Der an­de­re Fo­kus der ARD – Ob­jek­ti­vi­tät adé

Wie so oft woll­te man sich im ta­ges­schau-Blog ein biss­chen sel­ber fei­ern. Tho­mas Roth schil­der­te sei­ne Mü­hen um das In­ter­view mit Wla­di­mir Pu­tin. Als Sen­sa­ti­on an­ge­prie­sen (als ein­zi­gem eu­ro­päi­schen Sen­der ein In­ter­view ge­währt), wur­de am Frei­tag das Pro­gramm noch er­gänzt. Von 23.30 Uhr an wur­den zehn Mi­nu­ten aus­ge­strahlt. Roth schreibt aber im Blog­bei­trag, dass das In­ter­view 60 Mi­nu­ten dau­er­te. Wo war denn aber ei­gent­lich der Rest?

Auf dem ta­ges­schau-Blog trat nun – trotz des Wo­chen­en­des – ei­ne Dy­na­mik ein, die wohl die Re­dak­ti­on über­rasch­te. Im rus­si­schen Fern­se­hen war das In­ter­view näm­lich ent­we­der ganz oder min­de­stens in ei­ner Fas­sung von rund 27 Mi­nu­ten zu se­hen. Und im Lau­fe der Zeit ver­dich­te­te sich der Ver­dacht, dass die Kür­zun­gen, die in der ARD vor­ge­nom­men wur­den, den Te­nor des Ge­sprä­ches stark ent­stellt wie­der­ga­ben. Al­le Pas­sa­gen, in de­nen Pu­tin (und auch Roth) auf die Feh­ler der ge­or­gi­schen Macht­ha­ber ein­gin­gen, fie­len der Sche­re zum Op­fer. Und auch Pu­tins Aus­füh­run­gen über die Ver­strickun­gen der USA in den Kon­flikt, wie er sie be­ur­teilt, wur­den nicht ge­sen­det.

Der Gip­fel der Un­ver­schämt­heit war dann je­doch der Ein­wurf ei­nes »Mo­de­ra­tors« heu­te Nach­mit­tag:

    An­mer­kung zum „Zensur“-Vorwurf: Das In­ter­view mit Wla­di­mir Pu­tin wur­de vom er­sten und zwei­ten Ka­nal des rus­si­schen Fern­se­hens so­wie vom Aus­lands­ka­nal „Rus­sia To­day“ mit­ge­dreht. Die rus­si­schen Kol­le­gen ha­ben eben­falls Aus­zü­ge des ins­ge­samt ein­stün­di­gen In­ter­views ver­öf­fent­licht. Die­se fin­den sich jetzt im In­ter­net, un­ter an­de­rem bei You­Tube.

    Die Kol­le­gen in Russ­land ha­ben – zum Teil – ei­nen an­de­ren Fo­kus als die ARD ge­wählt. Dies ist das Er­geb­nis ei­nes nor­ma­len und not­wen­di­gen jour­na­li­sti­schen Aus­wahl­pro­zes­ses und hat – mit ei­ner von wel­chen Stel­le auch im­mer ver­ord­ne­ten – Zen­sur nichts zu tun.

Na, da bin ich ja be­ru­higt. Des­halb zah­le ich Rund­funk­ge­büh­ren, da­mit ich mir auf you­tube das kom­plet­te In­ter­view an­se­hen kann (was dann in rus­sisch ist mit teil­wei­se eng­li­schen Un­ter­ti­teln).

Aber was be­deu­tet denn »an­de­rer Fo­kus«? Das be­deu­tet nichts an­de­res, als dass die ARD-Re­dak­ti­on Aus­sa­gen von In­ter­views nach ge­wis­sen Mei­nun­gen aus­siebt und Un­lieb­sa­mes nicht sen­det. Man kann das Zen­sur nen­nen, es ist aber min­de­stens und ein­deu­tig Mei­nungs­ma­ni­pu­la­ti­on. Es ist das Glei­che, was man in un­säg­li­chen Brand­re­den den ach so un­de­mo­kra­ti­schen Chi­ne­sen an­läss­lich der Olym­pi­schen Spie­le vor­ge­wor­fen hat: Man lässt nur die Mei­nung an die Öf­fent­lich­keit, die ei­nem passt.

Die brä­si­ge und un­bot­mä­ssi­ge Ar­ro­ganz die­ses »Mo­de­ra­tors« ist in­ak­zep­ta­bel für ein öf­fent­lich-recht­li­ches Me­di­um. Wie in ei­ni­gen Kom­men­ta­ren an­klingt, könn­te zu­min­dest ei­ni­ge Ta­ge nach dem In­ter­view ei­ne Auf­ar­bei­tung statt­fin­den und das ge­sam­te In­ter­view nun ge­sen­det wer­den. Hier­zu schweigt man. Das min­de­ste wä­re es, die im Netz kur­sie­ren­de Ver­si­on des voll­stän­di­gen In­ter­views zu au­to­ri­sie­ren oder eben zu kor­ri­gie­ren. Auch hier­zu: Kein Wort.

Das gan­ze Vor­ge­hen ist je­doch ei­ne Ka­ta­stro­phe für den ob­jek­ti­ven Jour­na­lis­mus, der ein­deu­tig zu Gun­sten ei­ner Par­tei­nah­me ver­las­sen wur­de. Die ARD sorgt mit die­sem un­pro­fes­sio­nel­len und stüm­per­haf­ten Ver­hal­ten nicht nur da­für, dass kru­de Ver­schwörungstheorien im­mer wie­der neue Nah­rung er­hal­ten, son­dern er­schüt­tert auch nach­drücklich die In­for­ma­ti­ons­kom­pe­tenz ei­nes öf­fent­lich-recht­li­chen Sen­ders. Aber das Schlimm­ste da­bei ist: Man ist sich des­sen noch nicht ein­mal be­wusst und glaubt auch noch, al­les rich­tig ge­macht zu ha­ben.

PS: Ach ja, noch ein po­si­ti­ver Aspekt: Im ta­ges­schau-blog wur­den im­mer­hin die re­le­van­ten Links durch die Le­ser ste­hen­ge­las­sen. Im­mer­hin. Aber das ist ein biss­chen we­nig.

28 Kommentare Schreibe einen Kommentar

  1. Ich ha­be die Wie­der­ho­lung der Talk­show mit San­dra Maisch­ber­ger ge­se­hen, über die­sen Link kann man sich ei­nen Mit­schnitt an­se­hen. Bei noch kei­nem po­li­ti­schen Er­eig­nis ist mir auf­ge­fal­len, dass die Mei­nung der Po­li­ti­ker / der Po­li­tik von der von Ex­per­ten / in Blogs so stark ab­ge­wi­chen ist. Ob­wohl ich zwar bis­her in Vie­lem nicht mit der of­fi­zi­el­len deut­schen Po­li­tik ein­ver­stan­den war, aber es als halt an­de­re Mei­nung ak­zep­tiert ha­be, nach den Vor­gän­gen in Ge­or­gi­en jetzt bin ich jetzt ernst­haft be­un­ru­higt bis ent­setzt.

  2. Der über Jahr­zehn­te er­wor­be­ne Kult­sta­tus der Ta­ges­schau als ob­jek­ti­ver Nach­rich­ten­über­mitt­ler wird seit ei­ni­ger Zeit mit er­staun­li­cher Ge­schwin­dig­keit und Kon­se­quenz zer­dep­pert. Bis­her war’s bei mir nur so ein un­be­stimm­tes Un­be­ha­gen, ein Ge­fühl durch die Ta­ges­schau mehr ma­ni­pu­liert als in­for­miert zu wer­den. Sie ha­ben hier jetzt ei­nen ein­drucks­vol­len Be­leg für die Rich­tig­keit die­ses Ge­fühls auf­ge­zeigt.

  3. Ver­trau­ens­ver­lust
    Dan­ke für die Zu­sam­men­fas­sung und ich kann mich dem nur an­schlie­ssen. Was die ta­ges­schau da voll­zieht ist ra­pi­der Ver­trau­ens­ver­lust. Wer soll die noch ernst neh­men?

  4. wir oder die?
    Zu black­con­ti u.a.: Viel­leicht war’s schon im­mer so, nur wir wer­den äl­ter und ha­ben da­zu ge­lernt?

  5. @alle
    Wie jee­ves schon mut­masst: Viel­leicht war man frü­her ein­fach nicht bes­ser in­for­miert. Ob­wohl es auch schon in den 70ern Ge­gen­mei­nun­gen gab (man den­ke an die kon­tro­ver­se Be­hand­lung des Viet­nam­krie­ges). Ich glau­be ja so­gar, dass der »Zeit­geist«, al­so der »Main­stream« in den Me­di­en zu­ge­nom­men hat. Am stärk­sten fällt mir dies im­mer bei Krie­gen bzw. krie­ge­ri­schen Kon­flik­ten auf. Man den­ke an den er­sten Irak­krieg der USA nach dem Über­fall Ku­waits – und die pro­pa­gan­di­sti­sche Be­hand­lung die­ses Falls. Der Über­fall von S. H. fand ja de­fi­ni­tiv statt, aber um ei­ne Ein­marsch­stim­mung zu er­zeu­gen, muss­ten Lü­gen her. Oder auch be­son­ders ein­dring­lich im Fall der ju­go­sla­wi­schen Se­zes­si­ons­krie­ge. Dort wur­den auch we­sent­li­che In­for­ma­tio­nen weg­ge­las­sen. So er­schie­nen häu­fig »die Ser­ben« als die Schul­di­gen, wäh­rend die Ver­bre­chen der an­de­ren ein­fach ver­schwie­gen wur­den. Zwar gibt das kei­ne Le­gi­ti­ma­ti­on für die ge­schil­der­ten Ver­bre­chen, aber es wird kein ob­jek­ti­ves Bild ge­zeich­net bzw. es wird noch nicht ein­mal ver­sucht, es zu zeich­nen.

    Die Igno­ranz und Ar­ro­ganz der ARD in die­sem kon­kre­ten Fall stellt ei­ne neue Qua­li­tät dar. Das Schlimm­ste ist wirk­lich die­ser Ver­trau­ens­ver­lust, der da­mit ein­sickert – wenn in ei­nem solch of­fen­sicht­li­chen Fall schon ma­ni­pu­liert wird, wie oft pas­siert das, wenn man über­haupt nichts da­von mit­be­kommt?

    ERGÄNZUNG: Roth hat ei­ne Er­klä­rung ab­ge­ge­ben. Die voll­stän­di­ge Ver­si­on es In­ter­views wird mor­gen, am 02.09.08 um 06.20 Uhr im WDR-Fern­se­hen ge­zeigt (ver­mut­lich war der Ter­min um 04.00 Uhr schon be­legt). Da­nach soll das In­ter­view in schrift­li­cher Form ver­öf­fent­licht wer­den.

    Schau’­mer mal, wel­che Än­de­run­gen es im Ver­gleich zu den im Netz kur­sie­ren­den Ver­sio­nen dann gibt...

  6. Die Er­klä­rung Roths ist kei­ne Er­klä­rung, son­dern ein Ei­er­tanz. Er er­klärt nicht die ent­schei­den­de Fra­ge, war­um der „Fo­kus“ beim, mei­net­we­gen, not­wen­di­gen Kür­zen so ein­sei­tig aus­ge­rich­tet wur­de. Statt­des­sen er­klärt er die man­gel­haf­te tech­ni­sche Qua­li­tät – ei­ne Pe­ti­tes­se, und dass In­ter­views üb­li­cher­wei­se ge­kürzt und ge­glät­tet wer­den. Da­ge­gen ist auch nichts ein­zu­wen­den, wer­den doch bei se­riö­sen Me­di­en die re­di­gier­ten Fas­sun­gen dem In­ter­view­ten üb­li­cher­wei­se dann zur Au­to­ri­sie­rung vor­ge­legt. Man darf aber mit Si­cher­heit da­von aus­ge­hen, dass Pu­tin die ge­sen­de­te ARD-Fas­sung we­der vor­her ge­se­hen noch ab­ge­seg­net hat. Der Vor­wurf der Zen­sur, meint Roth, sei ab­we­gig, da auch rus­si­sche Sen­der das In­ter­view aus­ge­strahlt hät­ten. In die­sem Fal­le ge­be ich Roth recht, Zen­sur ist nicht das rich­ti­ge Wort. Ver­fäl­schung, Ma­ni­pu­la­ti­on und Mei­nungs­ma­che sind die zu­tref­fen­den Be­zeich­nun­gen für die­se Art der Be­richt­erstat­tung. Sei­nen Chat am Don­ners­tag kann sich Roth in die Haa­re schmie­ren. Dem Mann glau­be ich kein ein­zi­ges Wort mehr und die Ta­ges­schau be­trach­te ich jetzt noch skep­ti­scher.

  7. Al­so das The­ma ken­ne ich ja nun schon zur Ge­nü­ge und es freut mich, dass es auch auf die­sem Blog sei­nen Nie­der­schlag fin­det.
    Für mich als al­ten Ver­schwö­rungs­men­schen ist es ganz of­fen­kun­dig:
    1) Wahl­kampf in USA
    2) Re­pu­bli­ka­ner be­fürch­ten, das Ren­nen nicht zu ma­chen
    3) Es gibt das Film­su­jet von »Wag the Dog«
    4) Wir tau­schen Al­ba­ni­en mit Ge­or­gi­en aus
    5) Wir lan­zie­ren ein paar fal­sche Mel­dun­gen
    Ne­ben­schau­platz
    1) Für Oba­ma ist Deutsch­land der »na­tür­lich­ste« Part­ner der Ame­ri­ka­ner. (Wie­so ei­gent­lich? Ha­ben nicht die Eng­län­der mit ih­nen im Irak-Krieg ge­kämpft? Spre­chen nicht die Eng­län­der die ge­mein­sa­me Spra­che? Ha­ben nicht die Amis ge­mein­sam mit den Eng­län­dern ge­gen Deutsch­land ge­kämpft?)
    Aber da glei­te ich ab. »Na­tür­lich« be­deu­tet heu­te eher po­ly­morph per­vers. So wie die na­tür­li­che Null der deut­schen DIN-Norm.
    2) Deutsch­land rech­net sich neue Chan­cen mit Ame­ri­ka aus
    3) Mer­kel ist, was Rus­sen an­geht, ein ge­brann­tes Kind. (Das ver­ste­he ich so­gar, man kann nicht die Un­ter­drückung von 40 Jah­ren von heu­te auf mor­gen ab­le­gen.)
    4) Mer­kel ver­ur­teilt so­fort ganz scharf die Rus­sen
    5) der ARD gibt sich re­gie­rungs­freund­lich
    Wirt­schaft
    1) wird durch mi­li­tä­ri­sche Ak­tio­nen ge­stützt
    2) pipe­lines sind wich­tig
    3) Suchumi ist wich­tig
    4) Ein­gren­zung ist wich­tig (NA­TO-Waf­fen an al­len mög­li­chen Gren­zen Russ­lands)
    5) Die Waf­fen­händ­ler wol­len auch wie­der ein­mal et­was ver­die­nen
    -
    Noch ein paar Theo­rien ge­fäl­lig?

  8. @steppenhund
    Das The­ma ist die me­dia­le Auf­ar­bei­tung ei­nes In­ter­views mit ei­nem Jour­na­li­sten und Pu­tin. Und die­se feh­ler­haf­te, fal­sche, ma­ni­pu­la­ti­ve Auf­ar­bei­tung (Über­set­zung und Aus­wahl) ver­ur­sacht ir­gend­wann so­was wie Ver­schwö­rungs­theo­rien.

    Die ARD ein Re­gie­rungs­sen­der? Die Par­tei­en in­fil­trie­ren na­tür­lich ge­wollt den öf­fent­lich-recht­li­chen Rund­funk – aber wie weit geht die­ser EIn­fluss? So weit, dass ein Jour­na­list sei­nen gu­ten Ruf so leicht­fer­tig auf’s Spiel setzt? Was ist denn so schlimm an dem nicht ge­sen­de­ten? Die Ant­wort des Mo­de­ra­tors im ta­ges­schau-Blog, man ha­be ei­nen an­de­ren »Fo­kus« ist ver­rä­te­risch.

    Ich glau­be, dass der Schluss, die USA stecke hin­ter Saa­ka­schwi­lis Of­fen­si­ve zu kurz greift. Die­se Leu­te ha­ben zu­viel Ja­mes Bond-Fil­me ge­se­hen. Ge­stern wur­de der in­zwi­schen 80jährige Gerd Ru­ge, lan­ge Jah­re ARD-Kor­re­spon­dent in Mos­kau und Wa­shing­ton be­fragt, ob der ge­or­gi­sche Prä­si­dent ei­ne Ma­rio­net­te der USA sei. Ru­ge dar­auf trocken (sinn­ge­mäss): Das glau­be er nicht; er wä­re be­ru­higt, wenn er ei­ne Ma­rio­net­te wä­re, denn dann wä­re er bes­ser aus­zu­rech­nen. Er ‘be­fürch­te’ es eher nicht.

  9. Ma­rio­net­te al­lein reicht nicht. Es sind meh­re­re Ein­flüs­se maß­geb­lich. Aber Ein­flü­ste­run­gen funk­tio­nie­ren bei ei­ner an sich schon in­sta­bi­len Per­son noch leich­ter als sonst.

  10. Ei­ne The­se
    Un­se­re me­dia­le Rea­li­tät wur­de (und wird nicht) be­reits, vor al­lem, aber nicht nur, durch per­sön­li­che Web­logs ent­schei­dend ver­än­dert. Und zwar hin­sicht­lich der In­for­ma­ti­ons- und Re­ak­ti­ons­mög­lich­kei­ten sei­tens der Kon­su­men­ten klas­si­scher Me­di­en (Fern­se­hen, Ra­dio, Ta­ges­zei­tung). Das führ­te auch zu ei­ner kri­ti­sche­ren Ein­stel­lung ge­gen­über die­sen Me­di­en. Ich kann mich zu­min­dest nicht er­in­nern, dass sich je­mals der­art schnell und mas­siv Wi­der­stand ge­gen die eta­blier­te (d.h. in den klas­si­schen Me­di­en re­pro­du­zier­te) Mei­nung for­miert hat. Man le­se zum Bei­spiel in der ak­tu­el­len Aus­ga­be der Zeit die Le­ser­brie­fe (fast ei­ne gan­ze Sei­te nur die Be­richt­erstat­tung Ge­or­gi­en-Russ­land be­tref­fend), und man wird fest­stel­len, dass sie – fast aus­nahms­los – ei­ne har­sche Kri­tik an der Be­richt­erstat­tung des Blat­tes dar­stel­len.

    Mein Ein­druck ist na­tür­lich nur ein Aus­schnitt und es ist des­halb pro­ble­ma­tisch auf das All­ge­mei­ne zu schlie­ßen; au­ßer­dem ist es auch mög­lich, dass an­de­re In­for­ma­ti­ons­quel­len als das In­ter­net ge­nutzt wer­den. Und – wie Gre­gor be­reits er­wähn­te – Krie­ge sen­si­bi­li­sie­ren die Le­ser­schaft viel­leicht mehr als an­de­re Er­eig­nis­se, denn wo wird mas­sier­ter Pro­pa­gan­da be­trie­ben als im Krieg?

  11. Ma­ni­pu­la­ti­on und Pro­pa­gan­da
    Wer­te Da­men und Her­ren der ARD,
    lie­be Mit­bür­ge­rin­nen und ‑bür­ger,

    hel­le Em­pö­rung geht um in un­se­rem an­son­sten recht tra­ni­gen Va­ter­land!
    War das ein ‘In­ter­view’?
    War das Zen­sur?
    War das Ge­fäl­lig­keits­jour­na­lis­mus?
    Oder ein­fach Hof­be­richt­erstat­tung?

    Fra­gen über Fra­gen, die aus­führ­lich von kom­pe­ten­ten Leu­ten hier dis­ku­tiert wor­den sind.
    Der Te­nor der Ein­schät­zun­gen kann für die öf­fent­lich-recht­li­chen Me­di­en nur als to­tal ver­hee­rend be­zeich­net wer­den.

    Des­halb er­üb­ri­gen sich wei­te­re Aus­füh­run­gen zum Fall Roth. Ei­ni­ge grund­sätz­li­che An­mer­kun­gen je­doch sind gleich­wohl ge­bo­ten.

    Wenn man de­mo­sko­pi­schen Er­he­bun­gen glau­ben darf, so ha­ben Po­li­ti­ker (ganz un­ten) ne­ben Jour­na­li­sten das schlech­te­ste Stan­ding bei der Be­völ­ke­rung. Das heißt, dass die Be­völ­ke­rung durch­aus nicht grund­sätz­lich mit der Ar­beit der Me­di­en ein­ver­stan­den ist und Un­ge­reimt­hei­ten selbst­ver­ständ­lich zu re­gi­strie­ren weiß.

    Die Me­di­en soll­ten das Schwei­gen der Mehr­heit nicht als Zu­stim­mung miss­deu­ten. Auch die Mehr­heit ist des Den­kens fä­hig.
    Die Mehr­heit ist mit Po­li­tik und Me­di­en schlicht und ein­fach un­zu­frie­den!

    Po­li­tik und Me­di­en fal­len über ei­nen Men­schen her, den sie als »Flo­ri­da-Rolf« ge­brand­markt ha­ben, aber von wei­te­ren ‘Lie­chen­stein-Ni­ko­läu­sen’ hört man nichts.
    Für Er­ste­ren wur­den so­gar Ge­set­ze ge­än­dert, bei Letz­te­ren wird ge­schwie­gen.

    Welch ei­ne be­schä­men­de Dop­pel­mo­ral!

    Heu­te, wie re­gel­mä­ßig, wird wie­der von Preis­ab­spra­chen von Fir­men in der Zei­tung be­rich­tet, wie­der wird der Bür­ger ge­schä­digt.

    Wie­der wird der Bür­ger ge­täuscht und be­tro­gen.
    Das ist die bit­te­re Wirk­lich­keit in un­se­rem Land.

    Und nun soll der ge­or­gi­sche Ag­gres­sor auch noch wirt­schaf­lich un­ter­stützt wer­den?
    Das ist pu­re Un­mo­ral!

    Wir sind das Volk.

    Nicht Frau Mer­kel.
    Oder die Me­di­en.

  12. Al­so bit­te Gre­gor, das ist jetzt nicht fair. Tipp­feh­ler ma­chen wir al­le mal. Und wenn ich ot­ti rich­tig ver­stan­den ha­be, so steht dem Flo­ri­da-Rolf na­ment­lich nur ein Zum­win­kel ent­ge­gen. Von den tau­send und mehr an­de­ren Liech­ten­stei­nern hört man kei­ne Na­men, ob­wohl je­der ein­zel­ne von de­nen den Staat um ein viel­fa­ches mehr be­trügt als es ein Flo­ri­da-Rolf je ver­möch­te. Das är­gert den ot­ti und ir­gend­wie kann ich das nach­voll­zie­hen. War­um so an­ge­fres­sen?

  13. @Gregor Keu­sch­nig
    @blackconti

    Hin­zu kommt, daß ot­ti als ein bei two­day nicht re­gi­strier­ter nach Ab­sen­dung sei­nes Kom­men­tars kei­ne Mög­lich­keit mehr zu ei­ner nach­träg­li­chen Kor­rek­tur hat.

  14. @blackconti + Pe­ter Vieh­rig
    Mein Hin­weis war prä­ven­ti­ver Na­tur. Herr (oder Frau?) ot­ti hat die­sen Kom­men­tar auch noch in an­de­ren Blogs ver­wen­det. Es wä­re doch scha­de, wenn er nicht zwi­schen­durch auf sol­che es­sen­ti­el­len Feh­ler hin­ge­wie­sen wür­de, um ihn für die nach­fol­gen­de La­dung ent­spre­chend zu kor­ri­gie­ren, oder?

  15. @Gregor Keu­sch­nig

    »Herr (oder Frau?) ot­ti hat die­sen Kom­men­tar auch noch in an­de­ren Blogs ver­wen­det.«

    Das ist in der Tat schräg... Co­py & Pa­ste der ei­ge­nen Kom­men­ta­re un­ter Ver­zicht auf et­wa­ige Ver- und Hin­wei­se. Was es al­les gibt!

  16. In­ter­view mit Tho­mas Roth
    Tho­mas Roth hat heu­te im DLF zu der The­ma­tik Stel­lung be­zo­gen. Ich hat­te Tho­mas Roth im­mer sehr ge­schätzt, aber die­ses Ver­hal­ten ist tat­säch­lich un­lau­ter. Ver­schlei­ern ist das min­de­ste, was man ihm vor­wer­fen kann, da er die heu­ti­ge Si­tua­ti­on (mit aus­ge­strahl­tem Voll­in­ter­view und ver­öf­fent­lich­tem Ge­sprächs­pro­to­koll) als Dau­er­zu­stand dar­stellt. Der Rest ist bil­li­ges La­vie­ren. Bet­ti­na Klein lässt in dem In­ter­view aber nicht locker und zeigt die Stel­len, an de­nen »der Fo­kus an­ders ge­setzt« wur­de, deut­lich auf. Zwi­schen den Zei­len lässt Roth durch­blicken, dass die Zu­sam­men­fas­sung es­ka­lie­ren­de Pas­sa­gen un­ter­drück­te, er spricht von ei­nem Ton, der ei­nem Po­li­ti­ker un­an­ge­mes­sen ist.

  17. Dan­ke für den Link
    Fol­gen­des ist mir auf­ge­fal­len:

    1. Roth ver­wen­det ei­ne Po­lit­ker­spra­che (»wür­de sa­gen«; »auf­ge­heiz­te Stim­mung«). Das ist be­denk­lich.

    2. Wenn er sagt, der WDR woll­te das Ge­spräch voll­stän­dig zei­gen und gleich­zei­tig ah­nungs­los tut, war­um dies denn um 6.20 Uhr statt­fin­det, heu­chelt er. Am Mon­tag ge­gen 19 Uhr war im WDR-Vi­deo­text noch kein Hin­weis auf die Sen­dung am näch­sten mor­gen (man wie­der­holt nor­ma­ler­wei­se die »Lokalzeit«-Ausgaben in die­sen Stun­den).

    3. Er gibt Pu­tins Aus­sa­ge, die USA sei di­rekt in den ge­or­gi­schen An­griff in­vol­viert, nicht kor­rekt wie­der. Pu­tin sagt, dass er nach­wei­sen kön­ne, dass ame­ri­ka­ni­sche Staats­bür­ger sich in Zo­nen auf­ge­hal­ten ha­ben, in die sie nor­ma­ler­wei­se kei­nen Zu­tritt hat­ten. Den Schluss, die USA sei­en da­her in­vol­viert, gibt Pu­tin als sei­ne Mei­nung wie­der, nicht als Tat­sa­che.

    4. Im WDR wur­den rd. 27 Mi­nu­ten ge­zeigt; das In­ter­view dau­er­te aber laut Roths Blog­ein­trag rund ei­ne Stun­de.

    5. Es geht nicht dar­um, dass die 10 Mi­nu­ten-Fas­sung zu kurz ist, son­dern dar­um, dass die­se ver­fäl­schend ist – im Hin­blick auf ei­ni­ge Ant­wor­ten Pu­tins. Dass Roth das nicht ein­sieht, stimmt auch be­denk­lich.

    Roth ist üb­ri­gens mor­gen im ta­ges­schau-Chat.

  18. Ich war ge­ra­de im Chat der Ta­ges­schau mit Herrn Roth (04. Sept um 13:05).
    Schon Roths er­sten bei­den Ant­wor­ten klan­gen wie das blah-blah ei­nes Po­li­ti­kers, ich konn­te mir den wei­te­ren Ver­lauf den­ken und ha­be mich wie­der aus­ge­klinkt. Trau­rig.

  19. Stimmt.
    Ge­ra­de aus dem Chat:

    Mi­cha­el: Und noch ei­ne Fra­ge: In­wie­weit be­ein­flußt die Zu­schau­er­rück­mel­dung in Blogs und Fo­ren, die für je­der­mann sicht- und les­bar ist, Ih­re Ar­beit als Jour­na­list?

    Tho­mas Roth: sie er­in­nert uns stän­dig dar­an, dass wir un­se­ren job mög­lichst gut und mög­lichst ge­wis­sen­haft er­le­di­gen müs­sen...
    im üb­ri­gen: auch wir sind nur men­schen und auch uns kön­nen durch­aus ein­mal feh­ler pas­sie­ren.
    ich hof­fe, dass un­se­re zu­schau­er auch da­für dann in ein­me sol­chen fall ver­ständ­nis auf brin­gen, das mit dem in­ter­view war aber na­tür­lich kein feh­ler.

    Noch mal zum mit­schrei­ben:

    das mit dem in­ter­view war aber na­tür­lich kein feh­ler.

    Und noch ein klei­ner Nach­trag. Auf die Fra­ge, war­um Pu­tin aus­ge­rech­net die ARD (WDR) für ein In­ter­view aus­ge­wählt hat, sagt Roth:

    ich hof­fe, er hat uns aus­ge­wählt, weil er glaubt, dass die ard ei­ne se­riö­se fern­seh­an­stalt ist, die die grund­sät­ze von fair­ness be­ach­tet.

    Und mei­ne Fra­ge nach der Dif­fe­renz zwi­schen der ei­nen Stun­de (im blog) und den 27 Mi­nu­ten be­ant­wor­te­te Roth:

    gregor_keuschnig: sie schrei­ben im ta­ges­schau-blo, dass das ge­spräch rd. ei­ne stun­de ge­dau­ert hat. jetzt sa­gen sie, die lang­ver­si­on sei ge­sen­det wor­den. das wa­ren aber nur 27 mi­nu­ten. was war denn rest?

    Tho­mas Roth: der rest war die zeit, die der kon­se­ku­tiv-dol­met­scher ge­braucht hat, der pu­tin im­mer stück­wei­se über­setzt hat.
    üb­ri­gens war der nicht zu be­nei­den, da pu­tin glän­zend deutsch spricht und ihn im­mer wie­der (zu­recht) kor­ri­giert hat.
    der dol­met­scher wur­de von der rus­si­schen sei­te ge­stellt.

    (Ich do­ku­men­tie­re das hier aus dem ori­gi­nal Chat; bei tagesschau.de gibt es spä­ter si­cher­lich ein Chat­pro­to­koll)

  20. Ver­ständ­nis­pro­ble­me
    Ich hat­te das Ge­fühl, dass Herr Roth über­haupt nicht ver­stan­den hat, was ihm vor­ge­wor­fen wird. Oder er stellt sich schlicht dumm, was ich aber nicht glau­be. Der Un­ter­schied zwi­schen Par­tei er­grei­fen und ten­den­ziö­ser Be­richt­erstat­tung scheint ihm nicht in den Sinn zu kom­men. Scha­de.

  21. @Peter
    Ja, ei­ne Art Tun­nel­blick.

    Wenn er et­wa sagt, man ha­be ver­sucht den in­ne­ren Sinn des Ge­sprächs zu er­hal­ten, so kann es doch ei­nem Mann wie Roth nicht ver­bor­gen blei­ben, dass es sinn­ent­stel­lend ist. was da zu­sam­men­ge­fasst wur­de. Sinn­ent­stel­lend in dem Sinn, dass Äu­sse­run­gen Pu­tins, die sei­nen Stand­punkt bes­ser dar­stel­len, ein­fach weg­ge­las­sen wur­den.

    Hier das Chat­pro­to­koll.

  22. Zum Tun­nel­blick
    Nur mal als Ein­wurf, leicht ne­ben der Er­re­gung über‘s The­ma: Tun­nel­blick: Ha­ben wir den nicht al­le?

    Mir ist vor län­ge­rem auf­ge­fal­len, wie mei­ne Er­war­tung an die mut­maß­li­chen Qua­li­tä­ten von Nach­rich­ten zwar im­mer mehr ge­stie­gen sind, die ein­ge­hen­den Nach­rich­ten aber auch im­mer mehr zu wün­schen üb­rig lie­ßen, und ich mein Ge­fühl des Un­ge­nü­gens teil­wei­se aber oft schon nicht mehr ge­nau be­grün­den konn­te. (Nicht nur we­gen ei­nem Man­gel an Fak­ten oder Ver­fah­ren – et­wa „em­bedded jour­na­lism“ -, son­dern et­wa auch in den Zwei­feln an den um sich grei­fen­den Sprach­sterep­ty­pen, vul­go Po­li­tik-Sprach­flos­keln, die, als Kon­ven­ti­on, ver­meint­lich ein gän­gi­ges dis­kur­si­ves Le­vel hal­ten, es in­halt­lich aber längst un­ter­schrei­ten; aber auch et­wa mei­ne Über­mü­dung an Sen­dun­gen, die oft gar nichts Neu­es bei­tra­gen, son­dern ein un­ge­fäh­res at­mo­sphä­ri­sches Bild der La­ge ver­mit­teln mit lee­ren Bil­dern und be­glei­ten­den Kom­men­ta­ren: Wol­ken.)

    Wor­auf ich hin­aus­will, ist, dass letzt­lich der Zu­hö­rer an der Her­stel­lung der Nach­rich­ten be­tei­ligt ist (die­se Les­art ist ein al­ter Hut in der Me­di­en­kom­mu­ni­ka­ti­on) und dass auch Fak­ten im­mer erst ex­tra ge­macht wer­den müs­sen (et­wa da­durch, dass sie „pro­fes­sio­nell“ von min­de­stens zwei Quel­len ein­an­der be­stä­ti­gen). Die Nach­richt ist die Ei­ni­gung zwi­schen Be­ob­ach­tern, Be­rich­tern, Zeu­gen, ei­nem Sen­der und den Emp­fän­gern – und je­der dai­on ist ir­gedn­wie auch ein In­ter­es­sier­ter und ein jeg­li­ches In­ter­es­se fließt ein. Glaub­wür­dig­keit ist ein kom­ple­xer Ab­glei­chungs­pro­zess von In­for­ma­tio­nen und ih­rer Wei­ter­ga­be mit­tels Er­fah­run­gen über Wahr­schein­lich­kei­ten (und al­so ei­nem im­pli­zi­ten Wis­sen über de­ren Her­stel­lung).

    Ja, ich weiß, klingt ba­nal – aber ist das im­mer be­wusst?

    Ich bin weit da­von ent­fernt, die Selbst­ge­fäl­lig­keit und Pro­ze­du­ren et­wa der Nach­rich­ten­pro­du­zen­ten zu ver­tei­di­gen. Das al­les be­deu­tet aber auch, dass un­se­re Er­war­tung, das Dis­po­si­tiv in dem wir als Mehr­fach-Adres­sier­te emp­fan­gen und „sen­den“ ir­gend­wann den Ge­gen­stand – der sel­ber wie­der ei­ner Hö­her­kom­ple­xi­on un­ter­liegt (Tat­säch­lich­kei­ten, sub­jek­ti­ven Sicht­wei­sen, mo­men­ta­nen Schwer­punk­ten, Aus­las­sun­gen, In­ter­pre­ta­ta­ti­on, Ma­ni­pu­la­tio­nen... bis zur Rech­fer­ti­gung des Re­por­tie­ren­den über sein ei­ge­nes Ver­strickt­sein und sei­ne Auf­er­le­gun­gen) – zu ei­nem gleich­sam im­mer fik­ti­ve­ren ma­chen, un­ter an­de­rem auch mit­tels un­se­rer Kri­tik dar­an (die ja auch ei­ne auf­grund un­se­rer ent­täusch­ten Er­war­tun­gen ist). Und das, was al­le zu­sam­men in ei­nem Kon­sens als „Wahr­heit der Ge­mein­schafts­lei­stung“ an­se­hen könn­ten, wird dann viel­leicht so et­was wie „die Ver­bes­se­rung der Nach­richt“, aber im­mer noch nicht ir­gend­ei­ne Ob­jek­ti­vi­tät ge­we­sen sein.

    Auch der Kri­ti­ker sä­he ja lie­ber das be­stä­tigt, was er als das Rich­ti­ge­re schon ahnt.

    Aber wie ge­sagt: das nur mal ganz ne­ben­ei.

  23. Ja und nein
    Mag ja sein, dass wir al­le ir­gend­wo und ir­gend­wie den Tun­nel­blick ha­ben. Viel­leicht dient er auch da­zu, die Fül­le al­ler Mög­lich­kei­ten von Wahr­neh­mun­gen zu sor­tie­ren (den­ke ge­ra­de an Ar­no Schmidt, der – an­geb­lich oder wirk­lich? – die gan­zen Ein­drücke gar nicht mehr ver­ar­bei­ten konn­te und dar­un­ter fast kör­per­lich litt; aber ich bin kein Ar­no Schmidt-Ex­per­te).

    Aber im vor­lie­gen­den Fall kommt es mir reich­lich ein­fach vor, sich hin­zu­stel­len und zu sa­gen: Ich kann die Em­pö­rung nicht ver­ste­hen; wir ha­ben kei­nen Feh­ler ge­macht. Un­ge­fähr wie ein Me­teo­ro­lo­ge, der nicht glaubt, dass es ge­reg­net hat, wäh­rend die Leu­te ih­re Schir­me aus­schla­gen.

    Viel­leicht ist tat­säch­lich die Er­war­tung zu hoch. Viel­leicht sind auch die­se Jour­na­li­sten (mit Ver­ren­tungs­an­spruch) sich des­sen nicht mehr be­wusst und er­lie­gen ir­gend­wie (1.) dem »Ap­pa­rat« und des­sen Struk­tu­ren (er »freut« sich ja, dass das Ge­spräch in Form von 9 Mi­nu­ten ge­sen­det wird – ich wür­de mich är­gern!) und (2.) der ei­ge­nen, vor­ge­fass­ten Mei­nung, de­rer sie sich im­mer nur noch ver­ge­wis­sern und wohl­weis­lich das an­de­re, das »stö­ren­de« aus­klam­mern.

    Ist es nicht ir­gend­wo auch ein Ver­dienst, dass die von Ih­nen be­schrie­be­ne Über­ein­kunft zwi­schen Sen­der und Emp­fän­ger, die­se »Kum­pa­nei« des Nach­rich­ten­kon­sens, nicht mehr so exi­stiert bzw. nicht mehr so zu exi­stie­ren scheint? Was mich am mei­sten em­pört hat, war nicht so sehr das Ver­hal­ten von Roth, son­dern der Ein­wurf des Mo­de­ra­tors im ta­ges­schau-Chat (steht im Bei­trag). Man ha­be, so steht es dort, ei­nen ei­ge­nen »Fo­kus« bzw. ei­nen an­de­ren Fo­kus als die rus­si­schen Kol­le­gen. Das be­deu­tet fak­tisch, dass es meh­re­re »Wahr­hei­ten« über ein Ge­spräch zwi­schen zwei Men­schen gibt. Im ei­nen Fall soll ge­zeigt wer­den, wie Pu­tin sich weh­ren muss (die Kurz­fas­sung) – im an­de­ren Fall wird aus dem In­ter­view tat­säch­lich ein Ge­spräch (mit Rück­fra­gen, Ein­wür­fen, usw). Das ist ein gro­sser Un­ter­schied.

    Ja na­tür­lich möch­te der Kri­ti­ker das be­stä­tigt ha­ben, was er im­mer schon weiss! Es gibt ei­ne Sze­ne in ei­nem Woo­dy-Al­len-Film, wo er in ei­ner Ki­no­schlan­ge mit ei­nem Freund (oder ei­ner Freun­din) war­tet. Sie un­ter­hal­ten sich über ir­gend­et­was und es kommt zu ei­nem Dis­put. Al­len be­haup­tet A – der an­de­re B. Und plötz­lich er­scheint die Fi­gur, um die es geht, ne­ben den bei­den und be­stä­tigt A. Und dann sagt Al­len sinn­ge­mäss: Wenn das doch im­mer so ge­hen wür­de...

    Dar­in liegt ja auch die Ge­fahr die­ses hy­per­kri­ti­schen: Man wu­selt so­lan­ge her­um, bis sich ei­nem das zeigt, was man eh’ schon im­mer so dach­te. Ich nen­ne das den Rea­li­tit­äs­ver­lust in­mit­ten der Rea­li­tät. So gibt z. B. ei­nen Blog hier auf two­day, der in ei­nem Bei­trag schreibt, die Flug­zeu­ge sei­en nicht in das WTC ge­flo­gen. (und ich ge­ste­he, es nicht zu En­de ge­le­sen zu ha­ben. Ist das nun auch schon ein Tun­nel­blick?)

  24. noch­mal Tun­nel­blick
    Ar­no Schmidt ge­rier­te sich ja als Ma­the­ma­ti­ker – und als Ge­nau­ig­keits­fa­na­ti­ker (der et­wa Goe­the nach­wies, dass es nicht hat­te Voll­mond sein kön­nen, als der das in ein Stück so schrieb, und der des­halb ein min­de­rer Li­te­rat für ihn war) ein Pa­ra­noi­ker. Al­so schrieb er sich al­les auf. Und war dann über sei­nen Zet­tel­kä­sten schon mal kurz vor dem Hirn-Durch­bren­nen... (sei­ne Frau Ali­ce gab ihm dann mal ei­nen Schnaps).

    Wo­mit ich im­mer noch bei Ih­rem Bei­spiel aus der Me­teo­ro­lo­gie bin: Ist Re­gen auf den Kopf nicht ein ob­jek­ti­vier­te­res Ge­sche­hen als ei­ne eher in­ter­pre­ta­to­ri­sche Mut­ma­ßung über ei­ne fern statt­ge­hab­te Wirk­lich­keit? Oder wä­re das ei­ne Stand­punkt-Sa­che? Re­la­ti­vi­tät, wo man hin­sieht.

    Was man den Jour­na­li­sten vor­wer­fen könn­te, wä­ren – mal wie­der – die Ne­ben­ef­fek­te ih­rer Pro­duk­ti­ons­ge­wiss­hei­ten. Aber auch da­mit sind wir bei un­se­ren ei­ge­nen Pro­duk­ti­ons­ge­wiss­hei­ten, näm­lich von An­nah­men über mut­maß­li­che Wirk­lich­keit (die me­di­al zu­dem per se ei­ne her­ge­stell­te ist).

    Wohl­weis­lich: ich re­de hier nicht der Ma­ni­pu­la­ti­on das Wort. (Schließ­lich gibt es jour­na­li­sti­sche Stan­dards, und so­weit ich das ver­stan­den ha­be, geht die En­pö­fung dar­über, dass eben die mal wie­der un­ter­bo­ten wur­den.)

    Aber der be­sag­te „Fo­kus“ (als Bün­de­lung von meh­re­ren: Auf­merk­sam­keit, In­ter­es­se, Er­war­tung an Be­stä­ti­gung des ei­ge­ne Welt­bild oder Grad der Fle­xi­bi­li­tät der Band­brei­te des­sel­ben...), ist ja das, mit dem auch je­der Zu­schau­er ar­bei­tet.

    Geht es al­so letztzlich um Deckungs­un­gleich­hei­ten? Ich fra­ge mich das.

    Im­mer wenn ich mal beim Zap­pen auf die RTL-„Nachrichten“ kom­me – „und gleich bei uns in der Sen­dung“ -, muss ich ein­se­hen, dass man die Ge­sche­hen den Leu­ten da drau­ßen auch so er­klä­ren kann. „Die Welt“ ist an­schei­nend längst zu sehr ein ein­ge­führ­tes For­mat. Nur gibt es dann im­mer noch ei­ne Un­zahl an­de­rer (Wel­ten und For­ma­te...).

    Und au­ßer­dem ist es na­tür­lich mal wie­der so, dass Roth, der in wer weiß wel­chen Zwangs­la­gen (ei­gent­lich ja wohl zwi­schen al­len) steckt, un­er­bitt­li­cher kri­ti­sier­siert wird als die, die „so­wie­so nur Schei­ße er­zäh­len“. An­ders ge­sagt: ist es nicht die Fehl­stel­le im Gu­ten, die auf das Bes­se­re deu­tet? Da müss­ten wir ihm dank­bar sein: Mit sei­ner Hil­fe stell­ten wir dann je­weils ei­ne bes­se­re Welt erst noch her.

  25. Ja, ich ver­ste­he den An­satz. Es ist ja so, dass man oft le­sen konn­te, von »so ei­nem« wie Roth hät­te man das nicht er­war­tet. In­so­fern ist der »Blog­ger­auf­stand« im ta­ges­schau-blog nebst Aus­strah­lung des In­ter­views in vol­ler län­ger na­tür­lich ein Tri­umph der­je­ni­gen, die als kri­ti­sche Mas­se ge­se­hen wird. Bei Roth hat das dann ge­wirkt, eben weil man es ver­such­te; bei ei­nem an­de­ren Kor­re­spon­den­ten (bspw. ei­nes Pri­vat­sen­ders) hät­te man ver­mut­lich die­se En­er­gie nicht in­ve­stiert.

    Ich bin ja – ob­wohl auf der Wel­le der Em­pö­rung mit se­gelnd – je­mand, der die Pau­schal­ver­ur­tei­lun­gen im­mer sel­ber ver­ur­teilt. In ei­nem Blog hiess es, er (der Blog­ger) traue der öf­fent­lich-recht­li­chen Mei­nungs­ma­ni­pu­la­ti­on so­wie­so schon lan­ge nicht mehr. Welch’ ein Blöd­sinn in die­ser De­kre­tie­rung liegt; so je­mand hat sei­ne in­tel­lek­tu­el­le Red­lich­keit bei mir so­fort ver­lo­ren (es sei denn, er war be­sof­fen). Aber es ist na­tür­lich so: Wer ein­mal »lügt«, dem glaubt man...sagen wir mal: schwie­ri­ger.

    Will sa­gen: Ja, der Fo­kus des Wi­der­spruchs auf das zu­sam­men­ge­schnit­te­ne In­ter­view re­sul­tiert aus der Tat­sa­che der vi­ru­len­ten Skep­sis des­sen, was dort ge­zeigt wur­de. Die Schnit­te wa­ren sehr un­pro­fes­sio­nal – und den­noch hät­te ich es nicht ge­merkt. Wur­de erst auf­merk­sam durch ei­ni­ge Kom­men­ta­to­ren, die es im rus­si­schen Fern­se­hen sa­hen.

    Der »Fo­kus« der ARD lag dar­auf, Pu­tin als in die Ecke ge­stell­ten Staats­len­ker dar­zu­stel­len. Die­ser ging aber oft ge­nug – wie man dann se­hen konn­te – in die Of­fen­si­ve über. Dies ist aber dann eben kei­ne ob­jek­ti­ve Be­richt­erstat­tung mehr. Und drei, vier Sät­ze aus Pu­tins Ge­spräch kann ich dann auch noch so mon­tie­ren, dass er als neu­er Welt­ende­mi­urg er­scheint. Das hat dann aber mit Jour­na­lis­mus nichts mehr zu tun.