Merkwürdig. Da verlässt Roger Schawinski nach drei Jahren den Geschäftsführer-Posten bei »Sat.1« und fast die gesamte deutsche Medienlandschaft stimmt – Monate danach – in einen Trauergesang ein. Der Öffner im fast devot geführten Spiegel-Online-Interview vom 21.08.07 lautet: »…in Ihren drei Jahren als Chef von »Sat.1« wandelte sich der Sender vom Sorgenkind zum Vorzeigeschüler.«
Woran machen Sie diesen »Vorzeigeschüler« denn fest? Am Programm? Das kann wohl kaum sein – es sei denn man verwechselt in der Spiegel-Redaktion in der Eile »Sat.1« mit »3sat«. An den vielzitierten Quoten? Das kann auch nicht sein, es sei denn, die Befrager sind nicht im Besitz der entsprechenden Zahlen, die einen stetig fallenden Marktanteil feststellen. Im weiteren Verlauf des Gesprächs wird es dann klar: Schawinski steigerte den Gewinn des Senders auf in der Spitze bis zu 204 Millionen Euro. Wie er das angestellt hat (weil ja gleichzeitig die Zuschauer- bzw. Marktanteilzahlen gefallen sind), kann man sich nach der Lektüre dieses Beitrages von Stefan Niggemeier ungefähr vorstellen.
Was für eine Legende wird da aufgebaut? Am 16.08. erhält Schawinski acht Seiten für eine gar bitterböse Geschichte über die von ihm mehrfach als »ambitioniert« und als Qualitätsserie dargestellte Produktion »Blackout« im »ZEIT-magazin«. Schawinski stellt sich als Hüter des kulturell anspruchsvollen Fernsehens dar, der an den dunklen Mächten – und den dummen Zuschauern gescheitert ist. Ein tragischer Held – unverstanden vom Rest der Welt. Eine gelegentlich peinliche Selbststilisierung.
Als heilige die Demission Schawinskis und die danach veränderten Strukturen bei »Sat.1« post festum dessen Ägide. Nicht zu unrecht mokieren sich in der Kommentarsektion in der »ZEIT« etliche Zuschauer über das tränenrührige Parlando des Aufsatzes. Schawinski gilt daheim schon mal als Sprücheklopfer – aber auch als Kenner der privaten Radio- und Fernsehszene.
Nicht Schawinskis Klagegesang erstaunt – sondern die willige und fast kritiklose Rezeption in den Medien. »ZEIT« und »Spiegel«* liefern willig Werbung für sein im September erscheinendes Buch, in dem er es dann den bösen Heuschrecken noch mal mächtig geben wird.
Was für eine billige Erregung! Auch einem »Sat.1«-Muffel wie mir fallen Sendungen unter Schawinskis Regie ein, die floppten (beispielsweise Anke Engelkes Latenightsendung, der man GAR KEINE Zeit liess, sondern die man bei erstbester Gelegenheit abservierte*) oder »Formate« die einen Menschen mit einem IQ jenseits von 50 zum Umschalten nach maximum 20 Sekunden zwangen. Schawinski jetzt als Gralshüter des deutschen Qualitätsfernsehens verkaufen zu wollen, ist nicht nur grotesk sondern einfach falsch.
* Ich hatte den Beitrag in der Süddeutschen Zeitung überlesen. Lesenswert u. a. dahingehend, weil ein Artikel in der FASZ (ausgerechnet von Stefan Niggemeier!) »Schuld« am vorschnellen Ende von Anke Engelkes Late Night Show gewesen sein soll. – Ich weiss nicht, ob Hans-Jürgen Jakobs’ Besprechnung ironisch gemeint ist. Sie müsste es eigentlich. Ansonsten...
Sendungsbewusstsein
Da es für mich nicht einmal ein »Programm« auf diesem Sender gäbe, das zu verfolgen (gewesen) wäre, kann ich das im Einzelnen und inhaltlich nicht kommentieren (oder kritisieren). Was aber an so einer Figur wie Schwawinski die Crux zu sein scheint, ist, dass sie eigentlich für die Umwälzung in der gesamten Medienwirtschaft steht. Alle wissen, dass ihr »Sendungsbewusstsein« längst harten, immer genaueren und doch undifferenzierteren Benchmarks unterliegt, egal ob SPIEGEL (immerhin noch eines der Leitmedien) oder Nischensender. Die Existenz der »Heuschrecken« wird längst als Realitätsdruck auf alle verstanden, dem alle auch »gemeinsam« unterliegen, so oder so. Deshalb diese Sympathie für einen, der sie nicht »verdient« hätte, obwohl er sie »verdient« hat (nach Zahlen).
Früher habe ich gedacht, dass das alles so schon gut ist, weil: Das Schlechte und das noch Schlechtere kannibalisieren sich selbst. Da der Druck aber immer größer wird, leidet mit der härter werdenden (und teils mehr als berechtigten) Kritik daran nicht nur das Gebühren- sondern auch das Gesamtsystem (inkl. den noch kleineren Nischen und den Promilleanteilen der »anderen« Zuschauer, die sich längst als Zielgruppe aus den Streams der sich noch für »main« haltenden Quellen verabschiedet haben).
Die sonstigen Zuschauer werden tatsächlich immer dümmer – und das muss sich ja dann auch mal hier und da zeigen. In den USA, denen man mal wieder, bewusst oder unbewusst, in die Extreme folgt (kein Wunder mit amerikanischen Investoren auch hier) steigt das Niveau übrigens langsam wieder. Allerdings ist dort fast alles nur noch Nische – und für jede muss man extra bezahlen. Die Vollendung des Sendungsbewusstseins als Ware. Das haben wir dann mit der Volldigitalisierung bald dann auch hier. Und die, die jetzt mit dafür verantwortlich sind, werden irgendwann unsere nostalgische Helden sein.
(Übrigens alles schon bekannt seit Neil Postman – und der galt seinerzeit oft als naiv...)
»Nostalgische Helden«
Sehr schöne Formulierung. Diejenigen, die heute den schon deutlich flacheren Ball der öffentlich-rechtlichen ein bisschen noch hochhalten, werden tatsächlich in zehn Jahren (oder früher?) als Helden erscheinen, so wie die »Fernsehmacher« der 70er und Anfang der 80er Jahre heute schon (sofern sie nicht schon verstorben sind). Motto: Es geht immer noch ein bisschen niedriger.
Wenn gutes Niveau nur noch gegen Extragebühren möglich ist, stellt sich mir die Frage der Rundfunkgebühren unweigerlich. Warum Sendungen wie »Brisant« oder »Leute heute« bezahlen müssen und dann Nischen- und Spartenprogramme eventuell noch zusätzlich?
Bei Figuren wie Schawinski ist es ein bisschen anders: ich kaufe ihm ja die Rolle des Qualitätsgurus nicht ab. Er wusste sehr wohl, auf was er sich einliess – er war kein Branchenneuling. Wenn er jetzt sein Scheitern eingesteht und exakt das System angreift, was er selber mit-konstituiert hat (in der Schweiz), dann ist das scheinheilig. Hier will einer zu billigen Konditionen die Fronten wechseln. In etwa so glaubwürdig, als wolle ein Löwe von jetzt an Vegetarier werden.
Sat.1 hat durchaus ein »kleines Kulturprogramm« im Rahmen von Kluges »dctp« (ich meine nicht unbedingt »Spiegel-TV«, sondern eher seine eigenen Produktionen wie »10 vor 11 « oder »News and Stories«). Früher habe ich das gelegentlich aufgenommen (z. B. die Gespräche Kluge/Heiner Müller!); das ist nur noch erschwert möglich, da Sat.1 das VPS-Signal abgestellt hat. Schawinski entblödet sich nicht, diese Programme als »Quotenkiller« zu verumglimpfen (bei einem Sendebeginn zwischen 23.45 Uhr und 00.40 Uhr?) und von (sinngemäss) Zwangsabgaben zu reden, weil er diese Programme gezwungen ist, einzukaufen (er meint zu teuer).
Die »Heuschrecken« dienen m. E. oft nur als Ausrede, um in vorauseilendem Gehorsam unliebsames Programm »abzuwickeln«. Etwa so, wie die öffentlich-rechtlichen ihre Trivialisierung als Konzession an den Massengeschmack und die Quote verkaufen.
Das ist genau der Punkt:
Warum noch ÖR bezahlen, wenn das Gelieferte doch „privat“ ist? Und wenn man mal für so einen bestallten WDR-Redakteur z.B. gearbeitet hat und weiß, wie umständlich und dabei selbstherrlich diese „Anstalten“ arbeiten und sehr oft eher das Gute vermeiden also befördern (siehe etwa gerade den Rauswurf von Schlöndorf bei seinem eigenen Projekt der „Päpstin“), dann ist es schon seltsam, wenn man sich „gefühlsmäßig“ auf einmal in einer Allianz mit solchen Kalibern wie Stoiber findet, die das „duale System“ tendenziell abschaffen wollen (das es übrigens, von der Ausbildung bis zur Müllentsorgung, seltsam häufig in Deutschland gibt, immer ein sowohl aus auch...)
Das Dumme für uns nur ist: Solche wie wir, nämlich Minderheiten, die dann doch ab und ab auf ÖR angewiesen sind – etwa Klagenfurt-Übertragungen -, werden bei Abschaffung in jedem Fall leiden, so oder so. Ich jedenfalls habe geschworen, wenn „arte“ abgeschaltet wird, verschenke ich meinen Fernseher.
Schwawinski = scheinheilig – gut! Aber diese executive-Leute spielen eh nur noch eine geringe Rolle, entschieden über die Sender-Identitäten und „Farben“ wird längst anderswo. Ich denke bei diesem Medium eh nicht mehr in Kategorien von “Qualität“, Heuschrecken-Geld oder nicht. (Ich denke, die Qualitäten definieren sich anderswie, etwa bei Dokumentationen oder von mir aus einem Tier-oder Wissenschaftsfilm: Da wirken geforderte Standards, weil jeder seine Investitition durch internationale Verkäufe wieder reinholen will. Ansonsten, da kann man machen, was man will, zählt die Quote. „Grimme-Preis“ ist ja nur ein Feigenblatt, mit dem Insider wedeln, wenn sie mal eines ergattern.)
Dass Schawinski sich ernsthaft für einen Qualitätsverfechter hält, habe ich aus dem Interview so nicht mal heraus gelesen; es klang, als wollte er sich nur empfehlen damit, dass er’s könnte, falls er mal wieder gefragt würde. Auch für seine marketing-mäßig viel Wind machenden „Eigenproduktionen“ war ich nicht in der Zielgruppe.
Diesen komischen Heiner Müller vermisse ich übrigens auch: Was für ein erfrischender, unbotmäßiger... auch abgründiger Geist!
Und DCTP hätte aus seinen Möglichkeiten eigentlich mehr machen müssen, denke ich.
Ich bin per se skeptisch wenn gerade konservative Politiker am bestehenden Rundfunk-/Fernsehsystem etwas ändern, oder auch nur korrigieren wollen. Man hat anlässlich des privaten Fernsehens gesehen, wohin das führt. Die Leute sind offensichtlich nicht schlau geworden. Oder es ist der blanke Populismus (auf den Zug springt ja die FAZ schon länger): Die ÖR an der »Basis« packen – also am Geld.
Indem man für »Liberalität« suggeriert (für jeden Missbrauch dieses Wortes nur zehn Cent – und ich wäre binnen einen Jahres Millionär) in dem man dem Bürger vormacht, die GEZ-Gebühren (huch, werde ich jetzt abgemahnt?) zu reduzieren oder gar abzuschaffen, schlägt man den letzten Rest des Qualitätsjournalismus (in der Regel: kritischer Journalismus) noch ganz »nebenbei« weg. Der schöne Traum, der vor allem in dem 70er Jahren von einem freien, unabhängigen und qualitativ hohen Privatrundfunk (und ‑fernsehen) träumte, mutierte doch ganz schnell zum Alptraum als sich die Realität einstellte.
Die neuen Medien (Blogs beispielsweise) können mindestens was den deutschsprachigen Raum angeht, nicht im entferntesten eine derartige Leistung bieten; höchstens in Teilbereichen vielleicht.
Zu dctp: Ich weiss nicht, ob Kluge mehr hätte machen können. Das Prinzip, was hinter »dctp« stand war ja ursprünglich, dass ein Mindestmass an Informationssendung sein musste, um die terrestrischen Frequenzen zu bekommen (das ist lange her). Man hatte nur nicht gesagt, wann diese Sendungen ausgestrahlt werden müssen. Hierin lag schon ein grosser Fehler.
Noch kurz zu Schawinski: Im Spiegel-Interview ist er ein bisschen bescheidener; in der achtseitigen ZEIT-Story trumpft er allerdings ziemlich auf. Ich bin sicher, er erhält mindestens in Kulturzeit eine wohlwollende Besprechung. Widerlich.
Nicht, dass Sie mich tatsächlich in eine Nähe zu Stoiber rücken...
aber wer traut sich denn, da mal an die Tür zu klopfen außer den (anderen) Selbstherrlichen?
Und die ÖR-Intendanten sehen sich, vermeintlich legitimiert durch Verfassungsgerichtsurteile, längst als eine Macht für sich, d.h. für ihre eigene Lesart etwa der ör-Grundversorgung. Es müsste aber sehr wohl härter gestritten werden, ob Fußball, Volksmusik und Tele Novelas permanent die Norm senken dürfen und vermeintliche Minderheiten-Bedürfnisse immer weiter in Minderheiten-Sendefenster abgeschoben werden.
All diese verfetteten Systeme gehörten einmal durchgeschüttelt. Und Bestandsgarantien waren noch nie ein Anreiz, selbst nicht für Milliarden Gebühren sich immer mal wieder ein bisschen mehr ins Zeug zu legen. (Allein die Gehälter im WDR... man könnte sozialneidisch werden!)
Tatsache ist, dass das Geld immer die „Basis“ von allem ist – darum geht es letztlich. (Medienanstalten sind komplexe Wirtschaftsysteme und konkurrieren auf einem Markt, der in finanziellen Größenordnungen bemessen wird – es klingt pervers, aber die Gleichung lautet letztlich: mehr Geld = mehr Relevanz. Das ist auch innerhalb der Arbeitsgemeinschaft der Anstalten so.)
Was den „kritischen Journalismus“ anbelangt... so muss man auch mal fragen, wieso er denn so wenig nachgefragt wird. Hat es eher mit der Ermüdung des Publikums zu tun oder mehr mit dem Überangebot an „Unterhaltung“? Insofern war die Einführung von Privatmedien wirklich ein erheblicher Rückschlag. Die angebliche Entscheidungsfreiheit für „mündige“ Bürger erzeugt/e mehr und mehr Unmündigkeit, „Unterschichten“-Verblödung. Oder war es vielleicht das, was – neben der Möglichkeit für einige, viel Geld zu verdienen – Kohl & Konsorten wollten? Da wäre man wieder bei dem Brot & Spiele-Prinzip.
Vielleicht muss man das – „duales Prinzip“ der asymmetrischen Nachfrage, Mehr- & Minderheitenbedürfnisse – zuletzt einfach so hinnehmen?
Nur: Weil ich mich immer mehr bevormundet fühle (es gibt, außer der Tagesschau und ab und zu mal einen Film, buchstäblich nichts, was ich mir „im Ersten“ ansehen möchte), will ich auch zunehmend bevormunden: Stecker raus für den ganzen anderen hassenswerten Scheiß!
In Qualitätszeitungen gibt es noch den Widerstreit zwischen ambitionierten Redakteuren und den Kaufmännern im Verlag. Dass solchen sendungs-unbewussten Leuten wie Schawinski sich als „content-minded“ darzustellen erlaubt ist, das ist wirklich widerlich. „Kulturzeit“ ist da nur noch ein kläffendes Hündchen, dass sich selber längst fürs Gestreicheltwerden entschieden hat.
Nein, es war nicht meine Absicht...
Sie zu beleidigen...
Die ÖR Anstalten sind natürlich unter einem Legitimationsdruck, der mit der Erhebung der Gebühren zusammenhängt. Wenn von allen das Geld eingetrieben wird, es ist fast zwangsläufig, dass mindestens die Wünsche der Mehrheit dieser Gebührenzahler berücksichtigt werden. Das ist generell das Dilemma in Mehrheitsgesellschaften (die man – fälschlich – vollmundig als »Demokratien« bezeichnet).
Im Prinzip ist der Bildungsauftrag des Fernsehens irgendwann, heimlich, still und leise ad acta gelegt worden. Man kann dafür nur indirekt die Politik verantwortlich machen. Sie hat natürlich mit dem Privatfernsehen den Damm gebrochen, aber irgendwann hätte die Trivialisierung auch ohne RTL und Sat.1 Einzug gehalten.
Ich glaube, dass das Fernsehen, so wie wir es heute haben, in zehn oder 15 Jahren nicht mehr existieren wird. Man wird Programmangebote aus dem Internet entweder kostenlos abspielen können oder bezahlen müssen. Starre Programmzeiten gehören dann der Vergangenheit an; die Sendungen werden in bestimmten Zeitfenstern angeboten werden. Es wird einen Tarifdschungel über Angebote geben, etwa dem heutigen Durcheinander auf dem Mobiltelefontarifmarkt ähnlich. Besonderes kostet dann besonders viel. Wenig Nachfrage bedeutet hohen Preis – die Umkehrung der Marktgesetze. Das wäre übrigens heute schon im Büchermarkt so, wenn es die Buchpreisbindung nicht gäbe. (Die wird bis dahin auch längst gefallen sein.)
Ich fürchte, dass nach der Durchschüttelung der »verfetteten Systeme« nichts mehr übrigbleibt. Die paar tatsächlich investigativen Journalisten (und damit sind – natürlich – nicht diejenigen gemeint, die dem Volk nach dem Mund reden [solche Schwachmaten wie beispielsweise bei »Monitor« oder »Frontal 21«] ) werden ihre Nischen im Netz anbieten. Es wird – hoffentlich? – das Ende jeglicher Medienkritik sein, denn es gibt bei dem vielen Nebeneinander keinen Grund mehr, das eine gegen das andere zu kritisieren. Wer sich einmal für die »Bild«-Zeitung entschieden hat – der kann auch durch noch so viel »Bildblog« nicht bekehrt werden. Die Wahrheit ist, dass ihnen auf Erden nicht zu helfen ist.
Die von Ihnen angesprochene »asymmetrische Nachfrage« hat es – das ist meine These – immer gegeben. Aber es ist ein Unterschied, ob ich nur zwei Fernsehprogramme abends habe oder 36 oder 50 plus Internet-Angebote. Der Kuchen wird ja nicht grösser. Jeder legitimiert sich mit über die Grösse des Tortenstücks. Wo Sie hinschauen – überall wird Quantität mit Qualität verwechselt. Bestseller-Listen ersetzen fundierte Kritik; in der Musik zählen die Charts – letztlich nichtssagende Vergleiche.
Die Zerschlagung des ÖR Systems wird behutsam vor sich gehen, aber nicht abzuwenden sein. Diejenigen, die heute am lautesten danach schreien, werden dann die grössten Klagen anstimmen (das ist nicht auf Sie gemünzt). Die Wahl zwischen Scylla und Charybdis. Aber es gibt keinen Odysseus.
Ja, oder wir sind alle auf der Odyssee...
Sie haben wohl in Vielem Recht, aber dass die Trivialisierung derart eingebrochen wäre, ohne mit eben diesen politisch gewollten Groß-Spielern (Bertelsmann, Kirch & Konsorten), mit denen man das kritische, linksvermutete Bewusstsein neutralisieren wollte, das glaube ich nicht.
Ich spreche hier nicht von dem „Bodensatz“, für den immer schon alle Hoffnung verloren ist. Und ich denke auch nicht, dass das GuteWahreSchöne für alle ist. Und sicher sind auch nichte von vornherein alle seichten Bedürfnisse des Teufels. (Es muss wohl auch Volksmusikzuschauer geben.)
Aber was ist mit diesem offen gezeigten Zynismus der Macher über ihre Sache selbst?
Wie ist es möglich geworden, Protagonisten mit einem IQ im eklantanten Minusbereich Sendezeit einzuräumen, Öffentlichkeit! (An deren Ungeniertheiten sich dann wiederum Viele orientierten)?
Wie kam es dazu, dass die mit den Ansprüchen an sich selbst – was ja nervig sein kann, aber doch im Widerstreit seinerzeit noch eine gewichtige Stimmgruppe war – derart in der Resignation landeten?
Wieso ist – obwohl das Gegenteil erwünscht und Gesetz ist – der Parteienproporz, und damit die kurzfristigen Flachdenker eben ohne „Sendebewusstein“ (als dass ihrer einfältigen Ziele) so stark?
Wieso hat diese Selbstbürokratisierung jegliches Medien-Abenteuertum derart neutralisiert? (Experimente nur noch nach Mitternacht.)
Usw.
Ich vermute, dass das viel mit einer sich illusionslos gebenden und international (also us-amerikanisch) orientierenden Medienfunktionärsschaft zu tun hat, die, im Zuge oder parallel der Trivialisierung, die sich an der nackten Quote ausrichtet, statt auf irgendwelche gemeinschaftlichen Ideale – oder prozessen zu deren Findung – auf reine Wirtschaft, auf die bewusste Kommerzialisiserung setzte. Und damit den Karren an- und in den visuellen Dreck schob.
Sicher hätte man den Leuten auf Dauer das Gutmeiner‑, das Besserwissertum nicht mehr zumuten können, wie es mal lange und betulich und mit – zu hohen offensichtlich – Ansprüchen daherkam. Aber was haben wir denn außer unseren Ansprüchen der schnöden Realität entgegenzusetzen? Ich vermute sogar, der Verlust letztlich aller Idealität, die heute das Klima bestimmt, das blinde Weiter/Machertum und sein Zynismus und – auch so etwas wie Ost-Nazis, Schul- & Bildungskrise und allgemeine Verwahrlosung – haben heraus gewissen gesellschaftlichen Effekten der bunt beschrieenen Gleichgültigkeit damals eingesetzt.
Der Skandal heute ist ja die längst freiwillige Verblödung, die Lust an der Abwärtsspirale des Zuschauergenusses. Dazu diese Dynamik, immer dem Dümmsten Anzunehmenden Zuschauer die wahrlich idiotische Kraft seines Faktenschaffens durch „die große Zahl“ einzuräumen. Die vermeintliche Egalisierung oder Teilhabe auch der Unbedarfteren hat ja nur zum Rauswurf von allen nicht Mehrheitsfähigen geführt (eigentlich doch ein ziemlich undemokratischer Effekt, wenn man Demokratie nicht als Diktatur der Masse versteht, sondern eben als Partizipation aller).
Die schöne neue Knöpfchendrücker-Vielfalt erledigt dann nur noch den Rest an Verbindlichkeit.
(Tatsächlich dürfte ich mich gar nicht aufregen, weil ich schon lang gelernt habe, auf dieses Medium fast zu verzichten. Ich bin selber erstaunt über meinen Pessismismus! Aber halte ihn noch für untertrieben... Und eben fiel mir noch ein, wie es war, als ich zum ersten Mal in den USA interessehalber Fernsehen angeschaut hatte... ich war nicht nur ungläubig, sondern tatsächlich fassungslos. Und diesen Zustand könnte ich heute leicht jede Minute vor dem alltäglichen deutschen Wahnsinn auf den Schirmen wiederfinden.)
Auch Odysseus brauchte „Weisung“ auf seinem Irrweg, und wir alle suchen sie letztlich ja noch, auch wenn uns Abgeklärten irgendwo die Fernbedienungen verstauben.