Einige bezeichnen Christoph Lütgert inzwischen als den deutschen Michael Moore. Es ist anzunehmen, dass dies als Kompliment gemeint ist; die Vorwürfe der Manipulation von Fakten gegenüber Moore sind ja im linksliberalen Mainstream nie mit der notwendigen Ernsthaftigkeit verfolgt worden. Lütgert hat vermutlich keine Fakten verbogen. Aber wie Moore geht er äußerst suggestiv vor und personalisiert gnadenlos seine Dokumentationen. Im Maschmeyer-Film vom 12. Januar erscheint Lütgert gefühlte 20 von 30 Minuten auf dem Bildschirm. Gesten erscheinen in Großaufnahme. Zum festen Bestandteil seiner längeren Filme gehört das Selbstgespräch, in dem er den Zustand der Welt im allgemeinen und im besonderen beklagt. Mal im leeren Fußballstadion von Hannover, mal auf der Straße. Es ist unmöglich, der Meinung Lütgerts in diesen Filmen zu entkommen. Sie ist immer schon da, wird breitgetreten und in jeder Szene unterstrichen – sei es optisch oder über den Kommentar; zumeist simultan. Sogar im Titel ist schon klar: Da sind die Bösen und Galahad Lütgert erklärt uns die Welt. Der Film über den Textildiscounter »KiK« im August 2010 heißt nicht nur »Die KiK-Story« sondern bekommt sofort ein Attribut dazu: »die miesen Methoden des Textildiscounters«. Beim Maschmeyer-Film ging man es etwas sanfter an und titelte nur »Der Drückerkönig und die Politik«. Dafür heißt es dann bedeutungsvoll zu Beginn des Films: »Schurke oder Edelmann«.
Zu Beginn seines Filmes über »KiK« und geht Lütgert einkaufen. Für noch nicht einmal 26 Euro ist er komplett eingekleidet – und wundert sich, wie sowas funktioniert. Er fliegt nach Bangladesch und besucht einen Betrieb, in dem Textilien für »KiK« genäht werden. Er beschäftigt sich mit den Arbeitsbedingungen, den Löhnen und besucht eine Arbeiterin. Deren Neffe liegt im Sterben; die Familie hat kein Geld für eine Behandlung. Lütgert klagt »Das Kind stirbt«, unterdrückt mühsam seine Tränen und suggeriert, »KiK« hätte die Schuld, weil die Näherin zu schlecht bezahlt werde. (Das Kind stirbt dann nicht, sondern findet Behandlung.)
Natürlich ist die Bezahlung im Vergleich zu deutschen Verhältnissen erbärmlich. Aber hätte ein Journalist wie Lütgert nicht mindestens in drei Sätzen das Verhältnis der Löhne, die »KiK« bezahlt und die von anderen, teuren Markenartikel-Herstellern, die unter Umständen gleich nebenan in einer anderen Fabrik fertigen lassen, erläutern müssen? Schließlich haben nahezu allen Markenhersteller ihre Fertigung größtenteils nach Asien ausgelagert. Mit dem Unterschied, dass ihre ähnlich billig hergestellten Pseudo-Edeltextilien ein Vielfaches dessen kosten, was Discounter verlangen. Lütgert befragt lieber die überraschte Verona Pooth, warum sie Werbung für »KiK« macht und was sie über die Sozialstandards der Fertigung weiß. Sie weiß erwartungsgemäß nichts und spult einen lächerlichen Sermon über ihre »Kollektion« ab.
In der Maschmeyer-Dokumentation befragt Lütgert zwei von AWB-Provisionsknechten Betrogene, die ihr Geld entgegen der Beteuerungen in windige Geschäftsmodelle investiert hatten. Man habe erst später erfahren, dass es sich um »geschlossene Fonds« handele, die ja extrem risikobelastet seien. Was geschlossene Fonds nun genau sind – der Zuschauer wird es nicht erfahren, obwohl der Begriff immer wieder auftaucht. Auch die Redakteurin von »Finanztest«, die diversen gerichtlichen Anwürfen der »Maschi-Clique« ausgesetzt war, erklärt es nicht. Lütgert entlockt ihr lieber Statements, die in seinen Plan passen. Und der Zuschauer sieht den Nathan-Ring Lütgerts am kleinen Finger der linken Hand in Großaufnahme.
Hatte Lütgert bei »KiK« noch genügend andere Belege für unternehmerisches Fehlverhalten (Bespitzelung, unbezahlte Überstunden, Mobbing), so ist die Lage beim Maschmeyer-Bericht eher dünn. Lütgert zeigt mehrmals Fotos mit Maschmeyer und seiner Lebensgefährtin Veronica Ferres und dem Ehepaar Schröder oder Wulff. Er zeigt den ehemaligen Bundesarbeitsminister Riester, wie er AWD-Mitarbeitern vor einer Werbewand die Hand schüttelt. Und er zeigt, dass Professor Rürup, ein ehemaliger »Wirtschaftsweiser«, eine gemeinsame Firma mit Maschmeyer hat (und wie sich dieser im Ton im Interview vergreift).
Nun ist sicherlich niemand ein Schelm, der Böses dabei denkt: Die Verflechtungen der Versicherungswirtschaft mit der Politik, wie sie insbesondere in der rot-grünen Regierung voranschritt, ist ärgerlich und verlangt genaues Hinsehen. Wobei die Verkommenheit der politischen Protagonisten der Schröder-Regierungen inzwischen längst kein Geheimnis mehr darstellen dürfte. Lütgert beschränkt sich jedoch darauf, die Empörung beim Zuschauer anzustacheln – immer wieder Frau Ferres im vornehm-verführerischen Abendkleid – statt Fakten zu präsentieren. So macht der Bericht Glauben, dass Riester seine nach ihm benannte private Rentenversicherung, die staatlich gefördert wird, aufgrund von Initiativen der Versicherungswirtschaft entwickelt habe. Lütgert spricht suggestiv von der »Privatisierung der Altersvorsorge«, die unter Schröder/Riester vorgenommen wurde – tatsächlich deckt die Riester-Rente nur einen Bruchteil der Altersversorgung ab. Lütgerts zentraler Vorwurf: Mit den Beratungen zur nicht ganz einfachen Riester-Rente wurde den Versicherern ein Türöffner in die Haushalte geboten. Man konnte nun »nebenbei« auch noch andere Produkte verkaufen – was natürlich geschah. Ähnliches könnte man dann allerdings auch in Bezug auf die Pflicht zur Kfz-Haftpflichtversicherung behaupten. Und auch allen anderen Versicherungskonzernen vorwerfen.
Ein ehemaliger AWD-Mann erklärt im Film, was ein Foto Riesters mit dem AWD-Mitarbeiter bewirken kann: Wenn der Kunde noch überlegt, wird das Foto mit Riester gezückt. Und schon fiele die Entscheidung leichter. Es gibt ein Gespräch mit Riester im Film, aber entscheidende Fragen werden nicht gestellt: Wann fand die »Roadshow« Riesters für den AWD statt, von der der ehemalige Mitarbeiter des AWD spricht? Wann sind die Aufnahmen mit den AWD-Mitarbeitern aufgenommen worden? Wieviel Geld wurde dafür an Riester bezahlt?
Zu großer Form läuft Lütgert in seinen Filmen immer auf, wenn er die entsprechenden Figuren befragen möchte. Er sucht sie mehrfach auf, klingelt vor verschlossen bleibenden Türen. Und einmal kommt es zum Showdown: Eine Überrumpelungstaktik. Maschmeyer trifft er auf einer Finanzmesse in Frankfurt. Der Assistent versucht ihn abzuschirmen, während sein Chef seinen Vortrag an einem Stehtisch vorbereitet. Lütgert lässt nicht locker. Keine Antwort. Der Assistent sagt: »Keine Antwort ist auch eine Antwort«. Und hier dann die Sternsekunde des Films. Lütgert kontert: »Nein!« Keine Antwort ist keine Antwort. Da hat er recht. Und in diesem Moment zeigt sich die ganze Erbärmlichkeit dieser Figur. Mehr als in den gesamten Empörungsschüben des Reporters.
Regelmässig tun die Protagonisten Lütgert den Gefallen, sich mit skurrilen rechtlichen Mitteln zu wehren. Damit wertet man die Reportagen naturgemäß auf und schafft erst recht eine Öffentlichkeit. Lütgerts Filme werden durch die Gegenerschaft geadelt. So durfte man im Film über »KiK« die vier Näherinnen, die man näher zeigte, erst nach Gerichtsbeschluß »KiK-Näherinnen« nennen. Und Maschmeyers Anwälte lassen per Einstweiliger Verfügung zwei Szenen untersagen, die nun im Mediathek-Beitrag nicht gezeigt werden dürfen. Darunter die erwähnte Szene von Frankfurt. Sie ist aber auch zu schön: Der Liebling der politischen Prominenz hat Angst vor einem deutschen Reporter.
Es sind solche Szenen, die Lütgerts Beiträge sehenswert machen. Dennoch bleibt ein schales Gefühl bei diesen Reportagen. Sie klären nicht auf, sondern wedeln immer schon mit ihrem Urteil, welches von Anfang an feststeht. Sie installieren eine saubere Unterteilung der Welt und Gut und Böse. In diesem offenen Meinungsjournalismus liegt mir zu viel Entmündigung des Zuschauers. Mir sind die Anspielungen, auf die ich pawlowhaft mit Abscheu zu reagieren habe, zu dick aufgetragen. Lütgert ist in seiner Zähigkeit und Hartnäckigkeit ein guter Journalist. Warum muss er sich aber derart eitel inszenieren und liefert nicht einfach nur präzise und wasserdichte Fakten, die dann das Urteil beim Zuschauer entstehen lassen?
Hier der um einige Szenen gekürzte Film der ARD-Mediathek. (Vermutlich nur bis 19.01.)
Die ungekürzte Version des Films findet sich hier. Die entsprechende Szene in Frankfurt ist ab 25:30 zu sehen.
Aber ist das nicht der »Journalismus« von heute?
Der ja ein Problem gegen alle möglichen Richtungen hat – von seiner Unterwanderung durch sein Gekauftsein (und sei’s durch das Richtungsdiktat des Verlegers), seiner Dauergefährung durch die ubiquitäre Versuchung der PR bis zur beschworenen respektive tatsächlichen (eigenverschuldeten) Überflüssigkeit?
All das, was Sie zu recht monieren, kommt genauso etwa in »Kulturzeit« vor, der angeblich so wichtigen Insellage der Intellektualität im deutschen Idioten-Fernsehen. Was die Moderaten und Beiträger über die angeblich berichtenswerten Dinge der Welt auszusagen haben (allein deren Auswahl ist oft genug Aussage), ist derart erwartbar, ist solch ein öder ausgebluteter Konsensterror, dass es eigentlich endlich mal hinweggefegt gehörte – und sei es nur, damit es sich erneuern kann.
Ehrlich gesagt habe ich mir das Maschmeyer-Stück nicht ansehen wollen, um nicht in eigene Fallen von Erwartungshaltungen zu fallen: All diese durchsetzungsfähigen Geld-Leute, die Alphatiere, politisch- prominent-verstrickt oder nicht, sind eigentlich fast immer uninteressant, sind richtigehend dumm – es sei denn, man nähme sie her für die Zustandsbeschreibung unserer Republik. Aber welchem Bankheini Merkel ihr Kanzleramt für Geburtagsfeiern öffnet, wie stabsmäßig Bertelsmann-Stiftungen Agendasetting betreiben oder wie Lobbyisten Gesetzgebungsverfahren bestimmen... es ist einfach zu zersetzend geworden, sich das alles klar zu machen.
Stattdessen denke ich immer öfter: Gut, wenn die mit ihren Möglichkeiten (und sei’s nur der Abschottung und Ignoranz) den Plebs so behandeln, dann haben sie zumindest auch solche Zecken wie Lütgert im Pelz verdient. All das mit den öden Fakten und den 61-Seiten Einstweiligen Verfügungen ist eh im eklatanten Missverhältnis und für die »Wahrheitsfindung« – im Sinne Fritz Teufels – nicht wirklich mehr »relevant«. Wen kümmern Verantwortlichkeiten?
(Man denke allein an die Kosten und die absehbare Ergebnislosigkeit, die jetzt mit der Aufklärung der verschwundenen bayrischen Bankmilliarden auf den Steuerzahler zukommen: Klar, es braucht rechtlich saubere Verfahren, aber das »Recht« ist bei solchen Dimensionen und der Trägheit der Verhältnisse fast immer längst anderswo: Wie offensichtlich erbärmlich ist denn unser berufsethisch runtergeregeltes Medienpersonal, das vor und hinter den Kameras? )
Und warum soll man selber andauernd differenzieren, wenn die per Fernsehaufsager ihre plattes Bohren dicker Bretter betreiben, bis eine genügend träge Anzahl im Stimm-Volk daran glaubt.
(»Nein, bitte bloß keine Steuern senken, wir wollen lieber unsere Schuld abtragen, etwa die der uns abzockenden Atom-Industrie, der wir noch die Entwicklung ihrer Meiler bezahlt haben... Und wahrscheinlich wird sich das beim Elektroauto wiederholen – schafft die Industrie ja ohne unsere Hilfe nicht.)
Aber noch mal zum Journalismus.
Ich habe mal eine Zeit lang englische Presse-Verhältnisse erlebt und würde sofort zugeben: Sie sind widerlich! Aber sie haben doch, als Front, etwas klar gemacht: Mit dem seinerzeit schon darbenden bis aussterbenden »Journalismus« kommt man gegen »die da« – die reale Feinde des Gemeinwesens sind – nicht an. Die britisch-bösen Stückchen etwa über die Nöte an ihrer Gartenverschönerung der Anbgeordneten waren aufklärerischer als alldas Faktengehuebre. (Was englische Abgeordnete sich alles so bezahlen ließen, war ja seit Jahren bekannt: Da braucht es manchmal die »pointierte« oder eben auch nur angemessene Darstellungsform.)
Und warum soll »Aufklärung« nicht unterhaltsam (und auch angemessen böse!) à la Michael Moore sein? Letztlich geht es auch bei Medien und der andauernd beschworenen »Information« für uns Scheinformierte um eine Front: Siehe Wikileaks, das uns klar macht, dass nicht China oder irgendwelche Ayatollahs – von denen erwartet man nichts anderes – sondern unser Großverbündeter USA der »rogue state« (Sloterdijk), der Feind im Innern ist.
Zugegeben: Zum Schluss muss man nach »der Wahrheit« suchen – oder zumindest ihrer richtigen Gewichtung. Aber das bleibt ja an sich strittig. Und so lange sie tendenziell durch die real-existierenden Verhältnisse so vernachlässigbar ist, die Wahrheit – sie wird ja nicht umsonst so oft verhandelt als »Rechtsposition« (siehe die Prominenz des Bundesverfassungsrichts) – sind solche wie Lütgert mir ganz lieb. Sonst stribt Journalismus wirklich noch als Papiertiger.
(ENtschuldigung, dass ich so lang geworden bin...)
Tja, ist das der Journalismus »von heute«? Das bedeutet ja umgekehrt: der »andere« Journalismus ist out, nicht mehr zulässig. Weil die Leute nicht mehr in der Lage sind, selbst zu differenzieren bzw. ständig undifferenziertes Blabla zu hören bekommen, darf Lütgert sein undifferenziertes Gegen-Blabla verkünden und deshalb darf auch Michael Moore inszenieren,also lügen. Kann ja sein, dass das so ist. Man exorziert also den Meinungsterror des Mainstream (der Politik, der Wirtschaft), mit einem Gegen-Meinungsterror. Und weil die Brüste auf Veronica Ferres’ Bild fast aus ihrem Kleid purzeln, als sie mit Schröder und seiner Frau posiert, zeige ich sie immer wieder, um die Verruchtheit zu zeigen.
Was ist das anderes als billige Gegen-Polemik? Und: Wer kann danach noch die Wahrheit suchen – und finden? Warum nicht zur Not zwei Jahre recherchieren, um festzustellen, wie Maschmeyer seine Kontakte »ausnutzt«? Warum ihm diese Kindergartenfragen danach stellen. Tatsächlich würde ich das auch nicht beantworten wollen – wenngleich es dem Maschi-Clan an Souveränität fehlt: Ich hätte Lütgert nach Mallorca eingeladen und ein Interview gewährt.
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ich habe neulich einen Film auf Phoenix gesehen. Er handelte von der »Nabucco«-Gaspipeline, die von Aserbeidschan nach Europa – ohne Russland – führen soll. Uns sie zeigte zwei Gegenspieler: Einer, der für diese Pipeline »berät« – das war Joschka Fischer. Und der andere, der das GazProm-Projekt durch die Ostsee vertritt, Gerhard Schröder. In den gegeneinandergestellten Aussagen zeigte sich viel mehr von deren Verkommenheit und Lächerlichkeit als es ein Gesinnungsbericht geschafft hätte.
Stattdessen denke ich immer öfter: Gut, wenn die mit ihren Möglichkeiten (und sei’s nur der Abschottung und Ignoranz) den Plebs so behandeln, dann haben sie zumindest auch solche Zecken wie Lütgert im Pelz verdient.
Da brauche ich nichts mehr hinzuzufügen. Was man mit uns anstellt, falls wir es zulassen, rechtfertigt auch schlimmste Untergriffe den Verantwortlichen gegenüber.
Ich habe mir den Film zur Hälfte angesehen. AWD hat ja auch in Österreich eine Schneise geschlagen. Mittlerweile läuft in Ö ein anderer Prozess gegen Auer von Welsbach, der seine Anleger genauso ins Unglück hat rauschen lassen. Wobei da ein paar Reiche dabei sind, mit denen sich das Mitleid absolut in Grenzen hält.
Wir sind aber selbst schuld. Der Enron-Skandal in USA ist schon über zehn Jahre her. Auch damals waren vor allem die Pensionisten die Geschädigten und mussten dabei noch nicht einmal selbst habgierig sein. Die Pensionsveranlagung wird für sie ja von staatlicher Stelle durchgeführt.
In den USA hat man zumindest die Gesetzgebung verändert. Es gibt den Sarbanes-Oxley-Act, der sich auf meinen Berufszweig, die Informatik, bezieht. In Europa gibt es eine entsprechende Gesetzgebung noch nicht.
Die eine Frau sagt ganz richtig, natürlich wollen die Vertreter Produkte mit hoher Provision verkaufen. Und die Leute wollen gute Renditen. Und Geiz ist geil.
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Und wenn ich sage, dass Mathematik notwendig ist im Leben, werde ich ausgelacht. Dabei kann man sogar mit Volksschulmathematik bereits bestimmte Modelle »aufmachen« und nachweisen, dass sie sich nicht rechnen können. Wir brauchen aber keine Mathematik und lassen uns dafür lieber über den Tisch ziehen.
Ach! Was für eine Welt:)
Warum nicht zur Not zwei Jahre recherchieren, um festzustellen, wie Maschmeyer seine Kontakte »ausnutzt«?
Nehmen wir mal an Lütgert hätte einen lupenreinen Beitrag abgeliefert. Was hätte es gebracht? Und wem? So konnte der gewöhnliche Fernsehkonsument ein bisschen Erregungspotenzial abbauen, um wieder durch den nächsten Tag zu kommen. Ist solcher aus Gebühren finanzierter Aufwand zu verantworten, um dem ästhetischen Empfinden einer Minderheit zu genügen? Die armselige Wahrheit steht häufig genug im tristen Scheinwerferlicht, ohne länger als ein paar Tage Michels Empörungsgefieder aufzuplustern.
Gegacker, Lethargie und Zynismus sind die Ausdrucksformen der Hilflosigkeit. Lütgert wählt die eine Option. Was mir am meisten Kummer macht, ist das bohrende Gefühl, dass die globale apokalyptische Kommerzialisierung im Gegensatz zu großen Teilen der Welt auf sehr hohem Niveau jammern lässt. Eine schöne axis of evil macht es einem einfacher.
@steppenhund
Ich mag eigentlich diese Dichotomie »wir« gegen »die« nicht. Sie suggeriert eine Fremdbestimmtheit, die in diesem Punkt tatsächlich NICHT vorliegt. Niemand MUSS seine Altersvorsorge zu 100% kreditfinanzieren (wie in dem Film geschildert wird). Niemand MUSS Steuersparmodelle einsetzen, nur um dem Staat ein Schnippchen schlagen zu wollen. Ich verhehle nicht, dass ich mit solchen Leuten – ob sie nun Millionäre sind oder »nur« ein paar tausend Euro verloren habe – kein Mitgefühl habe. Sie sind ihrer Gier erlegen und haben sich auf billigste Art und Weise aufs Kreuz legen lassen.
Die Österreich-Problematik von AWD kam im Film ja auch vor (vielleicht hattest Du da schon abgeschaltet). In Deutschland gibt/gab es noch die »Göttinger Gruppe«, die ähnlich agierte wie der AWD und auch Spitzenpolitiker einspannen konnte. Mir geht nicht in den Kopf, warum einerseits das Ansehen der Politiker so schlecht sein soll, andererseits aber mit ihnen noch Werbung gemacht wird.
@Zufgas
Nehmen wir mal an Lütgert hätte einen lupenreinen Beitrag abgeliefert. Was hätte es gebracht? Und wem?
Wenn ich diese Frage immer und überall stelle, kann ich gleich mit dem Journalismus aufhören. Dann kann ich behaupten, A ist ein Betrüger oder Y ein Päderast – dann ist alles egal. Tatsächlich sieht der Journalismus in weiten Teilen ja schon so aus: Was zählt, ist nur noch die Gesinnung, Vermutungen, Unterstellungen. Natürlich wird jemand wie Maschmeyer seine politischen Kontakte auch nutzen. Ihm dann die Frage zu stellen, ob bzw. wie er sie nutzt, ist doch nur ein Posing für die Galerie und hat mit Journalismus nichts mehr zu tun. Ehrlich gesagt, würde ich auf solche Fragen auch nicht antworten. Daher verstehe ich auch die mangelnde Souveränität von Maschmeyer und seinen Adepten nicht.
Zynismus?
Es ist doch genau diese skrupulöse, sich etwas auf die Rechtschaffenheit ihrer besseren Argumente einbildende zahlnlose Bedenkenträgerei, die gegen solche Mächte nichts mehr ausrichtet – und auch schon lange nichts mehr aufklärt, als „Journalismus“ egal welcher Couleur. Da können solche Nachfrager üblicherweise ignoriert werden: Für mich hat es eher Größe, dieses Vermögen, sich das offene Ignorieren zu zeigen leisten zu können statt das BlaBla-Beruhigungsspiel für die Massen mitzuspielen.
Dass die Ironie meiner „Wut“ nicht mitgelesen wurde – na ja. Dann bekenne ich mich in dem Fall also mal ausdrücklich zu der sich ebenso Ignoranz erlaubenden Gegnerschaft, einer föhlich-vitalistischen, einer a priori.
Denn wer sagt eigentlich noch bei diesem Zustand von Welterklärung („Journalismus“), dass man alles verstehen soll / kann? Es geht um Interessenlagen, und die sind perspektivisch (übrigens noch in allem Wohlverstehertum). Jedenfalls ist damit „Feindschaft“ heute implizit, sie muss bei solchen realen Verhältnissen nicht mehr erklärt werden. (Und ich meine hier weniger die Relationen Geld – Macht als die Bedingungen, wie beide entstehen und wie sie immer noch gern, ob aus Verblendung oder Konvention, als „verteilte“ verstanden werden.) Jedes gesellschaftlich handelnde Subjekt steht heute per se in Konkurrenz – und das weniger neoliberal gedacht als mit dem unverwüstlichen Max Weber.
(Und, klar, es gibt auch etliche verantwortliche, gesellschaftlich positiv zu wirken versuchenden Kräfte: Denen schüttelt Wulff dann mal auf seinem Sommerfest die Hand.)
Im Zeitalter des Emotainments – und als solche auch öffentlich-rechtlich begrüßte neuere Sendeform – haben für mich solche wie Lütgert zumindest das gleiche Recht: Und zum Argument gehört heute die Einschaltquote. Und bevor „Journalismus“ ganz nach Mitternacht abwandert, muss er dann eben auch mal polemischer sein dürfen. Die Maschmeyers wie die letzten Aufrechten, die halten das aus.
@en-passant
Die Ironie habe ich schon mitgelesen; mitbekommen. Ich finde aber, dass dafür Lütgerts Beitrag selber viel zu unironisch ist. Sein Kopfschütteln über das Abgefertigtwerden an Maschmeyers Klingelpforte kann doch nur gespielt sein. Er kann doch nicht so naiv-treudoof sein zu glauben, die Sekretärin öffnet ihm die Türe und beide schauen sich die Akten der Leute an, die er interviewt hatte.
Er setzt sich ins Fußballstadion von Hannover 96 – ganz alleine. Und liest die AWD-Werbebotschaften vor. Als glaube irgendjemand diesen Quatsch noch. Und hat nicht auch die ARD AWD-Werbung gemacht? (Hat sie.) Wieso erfahre ich so etwas nicht? Welchen Einfluss hat AWD denn heute noch auf die Medien? Auch hierzu erfahre ich nichts.
Und er darf – nach Ihrer Definition nach – parteiisch sein, weil die anderen es auch sind. Aber warum fragt er die Geschädigten nicht, warum sie glauben, dass man einen Finanzplan zu 100% kreditfinanziert machen soll, nur um Steuern zu sparen – und sich wie ein »Großer« zu fühlen? Wieso glauben die Leute, die Welt gehöre ihnen und wenn sie feststellen, dass es nicht so ist, sind die anderen schuld? Ist das so einfach?
Ich beharre darauf: Ein Journalist macht sich mit keiner Sache gemein – auch nicht mit der (vermeintlich) »Guten«. Und mir ist diese Form der Feindbildpflege zu einfach, zu durchschaubar.
Wenn ich diese Frage immer und überall stelle, kann ich gleich mit dem Journalismus aufhören.
Ich hätte noch den Zusatz seriös spendiert.
Meine Wahrnehmung sagt mir, dass wir ein zu viel an wie auch immer geartetem Journalismus haben. Man kann ein Thema in einer Diktatur durch Totschweigen erledigen. In einer Mediendemokratie schafft man dies durch massives Zerreden. Wenn ich die zwanzigste Expertenmeinung, mit viel Verve vorgetragen, gehört habe, ist ein Thema so zerfasert, dass eine ernsthafte Betrachtung verunmöglicht wird.
Ebenso funktioniert die ostinate Wiederholung. Irgendwann scheinen die Menschen geglaubt zu haben, dass es etwas wie Finanzprodukte gibt und nicht nur schnöder, etwas aufgebrezelter Wucher betrieben wird. Der Versuch nur mit einem Wort darzustellen, dass etwas hergestellt worden ist, etwas geschaffen worden ist, was einen realen Gegenwert hat, scheint funktioniert zu haben.
Für mich bleibt die Frage bestehen: Was bewirkt seriöser Journalismus praktisch, außer dem Zungeschnalzen über eine gute handwerklich Arbeit?
Zeitweise Suspendierung von Aufklärung?
Das ist doch eine Frage von Ethos, von Haltung; ich würde auch sagen eine von Zuneigung, vielleicht von Liebe: Muss man sich nicht fragen, ob diese Wendehalstaktik eine Lüge, ein Selbstbetrug ist? Und falls es keiner ist, wofür steht man dann eigentlich?
Auf diese Art und Weise lässt sich alles, auch Mord und Totschlag rechtfertigen, man muss sich nur im Vorhinein auf der richtigen Seite wissen.
@Gregor Keuschnig
Die Stelle mit dem Bezug auf Österreich habe ich schon gesehen. Ich wollte nur darauf hinweisen, dass der AWD nicht der einzige Übeltäter ist.
Ich verstehe deine Anmerkung bezüglich der Dichotomie nicht. Du magst sie nicht, aber in der Folge schreibst Du, dass niemand gezwungen ist die Altersvorsorge auf eine derartige Weise zu finanzieren. Da kommt ja gerade die Dichotomie zum Vorschein. Es sind bestimmte Leute, die glauben, dass »es mehr heraus zu holen« gibt.
für mich trifft das nicht zu. Ich habe auch bisher nichts verloren, weil ich mich nach einem Nullsummenspiel, zu dem ich mich als 30-Jähriger einmal überreden ließ, nie mehr wieder mit solchen Modellen etwas zu tun haben wollte.
Aber die Amerikaner konnten sich nicht wehren: dort war es wirklich Fremdbestimmung.
Also ich denke, dass Du gerade beschreibst, dass man nicht so wie alle sein muss. Also gibt es ein »wir« gegen »sie«.
Mitleid habe ich schon ein bisschen mit den Leuten, die noch aus einer anderen Zeit stammen, als zum Beispiel auch noch Handschlagqualität herrschte.
Es ist nicht so einfach, heute hinter jedem geschniegelten Versicherungskeiler einen Verbrecher zu vermuten. Das wäre ja auch sogar den Versicherungskeilern gegenüber unfähr.
Ich glaube, es ist einfach ein System, über das ich gerade mit meinem Ex-Chef gesprochen habe. In der Wirtschaft versucht ebenfalls jeder, die Bezahlung einer ordentlichen Leistung drücken zu müssen. Mit dem Effekt, dass Projekte den Bach hinunter gehen, Ausschreibungen nur mehr über linke Methoden gewonnen werden können, und die Projekte anschließend das Dreifache vom Angebotenen kosten.
Aber ich betone noch einmal: »Geiz ist geil«. Und solange es keine Todesstrafe für Werbetexter und Manager von Firmen gibt, die damit operieren, werden wir uns einfach anschauen.
Früher hätte man gesagt: »Sparsamkeit macht sich bezahlt« oder etwas Ähnliches.
Heute ist Geiz – zumindest im katholischen Sinn eine Todsünde – erstrebenswert. Ja do leckts mi do am Oarsch, fällt mir dazu nur ein:)
@steppenhund
Dichotomie
ich war unpräzise mitmeiner Formulierung. Ich meine damit: Es gibt für den Reporter immer einen »Guten« und immer einen »Bösen«. Die Rollen sind schon vorher klar verteilt; eine Entwicklung gibt es nicht. Der »Gute« ist derjenige, der »betrogen« wurde – waren die Versprechen auch noch so windig. Er ist in solchen Reportagen immer der Gute.
Sollte man sich nicht gerade vor »geschniegelten Versicherungskeilern« höchste Skepsis entwickeln? Wer wollte da wirklich ein bisschen »oberschlau« sein? Ich rede damit dem Betrug nicht das Wort – Betrug ist Betrug; fertig. Ich glaube nur, dass es nicht immer so einfach ist.
Werbetexter
Nein, ich bin nicht für die »Todesstrafe« von Werbetextern. Ich bin eher für die Aberkennung aller bürgerlichen Rechte für diejenigen, die Werbetextern glauben. Aber Spaß beiseite: Ist es nicht ein bisschen einfach, die Verlotterung der Sitten immer auf »die anderen« zu schieben? Deutschland wird derzeit erschüttert von einem Lebensmittelskandal nach dem anderen. Erschüttert? Ja, vordergründig. Plötzlich entdecken alle Bio-Eier und Bio-Fleisch. Das war übrigens nach dem BSE-Skandal auch mal kurz en vogue. Danach gab’s dann irgendwann wieder Mett für 49 Cent.
Die gute, alte Zeit
Ich kenne einen wackeren Mann, der Jahrzehnte auf einer Sparkasse gearbeitet hat (eher ländlich). Wenn irgendwann jemand kam und wollte einen Kredit für ein Haus, frug er ihn, wieviel er schon »gespart« habe. Mit der Zeit wurde diese Frage als immer exotischer aufgefaßt. Einige hatten rd. 25%. Das war aber immer mehr die Ausnahme. Viele hatten: Nichts. Er argumentierte dann und verweigerte 100% Fremdfinanzierung mit dem Hinweis, er habe ja auch bisher nichts gespart und was passiere, wenn es Probleme gebe.
Ich muß nicht erwähnen, dass diese Vorgehensweise für die Bank irgendwann nicht mehr tragbar war. Er wurde »kalt gestellt« auf einer Stelle, in der er keine »Geschäfte« mehr behinderte...
@Gregor Keuschnig
Ich habe mich auch gewundert, weil meine Kinder jetzt für die Eigentumswohnung einen Kredit bekamen, der die volle Summe abdeckte.
Jetzt verdienen sie zwar zusammen recht gut und es gab auch eigenes Geld. Das wurde aber für die Einrichtung verwendet. Sie mussten es nicht wirklich nachweisen.
Es ist schon merkwürdig...
[EDIT: 2011-01-17 10:22]
@steppenhund
Es ist fahrlässig – trotz des guten Verdiensts (was ja schnell auch mal weg sein kann – was ist heute schon sicher?). Aber: Wenn es Bank X nicht macht, dann halt Bank Y.
(Was mich an diesen Schuldensendungen im Fernsehen immer interessiert: Wer ermöglichst den Leuten eigentlich, diese Schulden aufzuhäufen? Angeblich sind doch die Auskunfteien so beherrschend – nur: man merkt in vielen Fällen davon nichts. Eher das Gegenteil.)
[EDIT: 2011-01-17 10:29]
hmpf
Solidarität mit Medienopfern wie Maschmeyer, der keinerlei politischen finanziellen Einfluss hat und in einer beispiellosen Schmutzkampagne diffamiert wird, ohne dass er sich wehren könnte...
Ein Journalist kann, darf und sollte eine Meinung haben und Stellung beziehen. Parteilichkeit ist nicht das Problem, sondern Unsachlichkeit. Die ist partiell in der Sendung vorhanden, aber das scheint nicht das Problem zu sein, das du mit ihr hast. Sondern politischen Journalismus generell.
[EDIT: 2011-01-17 14:00]
Solidarität mit Medienopfern wie Maschmeyer
Das ist reiner Blödsinn, was Sie das schreiben. Gehen Sie bitte noch einmal in die Schule, vielleicht schon in die dritte Klasse und lernen Lesen. Und wenn Sie’s dann können, kommen Sie wieder und wir können diskutieren.
[EDIT: 2011-01-17 14:10]
Medienopfer Maschmeyer – ich kann meinen Mitleid kaum unterdruecken (Ehrlich, dieser Einwurf kann doch nur ironisch gemeint sein?)
Irgendwie spukt mir noch Benjamins »Der Autor als Produzent« im Kopf herum – auch wenn er da gerade die Neue Sachlichkeit kritisiert, weil Kunst zur blossen Reportage verkomme und nicht mehr eine zeitgemaesse Technik findet auch die eigenen Produktionsverhaeltnisse zu reflektieren – in etwas platter Abwandlung koennte man auch sagen; Form und Inhalt sind nicht zu trennen: Ein Kunstwerk mag die richtige Tendenz haben (wie bei der Neuen Sachlichkeit gegeben), aber wenn es nicht in der richtigen Form gegossen, so kann sich sogar ins Gegenteil verkehren [»Das Gegenteil von gut ist gut gemeint« Kettcar].
Nun gilt das vielleicht auch umgekehrt fuer Reportagen. – Vor kurzem sah ich »Die Welt des Josef Ackermann« und die leichte Irritation haelt immer noch an. Ich weiss nicht, was ich davon halten soll. Der Beitrag ist tendenzioes,.. nur ist es schon so weit, dass ich damit Probleme bekomme, obwohl ich der Tendenz doch gerne zustimmen wollte, weil sie doch die richtige ist? Das ist fuer mich auch die Verbindung mit obigem Benjamin-Text – und vielleicht auch eine der Kernfragen, die Ihr Text stellen moechte? – Benjamins Verdikt auf Reportagen umgemuenzt hiesse vielleicht: Ja, wenn ein Beitrag so tendenzsatt ist, handwerklich vielleicht aber sogar angreifbar, dann hilft er der Sache nicht, sondern es koennten sogar Leute auf den Plan kommen, das Medienopfer zu verteidigen.
—
Was die Fahrlaessigkeit mit Krediten angeht, habe ich aehnliche Erfahrungen: Mir wurde jetzt schon zweimal ungefragt mein Dispo in ungewollt erhoeht – ein Viertel des eingeraeumten Betrages waere mir sehr viel lieber, aber dafuer muss ich wieder aktiv werden.
[EDIT: 2011-01-17 14:33]
@Phorkyas
Das ist genau das Problem: Heiligt der Inhalt die Form? Immer? Und wenn ja: Nur dann, wenn es der »richtige« Inhalt ist? Aber wer bestimmt, was »richtig« oder »falsch« ist?
Warum müssen solche Beiträge tendenziös sein? Weil es zum »guten ToN« gehört? Oder um eine Art Gleichgewicht zum gängigen Polit-Sprech zu schaffen, wie en-passant einwirft? Das machen ja auch die sogenannten Kabarettisten schon, die auch ihre fertigen Haßbildchen aus der Schublade ziehen und sich billige Lacher verschaffen.
Und noch etwas anderes zum Maschmeyer-Film: Ist er nicht im Grunde über weite Strecken eher hermlos? Das Dämonische oder von mir aus Verschworene wird doch gar nicht gezeigt (außer in dieser skurrilen Szene am Schluß), noch nicht einmal angedeutet. Warum wohl? Weil man nur die Fotos hat? Es wird immer nur gezeigt, DASS er die Kontakte in die Politik hat. Aber nicht, was das BEDEUTET? Das meinte ich mit einer notwendigen Recherche.Und das ist etwas anderes, als Maschmeyer mit naiv-dümmlichen Fragen zu begegnen.
Einzig die überzogenen und lächerlichen Reaktionen der Anwälte von Maschmeyer würzen diesen Beitrag post festum. Denn nur Hunde, denen man auf den Schwanz getreten hat, jaulen.
[EDIT: 2011-01-17 14:38]
Alles soweit richtig
Es stimmt ja alles soweit, was hier auch in den Kommentaren geschrieben wurde (und natürlich auch im Artikel).
Der Stil ist wirklich fast schon RTL für Besseresser (also ARD). Ein bißchen Beruhigung und Aufregen über wen auch immer. Dennoch muß ich sagen, daß mich der Artikel hier auch schon etwas an den Spiegelfechter oder auch an die Berliner Bohemé erinnert (Marke Individualist, eigene Meinung auf Teufel komm raus, [ichwerdeeinberliner.com]).
Was hier doch ziemlich echauffiert und uninformiert vergessen wird:
Es gab schon 2–3 Reportagen im letzten Jahr vom selben Team über das selbe Thema mit durchaus mehr Info und nicht so dünner Faktenlage... nur mal so nebenbei.
Dennoch muß ich noch einmal unterstreichen, daß die Machart der Doku wirklich daneben ist. RTL für »Intellektuelle«.
Muß man sich mit so einem Artikel abheben und eine eigene Meinuung demonstrieren? Wenn ja, dann frage ich mich, ob hier (und auch ganz allgemein) der Zweck die Mittel heiligt.
Frohes Neues.
[EDIT: 2011-01-18 00:09]
@irgend einer
Ihr Einwand ist nicht von der Hand zu weisen. Die 2–3 Reportagen vom AWD vom letzten Jahr sind dann an mir vorüber gegangen. Haben Sie mehr Info dazu?
[EDIT: 2011-01-18 07:51]
Dachte auch gelesen zu haben, es habe mehrere Reportagen gegeben. In der NDR-Chronologie, finde ich nur einen:
08.09.2010
Sendung im NDR Fernsehen »Panorama-die Reporter«: »Abzocker Maschmeyer. Liebling der Politik, Freund des Bundespräsidenten.«
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@irgend einer: Treffer versenkt –
die Massstaebe, die wir an die Dokumentation anlegen wollen (bzw. die es erst auszuloten gilt), koennte/muss man ja gleichermassen an die Replik und unsere Diskussion anlegen.
Marke Individualist,eigene Meinung auf Teufel komm raus
Natuerlich holen wir feige-pseudonimisierten Netzkommentierer unseren schalen Distinktionsgewinn daraus moeglichst gespreizt, uns ueber den Rest zu echauffieren. Das gleiche kann man dann natuerlich auch mit dem Beitrag und unseren Kommentaren anstellen (Meta-Distinktionsgewinn oder Distinktionsgewinn auf der 2. Ebene?).
Nur Ihre Frage:
Muß man sich mit so einem Artikel abheben und eine eigene Meinuung demonstrieren?
klingt ein wenig so, als ob das eh alles muessig sei. Vielleicht ist es das auch. Was bewegen wir schon mit solchen Beitraegen oder schlimmer noch Kommentaren? Aber dann kann man wohl gleich einpacken. Schulterzucken, weitermachen, bringt ja eh nix.
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Ich freue mich, wenn auch andere anachronistisch sind, z.B. jetzt fragen, was denn mit den Typen von der Agenda 2010 ist (erwaehne ich, weil auch der Maschmeyer wieder mitgemischt hat):
http://www.zeit.de/2010/43/DOS-Agenda-2010
(Allerdings hat der Beitrag mich dann doch auch fast wieder enttaeuscht, was wohl an den eigenen Erwartungen lag: Ich haette gern mehr Hintergrundinformationen gehabt, aber stattdessen, war es mehr ein Portrait der Leute..)
[EDIT: 2011-01-18 20:15]
Machen die TV-Bericht-Versäumnisse die Machenschaften der »Maschi-Clique« besser?
Wenn der Journalist all das macht und beherzigt, was Sie hier aus der Etappe – zu Recht! – fordern, käme sein Film nie ins TV, resp. niemand würde ihn sehen, weil: viel zu lang, viel zu unverständlich für nicht BWLer, viel zu spät gesendet, und nicht zuletzt wären sicher zig Kleinigkeiten darin zu finden, an denen sich RA Prinz erfreuen und abarbeiten könnte. Kurz: die Mühe wäre für die Katz.
Bleiben Sie realistisch, Herr K. Auch da wo Sie Recht haben, muss man schauen, was im deutschen TV für deutsches Publikum (leider nur) möglich ist.
[EDIT: 2011-01-16 14:31]
Der Realismus (der Opportunismus) kann auch der Tod der Wahrheit sein, oder?
»Viel zu unverständlich für nicht BWLer« – dafür wäre man doch auch Journalist, oder?
[EDIT: 2011-01-16 14:36]
So ist es
In diese Einschätzung des Films passt auch die Chronologie, die der NDR über Interviewanfragen an Maschmeyer veröffentlicht hat:
http://daserste.ndr.de/panorama/aktuell/awd157.html
Ich bin selbst Journalist, aber dass man einem Konzernchef bei Interwiewanfragen vorschreibt, sich (für eine Dokumentation, die über Wochen oder Monate im Vorfeld geplant wird), innerhalb von ein oder drei Tagen bis zu einer bestimmten Uhrzeit zu melden, ist zumindest vom Stil her ungewöhnlich.
Dass der NDR im Vorfeld keine konkreten Fragen an AWD schicken will finde ich journalistisch völlig richtig. Wenn sich der Gesprächspartner aber dann nicht auf das Gespräch einlässt, hat man eben Pech gehabt. Die Chronologie soll aber meines Erachtens, den Eindruck erwceken, dass der NDR AWD sogar in diesem Punkt entgegekommen sei. Tatsächlich sieht man darin aber, dass eben keine konkreten Fragen zugeschickt wurden.
Wie gesagt, journalistisch alles völlig in Ordnung. Wie wohl auch die Grundthese des Films. Aber Vorgehensweise und Tonfall zeigen für mich auch eine recht anklägerische und selbstherrliche Einstellung, die ich auch immer wieder in handwerklich kruden teils selbst- (öffentlich-rechtlich-) verherrlichenden Beiträgen des Medienmagazins Zak finde.
So macht man sich angreifbar. Und das zieht die richtige Grundaussage solcher Beiträge wieder in Zweifel. Genau wie bei Michael Moore.
Abgesehen vom Inhalt..
Über den Inhalt dieses Artikels ist an dieser Stelle, denke ich, genug diskutiert worden.
Aber da wir gerade bei dem Thema »guter Journalismus« sind, möchte ich eine Kleinigkeit anmerken, die ich in meiner Ausbildung zur Journalistin immer wieder eingeschärft bekommen habe: Zu gutem Journalismus gehört auch ein guter Ausdruck so wie die Beherrschung der Grundregeln der deutschen Grammatik und Rechtschreibung.
Mir stößt es leider sehr negativ auf, wenn im ersten Absatz schon an die sieben Fehler auftauchen und es verleidet mir das Weiterlesen eines, ansonsten durchaus lesenswerten Artikels. Schon der Link bei BILDblog, der mich hier her führte, ist mit einem Zitat versehen, dass einen Fehler enthält. Es kostet doch nicht so unendlich viel Zeit einen Text nach dem Verfassen noch einmal durch zuschauen, oder?
Ich bin kein Journalist und habe auch keinen entsprechenden Anspruch. Welche »sieben Fehler« meinen Sie denn?
Hallo Gast
wenn man sich derart an Fehlern stört, sollte man sie zumindest nicht selbst begehen.
(ich meinen das »dass« im vorletzten Satz)
Balken
Im ersten Absatz habe ich keine Fehler gefunden. Im Brief »Abgesehen ...« aber genau vier. Tja.
(Vielleicht hat Herr Keuschnig ja nachgebessert.)
Ansonsten stimme ich zu, »da sind die Bösen und Galahad Lütgert erklärt uns die Welt.« Und mir gefällt das bestens. Ich habe viel gelernt durch seine Filme.
@rauskucker
So unterschiedlich ist das eben. Ich habe sehr wenig gelernt. Eigentlich nur das, was man schon wußte.
Man?
Man? Sie und manche Spezialisten wußten das. Ich beschäftige mich ja auch mit Politik, aber bei Wirtschaftsfragen schalte ich regelmäßig auf Durchzug. Und darum geht es mir bei der AWD-Story so wie vermutlich der großen Mehrzahl der 4 Millionen oder so Zuschauer. Ich halte das für ziemlich gelungene Volksaufklärung. Daß man Einiges vertiefen und differenzieren könnte, will ich nicht abstreiten.
Bei Themen, die mir besser vertraut sind, wäre ich durch eine so »platte« Darstellung allerdings vermutlich ähnlich genervt wie Sie.
Durchzug
Interessant: Wenn Sie auf Wirtschaftsthemen normalerweise auf »Durchzug« schalten – warum hier nicht? Ist Lütgert eine »Marke«, der man vertraut?
@G.K.
1.: ja, seit der KIK-Story.
2. wurde ja auch ordentlich Streusand-Werbung gemacht. Wenns verboten ist, muß es wohl gut sein.
3. Es ist einfach verdammt spannend gemacht.
@kleine anmerkung
Ich weiß, was Sie meinen. Da schreibt einer, polemisch, wie er kann und darf, und dann stolpert man über Kommas, wo sie stören, und über die Löcher, die klaffen, wo sie fehlen. Ob nun Berufsjournalisten oder Hobbyblogger, alle haben aus der Rechtschreibreform eines gelernt: Kommas kann man jetzt setzen, wie man will. Der Leser wird sich schon die Mühe machen, den Satz sinngemäß zusammenzusetzen.
Maschmeyer.
Man flickt ihm nur mit literarischen Mitteln am Zaumzeug. Ich habe einige Zeit für den AWD gearbeitet, nach meiner Broker-Zeit. Zu Maschmeyers Methodik gehörte es damals, neue Mitarbeiter auf den Rummelplatz einzuladen: er bezahlte alles, was sie wollten. Was er wollte aber auch. Wir wurden alle an einen Schießstand gebracht, dort sollten wir Trophäen schießen. Dann sagte Maschmeyer: »Zielen Sie auf die Augen der Teddybären. Was kaputtgeht, bezahle ich. Machen Sie sich keine Sorgen.« Die meisten Mitarbeiter folgten. Ich legte das Gewehr hin. »Sie sollen auf die Augen der Teddies schießen«, sagte er zu mir. Ich antwortete: »Nein, denn ich werde auch auf die Augen von Menschen nicht schießen.« Seither waren wir Gegner. Ich zerstörte ihm eine Struktur. Darüber gab es dann später einen Prozeß, bei dem er klein beigeben mußte.
Eine seiner Geschäftsleiterversammlungen, sehr groß, nahezu 1000 Leute, habe ich in »» Thetis nacherzählt. Selbst mein Lektor hielt das für eine dunkel-utopische Vision. Die Versammlung endete mit der Verkündigung der Gebote des AWDs, die von den Anwesenden im Chor mitgesprochen werden sollten und wurden. Überhaupt steht in Thetis vieles über den AWD drin.
Da mich jemand auf Ihren interessanten Beitrag hingewiesen hat, erlaube ich mir der Vollständigkeit halber den Verweis auf meinen Beitrag zum Thema:
Danke für den Hinweis. Volle Zustimmung.
Volle Zustimmung in den meisten Punkten. Ich habe mich in den letzten Tagen mehrfach gewundert, dass es eine derartige Kritik nicht in den Medienseiten gegeben hat. Wahrscheinlich hat Lütgert das den juristischen Maßnahmen des Herrn Maschmeyer zu verdanken, der da anscheinend sehr schlecht beraten wird. Dieses Machwerk hätte man sicher sehr schnell vergessen oder eben auch überhaupt nicht gesehen – Ich selbst habe den Film mehrfach nach wenigen Minuten wegen der kaum erträglichen Eitelkeit und Selbstgefälligkeit des Herrn L. abgebrochen -, wenn es diese unfreiwillige PR nicht gegeben hätte. Herrn Lütgert schiebt er damit einen Status zu, den dieser überhaupt nicht verdient. Ein Paradebeispiel für die Verschiebung ist dieser Artikel in der FAZ nach dessen Lektüre ich mich ernsthaft gefragt habe, welchen Film der Autor da eigentlich gesehen hat. Ein derart einseitiger Propagandamüll soll also die journalistische Freiheit sein, die es zu verteidigen gilt? In dem Film stimmt ja praktisch nichts. Ob das nun ein Linksaußen wie Albrecht Müller ist, der als quasi neutraler Experte vorgestellt wird; ein Walter Riester, von den man nur die Verbindung mit AWD erfährt, jedoch kein Wort dazu, dass er allein in den letzten zwei Jahren sicher 50–60 vergleichbare Auftritte für andere Unternehmen aus dem Bereich Banken und Versicherungen hatte; ob das für jeden nachprüfbare Fakten sind wie der Anteil des Rentengeschäfts am Umsatz der AWD (75%, wieso erwähnt er das nicht?) oder die Erlöse des Herrn Maschmeyer aus dem Verkauf seines Unternehmens (230 Millionen Euro) oder die Tatsache, dass die hochgejazzte Firma von Maschmeyer und Rürup eine verlustträchtige kleine Klitsche ist (kann man unter ebundesanzeiger.de nachlesen); ob das nun die gierigen Privatspekulanten sind, die sich nach ihrem Scheitern gerne als Opfer ansehen wollen usw usf.
Ein weiterer Punkt, der mir aufgefallen ist: Es wird ja immer so auf die Szene in Frankfurt hingewiesen. Es hätte wohl überhaupt nicht in Lütgerts Konzept gepasst, wenn es tatsächlich zum Gespräch gekommen wäre. Er will da nur die »Arroganz der Macht«, die angebliche »Gesprächsverweigerung« inszenieren, das genügt ihm völlig. Er setzt diese Linie ja auch nach Ausstrahlung der »Doku« fort.
Maschmeyer soll ihm ein Interview für den Fall zugesagt haben, dass er die Fragen vorab bekommt. Herr Lütgert hat ihm dann diese Mail geschickt:
http://daserste.ndr.de/panorama/awd163.pdf
Man zähle mal die Fragezeichen in dieser Mail. Da ist schon die Frage erlaubt, ob das Lütgers Dummheit ist oder ob er da nicht einfach einen O‑Ton Maschmeyers überhaupt nicht haben wollte, weil er nicht in sein Konzept gepasst hätte.
herr lütgert ist offenbar stolz auf den ehrentitel, den Sie und andere ihm gegeben haben ...
Dennoch gab es auch viel Lob.
Was mir mitunter auch peinlich war. Ich wurde als ganz großer investigativer Journalist bezeichnet, eine Zeitung gab mir sogar den Titel des deutschen Michael Moore.