, aber wehe jemand komponierte heute wie er.
Das Neue wird gewollt, weil man es als notwendig empfindet; aber man begründet dies nicht mehr: Das ist das Kennzeichen von Mode, vom letzten Schrei, vom Zeitgemässen. Es scheint mir unbestritten, dass etwas von diesem Denken in der Moderne steckt und damit in uns allen (lassen wir den Grad einmal beiseite). Wenn dem so ist, sollte das nicht auch Auswirkungen auf unser Tun haben?
Neuerer waren immer deshalb gefürchtet, weil das Erneuern einen Akt der Zerstörung beinhaltet; der kann notwendig sein, sollte aber wohl bedacht werden: Zum Prinzip erhoben hat er allerdings fatale Auswirkungen.
Die Zuschreibung von Modernität an den Geist ist ja gerade unser Problem: Wenn Geist modern sein muss (weil man feststellt, dass er es immer schon war und dieses Bewusstsein damit rechtfertigt), dann reproduziert man in Folge ein bestimmtes Selbstverständnis, das Selbstkritik und damit das Erfassen der Probleme der eigenen Position erschwert.
Galt in der modernen Kunst nicht die radikale Neuheit mehr als die Wahrheit?
Genau in die gleiche Kerbe wollte ich auch schon schlagen. Was die Moderne ist wird durch diesen Text zwar vielfach umkreist, aber irgendwie wird es dadurch zu einer Melange aus (unterstelltem, kollektiven?) Bewusstseinszustand, Zeitgeist, sozio-ökonomischer Mileustudie.
Sicherlich ist es fruchtbar gerade für unsere Postmodernismus-Debatte vielleicht den zweiten Schritt nicht vor dem ersten zu machen und erst einmal die Moderne zu klären bevor wir zur Postmoderne schreiten können – aber du ahnst es vielleicht dass deine Beschreibung der Moderne vielleicht schon die gleichen oder ähnliche Vorbehalte weckt wie die Postmoderne. Fritz nimmt mir da teilweise die Worte aus dem Mund und hat einiges schon schön auf den Punkt gebracht hat, so dass ich nur noch sekundieren und fortführen muss...
Die Vorbehalte ließen sich vielleicht auch so fassen: diese Art der Modernenbeschreibung versucht sich an einer Historisierung und Erfassung einer kollektiven Bewusstseinslage während diese gerade vorliegt. Nun bist du dir dessen sehr wohl bewusst, dass man dabei sehr viel über einen Kamm schert, stark vergröbert und vereinfacht, wie das wohl auch bei jeder Epochengliederung geschehen muss. Nur nimmst du diese Einteilung und Charakterisierung vor während du selbst Teil, des von dir beschriebenen Zeitalter bist. (Ich glaube, das bleibt leider doch auch nur ein Scheineinwand, denn das taten die Künstler schon allezeit, bei denen neue Epochen ja gerade durch Abgrenzung, Negieren, Überwinden von Bestehendem entstand.)
Bevor ich mich wieder in anderem verliere möchte ich hier noch eines der Hauptmotive festhalten (auf welches ich früher oder später noch gekommen wäre): schon in der Entwicklung » ‘der’ Moderne« (die sich leider zeitlich, geistesgeschichtlich schlechterdings festlegen lässt) sind ihre Widersprüche miteingegraben – (selbst bei den glühendsten Verehrern, den Positivisten trifft man dann einen der behauptet ein »Ignorabimus«, dass es uns nie gelingen würde das Bewusstsein zu entschlüsseln! Wo soll man das dann hintun? Die meisten Einteilungen die ich so lese, da würde ich denken: Moderne=Selbstermächtigung-/überhebung des Menschen, Gottes Tod, Postmoderne=Zusammenfallen der aufgeblasenen Selbstherrlichkeit, neue Reflexion – wo tut man dann so einen du Bois-Reymond hin?)
Du siehst es als erwiesen an, dass die Moderne ideologisch sei (lustig: gerade lese ich das hier wieder: http://www.zeit.de/2005/02/Schilleraktuell – und da findet sich auch schon gleichermaßen Geißelung von Ideologie und »Mode«). Wenn ich das richtig verstehe, beim Schiller ist es jedenfalls so, liegt das Ideologische in der Macht, Verknechtung anderer: so könnte man vielleicht sagen, dass ich letzte Woche noch wandelte zwischen den Insignien unserer Moderne, den Türmen zu Babel, der Skyline von Manhattan?
Nun, vielleicht ist das einer der Unterschiede, die Fritz dazu veranlasst, etwas Gefühliges in deinen Ausführungen auszumachen. Bei dir könnten diese Türme tatsächlich etwas Dämonisches, Symbolhaftes bekommen, während ich nur achselzuckend vorübergehe: Jo, kann man machen (genauso wie Pyramiden). –
Worin ich noch ein Problem sehe ist, dass man wenn man anderen Ideologie unterstellt, dies auch mit einem Verblendungszusammenhang einhergeht. Für den Ideologen ist seine Ideologie oder zumindest Teile davon gewissermaßen unsichtbar. Dies ist vielleicht ähnlich wie bei obigem Geschichtlichkeitsproblem: So wie du glaubst die ganze Epoche der Moderne in ein Bild bringen zu können, so glaubst du hier bei der dem modernen Bewusstsein blinde Flecken diagnostizieren können? Oder doch zumindest, dass ihm die Beweggründe seines Handelns nicht immer offen liegen, in seinem fortwährenden Getriebensein?
Damit nähmst du gegenüber dem modernen Bewusstsein eine überlegene Position ein. Insofern diese Position nur postuliert wäre, könnte sie jedoch selbst ideologisch sein (das Unbefriedigende an ideologischen Stellungskriegen ist ja, dass man gerade gegenseitig glaubt die blinden Flecken in der Denkweise des anderen ausmachen zu können). {Jedenfalls scheint das ein bisschen durch, als du schreibst, dass das moderne Bewusstsein ausweglos in sich verstrickt sei – wie hast du dann den Weg hinaus gefunden? Warum hast du nicht vergeblich vor dem Tor des Gesetzes warten müssen? Bist du einfach hinausgesprungen, ins Paradoxe?}
PS. Leider sind die Ausführungen noch etwas unausgegoren und fragmentarisch.. einen Punkt wollte ich jedoch noch anfügen bevor ich den auch wieder vergesse: Dass man das Neue positiv besetzt, ist das nicht eher Avangarde, denn Moderne? Je nachdem wie man die Begriffe (be-)setzt. Ich meine dabei genau jenes negative Avantgarde-Bild, nach der sie jeder Mode voraus- oder hinterherhopst (um von der nächsten abgelöst zu werden)...
Der interessanteste Satz im Erwiderungskommentar von Metepsilonema ist dieser: Das Neue wird gewollt....aber man begründet dies nicht mehr.
Hieran entzündet sich m. E. das Mißverständnis. Damit ist eigentlich weniger die Moderne in toto sondern der globalierte Kapitalismus gemeint, der aus sich heraus immer mehr produzieren muss, um zu funktionieren. Zwar hat die Moderne einen Anteil an der Beschleunigung der Welt, aber sie ist längst zum Zuschauer eines sich selbst immer wieder perpetuierenden Systems geworden. Wenn sie Metapher nicht so abgegriffen wäre, könnte man Goethes Zauberlehrling anführen.
Die im Aufsatz beschriebenen Probleme ergeben sich fast ausschließlich aufgrund der Ökonomisierung der Welt. Auch da, wo sie scheinbar ins künstlerische Metier abschweift: Die Moderne als das genuin dem »Neuen« verpflichtete entstand/entsteht aufgrund der Notwendigkeit, sich vom Bestehenden abzugrenzen. Warum soll man heute wie Goethe schreiben, wenn es nur epigonal und ein schlechter Abklatsch wäre? Warum heute ein Stilleben malen, was ‑zig andere Künstler so herausragend konnten? Es bestand und besteht die Pflicht zur Legitimation des eigenen Handelns. Dies konnte nur durch Neues entstehen. Gleichzeitig beschleunigte sich die Welt nicht linear sondern fast in Potenzen. Ich habe noch Bürokommunikation mit Fernschreiber auf Lochstreifen gelernt und empfand die Beschleunigung durch das Fax-Gerät vor zwanzig Jahren als Revolution. Die E‑Mail hat das noch einmal potenziert. Etliche Protagonisten meiner Generation sind damit längst überfordert. Zeitweise erinnerte mich Metepsilonemas Aufsatz an Schirrmachers »Payback«, insbesondere dann, wenn von der Grenzen der Auffassungsgabe des menschlichen Geistes gesprochen wurde.
Es ist nun einfach, den Diagnostiker als per se anti-modernistisch darzustellen oder so zu tun, als sei die Welt quasi von Natur aus (sic!) so angelegt. Gleichzeitig glaube ich nicht als Einsicht und gesteuerte Rücknahme, sozusagen einer allumfassenden Entschleunigung der Welt. Änderungen gab/gibt es erst, wenn der Grad der Überforderung derart massiv wird, dass das System kollabiert.
@Phorkyas
(Tut mir leid für die Verspätung, ich hatte einige Zeit keine Verbindung zu twoday.net. Der Großteil des Kommentars entstand gestern.)
Mit gewissen Einschränkungen und Beschränkungen muss ich (und auch wir) leben. Das was Du selbst »Scheineinwand« nennst, nun ja, was soll ich tun: Gar nichts schreiben oder versuchen die Probleme in Kauf zu nehmen und es trotzdem versuchen? Ich habe mich für letzteres entschieden.
Vielleicht können wir den Melange-Vorwurf detaillierter diskutieren: Der wäre nur schlimm, wenn die verrührten Dinge unzutreffend wären oder das sich ergebende Bild schief (zweifellos ist manches meiner persönlichen Sicht geschuldet, aber diskutieren kann man es ja trotzdem).
Gregor hat ja auf Schirrmachers Buch verwiesen, der Bewusstseinszustand ist also nicht aus der Luft gegriffen, das sehen andere ähnlich (ich habe das Buch aber nicht gelesen).
Können wir uns auf einen Begriff von Moderne verständigen? Das wäre der erste wichtige Schritt, vielleicht dialogisch abarbeiten: Entscheidend erscheinen mir (Natur)Wissenschaft und Technik und das mit der Aufklärung entstehende »Bewusstsein« (Fortschrittsgedanke, das Neue, Problemlösung, Widerspruchsfreiheit und Eindeutigkeit, Verwaltung,...).
Zur Ideologie: Ich habe geschrieben, dass ich die Moderne für widersprüchlich halte, das heißt ich sehe in ihr ein wesentliches ideologisches Moment, ja (aber nicht nur). Ihr Wahrheits- und Erkenntnisanspruch, aber auch das Bemühen um den Menschen stehen in einem Gegensatz zu ihrem Fortschrittsdrang.
Danke für den Artikel über Schiller: Ich frage mich manchmal warum manche Menschen, die ich relativ gut kenne, so agieren wie sie agieren; warum sie – so sieht es für mich aus – gezwungen und getrieben leben, etwas tun was sie nicht wollen; leerlaufen, ausgebrannt wirken; ja, manches ist tatsächlich fast dämonisch, zumindest aber höchst merkwürdig (und nicht zuletzt sieht man manches auch an sich selbst). Eine alltägliche Handlung kann da schon große Verwirrung bedeuten: Warum öffne ich meinen Browser und sehe nach was es in der Welt neues gibt? Wenn ich es mir einmal verkneife und etwas anderes tue, dann kümmert das niemand. Also warum? Und immer wieder unterbreche ich mich selbst und beginne eine Tätigkeit ohne die alte beendet zu haben. Und ich bin wiederum nicht der Einzige... und das lässt sich »nichtgefühlig« schwer vermitteln. So vieles scheint nur noch Betrieb zu sein und nicht mehr getan zu werden, weil man es will (Ein Beispiel: Eine Bekannte erzählte mir von einem wissenschaftlichen Kongress, eine Koryphäe hält einen tollen Vortrag, der führende Kopf seines Faches, eine ellenlange Liste an Veröffentlichungen und dann kommt die unerwartete Frage, die ihn ins Schlingen bringt: Warum forschen sie eigentlich gerade darüber? [auf einer Fachtagung tatsächlich eine sehr seltene Frage] Die lapidare Antwort, die auch meine Bekannte fassungslos machte: Because I’m interested in...).
Die Moderne wird ja seit langem kritisiert und es geht mir, wie geschrieben, nicht um eine Abschaffung; irgendwie scheinen bestimmte Fehler aber fortgeführt zu werden, obwohl wir sie alle (auch auf diesem Blog), tagtäglich sehen und benennen können. Dass es sie gibt, darüber besteht wohl weniger Dissens, als über ihre Herkunft, aber beides sollten wir diskutieren. Meine Position ist die eines (vielleicht zu) involvierten Kritikers, um jetzt auch noch Schwens-Harrant zu bemühen.
Die Avantgarde als zugespitzte Moderne, hätte ich gesagt.
@Gregor
Kapitalismus kann man m.E. nur innerhalb der Moderne begreifen: Die globalisierte Wirtschaft ist ohne Wissenschaft und Technik unmöglich; auch die Individuen, die sich von ihren traditionellen Banden gelöst (befreit) haben oder wurden (diese Befreiung ist sicherlich ein großes Verdienst der Moderne) lassen sich viel leichter in ein solches System integrieren; der Liberalismus ist eine moderne Theorie; der Fortschrittsgedanke ebenso und auch die gleichmachende Wirkung des Geldes wäre möglicherweise zu anderen Zeiten weniger stark ausgeprägt.
Es ist nun einfach, den Diagnostiker als per se anti-modernistisch darzustellen oder so zu tun, als sei die Welt quasi von Natur aus (sic!) so angelegt.
Nichts liegt mir ferner (wenn bin ich ja wohl auch ein anti-moderner). – Da wurde kühn ein Bild hingeworfen, etwas plakativ, und so sollte die Frage gestattet sein, ob dieses Bild treffe und was es darstelle (oder ob der Gegenstand, den es abbilden soll, überhaupt in dieser Konsistenz existiert oder es vielmehr eine Chimäre, ein selbstgeschaffener Dämon sei?)... bevor hier die Kommentarspalte, ganz modern, überhitzt und man schon gar nicht mehr weiß, wo man sich befindet, möchte ich doch noch einmal durchschnaufen..
(Indem Sie, Herr Keuschnig, Metepsilonemas Beschreibung auf den Kapitalismus verschoben, taten Sie gerade Ähnliches wie Fritz oder ich – wo ja angemerkt wurde, dass hier ganz verschiedene Bilder/Modernen durcheinandergingen..
Das »Neue« zu begrüßen – das als Beschreibung ist mir einfach noch zu wenig, vielleicht sollte man bei Herrn Blumenberg auf die Spurensuche gehen, die Legitimität der Neuzeit?...)
Versuch, einige klärende Gedanken zu formulieren
Es ist immer problematisch, wenn Begriffe, die Epochen beschreiben, verwendet werden, weil zumeist jederdas etwas anders verortet. Es wurde ja bereits in einem Kommentar angesprochen, dass die »Moderne« je nach Betrachtung unterschiedlichen Zeiten zugeordnet werden kann. Gleiches gilt für die sogenannte Postmoderne. Problematisch ist, dass wir vermeintlich in beiden Epochen noch leben bzw. gelebt haben.
Metepsilonema verknüpft in seinem Essay mit der Epoche der Moderne vor allem den Begriff des permanent Neuen und einer besonderen Form von Beschleunigung. Dabei geht er wohl von einer Art pervertierten Moderne aus. Dies zeigt sich auch in dem Satz in enem seienr Kommentare. Ihr [Der Moderne] Wahrheits- und Erkenntnisanspruch, aber auch das Bemühen um den Menschen stehen in einem Gegensatz zu ihrem Fortschrittsdrang.
Der Gedanke dahinter liegt in einer Art Schneeballeffekt, in dem sich eine Lawine all der Affekte immer mehr verselbständigt hat- Dabei haben sich technische Entwicklungen gezeigt, die einige kühne Thesen der italienischen Futuristen fast noch übertroffen haben. Dennoch glaube ich, dass die Entwicklung von Naturwissenschaften und Technik, ein immanentes Produkt der Moderne ist – ermöglicht vor allem die Säkularierung der Gesellschaft, die Heroisierung des Menschen und die Entwicklung des Kapitalismus, der nun seit Ende des 20. Jahrhunderts tatsächlich global agieren kann. Dennoch hat der Ökonomismus in Westeuropa nach dem Ende des zweiten Weltkriegs einen beispiellosen Siegeszug angetreten.
Die Aufklärung, die als Beginn der geistesgeschichtlichen Moderne begriffen werden kann, hat dies zwar nicht vorhersehen können – dennoch ist aber alles in ihr schon angelegt.
Womit ich nun Schwierigkeiten habe, ist zweierlei: Der Essay thematisiert die beschleunigte Gesellschaft als Projekt der Moderne. Wo bleibt da der Anteil der sogenannten »Postmoderne«? Gibt es sie vielleicht (noch) gar nicht? Wäre die »Postmoderne« demnach eine Art Restauration des Moderne? Wobei Restauration kein »Zurück zur Natur« bedeuten würde, sondern eher ein bewußtes Verharren bzw. Verbleiben im »nunc stans«? Oder hat sich die Moderne schon längt zu einer Postmoderne gemendelt, die in schier unendlicher Beschleunigung nur noch eine nach Affekten hechelnden Gesellschaft Vorgaben macht?
Wie hängen Kapitalismus, Globalisierung und Moderne zusammen? Weltweiten Handel gab es schon vor tausenden von Jahren – hierfür ist keine »Moderne« erforderlich. Die weltweit agierenden Handelsgesellschaften haben in der Regel länger existiert als autark vor sich hindämmernde Kulturen. Der Nachteil war für sie, dass ihre Prosperität andere Kulturen anlockte und zu kriegerischen Feldzügen »inspirierte«. Kapitalismus entstand erst mit der Automation und Technisierung, da von nun an Arbeitsabläufe systematisiert und die Arbeitsteilung immer differenzierter wurde.
Der zweite kritische Punkt liegt in der fast schicksalhaften Ergebenheit, die der Essay beschreibt. Demnach gibt es kein Entkommen. Oder, genauer: Selbst ein Aussteigen aus der Tretmühle ist nur durch das Weitermachen der Anderen möglich. Eine These, die ich immer sogenannten Aussteigern vorhalte: Ihr Aussteigertum funktioniert nur deshalb, weil es genügend »Personal« gibt, welches weitermacht.
Die Frage ist also: Hat Metepsilonema hier die bzw. eine Moderne beschrieben oder ein Bild einer hyperventilierenden, dem Ökonomismus sich ergebenden Gesellschaft gezeichnet, die ihre »modernen« Ideale zu Gunsten der eigenen Fortschrittsgläubigkeit geopfert hat?
@Gregor
Danke, ich finde Du triffst das Meiste sehr gut.
Die Aufklärung, die als Beginn der geistesgeschichtlichen Moderne begriffen werden kann, hat dies zwar nicht vorhersehen können – dennoch ist aber alles in ihr schon angelegt.
Egal ob dem so ist oder es einen Prozess der Pervertierung gab: Ein Bewusstsein für diese Problematik könnte eine Änderung der Entwicklungen bewirken.
Postmoderne als Korrektur der Moderne: Ich habe diesen Begriff absichtlich nicht verwendet, um zuerst einmal einen Ausgangspunkt aufzuwerfen, eine Diagnose zu stellen. Wenn sie zutrifft, könnte »die Postmoderne« (was auch immer sie sein mag) einen Weg aus dem Dilemma bieten; oder man entwirft und diskutiert einen anderen.
Postmoderne als Beschreibung des Jetzt: Sie lässt sich aber auch als eine »Epoche« lesen zu der die beschleunigte Moderne geführt hat. Die Gleichzeitigkeit, Mehrdeutigkeit, Unschärfe, das Durcheinander etc. wäre ein vom Menschen geschaffenes und nicht per se gegebenes (obwohl es als geschaffenes natürlich wieder Realität werden kann).
Kapitalismus: Der Unterschied zum Handel in vormoderner Zeit ist, dass heute Verflechtungen und Durchdringungen existieren, die damals auf Grund bestimmter kultureller, gesellschaftlicher und anderer Bindungen verhindert wurden; diese Banden hat die Moderne zerstört, den Menschen mündig und frei gemacht, aber zugleich »exponiert«, so dass er von nun an quasi im Nichts stand; er wurde nicht nur frei, sondern auch verfügbar.
Vielleicht lässt sich ein System verändern, wenn die Mehrheit der Beteiligten ihr Verhalten (langsam) verändert (immerhin diskutieren wird das ja).
Ideologie oder Probleme an der wirtschaftlichen Basis?
Jetzt hat Metepsilonema schon fragender formuliert: »These, dass das Selbstverständnis der Moderne möglicherweise eine Ideologie darstellt«.
Möglicherweise …
Rimbaud setzt das Fanal in die Welt: »Man muss absolut modern sein.« Tatsächlich ist heute ein Schriftsteller, bildender Künstler oder Komponist nur dann als Zeitgenosse ernst zu nehmen, wenn er die neueren Meilensteile der Entwicklung zumindest wahrgenommen und in irgendeiner Form, eventuell auch per Negation, verarbeitet hat, so dass er sich quasi in diesen sehr breit und facettenreich gewordenen Strom der Moderne einfügt.
Aber man muss wohl erst mal differenzieren. Es gibt ja 4 »Modernitäten«:
– Die politische Moderne (Demokratie, Menschenrechte, Freiheit und Weltfrieden als Endzwecke)
– Die ökonomische Moderne (der Armut ein Ende bereiten, Grund- und andere Lebensbedürnisse für alle, »Weltwohlstand« als Endzweck)
– Die wissenschaftliche Moderne (Erkenntnis von Natur und Mensch bis ins Kleinste, »Weltwissen« als Endzweck)
– Die kulturelle Moderne – hat welchen Endzweck?
Wenn man sich die Sache so einteilt, kann man stutzig werden, weil die »kulturelle Moderne« zwar stattgefunden hat und hoffentlich auch noch weiter stattfindet, aber es melden sich Fragen: Was zum Teufel soll das denn sein – „Fortschritt in der Kunst“?! Wenn in der Politik, Wissenschaft und Ökonomie Fortschritt heißt, einen schlechten Zustand zu überwinden – welcher schlechte Zustand muss dann z.B. in der Literatur oder Musik überwunden werden?
Offenkundig sind die Entwicklungen in der Kultur von ganz anderer Art als die Fortschritte in der Ökonomie oder Wissenschaft. Ist denn Gothe „weiter“ als Sophokles? Joyce „weiter“ Goethe? Proust „weiter“ als Stendhal? Ist Grass „weiter“ als Fontane? Unsinnige Fragen.
Das Paradoxe ist – und da gibt es Phänomene, die auch in meinen Augen die Durchgeknalltheit unserer heutigen Globalkulturen anzeigen – dass dort, wo der Neuigkeitswert der einzige Wert ist, real der größte Stillstand herrscht. Insbesondere gilt dies für den ganzen Bereich der Populärkultur. Der Kompositionslehre der Popmusik wurde seit dem Blues keine schräge Note mehr hinzugefügt. Songschreiberei funktioniert wie eine immer gleiche Textmühle. Bücher werden geschrieben, damit es neue Bücher gibt – neu ist darin gar nichts und soll es auch nicht sein. Ein Krimi bleibt ein Krimi bleibt ein Krimi. Hollywood erzählt immer wieder die gleichen 5 Geschichten, die dann aber ganz riesengroß als „nie dagewesen“ annonciert werden. Der Unterschied zwischen Modeindustrie und Kulturindustrie ist tatsächlich nicht mehr zu definieren. Diese kulturellen Innovationsmühlen wollen gar nicht Neues erfinden oder finden, sie verkaufen nur Erregungszustände. Wie Gregor K. schreibt: Hier haben wir es mit dem Kapitalismus zu tun, „der aus sich heraus immer mehr produzieren muss, um zu funktionieren.“
Interessant wäre jetzt die Frage, wie weit diese Kulturwarenindustrie, die nur Varianten für das immergleiche Bedürfnis produziert, auch auf die Produzenten übergegriffen hat, deren Intention es ist, langlebige Güter zu schaffen. Ich bin da nicht sehr optimistisch, allerdings bin ich auch nicht sehr optimistisch, was die früheren Zeiten angeht. Unter der heiligen Flagge der großen wahren schönen ewigen Kunst wurde immer schon viel Blödsinn, verschmockter Murks, Schöndenkerei und sinnleerer Habitus produziert. Ob die heutigen Zeiten schlechter sind als frühere, weiß ich nicht. Man sollte pragmatisch urteilen: Solange man hier und da etwas findet, was einen tief aufatmen lässt und auf die Knie zwingt vor Bewunderung, ist mir eigentlich egal, dass sich die Amazon-Regale ansonsten bis zum Mond hochtürmen mit nichtigen Neuigkeiten. Aber auffällig ist schon, dass „vita brevis ars longa“ heute in Millionen von Fällen umgekehrt formuliert werden muss: „Dein Kunstwerk verschwindet schnell, dein Leben aber ist lang.“ Weswegen die geplagten Künstler eben nur wie Wasserdampf im permanenten Überlebenskampf stehen und Jahr für Jahr neue kurzlebende Kunstwerke produzieren müssen.
Ja: Dass ist ihr Selbstverständnis (als ganzes) eine Ideologie darstellt, ist fraglich (nicht fraglich ist, dass es Teile tatsächlich sind oder wurden). Deswegen steht oben auch: In seinen Anfängen war das Projekt Moderne noch der Suche nach Wahrheit verbunden...
Merken Sie was in Ihren drei (und ich würde sagen: vier) Definitionen steckt? Jeweils ein Endzweck (ein Ideal) der (das) durch Entwicklung, Fortschritt und Erneuerung angestrebt werden soll. Der Gedanke ist nicht grundlegend falsch, aber wenn Sie jetzt noch einen Schritt weiter gehen und zugestehen, dass eine derart angenommene Entwicklung aus dem Ruder laufen kann, sind wir schon sehr nahe an der Gegenwart: Dass es vielleicht tatsächlich passiert ist. Was zu diskutieren wäre. Und auch warum.
Sie zählen ja vieles auf, dem ich zustimmen mag, aber es kann doch kein Zufall sein, dass dem so ist, und der Kapitalismus ist m.E. eine halbe Antwort, und ich verweise noch einmal darauf, dass er doch ein Phänomen der Moderne ist (aber diese natürlich nicht ausschließlich Kapitalismus).
Und auch hier sind wir uns einig: Solange man hier und da etwas findet, was einen tief aufatmen lässt und auf die Knie zwingt vor Bewunderung, ist mir eigentlich egal, dass sich die Amazon-Regale ansonsten bis zum Mond hochtürmen mit nichtigen Neuigkeiten. Vielleicht aber mit dem Unterschied, dass ein paar Mal für ein Leben zu wenig sind und ich das nicht dem Zufall überlassen möchte: Es wäre schön diese Momente von Tiefe öfter antreffen, sie bis zu einem gewissen Maß selbst gestalten zu können.
Noch nachgetragen: Das Rimbaud’sche »man muss absolut modern sein«, dieser Imperativ, passt der nicht auch gut auf den Kapitalismus und muss er nicht ein System zur Überhitzung treiben?
@Fritz
Wunderbarer Kommentar; vielen Dank hierfür.
Ein Widerspruch: Interessant wäre jetzt die Frage, wie weit diese Kulturwarenindustrie, die nur Varianten für das immergleiche Bedürfnis produziert, auch auf die Produzenten übergegriffen hat, deren Intention es ist, langlebige Güter zu schaffen. Ich glaube, dass dies nicht mehr der Fall ist. Die Produzenten haben weniger das Interesse, langlebige Güter zu schaffen, als immer neuartigere Güter zu produzieren. Die »Halbwertzeit« beispielsweise elektronischer Geräte ist ja inzwischen nur noch 2 bis 3 Jahre. Dann läuft sinnigerweise auch die Garantiezeit aus. Wenn ich meinen PC-Händer sage, dass mein Klapprechner vier Jahre alt ist, bekomme ich ein mitleidiges Lächeln. Der Schleuder-Kapitalimus verlangt geradezu nach Verbrauch. Da stört so etwas wie Langlebigkeit nur noch.
Post it
Ich finde, dass man tatsächlich »die Moderne« ganz klar abgrenzen kann von der Postmoderne. Und dieser Text hier samt Debatte drunter gibt vielleicht auch eine schöne Gelegenheit, den entscheidenden Punkt herauszuarbeiten.
Was Fritz sagt, ist richtig, wenn man ein post- davor hängt: »(Post-)Modern sein heißt eben auch, ein kompliziertes Bewusstsein für die eigene Geschichte zu haben, eben weil man stärker als frühere Jahrhunderte weiß, wie die Zeit alles umwälzt.«
Ich glaube, dass ein Moderner, wie Schönberg, keinerlei Respekt gehabt hätte vor dem »alten Plunder« (allein, weil er von der Fähigkeit der Reduplikation so fasziniert gewesen wäre).
Erst wenn man Wiederholbarkeit auch des Tisch- und Schrankherstellens als Normalität erfahren hat, als schreckliche Normalität, wird man fähig zum postmodernen Bewusstsein. Dann bekommt das mit Liebe Gefertigte den Hautgout des mit Liebe Gefertigten. Das aber wäre eher postmodern. Denn die Moderne will ja wirklich alles neu machen, sie begrüßt IKEA (mit ein bisschen Stil). Die Postmoderne als Lebensform ist ja auch eine IKEAmoderne, darum wird sie als Denkform eine Prämoderne – wir wollen wieder halten, umarmen, bestehen.
Fritz hat natürlich auch insofern Recht, das FAKTISCH die Modernen sehr viel besser über alte Zeiten Bescheid wussten als wir Postmodernen. Sie hatten mehr historischen Sinn. Und Bildung. Gerade deshalb warfen sie den alten Plunder so leichten Herzens über Bord – er war ja immer mit ihnen, lebte in ihrer Erinnerung fort.
Ich glaube aber, dass die Umwälzungen nach dem alltäglichen Erlebnis der Modernen im Vergleich zu den Halbwertzeiten, an die wir Postmodernen uns gewöhnt haben, sehr langsame Bewegungen waren.
Sagen wir so: Die Modernen wollten postmodern sein, die Postmodernen wollen modern sein.
Sehr schön – Danke!
»Wir wollen wieder halten, umarmen, bestehen können.« Man muss das (fast?) wieder lernen; und dort wo es gelingt, ist die Bewegung eine andere und vor allem will man sie selbst. Sehr viele in meinem Umkreis klagen darüber, dass die Zeit so schnell vergeht. Das hat doch damit zu tun, dass wir (allzu oft) das Gegenwärtige nicht mehr oder nicht immer intensiv als solches erleben.
Demnach wäre die Postmoderne quasi eine Restauration der Moderne, angereichert um eine Portion Geschichtsvergessenheit?
..nicht »Geschichtsvergessenheit« sondern im Gegenteil -erinnerung, oder?
(die Moderne, waere doch die mit dem Kurzzeitgedaechtnis – ist ja auch praktisch, dann kann man gut recyclen, weil man schon vergessen hat, dass das coole Neue schon da war.. – die, .. ach ich glaube diese Einteilungen ja alle noch nicht(; )
Das ist die Frage: Geschichtserinnerung in dem Gedenk-Sinne schon (Mahnmal-Wesen). Geschichtsvergessenheit jedoch im Sinne großer bzw. größerer Zusammenhänge bzw. dahingehend, dass Geschichtsprozesse und ‑entwicklungen nur von ihrem Ende her betrachtet und bewertet werden.
Das führt dann beispielsweise zu der skurrilen Ansicht vieler politischer Akteure und Publizisten, dass mit einem wie auch immer gearteten Scheitern der EU und/oder des Euro die »Schlachtfelder« der beiden Weltkriege wieder drohten. Ein meines Erachtens typisches »postmodernes« politisches Verständnis.
Fritz hat natürlich auch insofern Recht, das FAKTISCH die Modernen sehr viel besser über alte Zeiten Bescheid wussten als wir Postmodernen. Sie hatten mehr historischen Sinn. Und Bildung. Gerade deshalb warfen sie den alten Plunder so leichten Herzens über Bord – er war ja immer mit ihnen, lebte in ihrer Erinnerung fort.
Tut mir leid, da hatte ich mich verlesen, zu sehr noch die Postmodernen als die Restaurierer im Kopf gehabt, dass ich da tatsaechlich gelesen habe, »wir« »Postmodernen« haetten auf einmal wieder Sinn fuer die Geschichte, derer sich die Modernen entledigen wollten (vielleicht taugt’s ja noch als Moebiliar, nette alte Korbsessel, Zinkwannen.. also ist bei den Postmodernen die Geschichte nur Plunder, Schmuck und Federn, die man sich anhaengt wie ein bisschen Adorn(o),...
bei dem was so landlaeufig als postmoderne Literatur verkauft wird, scheint auch viel Literaturlitteratur drunter zu sein, also Intertextualitaet mit Klassikern die nur noch Symbolcharakter haben? Herr Auster hat die doch ernst genommen, will ich meinen, wie auch Benjamin Stein {oder ist der auch nur anti-modern und nicht postmodern?}, Verwirrung ueber Verwirrung......)
»Fortschrittsglauben«, s.u. finde ich schon besser (Moden, und modern/neu zu sein, gab’s ja schon immer, dann waere vielleicht auch schon Barock oder Rokokokokokotten oder der Adel irgendwann schon modern gewesen) – »glauben« stinkt auch schon so schoen nach Ideologie, dieser gepaart mit den positiven Wissenschaften, vllt. gaebe eine nobelige Mischung..
[nur haette ich natuerlich sofort schon Einwaende: wo faengt das dann an? Mit Kant oder der Aufklaerung, da findet sich doch auch schon diese immer weiter schreitenden Erkenntnis/ Vernunft? Was war dann mit den Scholastikern (an denen Kant sich auch geschult haben soll?).. und wenn wir noch weitergehen, die ganzen Griechen.. (s.a. Benjamin Stein und der gerade diese Kontinuitaet sieht, wenn er sagt wir lebten in einer yevonnischen Welt!)]
Beziehungsstatus: kompliziert.
Wir Postmodernen haben selbstverständlich ein Bewusstsein für Geschichte, wir WOLLEN es ja haben, sehnen uns danach – aber es ist »kompliziert«, um Fritz’ luzide Formulierung aufzugreifen. Ein brüchiges, prekäres, labiles Verhältnis zur Vergangenheit. Bestenfalls. Friedrich II. der Staufer ist uns ebenso nah wie Wilhelm II. oder Friedrich II., der Große, der Preußenkönig. Oder vielleicht sogar wie irgendwelche Primaten, Mykene, die Kreuzzüge und Savannen. Das ist alles Vorgeschichte, Mythos, irgendwas Unklares – ein Raum, aus dem wir kommen, der aber weg ist.
Wir haben heute die Möglichkeit, aus dem Vollen zu schöpfen, uns noch der entlegensten Stellen der Geschichte zu bedienen, über Wikipedia jeden Grafen, Fürsten, Hohenzollern aufzurufen und herbeizuzitieren, Schloss Neuschwanstein Stein für Stein zu analysieren – aber der SINN des Ganzen ist uns abhanden gekommen. DAS macht das Wesen der Postmoderne aus: Material ohne immanentes Konzept. Die Vergangenheit spricht nicht mehr zu uns.
Und also arrangieren wir das Material nach anderen Gesichtspunkten – schwören auf Verschwörungstheorien, klammern uns an die Idee der Entropie, rätseln uns in Mikrohistorien hinein usw. Im schlimmsten Fall überlassen wir die Historie Guido Knopp und seinen Mannen und tackern den Quatsch dann in GEO-Heften zusammen.
Für uns ist die Geschichte ein Beinhaus, eine Asservatenkammer, Kulisse und Requisite für unsere nostalgisch-verzweifelten Tagträume. Es geht uns wie Goethe, der sich einfach einen beliebigen Schädel schnappte und sagte: »Das ist der Kopf vom Schiller!«, was natürlich völliger Unfug war ... Pardon, ich fabuliere schon wieder!
@blogo
Wiederum ausnehmend treffend! Genau das ist es, was die Alten, die wir noch kennen, und erleben dürfen, so bewundernswert macht: Sie sind ganz, abgerundet, gebildet und stehen für etwas. Natürlich sehen wir ihre Mängel und Fehler, aber sie besitzen allem Anschein nach etwas, das wir vermissen.
Aber sie wuchsen auch in einer anderen Zeit heran und konnten der neuen gefestigt begegnen.
Die ‘Moderne’ zeichnet sich durch den Fortschrittsglauben aus, während die ‘Postmoderne’ weiß, wohin dieser ‘Fortschritt’ geführt hat. Das erklärt zumindest deren Eklektizismus.
Sind wir also auf der anderen Seite des Pferdes wieder angekommen?
(vaulting ambition, which o’erleaps itself) – hoffentlich nur ’ne Verstauchung,.. aber da merk ich, Gott ist Kot?
Zumindest ist er ausgeschieden:)
@walhalladada
Ist das so, dass »wir« wissen, wohin der Fortschrittsglaube geführt hat? Oder glauben wir nicht doch noch immer ein As im Ärmel zu haben, welches wir bei Gelegenheit dann in das Blatt hineinmogeln? Wie ist es möglich, dass man glaubt, wenn man in D die AKWs abschaltet, das Problem gelöst ist? Wieso sind die Nachhaltigkeitsjünger viel zu oft in den Schlangen zum ipad2 zu finden?
Manchmal glaube ich, der Unterschied besteht darin, dass die Postmoderne praktisch die sozialdemokratisierte Gesellschaftsform darstellt. Das, was in der Moderne Ziel war, ist hier weitgehend erfüllt. Postmodern wäre eine Beschreibung für einen Egalitarismus, der langsam Nivellierung mit Liberalität verwechselt.
Wahrlich nicht leicht zu beantworten, lieber Gregor, aber die Frage politisch, gar parteipolitisch beantworten zu wollen, führt meines Erachtens zu nichts. Es gibt einen Generalnenner, der – bewusst oder unbewusst – gleichermaßen alle betrifft, vom Leistungsträger bis hin zum Empfänger: das Unbehagen. Wenn die ‘Moderne’ dem Menschen (Subjekt) noch seine Unzulänglichkeit vor Augen geführt hat, dann ist es Sache der ‘Postmoderne’ ihn (den Menschen) als Objekt vorzuführen.
@wallhaladada
Ich habe das »sozialdemokratische« nicht partei- oder eher gesellschaftpolitisch gesehen. Verallgemeinernd könnte man ja auch sagen, dass die Postmoderne die »soziale Frage« geklärt hatte. Fatal ist nur, dass diese Klärung durch makroökonomische Twänge (die natürlich politisch geduldet werden) droht, wieder aufgehoben zu werden.
Interessant der Gedanke, die Postmoderne führe den menschen als Objekt vor. Ist dies eine neue, ernüchternde Schicksalsgläubigkeit?
Interessant der Gedanke, die Postmoderne führe den menschen als Objekt vor. Ist dies eine neue, ernüchternde Schicksalsgläubigkeit?
Ich glaube, dass »die Moderne« irgendwann sehr kritikresistent wurde, was auf Grund der Feindschaft, die ihr immer wieder entgegen schlug bis zu einem gewissen Grad nachvollziehbar ist. Aber man sah irgendwann seine eigenen Fehler nicht mehr und konnte oder wollte auch nicht gegensteuern: Den Menschen als Objekt vorzuführen, würde ich jetzt durchaus als aufklärerischen Akt interpretieren, im Sinne von: Hinsehen und begreifen, was da eigentlich passiert ist (der Mensch wäre nicht schon immer Objekt gewesen, sondern es erst durch die Moderne geworden).
Den Menschen als Objekt zu sehen, halte ich für gelinde gesagt: schwierig. Ich würde dies als einen anti-aufklärerischen impuls sehen, der Rubrizierung von Menschen ermöglicht.
Die Moderne gilt heute noch als weitgehend sakrosankt (im säkularen Sinne). Das hängt hauptsächlich damit zusammen, dass Kritik entweder als Weltuntergangsprophezeiung geübt wurde (die beispiele stehen weiter unten in Fritz’ Kommentar) oder in anti-moderne Systeme führten (Nazis, Stalinismus, Pol Pot). (Die Tatsache, dass insbesondere die Nazis technikaffin waren, spielt hierbei keine Rolle – es geht um das Menschen- und Gesellschaftsbild.)
Die Postmoderne übte nun keine »Kritik« an der Moderne, sondern überführte sie mindestens im künstlerischen und intellektuellen Bereich auf eine sehr breite Basis, die man böswillig auch als Beliebigkeit bezeichnen könnte. Gesellschaftspolitisch gibt die Postmoderne nichts her; sie hat den Kapitalismus hingenommen und opfert sich ihm teilweise auf. Politische Bewegungen, die nun beispielsweise für ein bedingungsloses Grundeinkommen plädieren, wären in diesem Sinne restaurativ, da sie den Kapitalismus zu Gunsten eines Etatismus bändigen bzw. aufheben wollen. Diese Bändigung geschieht aber nur scheinbar. In Wirklichkeit wird das zirkulierende Kapital nur anders verteilt und das Leistungsprinzip, immanent für den Ökonomismus, abgeschafft.
Bevor es etwas untergeht, wo das hier, so richtig schön warmläuft, wie unten bemerkt: Gestern habe ich deinen Text, metepsilonema, noch einmal gelesen, und möchte doch einmal sagen, dass dir da ein schöner Essai gelungen ist. Zuspitzend, sehr bildreich und stringent auf einen Punkt konzentriert – und wie man sieht sehr anregend zur Diskussion, bzw. zum eigenen Nachdenken (gut das hatte Fritz schon angemerkt).
Leider muss ich mich der Diskussion vielleicht einmal etwas entziehen, da ich wieder in mein Hamsterlaufrad muss,.. aber ich melde mich wieder – vielleicht gelingt mir ja bald endlich eine etwas stringentere Antwort (wenn auch nicht in so geschlossen-schöner Form wie dein Essai).
[vllt. eine kurze Vorschau: worin dein Essai möglicherweise fehlgeht ist, dass er vielmehr eine verkappte Gesellschafts- und Kulturkritik vorlegt, als eine nüchterne Typologie unseres Zeitalters... und die {kommt wieder mein einer T(r)ick} Dialektik vergisst: dieses Schaubild http://walhalladada.twoday.net/stories/16559367/ finde ich dazu sehr gelungen, wenn wir Gesellschaftskritiker uns klar machen, dass wir natürlich alle der eine, der andere (bei Manfred Lütz: die Irren, die Außergewöhnlichen) sind.. und damit eigentlich wieder die graue, uniforme Masse?
... auch wenn dies eine rhetorische Figur ist, die ähnlich/invers bei Herrn Keuschnig schon vor kam: Eine These, die ich immer sogenannten Aussteigern vorhalte: Ihr Aussteigertum funktioniert nur deshalb, weil es genügend »Personal« gibt, welches weitermacht...
mehr hoffentlich später..]
@Gregor
Ich interpretiere nur wallhalladadas Satz, vielleicht kann er uns weiterhelfen, wie er zu verstehen ist. Ich weiß nicht, kann Erkenntnis antiaufklärerisch sein, wenn sie tatsächlich etwas erkannt hat?
Ich glaube schon, dass es eine Rolle spielt, dass die Nationalsozialisten Technik nicht abgelehnt haben, weil sie damit die Moderne nur partiell zurückwiesen (s.u.); sie haben das sicherlich vormoderne Mensch- und Gesellschaftsbild mit modernen Errungenschaften verwoben. Man könnte fragen, ob vormoderne Verständnisse vielleicht immer wieder »hoch kommen«, weil sie sich nicht gänzlich verbannen lassen (das bitte nicht als Rechtfertigung totalitärer Systeme missverstehen).
Die Postmoderne übte nun keine »Kritik« an der Moderne [...]
Das halte ich für falsch, außer man sieht es ausschließlich vom Ergebnis, vom gegenwärtigen Zustand her (Baumann kritisiert die Moderne klar und deutlich und setzt als Gegenpunkt die Postmoderne). Sonst hast Du mit vielem Recht, die Postmoderne scheint einige Entwicklungen mit offenen Armen zu empfangen (was auch ein Grund war, warum ich den Begriff vermieden habe).
Ein Grundeinkommen könnte, bei allen Halbherzigkeiten und Unzulänglichkeiten, aber Geschwindigkeit (und weitere Beschleunigung) aus dem System nehmen und dadurch doch etwas zu einer Korrektur beitragen.
@Phorkyas
Danke. Ich bin mir zwar nicht sicher ob ich Dich richtig verstehe, aber über »eine Antwort« freue ich mich in jedem Fall. Beste Grüße!
@thread
Zur Objekt-Subjekt-Relation: Ich denke, dass die ‘Moderne’ ohne einen emphatischen Subjekt-Begriff eben nicht denkbar ist. Verknüpft mit diesem ist ein weitestgehender Anthropozentrismus, der nicht umhin kann, den Gedanken des ‘Fortschritts’ an das ‘Subjekt’ zu binden. Das ist historisch nicht gut gegangen! Die Dialektik – Motor des Fortschrittsgedankens – kennt nurmehr die Negation. Sie ist die eigentliche Triebfeder für das, was man gemeinhin ‘Postmoderne’ nennt. Das gute alte ‘Subjekt’ hat zwar ausgedient, aber es zieht sich am Schopf der Beliebigkeit aus dem modern
den Morast seiner Bedeutungslosigkeit!(Sehr schnell zwischen Tür & Angel – ich bitte um Nachsicht)
@walhalladada
Verkürzt gesagt: Das Subjekt erhofft sich dadurch zu retten, indem es alles für beliebig erklärt. Muss es aber nicht gerade daran wieder scheitern? Die Bedeutung kehrt dadurch doch nicht zurück.
Die Bedeutung – was ist das – kehrt zwar nicht zurück, aber die ‘Postmoderne’ ist gekennzeichnet durch den Versuch des von den geschichtlichen Ereignissen ‘überholten’ Subjekts seine gewahrgewordene ‘Beliebigkeit’ gleichsam zu entäußern, indem es – beliebig – Dinge mit Bedeutung auflädt. Die Moderne war heiliger Ernst, wohingegen die Postmoderne mit der Beliebigkeit einen geradezu spielerischen Umgang pflegen muss! Stichwort : Eklektizismus. Sie tut das nicht von ungefähr, sondern aus Notwehr: Letzlich versucht das überholte Subjekt seine Haut zu retten, indem es vorgibt, noch die Oberhoheit über seine eigene Bedeutungslosigkeit zu haben. Ich glaube, die ‘Moderne’ war in ihrem Kern konstruktiv, auch utopistisch, während die hochgebildete ‘Postmoderne’ sich eher der geschmäcklerischen Regression verpflichtet weiß.
@walhalladada
Mit der Bedeutung habe ja nicht ich begonnen... Aber Spass beiseite: Bedeutung lässt mich bestimmte Handlungen anderen gegenüber bevorzugen (es hat viel mit glauben und einschätzen zu tun, weniger mit Wissen).
Man könnte nun überlegen, ob das nicht schon immer so war, dass der Ernst immer ein vorgeschobener Grund war und wir eigentlich aus bisher verborgenen oder verdrängten Motiven heraus handeln. Beliebigkeit als eine Art Akzeptanz von dem was ohnehin schon immer der Fall war.
Ein anderer Ausweg wäre eine Flucht in die Quantität (die mir manchmal schon fast verwirklicht erscheint).
Die Ironisierung und Ästhetisierung des Lebens in der Postmoderne ist natürlich nicht ohne Probleme und Gefahren.
@walhalladada
die Oberhoheit über seine eigene Bedeutungslosigkeit
Sehr schön.
Und wie soll ich nun mit diesem »Wissen« um meine Bedeutungslosigkeit umgehen, die ich mit Affekten (und Effekten) nur mühsam verbrämen vermag?
Demzufolge wäre der Elektizismus der Postmoderne das Eingeständnis, nichts Neues mehr vorzufinden, sondern nur als »Alte« noch zu modifizieren? (Das dürfte dann wohl nur für die Kunst gelten.)
@Gregor@
Für die Naturwissenschaften gilt das natürlich nicht – Paradebeispielsweise: für den medizinischen Fortschritt! Ich bewege mich mit meiner Argumentation im Rahmen der ‘Kunst’, vielleicht sollte ich besser sagen, der Geisteswissenschaften, in denen es nach wie vor nach allen Regeln der ‘Kunst’ spuken muss. Und warum auch nicht...? Sie ist – zumindest für mich – die einzige Dimension, die das ‘Leben’ erfahrbar machen kann, ohne dass man die Molekularbiologie begreifen muss. Für letzteres bin ich einfach zu simpel gewickelt!
Ich jedenfalls gehe mit meiner ‘Bedeutungslosigkeit’ affektiv um – das mag zwar nicht ‘effektiv’ sein, aber es sichert mir den Glauben an meine vermeintliche ‘Oberhoheit’ :-)
@walhalladada
Ketzerisch könnte man auch behaupten, dass es für die Naturwissenschaften gilt. Auch die richten sich nur an unserem Erfahrungs- und Wahrnehmungsapparat aus. Der medizinische Fortschritt beruht darauf, dass bestimmte Krankheiten bekämpft werden können, dafür aber andere, neue Krankheiten aufkommen, usw. Der »Fortschritt« in der Landwirtschaft führt u. U. dazu, dass die Pestizide, die zu sehr hohen Ernteerträgen führen, nicht nur Nahrung gefährlicher machen, sondern auch noch die Bienen ausrotten – und damit das gesamte Ökosystem destabilisiert würde. Es kommt mir vor, als würden die Naturwissenschaften lauter Pyrrhussiege feiern, deren »Halbwertzeit« immer kürzer ist.
Der Unterschied zwischen Geisteswissenschaften und Naturwissenschaften liegt darin, dass die Geisteswissenschaften um ihre Vorläufigkeit wissen, während die Naturwissenschaften »endgültige« Urteile postulieren, die solange gelten, bis das Gegenteil »bewiesen« wird.
Ich frage mich nun, ob diese Erkenntnis postmodern ist oder noch Ausläufer einer sterbenden, sich selber abschaffenden Moderne. Postmodern könnte es demnach sein, dieses »Hamsterrad« nicht nur zu durchschauen, sondern aus ihm auszutreten. Das meinte ich mit Restauration.
@Gregor
Selbst wenn da »ketzerisch« steht, die Naturwissenschaften richten sich natürlich nicht nur nach unserem Erfahrungs- und Wahrnehmungsapparat: Jedes Röntgenbild zeigt sehr anschaulich das Gegenteil.
Und der wichtigste Unterschied zwischen Natur- und Geisteswissenschaften ist ein methodischer (und auch einer des Gegenstands).
Es kommt mir vor, als würden die Naturwissenschaften lauter Pyrrhussiege feiern, deren »Halbwertzeit« immer kürzer ist.
Das klingt schon sehr nach Postmoderne... aber ernsthaft, genau das ist einer der Kritikpunkte am modernen Denken, dass man den »Gegner«, das zu bekämpfende immer neu erzeugt – jede Kategorisierung schafft automatisch etwas Nicht-kategorisiertes).
Ich frage mich nun, ob diese Erkenntnis postmodern ist oder noch Ausläufer einer sterbenden, sich selber abschaffenden Moderne.
Das Eine geht wohl nicht ohne das Andere: Wäre die Moderne stark genug, würden wir nicht über das »post« diskutieren. Innerhalb der Postmoderne ist wohl beides möglich: Das Hamsterrad am Laufen halten oder ins Freie springen.
@Metepsilonema
Das Röntgenbild ist wiederum nur durch unseren eigenen Sinnesapparat zu »sehen« und zu interpretieren. (Aber das Problem ist natürlich uralt; so kam Descartes auf seinen berühmten Schluss...)
@Gregor
Naja, man muss schon unterscheiden, ob ich die Welt nur durch das mir unmittelbar zugängliche erklären will (die Sinne) oder ich meinen Erfahrungsbereich erweitere (die Naturwissenschaft versucht das durch Hilfsmittel, Geräte, usw.). Röntgenstrahlung können wir nicht wahrnehmen, aber man kann zeigen, dass sie existiert (dazu reicht die Schwärzung eines Films). Das ist nicht frei von erkenntnistheoretischen Problemen, aber die gibt es immer. Man kann das in letzter Konsequenz so weit trieben und sagen, dass selbst das Ablesen von einem Messinstrument problematisch ist (ich kann die Röntgenstrahlung z.B. messen). Gut, aber immerhin macht man sich die Mühe ein solches zu verwenden (und dass alles Täuschung ist, das kann theoretisch sein, aber da wir ohnehin nicht handeln als wäre das so, ist das ein Einwand, der bis zu einem gewissen Grad müßig ist).
(Die Dominanz des Optischen und Bildes fuer unser Erkennen sieht (!) man doch aber z.B. auch bei den Neurowissenschaftlern.. und auch sprachlich (einsehen, Licht der Erkenntnis,..)? – Selbst bei den unsichtbaren, subatomaren Partikeln versucht man doch ihr Verhalten in ein (physikalisches) Bild zu bekommen – z.B. Welle oder Teilchen, auch wenn »die Natur« uns da bekanntermassen ein Bein gestellt hat...)
@Metepsilonema
Ich glaube nicht, dass man den »Erfahrungsbereich« unserer Sinne erweitern kann. Alles bleibt innerhalb unseres Systems der Sinneswahrnehmung. Die Röntgenstrahlung können wir nur im Rahmen unserer Sinne sichtbar (!) machen; sie würde auch existieren, wenn wir sie nicht wahrnehmen könnten.
@Phorkyas
Über Neurowissenschaften und deren Indizien hier ein ganz nettes Podcast über die Thesen von Stephan Schleim: »Die Neurogesellschaft« (ca. 6:30)
Hier scheint es, dass wir geradezu gefangen sind, Prozesse als Bilder darzustellen, ohnen zu befragen, welche Ursachen diese Bilder haben.
@Phorkyas & Gregor
Die Dominanz des Optischen streite ich gar nicht ab, aber es ist doch zweierlei, ob ich erkenntnistheoretische Zweifel habe oder prinzipiell eine Illusion annehme. Gegen das letztere kann ich nichts tun, gegen das erstere schon (zumindest mich damit beschäftigen).
Es ist doch nicht so, dass wir über Sinnestäuschungen bescheid wissen, weil wir sie theoretisch annehmen, sondern weil wir sie zeigen können und jedem von uns seit seiner Schulzeit bekannt ist, wie einfach das zu bewerkstelligen ist (er hat sie an sich selbst erfahren).
Ich erweitere den Erfahrungsbereich, insofern ich mir unbekannte Modalitäten zugänglich mache (natürlich nehme ich sie nicht wahr, aber ich bekomme Kenntnis von »ihnen«).
Und dass es Fehlentwicklungen geben kann oder man sich zu stark auf etwas verlässt, spricht ja nicht prinzipiell dagegen.
Noch was, wo wir uns gerade warm reden ...
Das Unbehagen an der Moderne ist ja kein neuer Topos in der Geistesgeschichte. „Verlust der Mitte“, „Untergang des Abendlands“, ganz zu schweigen von der Kritik an der Moderne, die die Nazis praktiziert haben. Die ästhetisch-kulturelle Moderne erfreut sich bis heute nach meiner Beobachtung keineswegs breiter Beliebtheit.
Wo kommt die Moderne her? Ich glaube nicht, dass sie als „Idee“ entstand. Vielleicht hat sie heute in einigen Bereichen ideologieartige Züge angenommen, aber entstanden ist sie nicht als Gedanke, sondern aus der europäischen Geschichte selbst.
Woher genau? Es gibt ja Gesellschaften, die bis heute nicht modern sind, sondern quasi auf der Standspur fahren. Diesen Gesellschaften fehlt vor allem eins: das Buch und die Liebe zum Buch. Die Liebe zum Buch kam mit der Bibel nach Europa. Die Erfindung des Buchdrucks hat die Lawine ermöglicht. Wissen wurde multiplizierbar und distribuierbar. Der Buchdruck ist quasi der Urknall von Aufklärung und technischem Fortschritt. Der Rest folgt daraus – Schulen und Universitäten, Siegeszug der bürgerlichen Wirtschaft und des Kapitals, Überproduktion, Kunst und Kultur als Dienstleistungssparte, immer dichtere weltweite Vernetzung etc.
Ob das alles gut ist, ist ebenso wenig sinnvoll zu fragen, wie zum Beispiel ob das späte Mittelalter oder das 18. Jahrhundert sinnvoll waren. Tolle Zeiten gab es noch nie. Ideologiefreie Zeiten natürlich auch nicht. Der Blick zurück neigt zu Verklärung. Wie Benjamin schon (sinngemäß) sagte, gibt es keine Kunstwerke, die nicht aus der Barbarei entstanden sind. Heute sind sie weniger aus der Barbarei geboren als aus den kulturindustriellen Verwertungszyklen. Und Martin Walser hat mal geseufzt: „Man kann nie spät genug geboren sein“. Wer die Moderne kritisiert, der sollte erst mal eine Zeit nennen, die wirklich menschenfreundlich war.
Die Moderne und die Post-Moderne – ein verzweifelter Versuch, sich aus der Kälte, dem Innovationszwang und der Hektik der Moderne zu befreien – sind unsere Geschichte. Wir haben keine andere. Man kann darauf gespannt sein, was dann kommt. Wenn etwas nicht mehr weitergehen kann, dann geht es auch nicht weiter.
Exemplarisch kann man die Sackgasse der ideologischen Moderne in der Geschichte des Jazz ablesen. Einige Jazzer sind seit den späten 60er Jahren sozusagen bis an den äußerten Rand der Innovationslogik gegangen („Free Jazz“). Nachdem diese Ränder ausgelotet waren, war der Käse gegessen. Heute entwickelt sich im Jazz eine freie Musikalität, wo Musiker nicht mehr nach dem Neuen suchen, sondern einfach nach „ihrer eigenen Musik“. Da entstehen musikalisch aufregende Sonderbezirke zwischen Jazz, klassischen Harmonien, Folk und Pop. Ist das „restaurativ“? Manchmal ja. Doch da, wo es nicht restaurativ klingt, da entstehen Höhepunkte ind er Musik, die vielleicht sogar von Dauer sind.
Wahrscheinlich wird das plump-avantgardistische Missverständnis der Moderne allmählich ad acta gelegt. (Wobei ich die Spitzen dieser bereits in die Jahre ergrauten Avantgarde nicht missen möchte – ich tausch doch meinen Jandl nicht aus gegen diesen folkloristischen Erzählkram á la „Tschick“ oder was da sonst gerade en vogue ist).
Literatur, Kunst, Film und Theater entwickeln sich entlang andere Einflussgrößen und Kraftfelder. Der Fortgang der Neuerungen bestimmt sich dort anders.
Jetzt fällt mir eine Stelle bei Forster ein, Reise an den Niederrhein. Da ist dieser wunderbare Aufklärer irgendwo hinter Aachen unterwegs, weit ab, wenn ich mich richtig erinnere. Und er sieht diese abgelegenen, in großem Abstand zu einander dahindämmernden Gehöfte. Dort scheint sich seit Jahrhunderten nicht geändert zu haben. Und er bemerkt dann, dass diese Beschaulichkeit auch das Ergebnis einer bedrückenden Dumpfheit ist. Diese Dumpfheit hinter der Beschaulichkeit – das wollte die Moderne überwinden. Aber wie wir Menschen so sind – geht die eine Dumpfheit, kommt die nächste gleich hinterher.
Ich weiß nicht, ob derjenige, der an der Moderne kritikwürdiges findet gleichzeitig in der Bringschuld eines »besseren Zeitalters« ist. Zumal man ja tatsächlich zu Verklärungen neigt. Es könnte ja sein, dass nachfolgende Generationen uns und die Zeit, in der wir leben, als schrecklich empfinden, was dann bspw. mit der Grenzenlosigkeit des Kapitalismus und Rohstoffverbrauchs in der Welt begründet werden könnte. Andererseits hat es tatsächlich noch nie eine Generation gegeben, die nicht Gründe gehabt hätte mit »schlechtem Gewissen« seinen Nachkommen gegenüber zu treten. Ich habe zum Beispiel immer den Verklärungen der älteren generationen nach dem Motto »Die haben alles nach 45 aufgebaut« entgegen gehalten, dass es ja zumeist auch diejenigen waren, die zur Zerstörung mindestens indirekt beigetragen hatten.
Das Beispiel mit dem Jazz ist interessant, weil es m. E. das postmoderne Verständnis generell betrifft: Der Künstler ist nicht nur der Schöpfer des Kunstwerks – er ist ein Teil dessen. Das ist die »Botschaft«, die ich überall sehe und lese. Künstler werden zu »Marken«, die sich selbst vermarkten müssen. In der Literatur wird das immer mehr gängige Praxis. Vor allem aber in der bildenden Kunst. Dabei liegt es sicherlich nur an meinem Banausentum, dass mich größte Teile der zeitgenössischen Kunst überhaupt nicht mehr interessieren bzw. affizieren.
Das Foster-Bild ist sehr schön, weil es tatsächlich zeigt, wie wir unseren Beglückungsversuchen immer wieder scheitern. Daher kommt dann der Impuls hin zum »Neuen«. Kürzlich traf ich ehemaligen Kollegen von der Firma, in der sich vor 30 Jahren gelernt hatte. Man war ein bißchen aufgeregt, weil es kurz vorher ein neues »Image« in Form eines neuen Logo gab. Das bestehende Logo existierte fast 50 Jahre – jetzt meinten die Chefs, man müsse sich was Neues zulegen. Solche Episoden belustigen mich immer. Einerseits verschafft ein solcher eingekaufter Imagewandel vielleicht eine Art Motivationsschub, den Alltagstrott neu zu bestimmen, alte »Zöpfen« abzuschneiden, usw. Andererseits ändert sich doch in der Firmenkultur und im Miteinander der Leute dadurch rein gar nichts. Ich kenne große, international agierende Firmen, die durch Besitzwechsel und Umstrukturierungen innerhalb des Konzerns in wenigen Jahren vier, fünf solcher Imagawandel durchgemacht haben. Die Mitarbeiter sammeln ihre Visitenkarten, die manchmal die Gültigkeit von Bundesligatrainerengagements haben.
@Fritz
Das Unbehagen ist kein neuer Topos, gewiss nicht, aber wenn, dann sollten wir mit der Romantik beginnen, das war wohl die erste umfassende Kritik der Moderne. Es gilt aber festzustellen warum und woher das Unbehagen kommt und welche Berechtigung es hat (falls Sie ein wenig Zeit haben, ich habe vor einiger Zeit Monods Zufall und Notwendigkeit dargestellt und diskutiert, er begründet etwas das ich als Unbehagen an der Moderne bezeichnen würde, sehr schlüssig und verständnisvoll, weil er es im selben Moment nicht gegen denjenigen wendet der es fühlt).
Bezüglich des Nationalsozialismus würde ich vorsichtig sein: Der war, wie die meisten auf den ersten Blick augenfällig antimodernen Bewegungen, zumindest ein Amalgam aus Moderne und Antimoderne (Technik z.B. war ihnen willkommen). Man kann aber (wie Bauman das tut) noch weitergehen und das moderne Denken/die Moderne im Nationalsozialismus selbst aufspüren und dechiffrieren, der Nationalsozialismus wäre dann ureigene Moderne.
Ich denke schon, dass Aufklärung/Moderne von Anfang an sehr bewusst und sehr deutlich ausgesprochene Ideen waren, denken wir wie explizit Kant formulierte was Aufklärung bedeutet (natürlich haben Sie Recht, dass die Moderne nicht sofort jenes Projekt darstellte, das sie einmal werden sollte, aber die Grundgedanken waren m.E. vorhanden).
Die ästhetische Moderne ist nicht über die Maßen beliebt, aber das ist nicht unbedingt der Punkt; auch wenn etwas nicht beliebt ist, kann es das geltende Credo darstellen, in das sich die meisten – volens, nolens, bewusst oder unbewusst – einfügen. Auch weil das System so läuft.
Ich habe auch zu formulieren versucht, was ich im Jetzt, heute, für ein gelungenes Leben halte (d.h. an mir selbst erfahren habe); und ich kenne das nicht gelungene Leben von mir und anderen, das wäre, angedeutet, ein Gegenentwurf. Im Grunde geht es darum: Der Mensch hat sein Alleinsein im Universum begriffen und verstanden, dass er nur dieses eine Leben, diese eine Chance hat. Was wäre wichtiger, als ebendiese zu erhalten?
Vielleicht muss man die Dumpfheit nicht überwinden, sondern anerkennen und integrieren? Zumindest würde man nichts verdrängen und könnte vielleicht trotzdem daran wachsen.
Im Zusammenhang der Diskussion erscheint mir folgendes wiederholt zitierwürdig:
»Die gängige Lesart der Moderne begreift Munchs Bild
‘Der Schrei’ als Ausdruck des monadischen Subjekts, verdammt zu einer solipsistischen Leere, verzweifelt angesichts seiner Unfähigkeit, Kontakt mit der Welt herzustellen usw.
Diese Interpretation ist insofern unzureichend, als sie das Subjekt weiterhin als Substanz begreift, als positive Entität, deren adäquater Ausdruck blockiert ist. Erst in dem Augenblick, wo wir uns aus dieser perspektivischen Illusion befreien, treten wir in die Postmoderne ein:
Was der Moderne als eine Grenze erscheint, die den
Selbst-Ausdruck des Subjekts blockiert, ist nichts anderes als das Subjekt selbst. Anders gesagt, wir treten in die Postmoderne ein, wenn wir vom ‘entleerten Subjekt’ zum Subjekt als Leere der Substanz übergehen.
(Die Relativitätstheorie kennt eine homologe Umkehrung von der Materie als Substanz, die den Raum krümmt, zur Materie als Krümmung des Raumes.)
In seiner radikalen Dimension ist das Subjekt nichts als diese schreckliche Leere – im horror vacui fürchtet das Subjekt nur sich selbst, seine konstitutive Leere. Der Schrei ist weit davon entfernt, den Schrecken des Subjekts angesichts seines Selbstverlustes vorzuführen; er ist vielmehr die Geste, durch welche die Dimension der Subjektivität erst eröffnet wird«.
(Zlavoj Zizek: Grimassen des Realen, Köln, 1993, S. 183f.)
Man kann wahrscheinlich streiten, ob es tatsächlich Unfähigkeit oder nur Unzulänglichkeit ist; wenn man es mit dem Wahrheitsbegriff kontrastiert, scheint es letztere zu sein: Die Wahrheit kann man nicht erreichen, aber sich ihr annähern, es fällt also doch etwas wie »Lohn« oder »Sinn« ab. Genauso kann man überlegen, ob es der adäquate Ausdruck ist oder eine prinzipielle Unmöglichkeit.
Wenn das Subjekt diese schreckliche Leere ist, was soll es noch fürchten? Es ist doch eher das sich-in-Auflösung-befindende Subjekt, das sich fürchten muss, weil es eine Ahnung davon hat wohin die Entwicklung geht.
Sehr schön aber (vor allem der letzte Teil nach dem Semikolon): Der Schrei ist weit davon entfernt, den Schrecken des Subjekts angesichts seines Selbstverlustes vorzuführen; er ist vielmehr die Geste, durch welche die Dimension der Subjektivität erst eröffnet wird«.
Solange der Treibstoff zum Streiten nicht ausgeht, ist alles halb so schlimm:)
Interessant finde ich den Gedanken, man könne die Wahrheit zwar nicht erreichen, sich ihr aber annähern. Stimmt das denn? Auf jeden Fall ist es ein moderner Gedanke, oder? Er ist anthropozentrisch, subjektzentriert und egostolz (die Wahrheit bezieht sich ja wohl aufs Subjekt als den Träger der Erkenntnis), mit zwei Wörtern: ungebrochen prädekonstruktivistisch. Es ist der Gedanke eines großen weißen Mannes, der seinem Tod entgegengeht.
Wie sehr wir alle dem Projekt der Moderne noch verbunden sind, beweist die Tatsache, dass man beim Lesen dieses metepsilonema-Satzes unwillkürlich innerlich nickt ... und keinen Verdacht schöpft! Postmodern wäre wohl die Fußnote (in etwa): »Na, ob wir Menschlein wirklich so begeistert wären von der Wahrheit?«
Es ist die klassische Sicht Poppers und natürlich modern gedacht (wie Du sagst).
Irgendjemand sagte einmal, dass sich die Postmoderne einfach nicht mehr für die Wahrheit interessiere (aber selbst dann bliebe eigentlich noch Raum für Konzepte wie Stimmigkeit, »Urteile« o.ä., denn irgendwelche Handlungsreferenzen brauchen wir ja und finden sie auch, sonst handelten wir nicht).
@walhalladada
Solange der Streit nicht zu verbissen wird und man sich ein gewisses Quantum an Ironie oder Freundlichkeit erhält.
@blogozentriker
Touché. Will sagen: Auch ich bin ertappt. Indem ich postuliere, mich der Wahrheit anzunähern, muss ich einen Begriff der Wahrheit haben. Damit ist aber schon eine Art Urteil vor-implantiert. Aus dieser Mühle kommt man so schnell nicht heraus. (Es ist vielleicht kein Zufall, dass die größten Philosophen Fragen stellten und keine Antworten gaben? Stimmt wenigstens das?)
@metepsilonema
...solange geht unsereinem der Schreibstoff nicht aus!
Die Lektion der Postmoderne ...
... ist in meinen Augen: Demut.
...obwohl sie doch
gemeinhein als eher »übermütig« daherkommt...
Anything goes – warum nicht auch die Demut, welche an sich nicht unbedingt eine gebückte Haltung einnehmen muss. Allerdings bleibt die Frage offen, wovor?
Na, vor
... dem Seyn, natürlich. Wovor denn sonst?
...hab ich mir schon gedacht, allerdings ohne ‘y’ :)
Ich hab’s ja mehr mit dem ‘Scheyn’...
Bei Zizeks Beschreibung wollte ich nur ausrufen: schoen...
(Demut.. vielleicht auch vor der Leere? / oder werden wir dann alle zu Buddhisten? – apropos Buddhisten, hat der Heydegger, die nicht auch gelesen.. und stammt von dem nicht auch »Seyn und Zeyt«? – Google spuckt mir ueber den Buddhisten Heidegger dann auch gleich diese ebenfalls ’schoenen’(?) Saetze aus:
»Die Herkunft des Anwesenden aus dem Nichts (dem Ereignis) zu denken ist das Grundanliegen der Heideggerschen Spätphilosophie, [..]: Alles ist aus dem Nichts [..] gewaehrt«
http://www.todtnauer-ferienland.de/de2/.../2007kbseubold.pdf
)
Nichts, usw.
Insofern ist Heidegger der erste Apologet der Postmoderne – hier schließt sich der Kreis: 0
Diese Art der Kommentierung ...
... ist mir zu postmodern. Und natürlich auch zu seynsvergessen-technikhaltig: reines Gestell. (»Gleich mal googlen« – anstatt auf die Anrufung von innen her zu warten! Typisch! Und schrecklich!)
(Natürlich war das schrecklich, aber man muss den Teufel doch mit dem Beelzebub austreiben – ich geselle mich gern zu Gestellen, die brambarasieren dann wenigstens nicht so einen Stuss wie ich, Sloterdijk oder Zizek – denn die Postmoderne gibt es nicht, nicht, nicht.)
@walhalladada
...solange geht unsereinem der Schreibstoff nicht aus!
Jau!
Aber, Phorkyas, ..
... NATÜRLICH gibt’s die Postmoderne nicht. Wie die Moderne ja auch nicht! Das sind alles willkürliche Abgrenzungen. Aber warum soll man nicht sagen, dass das Projekt Moderne mit seinem Anspruch einer Unterwerfung der wuchernden Welt unters Cogito in der Postmoderne zum Erliegen kommt? Indem einerseits die Kosten in den Blick geraten. Und andererseits der schiere Wahnsinn, die Hybris dieses Ansatzes! Ein Mustertext der Moderne ist ja wohl Wittgensteins »Tractatus« – der, davon legt ja Wittgenstein selbst Zeugnis ab durch Wort und Leben, in eine Sackgasse führte. Der letztlich den Nachweis lieferte, dass die Durchrechnung der Wirklichkeit ins Bramarbasieren. Und so ist die Postmoderne einfach für die Moderne das, was die Metaphysik für die Physik ist. Ich verstehe die Polemik gegen diesen Gedanken nicht ganz?
Noch ein »führt« ...
... einführen, im Kommentar da oben, bitte!
Vermutlich vollkommen abwegiger Gedanke:
Ist Heideggers »Sein und Zeit« nicht DER restaurative Text der gegen-Moderne? Liegt in der von ihm angesprochenen Seinsvergessenheit nicht die Krux der Moderne?
Zwei Anmerkungen: (1.) Ich habe »Sein und Zeit« nie zu Ende gelesen. (2.) Man kann sich über Heideggers Sprache amüsieren (vielleicht sie nur so ertragen). Aber das Problem, welches er aufwirft, ist m. E. evident (um nicht die abgedroschene Vokabel von der »Aktualität« zu verwenden).
Das zu erkunden, was sich sich mit diesen beiden Begriffen begreifen laesst, ist wohl Sinn und Zweck dieses Diskurses.
(Ich hoffe auch, ich gebe nicht allzusehr den grantelnden Saboteur – da ist bei mir leider noch eine Grundskepsis oder Abneigung gegen das Wolkige und Schillernde dieser Begriffe, und daher geht es mir eigentlich um eine saubere Begriffsklaerung – die Negativitaet der letzten Bemerkung erklaert sich aber wohl eher daraus, dass Ihr voriger Kommentar gegen den meinigen, ein ziemlicher Volltreffer war,.. und ich so unzufrieden mit meinem Gequassel war, dass ich mir mal wieder ein temporaeres Blogverbot erteilen wollte..)
Das Sein und das Nichts.
Ohne mehr von »Sein und Zeit« gelesen zu haben, als ein paar Sätze, würde ich diese These sofort unterschreiben! Die Moderne als Lebenshaltung des patentierten »Machen wir schon!« lebt ja in der Wirtschaft als Zombie, als enthirnter Spuk, in Form eines »Wo ist das Problem?« fort. Heidegger hingegen hat sie mit seiner von Hölderlin geborgten Sprachschaufel philosophisch tüchtig totgeschlagen. Die Moderne hatte vergessen, dass da ein paar andere Mächte auch noch ein Wörtchen mitzureden haben ... das klingt jetzt natürlich entsetzlich nach Öko-New-Age, aber der Fall Fukushima ist vielleicht doch ein gutes Beispiel. Nicht fürs Heraufdämmern des Zeitalters des Wassermanns, sondern für die Hybris. Selbst wenn man nicht auf Sand baut, kann einem das Fundament verrutschen.
@Phorkyas:
Aber nein, ich kann ja das Granteln sehr gut verstehen – allein dieses Medium, das Internet, lädt dazu ja leider auch sehr ein. Und auch ich täte mich sehr schwer, einen Terminus wie »Postmoderne« zu definieren. Und doch gibt es ja Stilmomente, mit deren Hilfe man z. B. das Barock definiert. Da scheint mir doch ein Umbruch stattgefunden zu haben, irgendwann in den Sechzigern. Das geht so: Der Moderne baut die V2-Raketen in Peenemünde, der Postmoderne schreibt »Die Enden der Parabel« darüber. Für mich wäre das noch die griffigste Definition ... eine Bewegung weg vom ingenieurshaften Herangehen an die Wirklichkeit hin zum ästhetischen. Das Revers wäre dann wohl eine milde Resignation, ein Achselzucken – auch »anything goes« wäre ja übersetzbar mit: »Was soll’s«, ohne das Feyerabend’sche Feuer!
restaurativ – erscheint mir noch problematisch, weil da durchscheinen koennte, dass man etwas zurueckholen will, was sich eben nicht mehr zurueckholen laesst.
(Bei Herrn Jessen las ich von der Moderne als Suendenfall – das waere interessant, denn in das Paradies kann man erwiesenermassen nicht mehr zurueck. Die Erkenntnis (biblisch: von Gut und Boese, der Moderne: Gottes Tod?) laesst sich nur betaeuben nicht rueckgaengig machen, insofern waere das Restaurative vielleicht sogar regressiv (ist es Religion auch, wenn sie uns von der Last Erbsuende (und der Erkenntnis?!) wieder befreien moechte?).
[Dass Heideggers Seinsvergessenheit einen wichtigen Treffer landet, zu der Meinung bin auch mittlerweile gelangt.]
Hat jemand zwei (oder auch mehr) erklärende Sätze zur Seinsvergessenheit parat (da bin ich völlig blank)?
»Restaurativ« und »regressiv« sind in einem negativen Sinn an ein positives Verständnis von Moderne gebunden; dieses Verständnis (und auch ihren Sinn) würden sie verlieren, wenn sich die Moderne (in mancher Hinsicht) geirrt hätte oder zu einer Ideologie verfallen wäre.
Geht unser gegenwärtiges Fieber auf Irrtum oder Ideologie zurück, dann wäre die Frage nach »der heilenden (?) Medizin« anders zu beantworten, als wenn uns tatsächliche Erkenntnis dorthin gebracht hätte; aber selbst in letzterem Fall kann ich verstehen, dass jemand nicht verrückt werden will.
Seinsvergessenheit
Ich finde den Wikipedia-Artikel ziemlich gut. Auch der Passus über das Dasein trifft es, soweit ich es damals verstanden hatte, sehr gut.
Es wird auch erwähnt, dass Heidegger die Seinsvergessenheit (die ja eigentlich eine Daseins-Vergessenheit ist) schon bei Platon ausmachte. Ich vermag das nicht zu beurteilen.
Heidegger wird heute vor allem in Frankreich positiv rezipiert und kann als einer der »Ideengeber« des Existentialismus gelten. Seine Verstrickung (und teilweise Hoffierung) der Nazis hat ihn in Deutschland eigentlich immer diskreditiert. Berüht ist das »Spiegel«-Interview mit Augstein 1966, welches erst 1976 abgedruckt wurde (die WIedergabe ist nicht komplett; hier in englisch.).
»Restaurativ« und »regressiv« sind in einem negativen Sinn an ein positives Verständnis von Moderne gebunden
Ein positives Verständnis das auch Sünde ist? So hatte ich es nicht gemeint. Ich wollte eine Unterscheidung suchen zwischen regressiver Anti- oder Prä-Moderne, die zurück will in den Schoß der Natur, Gottes, Tradition, Erde oder was auch immer – und der wie auch immer gearteten Postmoderne, die reflektiert hat, dass ebendies nicht möglich ist (deswegen spielt sie ja nur mit diesen Dingen?)... Aber vielleicht lässt sich ebendas gar nicht trennen (gerade in obigem Spiegelinterview sieht man vielleicht wie bei Heidegger beides immer wieder durcheinanderschießt?).
@Phorkyas
Ich glaube, wir wollen etwas Ähnliches; aber es ist doch so, dass beide Wörter selten als Selbstbezeichnung gewählt werden, weil sie negativ konnotiert sind (man stellt sich dem Fortschritt entgegen, will in den Schoß zurück, usw.). Wie Du richtig sagst, man muss zwischen dem Zurück zu Gott u.ä. und einer reflektierten Haltung, die Erkenntisse, die auch solche sind, nicht leugnet, unterscheiden. Auf deutsch: Kein Selbstbetrug! Etwas ganz anderes wäre es aber, sich einer sinnlosen Zerstörung (seiner selbst) entgegenzustellen.
@Gregor
Danke, muss ich mir noch eingehender ansehen.
Lieber Metepsilonema,
ich weiß, die Frage ist frech: Gibt’s bisher einen roten Faden, eine Quintessenz Eurer Diskussion? :-)
Ich bin zwar nicht gefragt...
aber: Gibt es denn eine Quintessenz für Dich?
Doch doch – natürlich bist Du auch gefragt; ich war mir nicht sicher, wen ich ansprechen sollte: Metepsilonema als Autoren, Dich als Moderatoren, oder die gesamte diskutierende Runde.
Die Frage hab’ ich aus ganz egoistisch-pragmatischen Gründen gestellt: Metepsilonema hatte mich auf die Diskussion aufmerksam gemacht, und ehe ich mich zu Wort melde, dachte ich dreisterweise, ich käme vielleicht um die Lektüre der 78 Kommentare herum ...
Puh...
Meine – ich fand die Diskussion ergiebig, möchte aber nicht behaupten, dass alle einer Meinung wären – ist, ganz knapp gefasst, dass viele ein Unbehagen in der Lebenswelt der noch Spät- oder schon Postmoderne empfinden; dieses ist nicht mit dem am Kapitalismus deckungsgleich und hängt mit der Moderne selbst zusammen (ob in ihr angelegt oder erst in ihrem Verlauf entstanden sei einmal dahingestellt); es handelt sich dabei nicht um einen antiaufklärerischen Reflex, der hinter das moderne Bewusstsein schmerzhafter Wahrheit zurück will, sondern um eine berechtigte Kritik, etwas wie Aufklärung über die Aufklärung (natürlich keine ganz neue Idee); das Schwierige dabei ist, dass vor allem auf nicht-ästhetischem Gebiet, manche Errungenschaften der Moderne unabdingbar erscheinen und so treffend und richtig mir postmoderne Kritik immer wieder begegnet, in der Praxis (Ethik, Gemeinwesen, usw.) habe ich in einiger Hinsicht erhebliche Zweifel; Postmoderne erscheint einmal als Bejahung dessen, was mich zu zerstören droht und dann wieder als ein möglicher Weg zu einem gelungenen Leben (was natürlich auch daran liegt, dass es die Postmoderne nicht gibt; selbiges gilt für die Moderne). Wie Du siehst, ist noch einiges im Fluss.
Es wird geht auch noch hier weiter.
[Und ich verspreche noch einen weiteren Text.]
Ich würde ja gerne widersprechen, so wie ich das immer tue, aber bei der Zusammenfassung kann ich das kaum(; -
PS. Ich wollte die Diskussion nicht umlenken, nur eine persönliche Zwischenzusammenfassung erstellen, falls es den Hausherrn nicht stört, könnten wir gerne hier die Fäden wieder aufnehmen (falls möglich, nötig –)
Mea culpa für die viel zu späte Antwort; ich habe gerade gesehen, dass Dein versprochener zweiter Text inzwischen eingestellt ist (den ich noch nicht gelesen habe). Trotzdem zum ersten Teil drei kurze Notizen, die nicht aus Zeitnot kurz geblieben sind, sondern weil ich sie bislang nicht anders ausformulieren kann.
· Ich kann Dein Herumlavieren in den widersprüchlichen Gefühlslagen allerbestens nachvollziehen. Du weißt aus eigener Lektüre, wie sehr ich mich selbst mit den Umrissen, den Schatten und den (immer wieder vermeintlichen) Wesen der Moderne (und der Postmoderne) in der Vergangenheit herumgeschlagen habe. Allerdings fehlen mir (nicht nur in Deinem Text, sondern auch bei mir) aufrüttelnde Wie-Fragen; ich lese viele Zuschreibungen, bin aber kaum auf Erklärungen gestoßen, wo »das« Moderne / die Modernen wurzelt/n.
· Mir fehlt – mit meiner postkolonial angehauchten Perspektive bin ich da vielleicht zu penibel – der Einbezug der expansionistisch gerichteten Anteile der Moderne. Das, was wir unter dem M‑Wort zu bündeln versuchen, ist ja kein innereuropäischer Prozess. Während die Europa innerlich modernisiert, mondänisiert bzw. expandiert es gleichzeitig »feudalistisch«. Die Globalisierung, die wir heute erleben, ist ja kein Präzedenzfall, sondern hat einen Vorfahren in der Globalisierung auf dem Seeweg. Mit anderen Worten: Das moderne Bewusstsein setzt sich auch deshalb durch, weil es außerhalb nicht widerlegt wird.
· Die spannendsten – d.h. sowohl kribbelndste als auch anstrengendste – Fragen gelten dem Frondienst für das Immerneue. Wir agieren hilflos und genötigt; wir versinken in einem Sumpf immer neuer Angebote und Produkte, die konsumiert und ausprobiert werden wollen, schreibst Du. Woher rührt diese Nötigung zu immer wieder wiederholten Wahlen, die im Kern, mit Abstand betrachtet, ausschließlich ökonomisch plausibel erscheinen, aber keinen anhaltenden kulturellen Mehrwert mehr vermitteln? Woher dieses allgegenwärtige Gefühl der Not, der Ananke? Wie ist eine Gesellschaft gepolt, die trotz ihres materiellen Überüberflusses das Gefühl unbedingten Bedarfs aufrecht erhält? Wie muss sie gepolt sein, damit sie diesen Notbedarf aufrecht erhalten kann? Wie kommt es, dass das Verfügbare nicht nur besessen werden könnte, sondern besessen werden muss?
Deine Anschlussfrage nach dem Trost stellst Du ganz zurecht. Ich bin gespannt!
Viele Grüße _ L
Das moderne Bewusstsein setzt sich auch deshalb durch, weil es außerhalb nicht widerlegt wird.
Das trifft es m. E. sehr gut. Alle Versuche, das »moderne Bewusstsein« umzuwerten, sind bestenfalls gescheitert oder führten – schlimmstenfalls – in noch grössere Katastrophen.
@willyam
Besser eine späte Antwort, als keine (das Thema beschäftigt uns ja weiterhin).
Zu Punkt 1: Kannst Du vielleicht ein oder zwei Beispiele für »Wie« Fragen geben (ok, sehe gerade, dass in Punkt 3 welche stehen)? Bist Du an Mechanismen und Funktionen interessiert? Und was meinst Du mit dem Wurzeln? Eine Verankerung im Subjekt?
Zu Punkt 2 und Das moderne Bewusstsein setzt sich auch deshalb durch, weil es außerhalb nicht widerlegt wird. Ja, aber verursacht es nicht »außen« und »innen« dieselben Probleme? Sie expandiert, aber ist die Richtung so wesentlich, wenn es schon »stört«, dass sie das tut?
Zu Punkt 3: Mir erscheint zur Zeit folgende Erklärung am plausibelsten: Da die Ziele »der Moderne« letztlich unerreichbar blieben, ihre Ideale »zurückwichen«, oder sich weiter entfernten, musste ein Imperativ her (bewusst oder unbewusst), der uns weiter auf das Ziel gerichtet »marschieren« lässt. Ich glaube, es kommen auch ein paar einfache menschliche Eigenschaften hinzu: Gier, Begierde, Neugierde, Sammelleidenschaft, Spieltrieb, Lust, Genuss, Konsum,...
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