Die letz­te Buch­be­spre­chung (und Buch­be­spre­chungs­be­spre­chung) mei­nes Le­bens

Marion Poschmann: Die Kieferninseln

Ma­ri­on Po­sch­mann: Die Kie­fern­in­seln

In­zwi­schen ge­le­sen (im Shink­an­sen): Die Kie­fern­in­seln. Mit leich­ter Hand hin­ge­wor­fe­ner Kai­ser­schmar­ren. Vul­go Auf­ent­halts­sti­pen­dia­ten­pro­sa. Zum Ro­man aufgepäppel­ter, für sich ge­nom­men be­schei­de­ner – ei­ne Zier! – Kurz­rei­se­be­richt (»mit dem Shink­an­sen auf Matsuo Bas­hos Spu­ren«, oho!). Ja­pan­kli­schees, Oberflächenbild­chen, auch (be­wußt?) Fal­sches. Küh­le Iro­nie un­ter den Ach­seln. Selt­bst­mord-Spiel­chen. Im Ernst­fall ist al­les ein Traum, oder Tag­traum. Fröh­li­ches Fi­gur-Kon­stru­ie­ren und ‑Ent­sor­gen. Am En­de hat der al­tern­de Mensch sei­nen Ei­fer­suchts­an­fall über­wun­den. Dan­ke, Matsuo! Dan­ke, Kie­fern! Al­les in But­ter! Vom dt. Feuil­le­ton hoch­ge­lobt, Re­zen­sen­ten sanft auf­ge­geilt. Das Le­ben, ein Traum! Kul­tur­to­ta­li­ta­ris­mus, Exit Buch­preis. Li­te­ra­tur light. Auch wir kön­nen mit Schlag­wör­tern han­tie­ren!

© Leo­pold Fe­der­mair

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  1. We­ni­ge Ta­ge, nach­dem ich die­se Mi­ni­re­zen­si­on ge­schrie­ben ha­be, er­faehrt man aus den Mas­sen­me­di­en von ei­ner Se­rie von Mor­den an jun­gen Le­bens­mue­den in Ka­na­ga­wa, un­weit von To­kyo, wo ein of­fen­bar gei­stes­ge­stoer­ter Mann den Ster­be­wunsch die­ser Leu­te aus­nutz­te, um sie zu toe­ten und her­nach zu zer­stueckeln. Auch se­xu­el­ler Miss­brauch duerf­te da­bei statt­ge­fun­den ha­ben; in der Bio­gra­phie des Moer­ders spielt das Sex­ge­schaeft ei­ne Rol­le. Ver­glei­che ich die net­te, un­be­darf­te, auf ih­re Art auch ar­ro­gan­te li­te­ra­ri­sche Pe­ti­tes­se von Po­sch­mann, wo ein deut­scher Bart­for­scher sich mit ei­nem jun­gen ja­pa­ni­schen Selbst­mord­kan­di­da­ten amue­siert, den er un­ter­wegs dann »ver­liert«, um zu­letzt mit wie­der­ge­fun­de­nem see­li­schem Gleich­ge­wicht nach Deutsch­land zu­rueck­zu­flie­gen – ver­glei­che ich die­se leicht hin­ge­wor­fe­nen Ge­schicht­chen mit der Wirk­lich­keit, hier frei­lich in be­son­ders scheuss­li­cher Aus­prae­gung, so waechst mein Aer­ger ueber das Werk um ein Viel­fa­ches, selbst wenn ich mir be­wusst hal­te, dass Li­te­ra­tur nicht rea­li­stisch sein muss (oder soll oder kann).

  2. Ich ken­ne Frau Po­sch­mann nicht, ich ken­ne auch de­ren hier be­spro­che­ne Ge­schich­te nicht, ich ken­ne nur die »Mi­ni­re­zen­si­on« und jetzt den da­zu­ge­hö­ri­gen Kom­men­tar des Re­zen­sen­ten.
    Der nach­voll­zieh­ba­re Kom­men­tar be­stä­tigt er­neut mei­ne An­sicht, dass es schier un­mög­lich ist, z.B. ein Buch/Werk oh­ne rea­le (sub­jek­ti­ve) Be­ein­flus­sun­gen von au­ssen zu be­spre­chen. Oder an­ders­her­um, ei­ne In­ter­pre­ta­ti­on ei­nes Bu­ches oder Wer­kes sind nie oh­ne ei­ge­ne Wahr­neh­mun­gen oder Er­fah­run­gen mög­lich. Ein Werk spricht nie für sich al­lei­ne.
    Aus­nah­men – mir fällt ge­ra­de kei­ne ein – mag es ge­ben, aber sie be­stä­ti­gen eher die­se Re­gel.
    Des­we­gen sind für mich Buch­be­spre­chun­gen sel­ten re­le­vant, au­sser ich er­fah­re da­durch über ein Werk, dass ich all­ge­mein in­ter­es­sant ge­nug fin­de, mir sel­ber ei­ne Mei­nung da­zu zu bil­den und dies be­deu­tet dann, es sel­ber zu le­sen.

  3. Im gro­ßen und gan­zen wür­de ich Ih­nen recht ge­ben. Trotz­dem glau­be ich, daß es sinn­voll und auch in­ter­es­sant sein kann, sich über Bü­cher aus­zu­tau­schen. Ich glau­be wei­ters, daß Li­te­ra­tur die­sen Aus­tausch re­gel­recht for­dert, auf­grund ih­rer we­sent­li­chen Viel­deu­tig­keit und da­her In­ter­pre­tier­bar­keit.
    Noch ein Trotz­dem: Mei­ne Re­zen­si­on war nicht in er­ster Li­nie durch den Wunsch, et­was über das Buch zu äu­ßern, ver­an­laßt, son­dern durch die Be­ob­ach­tung, dass es, ins Zen­trum mas­sen­me­dia­ler, kul­tur­jour­na­li­sti­scher Auf­merk­sam­keit ge­rückt, ei­ne in den ein­zel­nen Ar­ti­keln kaum va­ri­ier­te Ein­heit­lich­keit der Be­wer­tung gab. Das ist halt das Main­stream­prin­zip, wird man sa­gen. Ich woll­te ei­ne (mei­ne) Ge­gen­stim­me zu Ge­hör brin­gen.

  4. Ich kann Ih­nen in al­len Ar­gu­men­ten ger­ne fol­gen. Selbst­ver­ständ­lich hal­te ich ei­nen Aus­tausch über Bü­cher eben­falls für sinn­voll, zum ei­nen weil ich die so­zia­le Kom­po­nen­te ei­nes Aus­tauschs sehr hoch ein­schät­ze und zum an­de­ren, weil an­de­re Sicht­wei­sen mög­li­cher­wei­se zu neue Er­kennt­nis­se füh­ren und aus mei­ner Sicht per­sön­lich be­rei­chernd sein kön­nen.
    Ich ha­be hier in die­sem Blog oft al­lei­ne schon durch die sehr aus­führ­li­chen und prä­zi­sen Re­zen­sio­nen von G.Keuschnig oft viel In­put be­kom­men.
    Ih­re be­ob­ach­te­te Ein­heit­lich­keit in vie­len Be­wer­tun­gen mit meist fol­gen­den Ran­kings (Spie­gel, Scheck) emp­fin­de ich als gei­sti­ge Min­der­lei­stung und ei­ne kul­tu­rel­le Per­ver­si­on.
    Ich ha­be auch nie den Per­so­nen­kult um Reich-Ra­nicki als Li­te­ra­tur­kri­ti­ker nach­voll­zie­hen kön­nen, auch wenn ich ihn grund­sätz­lich un­ter­halt­sam fand. Me­dia­le, »pro­fes­sio­nel­le« Li­te­ra­tur­kri­ti­ker wer­den to­tal über­schätzt.
    Auch die oft er­bit­ter­ten und z.T. per­sön­li­chen ver­let­zen­den Dis­kus­sio­nen über das »rich­ti­ge« Ver­ständ­nis ei­nes Tex­tes schrecken mich eher ab, da sie in ei­nem dog­ma­tisch ge­führ­ten Dis­kurs eher auf die nar­zi­sti­sche Be­find­lich­keit der Dis­ku­tan­ten schlie­ßen las­sen. Ich blen­de mich in sol­chen Dis­kus­sio­nen mei­stens aus.
    Hier in die­sem Blog wird aus mei­ner Sicht oft auf sehr ho­hem Ni­veau dis­ku­tiert und aus­ge­tauscht, Main­stream fin­det hier zum Glück sel­ten statt. Al­ler­dings kann ich der Dis­kus­si­on nicht im­mer fol­gen, weil es mir per­sön­lich manch­mal doch zu »sprach­wis­sen­schaft­lich« er­scheint.
    Den­noch ho­le ich mir hier von Zeit zu Zeit im­mer wie­der ger­ne An­re­gun­gen und bin ziem­lich dank­bar da­für. Auch wenn mir per­sön­lich manch­mal das ei­ne oder an­de­re zu sehr »l´art pour l‘art« ist.
    Mit den be­sten Grü­ßen und Wün­schen an al­le...

  5. Rei­hen­fol­gen, Li­sten, Ran­kings – das ist längst not­wen­dig ge­wor­den, um die Mas­se der Neu­erschei­nun­gen ir­gend­wie zu struk­tu­rie­ren. Li­te­ra­tur­kri­ti­ker sind ja ir­gend­wie ei­ne be­mit­lei­dens­wer­te Spe­zi­es: Sie müs­sen zu je­der ir­gend­wie re­le­vant er­schei­nen­den Neu­ig­keit ein Ur­teil zur Ver­fü­gung ha­ben. In den gän­gi­gen Dis­kus­si­ons­run­den ha­be ich noch nie ein »ha­be ich noch nicht ge­le­sen« ge­hört, wenn Kri­ti­ker A ne­ben­bei et­was über ein Buch zu Kri­ti­ker B sagt.

    Das da­bei Ge­nau­ig­keit und Mu­ße auf der Strecke bleibt, ist zwangs­läu­fig. Mehr als Le­sen kann man auch nicht – die Zeit ist be­grenzt. Der Trend zum Her­den­trieb ist auch bei der Kri­tik längst vi­ru­lent. Schlimm ist da­bei, dass der Fo­kus der Kri­tik auf im Ver­hält­nis zu den Neu­erschei­nun­gen we­ni­gen Bü­cher be­grenzt bleibt. Je­der be­spricht eben den neu­en Wal­ser oder den neu­en Fran­zen. Ir­gend­wann ist das für den Le­ser der Kri­ti­ken er­mü­dend und es tritt (bei mir) ein Über­druss­ef­fekt ein.

    Kri­ti­ker sind für je­den Exo­tis­mus dank­bar, zu­mal wenn ih­re ei­ge­nen Kli­schees be­dient wer­den. Das er­leich­tert un­ge­mein die ei­ge­ne Re­zep­ti­on und auch die Ver­mitt­lung. Ich ken­ne Po­sch­manns Buch nicht und ha­be nur die en­thu­sia­sti­schen Be­spre­chun­gen wahr­ge­nom­men.

    Mir geht es in­zwi­schen so, dass mich ein­hel­li­ge Lo­be eher ab­schrecken. Hin­ge­gen wer­de ich neu­gie­rig bei kol­lek­tiv schlech­ten Kri­ti­ken. Hier muss man (= ich) auf­pas­sen, dass man nicht in ei­nen un­frucht­ba­ren Au­to­ma­tis­mus ge­rät.

  6. Wo im­mer sich Ta­bus auf­tun, als auch Ex­tre­ma (positiv/negativ) soll­te die­ses ein Si­gnal da­für sein ge­nau­er hin­zu­se­hen.

    In punc­to der Ar­beit ei­nes Literaturkritikers/einer Li­te­ra­tur­kri­ti­ke­rin gibt es viel­leicht bald ei­ne Wen­de. Auf­grund der er­wähn­ten gro­ßen Men­ge an Neu­erschei­nun­gen, wel­che in Zu­kunft viel­leicht eher noch zu­neh­men wird, wird ein Groß­teil der Re­zen­sio­nen viel­leicht durch KI er­stellt und die mensch­lich-in­tel­lek­tu­el­le Re­zen­si­on wird zu ei­ner Lu­xus­wa­re wer­den wie heut­zu­ta­ge Ka­vi­ar, da mensch­lich-in­tel­lek­tu­el­les Re­zen­sie­ren ei­ne sehr auf­wän­di­ge Tä­tig­keit ist, wenn sie nach al­len Re­geln der Kunst er­fol­gen soll.

    Zur Re­zen­si­on und dem Werk: Das ist ei­ne in­ter­es­san­te Fra­ge: Wel­chem Ge­nau­ig­keits­an­spruch soll­te ein Ro­man ge­recht wer­den? Ist es mög­lich die­se Fra­ge all­ge­mein gül­tig zu be­ant­wor­ten oder müss­te sich die Ant­wort nach der/den in­ten­dier­ten Zielgruppe/Zielgruppen rich­ten?

  7. @Gregor
    Müs­sen? Es klingt viel­leicht zu­nächst ein­mal toll, wenn da ei­ner zu al­lem mög­li­chen et­was zu sa­gen hat. — Mich in­ter­es­siert mitt­ler­wei­le nur mehr das, was be­grün­det wird und eben eher das, was auf Wi­der­spruch stößt.

    Ich fürch­te auch, dass die öko­no­mi­schen Be­din­gun­gen hier über die Mas­se der Neu­erschei­nun­gen mit in den Be­trieb wir­ken: Man greift im All­tag aus Zeit­grün­den mal schnell und ger­ne auf die Ver­lags­in­for­ma­tio­nen zu­rück (oder gleich auf die vor­sor­tier­ten Li­sten).

    @Chukk Be­s­lo­wair
    Wenn wir über Li­te­ra­tur re­den, dann gibt es die oh­ne Ge­nau­ig­keit (und auch Lang­sam­keit) nicht, weil Stil und Aus­druck ein sprach­li­ches Son­die­ren (Sor­tie­ren) und Hin­ein­hö­ren er­for­dern; Flüch­tig­keit, Ei­le, usw. kön­nen das nicht lei­sten.

  8. Wie Chukk stel­le mir eben­falls vor, daß Buch­be­spre­chun­gen in Zu­kunft von Au­to­ma­ten ge­schrie­ben und von Al­go­rith­men er­stellt wer­den. Bei Sport­be­rich­ten ist das ja schon der Fall, es klappt ei­ni­ger­ma­ßen, die wich­tig­sten (wich­tig­sten?) Da­ten kom­men al­le vor, beim Fuß­ball To­re, gel­be und ro­te Kar­ten, Aus­wechs­lun­gen etc. Das kann man im Prin­zip auch mit Bü­chern ma­chen (Fi­gu­ren, Be­geg­nun­gen, Si­tua­tio­nen, Hand­lungs­strän­ge und Auf­lö­sun­gen (bes­ser nicht ver­ra­ten!), An­teil an Dia­lo­gen, Satz­län­ge usw.). Die Kor­pus­lin­gu­istik geht be­reits so vor. Das wird dann auf die Mach­art von Li­te­ra­tur und das Selbst­ver­ständ­nis der Au­toren zu­rück­wir­ken, weil sie po­si­tiv be­spro­chen wer­den wol­len und ent­spre­chend schrei­ben.

    Man kann sich dann al­ler­dings auch ei­ne au­to­ma­ti­sier­te Li­te­ra­tur vor­stel­len (Fi­gu­ren, Be­geg­nun­gen, Hand­lungs­va­ria­tio­nen, Lo­kal­ko­lo­rit, so­zia­le Pro­ble­me, am be­sten sol­che, die in den Mas­sen­me­di­en ge­ra­de en vogue sind, In­ter­tex­tua­li­tät, ein paar Gramm Matsuo Bas­ho usw.).

  9. Dann feh­len nur noch die Le­se­au­toma­ten, die dem Men­schen am En­de ei­ne kom­pri­mier­te Fas­sung des Ro­mans oder der Er­zäh­lung lie­fern. Da­mit geht man dann auf die näch­ste Par­ty.

    Die Fra­ge des »Ge­nau­ig­keits­an­spruchs« für ein fik­tio­na­les Werk ist na­tür­lich nicht un­wich­tig. Vor ei­ni­gen Jah­ren be­män­gel­te ein­mal ein Ju­ror beim Bach­mann­preis das für ein Da­tum, dass in ei­ner Er­zäh­lung ge­nannt wur­de, der Wo­chen­tag nicht stimm­te. Es war – so glau­be ich – nicht ein Diens­tag, son­dern ein Mitt­woch. Die Fra­ge ist ob dies von Re­le­vanz ist. Und wor­in der Un­ter­schied zwi­schen Wahr­heit und Wahr­haf­tig­keit von Pro­sa be­steht. Und – das trifft wohl den Kern des Un­be­ha­gens von Leo­pold Fe­der­mair – ob in ei­nem fik­tio­na­len Text Ste­reo­ty­pen be­dient wer­den soll­ten. Da­bei sind Ste­reo­ty­pen fast im­mer ein Zei­chen von feh­len­der Sprach­kunst.

  10. Wenn die Wahr­heit der Li­te­ra­tur mit der In­ter­pre­ta­ti­on ver­bun­den ist, dann wä­re die ent­schei­den­de Fra­ge, ob die­ser Un­ter­schied (der Wo­chen­tag, s.o.) Re­le­vanz für die Er­zäh­lung hat.

    Wahr­haf­tig könn­te der spe­zi­fi­sche Stil bzw. die »Stim­me« des Au­tors, die man kaum er­ler­nen (eher aus ei­ner An­la­ge ent­wickeln) kann.

  11. Die Ge­schich­te des Blei­stifts

     

    ... aber es weiß doch je­der, dass Li­te­ra­tur ei­gent­lich ei­ne Art Die­sel ist, tri­vi­al-kon­ta­mi­niert, mit oft falsch und zu nied­rig de­kla­rier­ten de­kla­rier­ten Schad­stof­fen, un­er­gie­bi­gen Ok­tan­zah­len, zu kur­zen Fahrt- und Halb­werts­zei­ten – nach we­ni­gen Wo­chen kei­ne Be­spre­chung mehr viel wert.
     
    Es bleibt das Ge­schäft da­mit (die Über­pro­duk­ti­on und ih­re Ab­tra­gung in den Markt); es gibt die er­wäh­nens­wer­ten Mit­tel­la­gen, de­nen oft Un­ge­rech­tig­keit wi­der­fährt, wenn sie dann doch un­ter­ge­hen; und es gibt die drin­gen­den, die ei­nen so oder so an­ge­hen­den Aus­nah­men, wo ei­nen die Les­ar­ten an­de­rer in­ter­es­sie­ren, aber nichts we­sent­lich dar­an än­dern.
     
    (Die Re­su­mees dann von Zeit zu Zeit, dar­in Strö­mun­gen und Trends, und ja, dann auch mal Ar­gu­men­te und hän­gen ge­blie­be­ne The­sen kurz über­schla­gen wer­den, sind kei­ne drit­te Ka­te­go­rie, ob­wohl man da um­so mehr von ak­tu­el­len Deu­tungs­mu­stern und The­men­mo­den von in­ter­es­sier­ten Sei­ten er­fährt. An­son­sten ist ‘Kri­tik’ , wo­mög­lich nicht nur we­gen der Zer­set­zung ih­rer Form und Kri­te­ri­en­schwund, viel­leicht tat­säch­lich über­holt, und es reich­te, ein an­de­res Wort da­für zu neh­men?)

     

    Al­le paar Wo­chen den­ke ich, dass ich ja auch mal wie­der »Quar­tett« kucken könn­te, und dann ver­ges­se wie­der den Re­cor­der zu pro­gram­mie­ren. Das Höch­ste der Ge­füh­le – ein Lieb­ling der Sai­son (zu sin­gen in der Ton­la­ge ei­ner leicht über­dreh­ten 20er Jah­re Chan­teu­se).

     

    Zu Po­sch­mann. Das ist ei­nes der sel­te­nen Ma­le, wo ich auf Au­toren­fo­tos re­agiert ha­be. Sie schaut im­mer so ... (je­den­falls ganz an­ders als all die an­de­ren) dass es mich neu­gie­rig auf sie macht. Je­mand brach­te sie mal mit dem an­geb­lich ‘He­xen­haf­ten’ von Sa­rah Kirsch in Zu­sam­men­hang – ich weiß nicht, wie­so, aber das blieb al­so bei mir hän­gen, und es ist viel­leicht be­zeich­nend für mei­ne Art Neu­gier­den neu­er­dings. Das Bild des Au­tors ist der Ro­man des Le­sers ... oder so ähn­lich. Aber dann wa­ren ih­re, Po­sch­manns Ge­dich­te, lei­der meist doch eher kon­ven­tio­nell. Und Fe­der­mairs ‘Kri­tik’ (auch wo sie kei­ne ist, weil sie ab­fer­ti­gend und rü­de ist), muss sie sich, zu­mal an der Spit­ze der Be­sten­li­ste usw., dann eben ge­fal­len las­sen.
     
    Auf­ent­halts­sti­pen­dia­ten­pro­sa trifft es schon auf den Kopf. Aber wenn die Ver­höh­nung des Bu­ches stimmt – und ich kann es mir gut vor­stel­len, dass sie es tut – sagt es näm­lich auch was über das blut­lee­re Ge­tüf­tel, für das sie, Po­sch­mann, sel­ber als Prot­ago­ni­stin steht und mit ver­ant­wort­lich ist, in­dem sie sich nicht da­von ab­setzt.

     

    Das mit den Au­to­ma­ten – wenn es denn ernst ge­meint war – glau­be ich nicht, weil dann das Se­kun­där­ge­schwätz den Ge­gen­stand end­gül­tig kan­ni­ba­li­sier­te und voll­ends über­flüs­sig mach­te. Das Re­sul­tat bräuch­ten nicht mal die Le­se­fut­te­rer in ih­ren Ham­ster­rä­dern. Der Le­bend­kö­der als Si­mu­la­ti­on blu­tet vor­her aus. Für die an­de­ren Au­to­ma­ten und Zom­bies – die Te­le­fon­tip­per und Wi­scher, die Fo­to-No­ve­las an der Bus­hal­te­stel­le le­sen – müss­te so­gar die­se Text­sor­te rasch zu läp­pisch zu sein. Ich war­te ei­gent­lich auf ei­ne Art Re­ge­ne­ra­ti­on durch Punk, strict­ly roots oder so was. Zu­rück zum We­sent­li­chen. Ver­giss die Wi­scher – hier sind die Sex-Blei­stif­te!

     

  12. War­um soll­te sich Po­sch­mann auch ab­set­zen? Sie er­klimmt doch die Kar­rie­re­lei­ter pro­blem­los und wird mit der Zeit Preis um Preis be­kom­men (in ein paar Jah­ren dann den Büch­ner-Preis). Es gibt kei­nen Grund et­was zu än­dern, so­lan­ge die Kri­ti­ker wohl­ge­son­nen blei­ben. (Wo­bei die Fra­ge ist, wor­an sich die­ses Wohl­wol­len knüpft. Ist es wirk­lich Exo­tis­mus? Oder ein­fach nur ei­ne fei­ne Sen­so­rik für Trends? Und was ha­ben denn sol­che Prot­ago­ni­stin­nen wie Ju­dith Her­mann und, noch »schlim­mer«, Zoe Jen­ny »falsch­ge­macht«? Wa­ren ih­re Nach­erst­lin­ge wirk­lich so­viel schlech­ter? Bei Her­mann ken­ne ich mich ein we­nig aus und wür­de das ver­nei­nen. Aber war­um dann die­ser Un­mut?)

    Die Kri­tik ver­steht sich fast nur noch als Emp­feh­lungs­be­trieb. Äs­the­ti­sche Aus­ein­an­der­set­zun­gen fin­den nicht mehr statt, weil sie als eli­tär gel­ten. Und auch wohl kaum noch ver­stan­den wür­den. Ei­ne Kri­tik, die nur nach der »Mes­sa­ge« sucht, macht sich ge­mein mit dem ge­ra­de an­ge­sag­ten Main­stream. Viel­leicht hat man Hel­mut Schmidts für die Po­li­tik ge­brauch­tes Dik­tum vom Arzt, den man bei Vi­sio­nen auf­su­chen soll, längst auch für die Li­te­ra­tur ver­in­ner­licht.

    Für das Quar­tett braucht man kei­nen Vi­deo­re­kor­der mehr: https://www.zdf.de/kultur/das-literarische-quartett

  13. Der Un­mut? Viel­leicht ist es der über sich selbst? Weil man sich als ver­führ­bar er­leb­te, wo die Sa­che dann doch nicht so nach­hal­tig war? Und dass dann auch je­mand dran schuld sein muss, dass man sel­ber auf im­mer schnel­le­ren Um­schlag der Wa­re setzt. Und die Auf­merl­sam­keits­span­nen sich wei­ter ver­kür­zen.
    (Aber! Twit­ter jetzt 280 Zei­chen! Ist das die Kehrt­wen­de?)
     
    Le­se ge­ra­de in ei­nem In­ter­view von we­gen (bei Vir­gi­nie De­spen­tes), dass man viel­leicht zu lan­ge an Kunst ge­glaubt hat: Dass die heu­te ab­zu­lie­fern­de, al­so nor­ma­ti­ve »Krea­ti­vi­tät« eben viel mehr mit Geld und Er­folg ver­knüpft ist und man das viel­leicht ein­se­hen soll­te (be­vor man im Kunst-Pre­ka­ri­at lan­det oder in ei­nem An­lern-Job für die, die dem­nächst auch krea­tiv sein wol­len).
     
    Al­so von Sti­pen­di­en, von der Em­sig­keit im Be­trieb le­ben. Ver­netzt, ’so­zi­al’ an­ge­schlos­sen sein. »Schlau sein, da­bei sein!« (Kip­pen­ber­ger) Schließ­lich wird auch schlech­te Ar­beit in der Bü­ro­welt so oder so be­zahlt.
     
    (Da­ge­gen heu­te Fran­zen: « Die Es­senz des fik­tio­na­len Schrei­bens ist die Iso­la­ti­on.«)
     

  14. Die Em­sig­keit des Be­triebs er­zeugt ein Ka­rus­sell in dem Sti­pen­dia­ten, Preis­trä­ger, Be­sten­li­ste­spit­zen­rei­ter und Be­triebs­lieb­lin­ge in im­mer wie­der aus­tausch­ba­ren Rol­len auf­ein­an­der­tref­fen und die Pfrün­de schön auf­ge­teilt wer­den. Das ist al­ler­dings über­all so, nicht nur im so­ge­nann­ten Li­te­ra­tur­be­trieb. Das Pro­blem ist – à pro­pos »an Kunst ge­glaubt« – das man von Li­te­ra­ten et. al. mo­ra­lisch mehr er­war­tet als bei­spiels­wei­se von ei­nem Ver­si­che­rungs­kon­zern oder ei­nem Au­to­händ­ler. Dass aber auch hier der Filz wärmt, ist längst ei­ne Bin­sen­weis­heit.

    Fran­zen ist ja so ein Schrei­ber, der sich jetzt an den Wer­ten des 19. bzw. An­fang 20. Jahr­hun­derts (neu?) zu ori­en­tie­ren scheint (man ver­glei­che vor ei­ni­ger Zeit sein Ein­tre­ten für Karl Kraus). Das macht ihn zwar alt­mo­disch, aber er bleibt »im Ge­schäft«. Er ist in der La­ge der­art aus der Rol­le zu fal­len – man nimmt ihm das ab. Vor den »Kor­rek­tu­ren« wä­re das nicht ge­gan­gen und hät­te sei­nen Auf­stieg ge­hemmt wenn nicht gar ver­un­mög­licht.