Ber­lin Ba­by­lon

Ach­tung: Über­all Spoi­ler!

Bei dem Wort »Se­rie« ge­ra­ten ja in­zwi­schen ge­stan­de­ne Feuil­le­ton-Re­dak­teu­rIn­nen in ge­ra­de­zu kon­vul­si­vi­sche Zuckun­gen. So­fort wer­den die üb­li­chen Ver­däch­ti­gen der ame­ri­ka­ni­schen Pro­duk­tio­nen her­un­ter­ge­rat­tert und vom »neu­en Er­zäh­len« be­rich­tet. Da­bei gab es Se­ri­en schon im­mer, aber es geht wohl um mehr, um Welt­erklä­rung, ja: Welt­erfas­sung wie wei­land dies nur dem »gro­ßen Ro­man« zu­ge­traut wur­de (wo­bei noch zu Goe­thes Zei­ten der Ro­man un­ge­fähr das war, was man heu­te Schmon­zet­ten nennt). Der gu­te deut­sche Re­zi­pi­ent weiß na­tür­lich, wo­hin er schau­en muss und ist dem­zu­fol­ge im­mer ein biss­chen skep­tisch, wenn nun (schein­bar) peu à peu auch deutsch(sprachig)e Se­ri­en pro­du­ziert wer­den.

Es ist be­dau­er­lich, dass die­se zu­wei­len in Selbst­hass sich suh­len­den Ab­wehr­me­cha­nis­men aus­ge­rech­net bei »Ba­by­lon Ber­lin« fast gänz­lich ver­sagt ha­ben. Aus Grün­den, über die man nur spe­ku­lie­ren kann, wur­den die bis­he­ri­gen 16 Fol­gen (ins­ge­samt 12 Stun­den Sen­de­zeit in 2 »Staf­feln«) bis auf ei­ne Aus­nah­me na­he­zu ab­ge­fei­ert.

Die Se­rie spielt in den er­sten Mai­ta­gen des Jah­res 1929 in Ber­lin. Ge­zeigt wird die­se Stadt als Schmelz­punkt von Pro­sti­tu­ti­on, Ka­ba­rett, Kri­mi­na­li­tät und Po­li­tik. We­ni­ger Ba­by­lon denn So­dom. In­mit­ten dar­in: Ein paar Ge­rech­te, wie der aus Köln zu­ge­rei­ste Ge­re­on Rath, der bei der Ber­li­ner Po­li­zei im Sit­ten­de­zer­nat hos­pi­tiert. Zu­nächst soll er ei­nen Ring von ver­meint­li­chen Er­pres­sern auf­spü­ren, die pro­mi­nen­te Per­sön­lich­kei­ten bei Fes­sel- oder son­sti­gen Sex­spiel­chen auf­ge­nom­men ha­ben. Auf ei­nem Fo­to ist das Ge­sicht des Kun­den un­kennt­lich ge­macht; Rath er­fährt spä­ter, dass es sich um sei­nen Va­ter han­delt, den OB von Köln (Ade­nau­er lässt grü­ßen).

Aber es gibt se­ri­en­na­tür­lich meh­re­re, par­al­le­le Hand­lungs­strän­ge: Ein Zug aus Russ­land mit Gift­gas und – Trom­mel­wir­bel! – ei­nem Wa­gen mit Gold, der von Trotz­ki­sten nach Istan­bul um­ge­lei­tet wer­den soll und nun na­tür­lich bei al­len mög­li­chen Par­tei­en Be­gehr­lich­kei­ten weckt. Es gibt Plä­ne für ei­nen Staats­streich, aber da ist eben Ge­re­on Rath, der dies ganz al­lei­ne ver­hin­dert. Ein wei­te­rer Ge­rech­ter ist Re­gie­rungs­rat Ben­da, der Rath för­dert. Und da ist na­tür­lich Char­lot­te Rit­ter, die aus ar­men Ver­hält­nis­sen ei­nen Schreib­job bei der Po­li­zei er­gat­tert, wäh­rend sie nachts als Pro­sti­tu­ier­te in ei­nem Edel-Bor­dell Ber­li­ner Pro­mi­nenz be­dient. Ihr Traum ist es in die Mord­kom­mis­si­on zu kom­men; ih­re Chan­cen sind im da­mals män­ner­do­mi­nier­ten Ap­pa­rat eher ge­ring. Aber da ist ja Ge­re­on Rath – sie­he oben.

Gar­niert wird dies mit Tanz- und Mu­sik­se­quen­zen, wo­bei die Kom­po­si­tio­nen sin­ni­ger­wei­se nicht aus der Zeit stam­men son­dern die Hal­tun­gen der Zeit­ge­nos­sen spie­geln, die sie er­schaf­fen ha­ben. Ent­spre­chend dröh­nend der Un­ter­ton und die ge­le­gent­lich fass­ba­ren Al­le­go­rien 1929 mit den 2010er Jah­ren ver­glei­chen zu wol­len. Wä­re »Ba­by­lon Ber­lin« ein Ge­mäl­de, es wä­re ge­spach­telt; der Pin­sel für die fei­nen Stri­che fehl­te. Der Rah­men wä­re auf den er­sten Blick opu­lent, aber dann doch nur Gips. Die Fi­gu­ren wä­ren na­iv ge­zeich­net, fast aus­schließ­lich de­fi­niert über Mo­de- und Klei­dungs­ac­ces­soires.

Dar­aus fol­gert, dass man zehn Se­kun­den nach­dem ei­ne Fi­gur zum er­sten Mal zu se­hen ist, weiß, ob sie gut oder bö­se ist. Es gibt nur ei­nen Über­ra­schungs­mo­ment in den ge­sam­ten zwölf Stun­den – ganz am Schluß, als Ge­re­on Rath sei­nem ver­schol­len ge­glaub­ten Bru­der wie­der­be­geg­net, der ihm mit ent­stell­tem Ge­sicht sein Trau­ma weg­hyp­no­ti­sie­ren möch­te. Die­se Freu­de!

Liv Li­sa Fries, die die Char­lot­te spielt und hier­für ei­gent­lich nur ein Wort braucht (»Dan­ke«), schreibt in der »TV-Spiel­film«, dass sie das Buch »Der nas­se Fisch« von Vol­ker Kut­scher, wel­ches die Re­gis­seu­re für ih­ren Ko­stüm­kitsch ge­plün­dert ha­ben, nicht ge­le­sen ha­be um sich nicht vom Dreh­buch ab­zu­len­ken. Das ist ver­mut­lich als Selbst­schutz sinn­voll ge­we­sen; wo­mög­lich wä­re man nach der ver­glei­chen­den Lek­tü­re schrei­end weg­ge­lau­fen. Mat­thi­as Brandt er­in­nert als Ben­da stark an Hanns von Meuf­fels. Vol­ker Bruch spielt Ge­re­on Rath mit asep­ti­scher Gleich­gül­tig­keit. We­der die ihm vom Re­gis­seur an­ge­dich­te­te Mor­phi­um­sucht noch sein Ver­hält­nis mit sei­ner Schwä­ge­rin ver­mag ihn mensch­lich er­schei­nen zu las­sen. Das Show­down mit dem bö­sen Kol­le­gen von der Sit­te (mit grim­mi­ger Ent­schlos­sen­heit ver­kör­pert von Neu­zeit­bö­se­wicht Pe­ter Kurth) ge­rät zum leicht an­ge­staub­ten Ja­mes-Bond-Mo­tiv mit Stunts auf Ei­sen­bahn­wag­gons. Das En­de ei­nes in­fol­ge ei­nes Pi­sto­len­schus­ses ex­plo­die­ren­den Phos­gen-Wag­gons ist im üb­ri­gen un­mög­lich.

Auch sonst wer­den Wahr­hei­ten ge­bo­gen und Ki­no­ge­schich­te hübsch ge­spie­gelt. Schon der Vor­spann mit dem oran­ge-rot leuch­ten­den Kreis und der knar­zi­gen Mu­sik er­in­nert von Fer­ne an Charles Wilps Afri-Co­la-Wer­bung. Das Un­ter­tau­chen des trotz­ki­sti­schen Füh­rers in der Sch***e ei­nes Plumps­klos bei­spiels­wei­se (Slum­dog Mil­lio­när) – hier um der sta­li­ni­sti­schen Ka­me­ril­la zu ent­ge­hen. Da­bei ge­lin­gen der sich so ge­ret­te­ten Fi­gur im wei­te­ren Ver­lauf er­staun­li­che Wie­der­auf­er­ste­hun­gen. Vor so­viel Ac­tion ver­puf­fen die hi­sto­risch be­glau­big­ten Fak­ten wie et­wa die streng ge­hei­me Auf­rü­stung der Reichs­wehr mit Un­ter­stüt­zung des sta­li­ni­sti­schen Re­gimes (die Auf­deckung er­folg­te je­doch be­reits frü­her). Oder die Un­ter­wan­de­rung von Po­li­zei und Ar­mee durch die de­mo­kra­tie­feind­li­che so­ge­nann­te »Schwar­ze Reichs­wehr«.

Das al­les wird zur Ku­lis­se für die we­ni­gen Ge­rech­ten, die aber, das weiß man schließ­lich, al­le schei­tern wer­den. Es kommt noch ei­ne Hy­per­in­fla­ti­on und in noch nicht ein­mal vier Jah­ren re­gie­ren die Na­zis. So ist der Zu­schau­er schlau­er als die Hel­den, was ei­gent­lich zu­sätz­li­che Em­pa­thie er­zeu­gen könn­te. Aber die ste­ri­le Mor­bi­di­tät der Re­gie ver­hin­dert dies ziel­si­cher. Da­durch ent­geht man zwar dem Ge­fühls­kitsch, aber um den Preis des Ko­stüm­kit­sches.

Wer ei­nen Ein­druck vom »Ba­by­lon« Ber­lin er­hal­ten möch­te sei die 14teilige Fern­seh­zu­mu­tung von Rai­ner Wer­ner Fass­bin­ders »Ber­lin Alex­an­der­platz« nach Al­fred Dö­b­lin emp­foh­len. Das Schick­sal von Franz Bi­ber­kopf war für Fass­bin­der ein Le­bens­the­ma. Das ist fast 40 Jah­re her, aber was für ein Fern­se­hen: 930 Mi­nu­ten, viel Dü­ster­nis, we­nig Ac­tion, kei­ne Se­kun­de Lan­ge­wei­le. Und nie war man nä­her am Ber­lin der 1920er/1930er Jah­re. Ei­ne groß­ar­ti­ge »Se­rie«, die – das wis­sen die we­nig­sten – für man­che ame­ri­ka­ni­sche Re­gis­seu­re stil­bil­dend für ih­re Pro­duk­tio­nen war. Ein Witz (oder ei­ne Ver­beu­gung?), dass der groß­ar­ti­ge Gün­ter Lam­precht (in­zwi­schen 88 Jah­re) in ei­nem Gast­auf­tritt im Tykwer-Quatsch den Reichs­prä­si­den­ten Paul von Hin­den­burg spielt. Aber das ret­tet nichts.

6 Kommentare Schreibe einen Kommentar

  1. me too: ste­ril ist das Ad­jek­tiv, das es auf den Punkt bringt.
    Konn­te kaum die er­ste Fol­ge über­ste­hen, und freu­te mich im Lö­schen der Fort­set­zun­gen über die ge­spar­te Le­bens­zeit. Und wer in die­ser an­ämi­schen Plot-Mar­me­la­de ‘das neue re­le­van­te Er­zäh­len’ sieht, das an­geb­lich die Li­te­ra­tur er­setzt, hat auch von Li­te­ra­tur kei­ne Ah­nung und nie ei­ne ge­habt.
     
    Plea­se plea­se, Mr. Post­man: Wir lang­wei­len uns zu To­de!

  2. Sie schrei­ben et­was bö­se.
    Die Ge­schich­te ist span­nend. Si­cher­lich über­trie­ben, aber das gibt es in je­dem Film.
    Die Schau­spie­ler sind gut und es freut mich, dass ne­ben dem gan­zen Tat­ort – Zeugs die­se Se­rie aus Deutsch­land kommt.

  3. Ist denn die Art und Wei­se, wie Sie (nicht nur hier) ge­gen das Se­ri­en­for­mat kei­len, mit fei­nem Pin­sel ge­malt? Mein Ge­fühl ist, wenn Sie er­lau­ben, dass et­was an­de­res da­hin­ter steckt, als die ge­nann­ten Grün­de. Bei mir wä­re es, dass so vie­le Dumm­köp­fe das Se­ri­en-Horn bla­sen, dass man ums Ver­recken nicht der glei­chen Mei­nung sein möch­te. An­de­rer­seits sind so vie­le klu­ge Köp­fe über Jah­re von dem Trend ge­ra­de­zu eu­pho­ri­siert, dass man dies nicht mit ei­nem Fe­der­strich ab­tun kann.

    Bei Ba­by­lon Ber­lin kann man es ein­fach hal­ten. Die Se­rie war ei­ner­seits so teu­er, dass man sie welt­weit ver­mark­ten muss, sich al­so dem sehr brei­ten Pu­bli­kum an­dient. An­de­rer­seits war die deut­sche Kri­tik ge­ra­de­zu de­pri­miert, dass selbst Dä­ne­mark ei­ne Se­rie nach der An­de­ren von ho­her Qua­li­tät raus hau­te, aber aus Deutsch­land gar nichts kam. Da­her die er­lö­sen­de Lob­hu­de­lei, zu­mal die Se­rie mehr oder min­der das Deutsch­land­bild im Aus­land auf­po­lie­ren soll. Ber­lin Alex­an­der­platz hat das nicht schaf­fen kön­nen.

    Grund­sätz­lich hat mich das For­mat aber als Me­tho­de ein Werk von der Di­men­si­on ei­nes Ro­mans ins Bild zu set­zen, voll über­zeugt. Was für bis zur Un­kennt­lich­keit ver­krüp­pel­te Ro­man­ver­fil­mun­gen ha­ben wir ge­se­hen? Heu­te wür­de ich dem Film ge­ra­de noch die No­vel­le zu­ge­ste­hen. Ich ha­be in den letz­ten zwan­zig Jah­ren vie­le Se­ri­en ge­se­hen (bei den So­pra­nos im Vor­spann ist noch das WTC zu se­hen) und im­mer wie­der fest­ge­stellt, wie viel Zeit der Au­tor hat, auch Nu­an­cen zu zeich­nen. Das hat es viel­leicht vor­her auch schon ge­le­gent­lich ge­ge­ben. Der Un­ter­schied ist aber, dass Hol­ly­wood heu­te das Geld und vor al­lem die Top-Au­toren Rich­tung Se­rie weg­ge­lau­fen sind.

    HBO etc. müs­sen sich da­bei nur ih­rer zah­len­den Kund­schaft (ein Eli­te­pro­jekt) an­die­nen, die an­de­ren ma­chen es häu­fig sehr ge­schickt, dass sie der Ge­schich­te als Kom­pro­miss meh­re­re Ebe­nen spen­die­ren, so­dass man dem schlich­te­ren und dem an­spruchs­vol­le­ren Kon­su­men­ten ge­recht wird. Auf je­den Fall sind vie­le der neu­en Se­ri­en bes­ser, als al­les was im nor­ma­len Pro­gramm zu fin­den ist.

    Was mich tat­säch­lich in­ter­es­siert, wel­che Se­ri­en Sie ge­se­hen ha­ben, dass Ih­re Mei­nung so ab­schät­zig ge­wor­den ist? Das von Ih­rem Gast­kom­men­ta­tor an­ge­spro­che­ne West­world z.B., hat si­cher mehr Men­schen da­zu ge­bracht über das, was den Mensch zum Men­schen macht nach­zu­den­ken, als al­le Phi­lo­so­phie­bü­cher zu­sam­men. Und das bei ei­ner hoch­kom­ple­xen Hand­lung, die im deut­schen Fern­se­hen un­denk­bar wä­re. Al­ter­na­tiv wür­de ich Ih­nen The Lef­to­vers emp­feh­len, Bild ge­wor­de­ne Li­te­ra­tur. Für den, der sich drauf ein­las­sen will.

  4. @Joseph Bran­co
    Es gibt ja Men­schen, die Sonn­tag Abend beim »Tat­ort« vor dem Fern­se­her sit­zen und all die klei­nen und klein­sten Feh­ler­chen und Hand­lungs­un­mög­lich­kei­ten auf Twit­ter auf­spie­ssen. Die­se Leu­te ver­ges­sen, dass es sich nicht um ein na­tu­ra­li­sti­sches Ab­bild ei­nes Vor­gangs (hier: Tä­ter­jagd) han­delt, son­dern um ei­ne Fik­ti­on. Da ist es m. E. ent­behr­lich an­zu­mer­ken, dass Ver­däch­ti­ge hier­zu­lan­de an­geb­lich nicht an­ge­fasst wer­den dür­fen, wenn sie in ein Po­li­zei­au­to ein­stei­gen. An­ders sä­he es na­tür­lich aus, wenn bspw. Fol­ter beim Ver­hör als nor­ma­les Po­li­zei­mit­tel ge­zeigt wür­de.

    Mich regt al­so bei »Ba­by­lon Ber­lin« nicht auf, dass Char­lot­te plötz­lich von »frei­en Ka­pa­zi­tä­ten« spricht – ei­nem Duk­tus, den man in den 1920er Jah­ren si­cher­lich nicht nicht kann­te. Die un­glaub­wür­di­ge Ex­plo­si­on ei­nes Phosgen-Waggons...naja, nur ein Ac­tion­ele­ment. Ge­nau wie die Tur­ne­rei auf den Wag­gons. Wer wür­de schon ei­nen Ja­mes-Bond-Film nach Au­then­ti­zi­tät be­ur­tei­len wol­len. (Aber wer wür­de ihn auch das ei­ne Art »neu­es Er­zäh­len« ab­fei­ern wol­len?)

    Es ist nicht ganz un­wich­tig, dass »Ba­by­lon Ber­lin« in ei­ner ver­gan­ge­nen Zeit spielt. Die Sa­che ist da­her schwie­ri­ger als Sci­ence-Fic­tion-Se­ri­en oder Dys­to­pien, weil man sich dann doch halb­wegs an die hi­sto­ri­schen Ge­ge­ben­hei­ten zu hal­ten hat. Die größ­te Ge­fahr ist aber, dass es zur Ku­lis­sen­schie­be­rei wird. Und das ist hier ge­sche­hen. Die Re­gis­seu­re sind so fas­zi­niert von den »sün­di­gen« Bil­dern, die ih­nen ge­lun­gen sind, dass sie sich all­zu sehr die­sem Sog er­ge­ben ha­ben. Zwi­schen­zeit­lich hat­te ich das Ge­fühl ei­ner Art Hal­lo­ween, in der der ver­stor­be­nen See­len des Films (der Fi­gu­ren) ge­dacht wer­den soll. Und das, ob­wohl die Fi­gu­ren blass wir­ken.

    Dass die Pro­duk­ti­on von »Ba­by­lon Ber­lin« teu­er war und das sie wo­mög­lich bes­ser und an­re­gen­der ist als so man­ches an­de­re Ge­schwur­bel im deut­schen Fern­se­hen mag ja sein. Und ja, ich ha­be sehr sehr we­ni­ge der ge­hyp­ten US-Se­ri­en ge­se­hen (wenn, dann nur ein­zel­ne Fol­gen), weil mir das Zeit­in­vest­ment ein­fach zu hoch war. Ob das klug war, könn­te ich mich kri­tisch fra­gen. Statt­des­sen ha­be ich näm­lich mei­sten­teils deutsch­spra­chi­ge Neu­erschei­nun­gen ge­le­sen, wo sich die Fra­ge nach der ver­schwen­de­ten Le­bens­zeit zu­wei­len eben­falls (mehr oder we­ni­ger dra­stisch) stell­te.

    Die von Ih­nen vor­ge­nom­me­nen Mut­ma­ßun­gen, dass mei­ne Ab­leh­nung ei­nem eher zwang­haf­ten Wi­der­spre­chen ent­springt oder gar »et­was an­de­res« da­hin­ter­stecke, sind un­zu­tref­fend. Ich bin so­zu­sa­gen in­ter­es­sen­los.

    Im üb­ri­gen möch­te ich Ih­nen durch­aus glau­ben, dass »West­world« wir­kungs­mäch­ti­ger ist als al­le Phi­lo­so­phie­bü­cher zu­sam­men (wo­bei der Su­per­la­tiv schon arg ver­all­ge­mei­nernd ist). Aber ähn­li­ches sag­te man in den 1990ern auch von »So­phies Welt«.

  5. Es fällt mir gar nicht ein, Ih­nen ein zwang­haf­tes Wi­der­spre­chen zu un­ter­stel­len. Es gibt nur so vie­le schlech­te Se­ri­en, die im Ge­leit­zug der Pracht­ex­em­pla­re se­geln und mit de­ren Adep­ten ich nichts ge­mein ha­ben möch­te. Ich dach­te, Ih­nen geht es ähn­lich, nur dass Sie des­halb viel­leicht die Per­len vor lau­ter Sand über­se­hen. Das Spek­trum ist sehr breit und bei den ame­ri­ka­ni­schen Pro­duk­tio­nen auch nicht oh­ne kom­mer­zi­el­len An­strich zu ha­ben, aber der Hype ist nicht sub­stanz­los.

    Ih­re Kri­tik an BB ist si­cher rich­tig, da ha­be ich ver­mut­lich lan­ge auf­ge­ge­ben, mich zu är­gern. Die hi­sto­risch ver­dreh­te Dar­stel­lung ist z.B: ge­gen­über Frau­en, Li­be­ra­li­tät, An­ti­se­mi­tis­mus etc. oft nicht aus­zu­hal­ten, als woll­te man die Ge­schich­te im Nach­hin­ein kor­ri­gie­ren. Man kann es aber auch nüch­ter­ner se­hen, wie z.B. Han­no Hoch­muth im DLF:

    Ich glau­be, das ist die gro­ße Qua­li­tät der Se­rie, dass eben nicht nur die Par­ty­stadt Ber­lin ge­stern und heu­te in­sze­niert wird, son­dern dass die Se­rie sich die Zeit nimmt und es auch wagt, ein ganz gro­ßes ge­sell­schaft­li­ches Pan­ora­ma zu ent­wer­fen.

    Sei’s drum. Er­stau­nen tut mich aber die un­dif­fe­ren­zier­te Po­la­ri­sie­rung, die das For­mat er­zeugt, wie ja auch hier im Kom­men­tar pas­siert. Ich freue mich ein­fach, dass ei­ne Me­tho­de ge­fun­den wur­de, Ge­schich­ten auch brei­ter zu er­zäh­len, oh­ne nur die Schlüs­sel­si­tua­tio­nen dar­zu­stel­len. Das möch­te ich nicht mehr mis­sen.

  6. »Ein ganz gro­ßes ge­sell­schaft­li­ches Panorama«...Hm. Wo soll dies sein? Es gibt doch nur Ver­satz­stücke da­von, weil der Plot, die Hand­lungs­strän­ge im­mer wie­der auf ein »Wei­ter« drän­geln. Die Ar­men­fa­mi­lie der Char­lot­te? Ben­das Staats­treue (die de­zen­te An­spie­lung der jü­di­schen Her­kunft)? Was soll die­se Ge­schich­te von Raths Va­ter im Sexkel­ler der Ber­li­ner SM-Sze­ne?

    Ich war ein gro­ßer Freund von dem, was man in mei­ner Ju­gend »Schul­funk« nann­te. Ich emp­fand ihn als ei­ne idea­le Er­gän­zung zum Ge­schichts­un­ter­richt und be­haup­te, dass auf­grund der klei­nen, fik­ti­ven Sze­nen dort sehr viel über­mit­telt wur­de. Aber das kann doch nicht Zweck ei­ner sol­chen Se­rie sein, die am En­de nur auf Ac­tion zählt. (Zu­ge­ge­ben, der Mo­ment in dem man die Ex­plo­si­on von Ben­das Schub­la­de er­war­tet, ist im­mens span­nend. Aber eben­so vor­her­seh­bar, dass ei­nes der Kin­der da­bei ums Le­ben kommt – fra­gen Sie mei­ne Frau!)