Lichtspiel ist von Daniel Kehlmann, hat fast 500 Seiten und ist ein Roman, genauer: eine spezielle Form von Künstlerbiographie. Im Zentrum steht der deutsche Filmregisseur Georg Wilhelm Pabst (1885–1967), der sich irgendwann G. W. Pabst nannte. Seit den 1920er Jahren galt Pabst zusammen mit Fritz Lang, Ernst Lubitsch und Friedrich Wilhelm Murnau als einer der wichtigsten Vertreter des deutschen Films. Während Lang mit Metropolis und Murnau mit Nosferatu expressionistische Meisterwerke schufen, gelang Pabst mit Die freudlose Gasse ein neorealistisches Sozialdrama (mit Greta Garbo und Asta Nielsen), verfilmte er mit Die Büchse der Pandora zwei Theaterstücke von Frank Wedekind und drehte zusammen mit Arnold Fanck den Bergfilm Die weiße Hölle des Piz Palü mit Leni Riefenstahl in der Hauptrolle. Die Verfilmung der Dreigroschenoper 1931 brachte ihm schließlich den Spitznamen »roter Pabst« ein.
Kehlmanns Roman setzt 1934 ein. Pabst ist zu dieser Zeit 49 Jahre alt, befindet sich in Hollywood und muss mangels anderer Möglichkeiten ein schlechtes Drehbuch verfilmen. Daraus entsteht A Modern Hero. Der Film floppt und das ungeschriebene Gesetz, dass ein Emigrant keine zweite Chance erhält, lähmt Pabst, denn als Assistent sieht er sich nicht. Es zieht ihn zurück nach Europa, nach Frankreich, aber auch bleiben die Erfolge aus. Bei einem Treffen in Paris lässt er erkennen, wieder zurück nach Hollywood gehen zu wollen. Vorher nur noch seine zusehends gebrechlich werdende Mutter besuchen und entweder mitnehmen oder in eine Residenz unterbringen. Sie lebt in einem schlossartigen Anwesen in der Steiermark. Am Tag, als sie aufbrechen wollten, bricht der Zweite Weltkrieg aus. Die Grenzen wurden geschlossen. Pabst blieb und arrangierte sich mit den Nazis, machte für die UFA, die, wie es einmal aus prominentem Schauspielermund heißt, »erstaunlich unpolitisch geblieben« war, Filme.
Immer wieder taucht die Frage auf, ob Pabst wirklich in die USA zurück wollte. Das Treffen in Paris, in dem er dies andeutete, gab es tatsächlich. Carl Zuckmayer berichtete davon in seinem Geheimreport. Er stufte Pabst unter die »Sonderfälle« ein (wie z. B. auch die Brüder Jünger, Erich Kästner, Hans Fallada und sogar Werner Krauß). Pabsts Besuch der Mutter hatte im übrigen auch finanzielle Gründe. Hiervon erfährt man freilich bei Kehlmann nichts.
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