Ich möchte mich ausdrücklich von einer klaren politischen Position distanzieren, ich kritisiere zumeist eher die rechtsextreme Seite, hier ist es einmal kurz umgekehrt.
Die Leitregel vom Kommunismus ist ja: Jeder Mensch ist gleich. Wenn ich diesen Apercu lese, so kann ich immer nur müde grinsen bestenfalls, wenn nicht sogar meine Mimik aufgrund überschäumender Aggressionen gegenüber der menschlichen Einfalt verbiegen, so, wie wenn man einen Eisenstab vor lauter Zorn zu biegen versucht. Dabei erinnern sowohl der Gesichtsausdruck des Biegenden als auch die Form des Eisen im übertragenden Sinne an meine besagte Mimik.
Denn ich kann das nicht einsehen. Es ist nicht jeder Mensch gleich, viel mehr noch, es ist KEIN Mensch gleich. Und dies ist nicht nur auf Marxismus und Lenismus bezogen, sondern auch auf alle anderen Staatsformen und Verfassungen, in denen jeder Mensch als gleich gilt.
Ich möchte mich hierbei AUSDRÜCKLICH davon distanzieren, diese Ungleichheit an irgendwelchen Äußerlichkeiten, etwa der Hautfarbe oder ähnliches, festzumachen. Es handelt sich dabei schlichtweg um das Wesen des Menschen, seine Charaktergrundzüge, seine Lebenseinstellung, seine Instinkte. Man kann im Verlauf der Argumentation da sicherlich noch auf Äußerlichkeiten schließen, aber dabei handelt es sich nur um Anpassungsformen an die natürliche Umgebung, mehr nicht.
Ich kann es außerdem nicht verstehen, wenn ein Staat diese Gleichheit als Grundprinzip bewahrt und dann seine Förderung der Individualität so anpreist. Lassen wir diesen Widerspruch aber einfach so im unübersichtlichen Gewirr der Politik stehen, man kann nicht auf jede Frage eine Antwort finden.
Was unterscheidet mich also von meinem Nächsten? Also, fangen wir mit etwas modernen an: Der DNA. Jeder Mensch hat eine ganz bestimmte, individuelle DNA, nach der man ihn identifizieren kann. Und anhand dieses Genschlüssels werden dann die Phänotypen, die Erscheinungsformen der Gene, bestimmt. Das gibt uns viele Unterschiede für das tägliche Leben, von der Haarfarbe bis hin zur Gesichtsform, alles wird damit bestimmt. Aber das sind ja nur Äußerlichkeiten.
Die Persönlichkeit eines Menschen wird durch die Sozialisation bestimmt. Alles, was ein Individuum während seines Lebens erfahren hat, äußert sich in bestimmten Wesenszügen. Da ja wohl KEIN Mensch eine genau gleiche Kindheit wie jemand anderes hatte – das ist ein unbestreitbares Faktum – , wird es wohl kaum zwei Menschen auf der Erde mit einem identischen Charakter geben, das ist noch nicht einmal bei eineiigen Zwillingen so.
Und auch wenn wir unseren Naturzusammenhang betrachten, so sehen wir ja, dass es eigentlich nicht die geringste Form von Gleichheit geben kann. Wir sind Säugetiere, gehören zum Stamm der Wirbeltiere, und da auch wir – was aber keiner so recht glauben will – der natürlichen Selektion ausgesetzt sind, heißt das, dass nicht jeder unserer Art überleben wird, viele werden dabei auf das Abstellgleis des Aussterbens gestellt. Das impliziert aber natürlich auch, dass die einzelnen Menschentiere unterschiedlich aufgebaut sein müssen, es muss »Stärkere« geben, so wie es auch »Schwächere« gibt. Noch einmal möchte ich ganz deutlich erwähnen: Das bezieht sich auch keinerlei Volk oder irgendwelche speziellen Hautfarben, sondern es gilt für EIN Kollektiv, sei es eine Kultur oder die ganze Menschheit an sich.
Es gibt also Menschen, die sich schlecht an die Umweltbedingungen anpassen können, und welche die so etwas wirklich gut beherrschen. Und wie soll es dann möglich sein, dass jeder Mensch gleich ist? Wir Menschen verstehen dieses Faktum nur nicht! Wir meinen immer, wir müssten krankhaft Gleichheit schaffen, jeden Schwachen mitziehen, den Intelligenten auf eine Stufe mit einem Debilen stellen. Ich möchte hier niemanden diskriminieren, doch wir meinen immer, alle, die aus der Menge, dem kollektiven Durchschnitt, herausragen, auf unsere Größe stutzen zu müssen, aber gleichzeitig gibt es da noch welche nach UNTEN hin, über die soviele lästern, die einfach überall ausgegrenzt werden, bis es dann noch ein paar wenige Schwachköpfe gibt, die sich ihrer annehmen müssen. Und dadurch, dass sie jenen helfen, erzeugen sie doch erst diese Disparität, weil sie durch ihr Handeln dann auf die Geholfenen herabschauen, zwar freundlich, doch alleine diese (gut gemeinte) Geste grenzt den Invaliden doch aus. Man würde sie nicht durch sein Tun so unbewusst diffamieren, wenn man sie wie jeden anderen Menschen auch behandelt. Aber da es z.B. eigens Aufzüge für Rollstuhlfahrer gibt, wo dann immer noch ein Schildchen zwar implizit, aber groß und breit, die Gesundheit der anderen anpreist. Der Rollstuhlfahrer wird durch diese, doch nur scheinbar freundlich gemeinte, Geste von dem Rest der Gesellschaft ausgegliedert, erhält seine eigene kleine Kammer, mit der er, im wahrsten Sinne des Wortes, im Leben herauf und herunter fährt.
Also, entweder, ALLE werden gleich behandelt oder NIEMAND! Aber das zeigt einmal wieder ganz rudimentär, dass der Mensch nicht einsehen kann, dass es noch etwas über ihm gibt. Für solche Eigenschaften hat man irgendwann einmal einen schönen Begriff entwickelt: ARROGANZ. Aber das nur nebenbei.
Es gibt sie also nun: Den Reichen, den Armen, den Intellektuellen, den Idioten, den Irren, den Wohltäter, den Übeltäter, den Großen, den Kleinen, den Gutmütigen, den Mörder, den Gesunden, den Kranken; die Zeit des Sommers des Lebens trägt sehr viele bunte Blüten. Doch da gibt es wieder etwas, das uns alle vereint, jedweden Unterschied zunichte macht, alle Grenzen niederwirft. Es ist der TOD. Seiner Macht kann sich keiner entziehen. Vor seinem Antlitz sind wir alle gleich, nicht einmal ein kleiner Unterschied vom Zeitraum des Todes ändert das, denn er ist nichtig im Anblick der Ewigkeit.
Wenn wir sterben, dann verliert alles was wir erreicht haben, alles was wir sind, die Bedeutung, was zählt ist nur noch unser nacktes Leben, sozusagen nur noch ein »Ja«, das dabei dann zum »Nein« umgekehrt wird. Nennen wir diese Tatsache der bedingungslosen Gleichheit im Tod die totale Konvergenz. In ihr laufen alle Fäden wieder zusammen und werden dann abgeschnitten.
Jetzt kann man aber meinen, das Leben hat noch einen gemeinsamen direkten Ursprung, es fängt immer mit einer Zelle an. Aber dieses Argument könnte einem jeder Biologe um die Ohren schmettern wie etwas altes Zeitungspapier. Man betrachte nur die DNA und man findet schon wieder Unterschiede. Der Punkt, aus dem wirklich auch alle unsere Fäden entsprungen sind, ist der Punkt Null, der Anfang der Zeit. Von dort aus trieben sie wild auseinander, in alle Richtungen, in unterschiedlichen Formen und Farben, bis irgendwann sie dann wieder in einem einzigen Punkt zusammenlaufen: Dem Tod.
Bei diesem Denkmodell stellt sich doch die Frage, ob es irgendwo einen Scheitelpunkt gibt, und wenn ja, ob dieser schon überschritten worden ist. Selbst wenn es ihn gäbe, er würde doch nur einen theoretischen Parameter darstellen, auf die Praxis hat das kaum Auswirkungen. Und es wirft einem auf ganz kaltherzig die eigene Vergänglichkeit vor dem Kopf. Wir alle müssen sterben, ob wir es akzeptieren oder nicht.
Bei allem Respekt, den ich sonst vor den Beiträgen des Begleitschreibens habe, aber heute ärgere ich mich doch sehr über die Unbedarftheit, mit dem hier en passant Behinderte abgewatscht werden, um (recht unkritische) Ideologiekritik zu betreiben.
Der entscheidende Parameter der Gleichheit, den als Leitmaxime der Kommunismus sicher nicht exklusiv hat ist der, im gleichen Maße Mensch zu sein. Da gibt es kein Mehr oder Weniger. Schon gar nicht wird der Behinderte erst zum Behinderten und folglich »Weniger als Gleichen«, wenn ihm geholfen und »dadurch auf ihn herabgesehen« wird. Mit Verlaub, aus welcher dunklen Ecke Ihrer Seele kommt denn so ein verschwurbelter Unsinn?
Die Idee, als Mensch gleich viel Mensch zu sein, ist ein Wert, der sich eben von der technokratischen Betrachtung biologistischer oder utilitaristischer Weltbilder abhebt. Es ist diese Entscheidung (und nicht ein Bekenntnis zu einem a priori existierenden Naturzustand) zur Gleichheit, die den Menschen überhaupt als solchen definiert.
Ich diffamiere keinen Menschen mit einem natürlichen Handicap, ich sage nur, dass die Gesellschaft sie oft so behandelt, als wären sie keine vollwertigen Mitglieder derselben. Wir tun das unbewusst, und wir nennen das höflich. Denken Sie mal bitte darüber nach, wenn Sie das nächste Mal einen Rollstuhlfahrer sehen, und versuchen Sie sich dann mal in seine Lage hineinzuversetzen. Ich würde mir da sehr exzentrisch vorkommen.
Und zum Thema Gleichheit kann ich nur sagen, dass ich nicht mag, dass der Mensch sich immer wieder vom Naturzusammenhang abheben muss. Er denkt, solche Gesetze gelten für ihn nicht, weil er kein Tier sei. Wird hier vielleicht nicht deutlich, würden Sie mich persönlich kennen, wüssten Sie, was ich meine.
Und Tiere sind untereinander nicht gleich, das ist ein Faktum.
Sagen Sie: Sind Sie so ein Typ, der allzu harte Theorien lieber gleich ablehnt? Würde mich nämlich nicht wundern.
Abgewatscht?
Wieviel politische Korrektheit muß man denn noch a priori behauptet werden, um sich diesem doch arg plakativen Vorwurf dann nicht doch noch auszusetzen?
Natürlich ist es Ausbund der Kultur, dass »Gleichheit« als »gleiche Rechte« gesehen wird. Dies wird im Beitrag gar nicht angezweifelt. Dennoch bleibt der Rest des »Ungleichen«, der entweder durch egalitäre, politische Maßnahmen zwanghaft ausgeglichen werden soll oder als fruchtbare Differenz angesehen wird.
Wie funktioniert denn »unkritische Ideologiekritik«? Und was ist das überhaupt?
Für mich ist jede Kritik an einer Ideologie per se ein Mehrwert. Kritik kann aber nie »unkritisch« sein. Die Kritik, die hier geäußert wird, ist die eines egalitären Universalismus, der zur Not zwanghaft herbeigeführt werden soll. Dabei fungiert dann der Tod als der große Gleichmacher. DAS kann man kritisieren – mit Gründen, mit Quellen, mit Argumenten.
Ich möchte Sie, werter Count, gar nicht diffamieren. Anders als Herr Keuschnig jedoch halte ich ihre Kritik für (obwohl anscheinend nicht vorsätzlich polemisch) so wenig differenziert, dass ich ihr eben doch die Grundlage von Gründen und Argumenten abspreche. Nachdem Sie beide dem Diskurs so aufgeschlossen sind möchte ich auch gar nicht weiter so hart »abwatschen«, erlaube mir aber folgende Bemerkungen, um meinen Standpunkt zu verdeutlichen:
Tatsachenbehauptungen sind eben nur das und keine Fakten. Wenn ich behaupte, alle Schafe sind weiß, ist das noch lange kein Fakt, sondern ein Fehlurteil (und als solches dem menschlichen Hang zu induktivem Schließen geschuldet). Genausowenig behandeln alle Menschen Behinderte automatisch als Menschen mit weniger Wert.
Aus den Fehlern seiner Mitmenschen allgemeingültige Werturteile abzuleiten halte ich dann doch für zu gewagt, um als ernstzunehmende Ideologiekritik zu gelten. Genausogut könnte ich allen Harz4-»Minderleistern« das Wahlrecht limitieren wollen (moment, das hat tatsächlich gerade der RCDS gefordert?) oder schlicht allen Menschen – Demokratie ist nichts für euch. Sind ja alles Idioten außer mir. »Entweder Alle oder Niemand« jedenfalls als Schlussfolgerung ist schon harter Tobak und zeugt mir nicht von argumentativer Trennschärfe.
Man mag gerne kritisieren, dass man es nicht mag, wenn der Mensch sich immer wieder vom Naturzusammenhang abheben müsse. Das wird aus dem Text allerdings nicht ersichtlich – und Missmut hin oder her, für nicht wenige Ethiken ist es die Ultima Ratio, dass der Mensch sich vom Tier unterscheide. Man kann natürlich universalistisch Menschenrechte für Tiere fordern. Als bindendes Element der Verständigung auf »menschliche« Handelsmaximen allerdings ist die Ausnahmestellung des Menschen zumindest nützlich, wenn nicht notwendig.
Die Frage nach dem Rest des Ungleichen bei Annahme gleicher Rechte ist tatsächlich spannend. Wer sie jedoch auf naturalistische Grundlagen (dumm/schlau, behindert/nichtbehindert) zurückführt, befindet sich in der argumentativen Sackgasse, die menschliche Sonderstellung zu Natur nicht zu akzeptieren, die als Prämisse für »Gleichheit sind gleiche Rechte« dient. Unter der ist »anders« nicht gleich »weniger/mehr«.
Tut mir Leid, wenn das aus meinem Text nicht so herauskam, ich schreibe noch nicht sehr lange, und zumeist setze ich das voraus, was man nur wissen kann, solange man mich persönlich kennt. Ein durchaus berechtigter Kritikpunkt.
Ich gehe jetzt nicht so sehr auf Ihren Standpunkt ein (was auch nicht notwendig wäre), ich will bloß noch etwas hinzufügen, damit Sie meinen Gedankengang besser nachvollziehen können:
Manchmal sehe ich Menschen mit Handicap. Man macht einem Rollstuhlfahrer etwa automatisch Platz. Ich habe dann immer Mitgefühl mit ihm und glaube zu erahnen, dass er sich insgeheim doch wünscht, ein ganz normaler Mensch, wie jeder andere auch, zu sein.
Im Grunde war Ihr »Abwatschen« deswegen berechtigt, jedoch liebe ich die Provokation.
[EDIT: 2009-09-23 14:27]
Ihr Wille zum Dialog zumindest nötigt Respekt ab. Die Vermutung allerdings, die Sie anstellen, ein behinderter Mensch möchte gerne »Normal« sein, ist schlecht informiert und Mitleid fehl am Platz. Behinderte Menschen sind normal. Sie sterben genau so wie Sie und Ich – aber es bedarf nicht erst des großen Gleichmachers, um Gleichheit herzustellen. Vielmehr bedarf es mehr aufgeklärter Menschen, die Behinderten Normalität zugestehen, denn Behindert ist man nicht, behindert wird man (man beachte die Groß und Kleinschreibung).
Unabhängig davon, ob Sie in Zukunft Kontakt zu Behinderten suchen, um sich über deren Lebenswirklichkeit zu informieren, gereicht der kleine Exkurs dem Argument vom großen Gleichmacher nicht zum Vorteil. Wie gesagt bin ich der Meinung, dass Gleichheit des Menschen eine selbstbestimmte Eigenschaft ist und einen Parameter für »menschlich« darstellt, der sich über Biologie erhebt und ein a priori Element der meisten praktikablen Ethiken darstellt. Wenn man diese Prämisse ablehnt, kann man nicht die darauf basierenden Wertesysteme innerhalb ihrer darauf beruhenden Konstrukte ablehnen. Man kann nur die Prämisse ablehnen und sich dann gar nicht mehr inhaltlich mit den daraus abgeleiteten Systemen beschäftigen.
[EDIT: 2009-09-26 12:56]
@erz
Tatsächlich ist es ein Element unseres Wertekanons, allen Menschen gleiche Rechte zuzugestehen. Daraus jedoch abzuleiten, dass es so etwas wie Behinderung nicht gibt, ist m. E. ein Betrug der Lebensrealität gegenüber. Das wird auch nicht besser, dass man dann irgendwann jedem »seine« Behinderung attestiert. Wenn ich erblinden sollte oder ein Bein verlöre, wäre ich – auch von meinem eigenen Empfinden her – eingeschränkt, was mein bisheriges Leben angeht (ich kann sehen und habe derzeit zwei Beine). Das fröhliche »ich bin doch gar nicht behindert« ist sicherlich für das weitere Leben der Person essentiell und muß als Ziel angesehen werden. Aber – und hier spräche ich für mich – mit den beiden oben genannten Veränderungen (oder nur einer von ihr) – würde ich mich sehr wohl nach dem ehemaligen Zustand sehnen.
Was meinen Sie, wenn Sie schreiben, die Gleichheit des Menschen sei als »selbstbestimmte Eigenschaft« zu sehen? Dass sich jeder per se mit anderen für gleich empfindet? In welcher Hinsicht? Gleichen Rechten? Vielleicht auch gleichen Pflichten?
Ich glaube, dass bei allem Willen alle Menschen »gleich« zu machen ein bisschen Angst vor der Differenz entsteht. Ein durchaus postmodernes Motiv: Jeder betont seinen Individualismus, umgibt sich jedoch gleichzeitig mit uniformierenden Gegenständen (Kleidung) und/oder Attitüden.
[EDIT: 2009-09-26 13:43]
Ich würde Herrn Keuschnig auch ganz und gar beipflichten, wenn es um den Aspekt des Realitätsbetruges geht.
Ich habe mir einmal die rechte Hand gebrochen (als Rechtshänder eine ziemlich unangenehme Sache) und wünschte mir, ich könnte wieder normal leben, obwohl ich dabei das Mitleid und die besondere Fürsorge der anderen genossen habe.
Wieso sollte diese diskutierte These dann falsch sein?
Vermutlich handelt es sich bei meiner genannten Gleichheit und der von Ihnen gemeinten Gleichheit um zwei verschiedene Dinge. Ich beziehe die Definition »meines« Begriffes viel mehr auf die Biologie, während Sie sich von dieser Wissenschaft abheben und die ethische Gleichheit zu Wort bringen, wenngleich Sie sie der Ethik als a priori vorraussetzen.
Zu letzterem würde ich sagen, und ich weiß, dass Sie, und die meisten anderen Menschen auch, mir da nur mit aufgebrachtem Protest entgegnen würden, dass sie schlichtweg eine Illusion ist.
»Illusion« soll nicht »falsch« heißen, aber ich denke, dass diese Annahme doch de facto nur eine Idee ist, die zwar Grundlage der Gesellschaft sein SOLL, aber nicht IST.
[EDIT: 2009-09-26 17:23]
Oje
Gleichheit und Ungleichheit bilden ein dialektisches Pärchen, d.h.: Wenn man sagt, zwei Entitäten sind (un)gleich, dann muss man sagen: Sie sind (un)gleich in Bezug auf die Ausprägung einer ganz bestimmten Eigenschaft. Ob diese (Un)Gleichheit dann positiv oder negativ konnotiert wird, hängt von der Bewertung der Eigenschaft ab und nicht von einer a priori (Un)Gleichheit.
Wenn der Kommunismus postuliert, alle Menschen seien gleich oder sollen gleich sein, dann sagt er z.B. nicht, alle hätten oder müssten dieselbe Haarfarbe oder Körpergröße haben, sondern er möchte gleiche Rechte und Pflichten auf bestimmten Gebieten durchsetzen. Wenn man das gut oder schlecht findet, dann hängt das nicht an dem Pärchen Gleichheit-Ungleichheit, sondern daran, ob man eine (Un)Gleichheit für diese konkrete Forderung für (nicht) sinnvoll hält. (Un)Gleichheit ohne diese Präzisierung sind nur zwei Wörter ohne eigene Semantik.
Naja, aber der Grundgedanke geht (nicht nur beim Kommunismus) zum Egalitarismus (um das Wort »Gleichheit« zu verhindern). Das erinnert mich an einige Diskussion, beispielsweise an diese. Der Trend, Unterschiede zu nivellieren statt fruchtbar werden zu lassen, ist ja durchaus auch in pluralistischen Gesellschaften zu beobachten. Das gesamte Schulsystem seit den 70er Jahren dußt darauf. Als man erkannte, dass nicht jeder zum Abitur taugt, machte man das Abitur einfach leichter, damit es mehr schaffen.
In diesem Text dienen die Begriffe Gleichheit/Ungleichheit aber nur als Bühne, vor der das Phänomen »Tod« geschoben wird, welches dann als grosser Gleichmacher gilt. Sich an einzelnen Formulierungen, die vermeintlich nicht »politisch korrekt« sind aufzuhängen, ist da m. E. unproduktiv (das sage ich jetzt nicht in Deine Richtung).
Worum es mir ging, ist vielleicht immer noch nicht deutlich geworden. Deshalb an deinem Beispiel der Bildung: Gleiche Bildungsschancen werden viele von uns für gut halten, gleiche Abiturnoten für schlecht. Die Gleichheit im ersten Fall ist die Voraussetzung dafür, dass die Ungleichheit im zweiten Fall als gerecht empfunden werden kann. Das bedeutet, dass Gleichheit per se weder gut noch schlecht ist.
Und dann ist meiner Meinung nach der Tod eben nicht der große Gleichmacher. Auch das kann man recht leicht an einem Beispiel zeigen: Ein Reicher und ein Armer sind ungleich in ihrem Vermögen. Wenn beide gestorben sind, ist diese Ungleichheit davon nicht betroffen, im Gegenteil, sie ist für immer fixiert. Der eine war in seinem Leben reich, der andere arm. Da beide nach ihrem Tod nicht mehr existieren, können sie diese vermeintliche Gleichmachung durch den Tod nicht mehr erleben.
Auch hier ist bei einer Annahme des Todesals »Gleichmacher« wieder der logisch sinnlose Versuch festzustellen, dem Tod einen Sinn zu geben. Aber dem ist nicht so. Für den Gestorbenen hat er keine Bedeutung, denn er kann in seinem Totsein weder Gleichheit noch Ungleichheit noch überhaupt irgend etwas empfinden.
Die Ungleichheit zwischen einem Armen und Reichen vermindert man nicht dadurch, indem man beide tötet, sondern indem man Geld zwischen zwei Lebenden verschiebt.
Tod als Gleichmacher
In einem anderen Kommentar wird ja die »Trostfunktion« von Religionen in Bezug auf das Sterben angesprochen (natürlich alles im Rahmen einer solchen Diskussion und nicht wissenschaftlich ausgedeutet). Die säkulare Gesellschaft hat nun – ihrer metaphysischen Tröstung beraubt – keine andere Möglichkeit mehr, als das Ende (Tod) entweder zu verdrängen oder zu versachlichen.
Die Versachlichung besteht nun unter anderem im volkstümlichen »der kann auch nichts mitnehmen«. Natürlich kann der »Gestorbene« oder – genauer – der »Sterbende« (was ja jeder Mensch per se ist) im Tod nichts empfinden (Wittgenstein glaubte ja sogar, dass man den Tod nicht erlebt). Dennoch »erdet« der Tod. Niemand vermag sich ob seiner Bildung, seines Vermögens oder seiner Reputation dem Ereignis des Todes zu entziehen. Er ist auf eine geradezu beruhigende Weise nicht korrumpierbar.
Das diese neue Tröstung auch nur eine Schimäre ist, steht dann auf einem anderen Blatt. In jedem Fall ist auch der Drang in der säkularen Gesellschaft sehr gross, dem Tod einen Sinn zu geben. Auch sub-religiöse Systeme wie der Kommunismus arbeiten mit diesen Mitteln.
...und ein paar ketzerische Bemerkungen zur »Gleichheit«
Gleiche Bildungschancen werden viele von uns für gut halten, gleiche Abiturnoten für schlecht. Die Gleichheit im ersten Fall ist die Voraussetzung dafür, dass die Ungleichheit im zweiten Fall als gerecht empfunden werden kann. Das bedeutet, dass Gleichheit per se weder gut noch schlecht ist.
Das bedeutet aber vielleicht, dass der Begriff der »Gleichheit« ambivalent ist. Die Aussage, man müsse für »gleiche Bildungschancen« sorgen ist ja an Bedingungen geknüpft, dich sich demjenigen, der diese Forderung erhebt (Politiker, Soziologe, Pädagoge), streng genommen entziehen. Ein Kind, welches in einem Elternhaus aufwächst und keinerlei Wertschätzung für »Bildung« mitbekommen hat, hat zwar theoretisch immer noch die »gleichen Chancen«, wird aber von dieser Chance (eben aufgrund seiner Prägung) gar nichts »erfahren«. Daher die Kollektivierung und Massensteuerung in egalitären Systemen: So werden einerseits annährend gleiche Voraussetzungen sichergestellt, allerdings andererseits Indoktrinationen vorgenommen, die noch weit schlimmer sind. Natürlich bleiben Unterschiede trotzdem (bedingt durch Intelligenz, Talent, usw).
Das »Gleichmachertum« wird ja auch in unserer pluralistischen Gesellschaft längst als Fortschritt proklamiert. Wir finden es toll, dass bei Wahlen alle »gleich« sind, d. h. jeder eine Stimme hat (ob er sich vorher über Programmatiken informiert hat oder nicht spielt keine Rolle). Es stellt geradezu eine essentielle Bedingung dessen dar, was wir Demokratie nennen. Versicherungen werden verpflichtet, älteren Menschen Versicherungen zu gleichen Konditionen anzubieten, obwohl das Risiko des Versicherungseintritts unter Umständen höher ist (was zur Folge hat, dass die Prämien bei allen steigen). Über das sogenannte Antidiskriminierungsgesetzes erst gar nicht zu reden.
Das witzigste, was ich in dieser Hinsicht in den letzten Wochen gesehen habe, ist das Plakat der Linken mit dem schönen Titel »Reichtum für alle«. Jeder, der sich ein bisschen in der deutschen Nachkriegsgeschichte auskennt, erkennt darin das Erhard-Postulat »Wohlstand für alle« aus den 1960er Jahren wieder und weitergetrieben. Es gibt allerdings noch ein anderes Plakat der Linken mit dem Titel »Reichtum besteuern«. Das erinnert mich dann an eine Robin-Hood-Persiflage, in der ein kämpferischer Robin Hood den Reichen das Geld stiehlt und es den Armen gibt. Die freuen sich natürlich und einer sagt dann, er sei jetzt reich. Robin überlegt und verfällt natürlich in sein Muster. Wenn der jetzt reich ist, muss ich ihm das Geld wieder abnehmen. Und so rennt er dann ständig hin und her…
Ich merke schon, dass ich diesem Blog anscheinend eine ganz neue Themenseite beigefügt habe.
Ich möchte Ihrem Diskurs nur kurz anmerkend hinzufügen, dass ich nicht unbedingt eine politische Konnotation beabsichtige, denn Politik ist ja nur EIN Teil des Lebens, und manchmal habe ich das Gefühl, er sei für dieses nicht wirklich bedeutsam (ich gehe deswegen aber trotzdem nicht wählen).
Aber mich hat das Leben gelehrt, dass eine Verbindung von Gegensächlichkeiten häufig ihren ganz eigenen Reiz besitzt:
Weiter so!
@Gregor
Wittgenstein hat zweifellos recht, man erlebt nicht den Tod, sondern das Sterben. Das ist die bereits von Epikur bekannte Erkenntnis: »Wir müssen keine Angst vor dem Tod haben, weil: Wenn wir leben, sind wir nicht tot. Wenn wir tot sind, empfinden wir nichts.«
Gleichheit in der Bildung bedeutet, dass der Staat nicht zusätzliche und vermeidbare Unterschiede schafft, wie z.B. in dem er in Kindertagesstätten und an Universitäten Gebühren verlangt. Viel mehr kann er vermutlich nicht leisten.
Über die Sinnhaftigkeit von Wahlplakaten muss man eigentlich nicht diskutieren, aber etwas anderes ist interessant: Einer meiner Kollegen hat heute bei der Benutzung des Wahlomaten des Spiegels entsetzt festgestellt, dass bei ihm Linke, Piraten und die NPD in etwa auf dieselbe Punktzahl kamen. Wählen wird er – natürlich und wie die meisten meiner Kollegen, Freunde und Bekannten – die Linke.
Aber diese merkwürdige Punktzahl kam bei ihm zustande, weil er jede Frage sorgfältig für sich beantwortet hat, bei manchen auch den Neutral-Knopf gewählt hat und weil er die Parteiprogramme nicht mal im Groben und den dahinterstehenden Gesamtkonzepten kennt. Die NPD ist zum Beispiel für einen Mindestlohn, kostenlose Bildung, die Erhöhung der Sozialhilfesätze, gegen Afghanistan und den Einsatz der Bundeswehr im Inneren.
Wir hatten danach eine sehr interessante Diskussion darüber, ob ein gutes Ziel dadurch schlecht wird, dass es von »den Falschen« unterstützt wird. Das gab es ja auch schon im Bundestag: Die SPD war für eine bestimmte Sache, stimmte aber dagegen, weil der Gesetzentwurf von der Linken kam.
@Köppnick
Völlig richtig: Zwischen der Linken und der NPD gibt es auffallend viele programmatische Überschneidungen. Etwas überspitzt könnte man sagen: Wer eine dieser beiden Parteien wählt, der votiert für den blanken Populismus, der im einen Fall mit roter, im anderen mit brauner Sauce garniert ist.
Natürlich wird ein Vorschlag nicht allein dadurch entwertet, dass er von der NPD unterstützt wird. Allerdings kann niemand, der die Linke wählt, dies ernstlich als einen Schlag gegen die NPD betrachten. Im Gegenteil: Es ist sogar anzunehmen, dass viele potenzielle Wähler einer Rechtsaußenpartei dieses Mal für die Linke votieren, weil momentan die Manager (und nicht so sehr die Ausländer) am Pranger stehen.
Was mir das alles zeigt (man entschuldige den arroganten Unterton): Die Linke und die NPD atmen denselben plebejischen Mief. Die geschlichtsklitternden Apologien jeweils eines der beiden deutschen Unrechtsregime tun ein Übriges, um diese Parteien für mich unwählbar zu machen.
Man verzeihe mir die Entfernung vom Ausgangsthema.
@Köppnick
Wittgenstein hat zweifellos recht, man erlebt nicht den Tod, sondern das Sterben. Das ist die bereits von Epikur bekannte Erkenntnis: »Wir müssen keine Angst vor dem Tod haben, weil: Wenn wir leben, sind wir nicht tot. Wenn wir tot sind, empfinden wir nichts.«
Die Tragik des modernen Menschen lässt sich damit aber nicht aushebeln: Der Tod stellt ihm die Frage wie er sein Leben, für das er und nur er verantwortlich ist, gestaltet hat. Und die Antwort wird ledig jedes metaphysischen Trosts sein.
@Zehner
Ich hoffe, jetzt wird auch mein vielleicht etwas arroganter Ton entschuldigt: Wer die Programmatik von NPD und Linke für ähnlich hält, hat sich meiner Meinung nach und für eine Diskussion mit mir zu wenig mit dem Thema beschäftigt. Ich habe dieselben Fragen des Wahlomaten wie mein Kollege beantwortet, und bei mir liegt der maximale Punkteabstand zwischen der Linken und der NPD, alle anderen Parteien reihen sich dazwischen ein. Es ist also durchaus möglich, fundamentale Unterschiede zwischen beiden auch in den wenigen gestellten Fragen zu erkennen – wenn man genügend über die Ziele der Parteien weiß.
Bei mir kommen NPD und FDP fast auf dieselbe Punktzahl. Deshalb würde ich aber nie behaupten, dass ihre Ziele gleich sind. Sie vertreten beide für mich aus unterschiedlichen Gründen inakzeptable Ziele. Ich würde auch nie von brauner oder gelber Sauce sprechen, wenn von der NPD oder der FDP die Rede ist, das liegt unter meinem Niveau.
@Metepsilonema
Das stimmt, ich sehe darin aber auch eine große Chance. Kant, der ja wohl religiös war, hat gegen Ende seines Lebens sinngemäß gesagt, er hoffe nicht, dass es ein Leben nach dem Tode gibt. Wenn es einem nicht gefällt, könnte man ihm nicht mehr entfliehen.
Da in unserer Generation und vermutlich noch in einigen weiteren keiner seinem Tod entgehen kann, muss sich jeder so oder so mit dieser Tatsache arrangieren. Die einen bleiben bei der Religion, die anderen sind verzweifelt, wieder andere versuchen, dem Tod einen Sinn zu geben. Am besten scheint mir, dem Leben diesen Sinn zu geben und vom Totsein einfach nichts weiter zu erwarten als einen tiefen traumlosen Schlaf, der nicht mehr endet. Man muss einfach die Dinge, die einem wichtig sind, beizeiten tun.
Der Satz ist zu schön, zu milde, um ihn weiter kommentieren zu wollen: Man muss einfach die Dinge, die einem wichtig sind, beizeiten tun.
@Köppnick
Ich würde auch nie von brauner oder gelber Sauce sprechen, wenn von der NPD oder der FDP die Rede ist, das liegt unter meinem Niveau.
Gut gebrüllt, Köppnick. Und es gibt ja noch jemanden, der von einer Sauce spricht (die Kochsendungen im Fernsehen inspirieren wohl): Herr Gysi negiert ja die »Konsenssoße«. Das zeigt dreierlei: (1.) Gysi hat keine Ahnung von Demokratie. (2.) Er lehnt den Konsens ab (ein Grund dafür, dass er aus der Rot-Roten Regierung nach kurzer Zeit flüchtete). (3.) Er hat auch kein Niveau.
Geflüchtet? Gut gebrüllt, Gregor. Bis jetzt hatte ich gedacht, er wäre wegen der Bonusmeilenaffäre zurückgetreten. Und hätte damit als einer von wenigen Politikern persönliche Konsequenzen aus einem falschen Verhalten gezogen. – So unterschiedlich kann also die eigene Wahrnehmung sein, wenn man eine andere politische Meinung hat.
@Köppnick – Wahrnehmung
Wäre es darum gegangen, hätte er sich dauerhaft aus der Politik zurückziehen müssen. Das gilt übrigens auch für Özdemir von den Grünen. Meistens erwischte es die Politiker gegen Ende ihrer Karriere, um über solche Kleinigkeiten dann in die gut gepolsterte Pension zu gehen. Andere (wie Schlauch – auch von den Grünen) gingen gleich in die Wirtschaft. Dass die Leute jetzt wieder dabei sind, zeigt, dass die Causa an sich lächerlich war und nur zur Befriedigung einer Journalistenmeute diente, die sich mal wieder als Moralapostel aufspielten.
NPD und Die Linke
Ich möchte mich auch einmal zu der These des Populismus der politischen Extrema äußern:
Ich halte diese These für gar nicht mal so abwegig. Protestwähler sind wirklich ein Stichwort, welches nicht passender hätte sein können. Viele Wähler schenken der Linken ihr Kreuz, weil sie von der Politik der SPD enttäuscht sind, also ein Motiv des Protestes, wie oben schon angeklungen, verfolgen. Die Wähler der rechtsextremen Parteien hingegen sind wahrscheinlich eher des allgemeinen Systemes überdrüssig. Ich möchte hierbei einigen Rechts-Wählern jedoch des »Trend-Wählens« denunzieren, d.h. ich vermute, dass sie nicht unbedingt mit allen Punkten des NPD-Wahlprogramms (bitte keine Diskussion über die Sinnhaftigkeit dieses Begriffes führen!) konform sind, eher nur aufgrund ihrer sozialen Umstände oder aus Protest wiederum jenes politische Lager unterstützen.
Und momentan sind linkspolitische Forderungen aufgrund der Wirtschaftskrise ja quasi »en vogue«, was den Zulauf bei der Linken erklärt.
Und »Erfolg« aufgrund von Protestwählern erfährt m.E. auch die Piraten-Partei.
Ich befinde mich also ...
... in guter Gesellschaft, da offenbar auch der allseits geschätzte Dr. Gysi das verfemte S‑Wort benutzt und somit zu den Niveau-Minderleistern gehört.
@ Köppnick: Es ist nichts anderes als ein wenig origineller eristischer Taschenspielertrick, eine entgegengesetzte Meinung zu diskreditieren, indem man ihr eine ungenügende Anschauungshöhe vorwirft. Inhaltlich haben Sie ja nicht wirklich etwas erwidert: Der Hinweis auf Ihr persönliches Wahlomat-Ergebnis ist als Argument noch nicht einmal lächerlich. Die Parallelen zwischen den Programmen der NPD und der Linken lassen sich aus den Programmen selbst und nicht aus einer BPB-Klickstrecke deduzieren.
Aber Ihnen kommt es ja offensichtlich weniger auf das Programm (die Mittel), sondern auf die Ziele (den Zweck) an: Wer immer noch glaubt, dass die Linke (ich meine jetzt nicht nur die Partei) humanistische und weltbeglückende Ziele verfolgt, erweist sich als ein hartnäckiger Fall von historischer Unbelehrbarkeit.
Hui, die heiße Wahlkampfphase hat begonnen. Dann möchte ich doch auch mal im Keller spielen:
Wer immer noch glaubt, dass die Linke (ich meine jetzt nicht nur die Partei) humanistische und weltbeglückende Ziele verfolgt, erweist sich als ein hartnäckiger Fall von historischer Unbelehrbarkeit.
Dazu fallen mir nur zwei Dinge ein. Was ich denk und tu, trau ich and’ren zu, sagte meine Oma immer. Und die Deutungshoheit über die Linken ist in fester Hand. Sie haben sich ja nicht mal die Mühe gemacht und nur einen Beitrag von Köppnik zu Ende gelesen, sonst wüssten Sie über seine Integrität Bescheid. Ein peinlicher Beitrag.
@Peter42
Was ich an Blogs so liebe, ist das selbstlose Auftreten der Sekundanten der Mehrheitsmeinung. Wer hat Köppnicks Integrität in Zweifel gezogen? Darum ging es in meinem peinlichen Beitrag doch mitnichten – denn Unbelehrbarkeit setzt meines Erachtens nicht zwangsläufig eine böse Absicht voraus. Aber vielleicht trifft ja auch auf Sie das interessante Diktum Ihrer Frau Großmutter zu.
Doch nur ruhig Blut: Ich ziehe mein Schäufelchen hiermit aus diesem Sandkasten zurück und harre des nächsten Eintrags von Herrn Keuschnig.
Jetzt wird es ja ganz abenteuerlich.
Hahnebüchen.
@Zehner
Ok, also nochmal etwas sachlicher: Es ist mit dem Wahlomat möglich, aufgrund der Kenntnis der Ziele von Linken und NPD einen Punkteunterschied zwischen beiden zu erzielen, der größer ist als zwischen anderen Parteienkombinationen. Das zeigt meiner Meinung nach zweierlei: 1. Es gibt große Unterschiede in den Zielen und Aussagen. 2. Diese spiegeln sich in den Antwortmöglichkeiten des Wahlomaten wieder.
Rein mathematisch kann man schlussfolgern, dass die Parteien nicht auf einer linearen Skala anzuordnen sind, denn Sie haben ja sicherlich ein Ergebnis erzielt, bei denen ein großer Abstand zwischen FDP und Linken und ein kleinerer zwischen Linken und NPD berechnet wurde.
Mein Vorwurf an Sie besteht darin, dass Sie in dieser Frage unzulässig vereinfachen. Während ich trotz abweichender Meinung immer noch in der Lage bin, sowohl Unterschiede in den Programmen von Linker und NPD als auch von NPD und FDP zu erkennen, gelingt Ihnen das bei Linker und NPD nicht. Das ist der Unterschied zwischen uns.
Ich habe die ganze Kommentardiskussion gelesen – nur als Hinweis, daß ich weiss, worüber schon geredet wurde, was bei einer so regen Diskussion ja nicht unbedingt vorausgesetzt werden kann ;).
Auch wenn das Wesentliche schon gesagt wurde, hier doch noch eine Anmerkung:
Auch wenn das seltsamerweise immer so gesagt wird, sind natürlich NICHT alle Menschen GLEICH.
Daß es da jede Menge biologische, soziale und sonstige Unterschiede gibt, ist ja buchstäblich offensichtlich ;) und wurde hier ja auch ausführlich thematisiert.
Mich hat das darum früher auch immer irritiert, wenn davon geredet wurde alle Menschen seien gleich... wo sie es doch offensichtlich gerade nicht sind...
... so lange, bis ich erfahren habe, daß dies lediglich eine schlichte sinnverfälschende Verkürzung ist, ebenso wie die Behauptung der Mensch würde vom Affen abstammen... als wäre die Schimpansen, Gorillas, Orang Utans usw. unsere Vorfahren... was sie natürlich mitnichten sind.
Stattdessen haben wir lediglich gemeinsame Ahnen...
Tatsächlich steht im deutschen Grundgesetz nämlich keineswegs »alle Menschen sind gleich«, sondern:
„Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.“
(Artikel 3 Absatz 1 Grundgesetz)
Das ist ein kleiner, aber entscheidender Unterschied...
Und wo ich schon dabei bin möchte ich an der Stelle auch noch die beiden weiteren Absätze von Artikel 3 des Grundgesetzes zitieren:
„Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“
(Absatz 2)
„Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“
(Absatz 3).
Jeder Mensch ist anders, aber jeder Mensch ist vor dem Gesetz gleich »gleich an Rechten«, wie hier ja schon geschrieben wurde und das ist auch gut so.
Nebenbei bemerkt beruht auch das höchste Gut des Grundgesetzes die Menschenwürde darauf, daß JEDER Mensch »gleich an Rechten« sprich gleich viel Wert ist und es wäre höchst fatal daran rütteln zu wollen... auch wenn es leider solche Tendenzen gibt...
Man erinnere sich nur daran, was in diesem Lande einst mit Menschen passiert ist, die als »weniger Wert« betrachtet wurden...
(Und nur damit hier keine Missverständnisse aufkommen:
Ich unterstelle das NIEMAND der Diskutanten hier!)
Bleibt – um auf die ursprüngliche Frage, die meines Erachtens in der Diskussion etwas untergegangen ist zurückzukommen – die Frage zu beantworten WIE man denn jetzt mit Menschen umgehen soll, die zwar »gleich an Rechten« / »vor dem Gesetz gleich« / »gleich viel Wert« sind aber doch anders als die Mehrheit und durch dieses Anderssein auf irgendeine Art gehandicapt... so wie ich beispielsweise...
Im Beitrag wird die »Gleichmacherei« ja kritisiert...
Was aber nicht erklärt wird ist, wie man mit Menschen die ein Handycap, welcher Art auch immer haben, denn nun eigentlich umgehen soll...
Die Antwort(en) auf diese Frage würde mich schon interessieren, zumal ich hier dazu bisher nichts gelesen habe...
Viele Grüße
Klaudia
Kurzfassung:
Was aber nicht erklärt wird ist, wie man mit Menschen die ein Handycap, welcher Art auch immer haben, denn nun eigentlich umgehen soll...
Mit Respekt und mit Achtung.
Da ist auf jeden Fall eine gute Basis :).
Aber das Allein reicht halt oft nicht...
Wenn es beispielsweise keine Fahrstühle auf den Bahnsteigen gibt, dann sind Behinderte die im Rollstuhl sitzen vom öffentlichen Verkehr ausgeschlossen... da helfen dann auch Respekt und Achtung nicht...
Es muss also meiner Meinung nach schon auch ganz konkret etwas für Menschen mit einem Handycap getan werden, weil sie sonst teilweise wirklich ganz massive Nachteile im alltäglichen Leben haben...
Darin sehe ich auch keine Gleichmacherei...
Umgang mit invaliden Menschen
»Was aber nicht erklärt wird ist, wie man mit Menschen die ein Handycap, welcher Art auch immer haben, denn nun eigentlich umgehen soll...«:
Dann möchte ich mich einmal dazu äußern. Ich denke, wenn wir invalide Menschen so behandeln, dass sie aufgrund ihrer Einschränkung ein ausgleichendes Privileg, das sie dennoch zu einem Sonderfall der Gesellschaft macht, erhalten, so grenzen wir sie doch damit gleichzeitig aus, obwohl wir ihnen im selben Zug die Hand reichen.
Dennoch ist das die Art und Weise, mit der man sie am besten behandeln sollte, man muss sich nur im Klaren darüber sein, dass man damit das Gegenteil von Gleichheit schafft.
»Respekt« und »Achtung«, wie es Herr Keuschnig sagt, werden dadurch m.E. suggeriert.
#33
Die meisten Menschen denken bei dem Wort Behinderung sofort an Körperbehinderung. Interessant wird es, wenn man versucht die Ansprüche an Gleichheit und auch die von Respekt und Achtung gegenüber geistig Behinderten anzuwenden.
Da fällt mir im Kontext z.B. ein, dass viele geistig Behinderte durchaus das Wahlrecht haben, was ihnen aber in den seltensten Fällen ermöglicht wird. Zu Recht? Seit der Revision der Entmündigung in dem aktuellen Betreuungsrecht, haben gestig Behindert sehr viele Rechte, von denen aber in der Praxis einige (aus gutem Grund?) nicht kommuniziert werden. Lange Zeit wurden Heime als Verwahranstalten missbraucht, die Öffentlichkeit gescheut, während uns andere Länder wie z.B. die Niederlande vorgemacht haben, was Toleranz heißt.
Oder wer von euch kann in solchen Situationen mit der nötigen Gelassenheit auftreten? Ich zumindest habe eine Woche gebraucht, um eine Haltung zu entwickeln. Diese Normalität muss gelernt werden.
@Peter42
Ja, eine sehr wichtige Problematik, zu der ich auch keine Patentantwort habe. Natürlich müssen geistig behinderte Menschen (oh Gott, jetzt drohen die Scharfrichter der politischen Korrektheit schon wieder am Horizont) die gleichen Rechte haben, wozu natürlich auch das Wahlrecht gehört. Und wenn sie in der Lage sind und es möchten, sollen/können sie natürlich wählen.
Die Diskussion um die Partizipationsrechte an demokratischen Verfahren sollte man allerdings m. E. nicht an solchen Extrembeispielen »aufhängen«.
[EDIT: 2009-10-01 08:16]
#29 – @ Köppnick
Da Sie offenbar an einem Gedankenaustausch jenseits aller Polemik interessiert sind, möchte ich auf Ihren letzten Beitrag doch noch antworten:
Ich könnte Ihnen vorwerfen, dass Sie die evidenten Gemeinsamkeiten zwischen den Programmen der Linken und der NPD negieren bzw. herunterspielen.
Aber fangen wir mal von vorn an: Der Wahlomat wurde vor allem wegen der mangelnden thematischen Vielfalt der Fragen kritisiert. Was meines Erachtens schwerer wiegt: Auf die häufig sehr lakonisch bzw. platt formulierten Aussagen kann man nur mit Ja, Nein oder Enthaltung antworten. Es liegt deshalb nahe, eine differenziertere Position (Ja, aber ...; Grundsätzlich nein, allerdings ...) durch Auswahl der Neutral-Option zum Ausdruck zu bringen. Doch je öfter man (nicht aus Indifferenz, sondern aufgrund einer etwas komplexeren Meinung) für die Unentschlossenheit votiert, umso weniger aussagekräftig wird das Gesamtresultat.
Andererseits ist es natürlich auch möglich, durch Neutralisierung der entsprechenden Fragen die Gemeinsamkeiten bzw. Unterschiede in den Programmen zweier Parteien auszublenden und so zu einem Ergebnis zu gelangen, das der eigenen Beweisabsicht dient.
Zweitens: Ich sehe Unterschiede in den Grundsatzprogrammen bzw. im Selbstverständnis der Linken und der NPD, ebenso wie ich keinen Zweifel daran habe, dass die FDP in gewissen (z.B. familienpolitischen) Bereichen der Linken näher ist als beispielsweise dem Wunschpartner Union. Allerdings springen mir auch die außen‑, wirtschafts- und arbeitsmarktpolitischen Kongruenzen zwischen den Parteien vom linken und vom rechten Rand ins Auge.
Es ist doch bemerkenswert, dass die Linke in ihrer Wahlkampfpropaganda, zumindest solange diese sich an ein Massenpublikum richtete, fast ausschließlich diejenigen Punkte betonte, die auch die Unterstützung potenzieller NPD-Wähler finden konnten. Etwa Multikulti oder eine weitere gesetzliche Aufwertung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften wurden aus dem Diskurs weitgehend ausgeklammert, obwohl man bei den betroffenen Gruppen mit einer stärkeren bzw. überhaupt erfolgenden Einbeziehung dieser Fragestellungen den einen oder anderen Blumentopf hätte gewinnen können.
Doch die Absicht der Linken bei dieser Kampagne war es, sich als Sammelbecken für sozial frustrierte Bürger zu profilieren; den völkischen oder wertkonservativen Protestwähler wollte man durch Ausländer- oder Schwulenfreundlichkeit nicht verschrecken. Das Brandenburger Landtagswahlergebnis spricht in diesem Zusammenhang Bände.
Petra Pau hat gestern in einer der Wahlsendungen gesagt, dass es erfreulich sei, dass die rechtsradikalen Parteien mit ihren menschenverachtenden Zielen nicht in die Parlamente einziehen.
Mir hat diese Äußerung ein zweifaches Schmunzeln entlockt: Zum einen, weil sich die Linke und die rechtsextremen Parteien in vielen Bereichen (Außen‑, Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik) programmatisch nicht unterscheiden. Es ist nicht einzusehen, warum identische Mittel nicht zu gleichen Zielen führen sollten. Mit anderen Worten: Entweder ist ein Teil der NPD-Ziele nicht menschenverachtend oder ein Teil der eigenen Ziele ist es eben schon.
Zweitens: Ich spreche Mitgliedern einer Partei, die es auch im Jahr 2009 noch nicht schafft, ein von ihrer Vorgänger-Organisation getragenes menschenverachtendes Unrechtsregime als solches zu benennen und zu verurteilen, das Recht zu moralischen Verurteilungen ab.
@Zehner
Ich spreche Mitgliedern einer Partei, die es auch im Jahr 2009 noch nicht schafft, ein von ihrer Vorgänger-Organisation getragenes menschenverachtendes Unrechtsregime als solches zu benennen und zu verurteilen, das Recht zu moralischen Verurteilungen ab.
Das können Sie gern machen, genauso wie ich Ihnen ein Urteilsrecht über die Linke abspreche. Ich lebe im Osten, in einem Wahlkreis, den bei der Landtagswahl eine Linke gewonnen hat, die zugleich Bürgermeisterin des Nachbarortes ist, also politische Verantwortung trägt. Die Menschen, die hier die Linken bevorzugen, kennen die DDR noch von früher, denn sie haben hier schon immer gelebt – anders viele, die das »Unrechtsregime« nur aus dem Fernsehen oder aus Büchern kennen, aber immer bestens Bescheid wissen und uns über Demokratie aufklären wollen.
Und zum Schluss vielleicht noch das:
Einigung auf gemeinsame Erklärung gegen Rechts
Die Fraktionsspitzen im neuen Landtag [Thüringen] haben sich auf eine gemeinsame Erklärung »für ein demokratisches, weltoffenes und tolerantes Thüringen« geeinigt. Nach Informationen von MDR 1 RADIO THÜRINGEN gab es am Abend den Durchbruch bei den Verhandlungen über den Text. Er wird morgen früh noch den Mitgliedern der Fraktion vorgelegt. Sollte der Landtag dieser Erklärung zustimmen, würde sich Thüringen auch erstmals aktiv für ein NPD-Verbotsverfahren einsetzen. Laut dem Papier wird eine künftige Landesregierung unter anderem aufgefordert, alles für ein solches Verbotsverfahren zu tun. Dazu gehört auch, dass die V‑Leute des Thüringer Verfassungsschutzes aus der Rechten Szene abgezogen werden sollen.
Sind in Ihrem Bundesland die Politiker der CDU und der FDP auch in der Lage, gemeinsam mit den Linken Stellung gegen Rechts zu beziehen oder wird da vielleicht noch die Linke vom Verfassungsschutz beobachtet? Da sie Petra Pau erwähnt haben: Die stand noch unter Beobachtung des VS, als sie schon zur stellvertretenden Bundestagsvorsitzenden gewählt worden war. Absurder geht’s ja wohl nicht mehr.
@Zehner / Köppnick
Unmittelbar vor der Wahl gab es einen Beitrag im ZDF »heute-journal« in dem die antikapitalistische Rhetorik speziell der NPD und die damit verbundenen – von der NPD gewollten – Parallelen zur Linken (nicht unbedingt zur Linkspartei) artikuliert wurde. Auch die NPD organisiert inzwischen gegen »Hartz IV« und die »Macht der Banken«. Letzteres ist ungewöhnlich, weil rechte Parteien (überall) fast immer kapitalistische Parteien sind (bzw. waren).
Ihr beide verallgemeinert die Linkspartei leider. Sie zerfällt mindestens in vier Teile: in der ehemaligen DDR besteht sie zum Teil aus Anhängern des Stalinismus (bspw. Wagenknecht et. al.) zum Teil jedoch aus pragmatischen »Vor-Ort«-Polikern, die als linke (nicht kommunistische) Gesinnungsgenossen nach der Wende keine andere Möglichkeit hatten, sich politisch in der PDS zu re-organisieren (die SPD sperrte sich da; der größte Fehler der Partei in den letzten 20 Jahren). Im Westen sind die Linken zum Teil enttäuschte SPDler und Gewerkschaftler, die sich 2005/06 in der WASG sammelten. Hinzu kamen nach der von Lafontaine genial strategisch eingefädelten Ausdehnung der ehemaligen PDS auf das gesamte Bundesgebiet einige verkappte Kommunisten, die ihre Chance witterten. Die Linke ist also nicht homogen.
Das die DDR ein Unrechtsregime war kann man auch beurteilen, ohne in ihr gelebt zu haben. Wer das negiert oder relativiert, hat – mit Verlaub – seinen politischen Kompaß an der Garderobe abgegeben. Demokratie bedeutet allerdings, dass die Entscheidungen der Leute in freien, geheimen und gleichen (!) Wahlen zu akzeptieren sind – ob einem das gefällt oder nicht. Das exakt zwanzig Jahre nach dem Mauerfall die Linke zur politisch dominierenden Kraft in der ehemaligen DDR geworden ist, zeugt von einer gewissen Geschichtsvergessenheit. Aber auch Mitte der 60er Jahre rüsteten sich in der Bundesrepublik wieder deutsch-nationale Kräfte; die NPD erreichte bei der Bundestagswahl 1969 nur knapp unter 5% (was rechnerisch die Möglichkeit bot, dass die sozial-liberale Koalition überhaupt an die Macht kam).
Meines Erachtens hat die Linke den Prozeß, den die Grünen mitgemacht haben (Trennungen zwischen »Realos« und »Fundis«) noch vor sich. Da sie jedoch derzeit mit ihren populistischen Maximalforderungen reüssiert, wird dieser Prozess natürlich nicht gerade gefördert.
Die besten Aktionen gegen Rechts sind m. E. nicht wohlfeile Kundgebungen oder irgendwelche Unterschriftenaktionen, sondern die Zerpflückung der hohlen Programmatik. Dass dann immer noch ein gewisser Prozentsatz so wählt – auch das muss eine Demokratie aushalten.
Dem kann ich zustimmen. Aus meiner Sicht möchte ich nur zweierlei anmerken:
1. Es gibt auch innerhalb der Linke immer wieder Streit darüber, wie mit den »Sektierern« (ala Wagenknecht) umgegangen werden soll. Ich halte den Kurs, sie nicht rauszuwerfen für richtig, auch wenn ich viele der da vertretenen Positionen nicht teile. Was für die gesamte Gesellschaft gilt, muss auch für Teile davon gelten: Man muss Widersprüche aushalten und darüber streiten.
2. Ich hatte große Vorbehalte gegenüber Lafontaine. Aber genauso, wie offenbar viele im Westen nicht so richtig verstehen, wie man im Osten »tickt«, so geht es mir offensichtlich mit dem Westen. Ich hätte es nie für möglich gehalten, welche Massen er da mobilisiert. Aber im Nachhinein sieht es ja tatsächlich so aus, als ob er selbst mit seinem SPD-Austritt recht behalten hat.
@ Gregor Keuschnig:
Ich stimme Ihnen in fast allen Aussagen zu.
Zwar kritisiere ich die Methoden, die Rhetorik und die Geschichtsklitterungstendenzen der Linken (ganz abgesehen davon, dass ich auch einige ihrer Positionen nicht teile), verweigere dem Wahlergebnis jedoch nicht die Akzeptanz.
In einem Punkt muss ich allerdings widersprechen: Gerade in Deutschland hat die historisch folgenreichste Form des Rechtsextremismus eine dezidiert antikapitalistische Tradition. Dies lässt sich beispielsweise an dem auf den 24.02.1920 datierten Programm der DAP zweifelsfrei belegen.
Hitler ist auch später, als er sich zwecks Machtergreifung den besitzenden Klassen andienen musste, nicht ganz von der antikapitalistischen Rhetorik abgerückt, siehe die Unterscheidung von »schaffendem« und »raffendem« Kapital.
Im NS-Regime wurde die Tarifautonomie ausgehebelt, die Löhne wurden von sog. Treuhändern der Arbeit festgesetzt. Zumindest in einigen Branchen verbesserte sich dadurch das Einkommensniveau. Die Landwirtschaft wurde streng planwirtschaftlich reguliert, um Agrarprodukte der »kapitalistischen Spekulation« zu entziehen. Über die Organisation »Kraft durch Freude« war es möglich, auf ein eigenes Auto zu sparen – wodurch ein Privileg des wohlhabenden Mannes sozusagen als Reichtum für alle sozialisiert worden wäre (Konjunktiv II, da es nie zur Auslieferung dieser Fahrzeuge kam; sie wurden alle von der Wehrmacht requiriert).
Ich denke, diese Beispiele genügen, um zu sehen, dass der Antikapitalismus im deutschen Rechtsextremismus keine Modeerscheinung ist, sondern zu dessen ererbten Bestandteilen gehört.
@ Köppnick
Die Höflichkeit gebeut, dass ich Ihnen noch einmal antworte, obwohl eine Diskussion mit Ihnen ans Hornberger Schießen erinnert. An einem Austausch von Argumenten scheinen Sie nicht interessiert, dafür sprechen Sie mir Niveau und Urteilsrecht ab, weil ich ganz offensichtlich Ihre heiligen Kühe entweiht habe.
Schön, dass Sie wissen, wie man im Osten tickt. Trotz mehrerer Jahrzehnte BRD-Erfahrung und Geburt im alten Bundesgebiet wage ich bis heute noch nicht zu proklamieren, wie man im Westen tickt. Und offensichtlich ticke ich ohnehin ganz anders, denn Lafontaine mobilisiert in mir maximal ein müdes Lächeln und die Erinnerung an verbale Entgleisungen, die bei jedem anderen Politiker zu Rücktrittsforderungen seitens der Linken geführt hätten.
Was Sie mit Ihrem Hinweis auf die Erklärung des Thüringer Landtags bezwecken wollen, ist mir nicht klar. Sich NACH der Wahl gegen Rechts zu positionieren, ist die eine Sache. VOR der Wahl unmissverständlich klarzustellen, dass man für rassistische und homophobe Protestwähler die falsche Adresse ist, die andere.
Und was die Wahl zur Bundestags-Vize mit der Beobachtung durch den Verfassungsschutz zu tun hat, verstehe ich auch nicht. Werden durch die Übernahme einer staatlichen Funktion eventuell vorhandene verfassungsfeindliche Tendenzen neutralisiert?
Als Ergänzung zu dem was Zehner schon schrieb: Die völkische Rechte muss den Kapitalismus ablehnen, weil er entwurzelnd wirkt, und damit genau jene Bande zerstört, die für die Konstruktion »der Volksgemeinschaft« entscheidend ist.
[EDIT: 2009-09-30 16:21]
Lecrin: Was meinen Sie, wenn Sie schreiben, die Gleichheit des Menschen sei als »selbstbestimmte Eigenschaft« zu sehen? Dass sich jeder per se mit anderen für gleich empfindet? In welcher Hinsicht? Gleichen Rechten? Vielleicht auch gleichen Pflichten?
–
Ich möchte nicht dem Gesellschaftsvertrag das Wort reden, aber einen vergleichbaren Mechanismus gibt es als Bedingung für die meisten Ethiken schon: Bevor wir über Werte reden einigen wir uns darauf, dass wir einen Fixpunkt haben, auf den wir uns mit unserem Wertekanon beziehen. Nehmen wir an, jeder, den wir als Mensch bezeichnen, sei in gleichem Maße Mensch.
Daraus gleiche GRUNDrechte abzuleiten liegt nahe und halte ich auch für legitim. Deren Inhalt ist allerdings verhandelbar, wichtig ist nur, dass sie für alle Menschen gelten. Der Mensch definiert also seine Menschlichkeit – das ist die Eigenschaft, von der ich sprach – selbst (und in der Abgrenzung davon die Nichtmenschlichkeit von Tieren, die eben nicht die gleichen Rechte ableiten können)
Gleichzeitig erlaubt diese Grundannahme sehr wohl Verschiedenheit und Individualität. Nur die Menschlichkeit selbst ist unantastbar, diese kann ich keinem Menschen absprechen. Mehr Geld als andere kann er trotzdem verdienen. Er kann auch blind und gehörlos sein und trotzdem Autofahren dürfen – welche Rechte und Pflichten die Gesellschaft als Privilegien definiert ist ihr völlig frei gestellt. Der Kommunismus fordert also an einer ganz bestimmten Stelle des gesellschaftlich zu erarbeitenden Wertekanons Gleichheit und möchte in erster Linie bestimmte Privilegien abschaffen. Diese Überzeugung kann man teilen oder ablehnen. Die »Gleichheit des Menschen« bleibt davon unberührt, denn sie ist für praktikable alternative Ethiken (meinetwegen ein utilitaristisch motivierter Neokonservativismus) genau so notwendig.
Alle Ethiken, die explizit ohne eine Definition von »Menschlichkeit« auskommen möchten, haben das Problem, dass sie nicht bezeichnen können, für wen ihre Regeln Gültigkeit haben sollen.
Um den Bogen zur Diskussion zu führen, wie man Menschen begegnen solle, die ein Handicap haben: Hier greift die gesellschaftliche Selbstregulation. Für die Bundesrepublik haben wir eine sehr weitreichende Definition der rechtlichen Gleichheit. Die Menschenwürde ist ein teures Gut. Teuer im doppelten Sinn: Es entstehen hohe Kosten, die Menschenwürde durchzusetzen, weil mit ihr wertvolle Privilegien einhergehen. Tatsächlich müsste Barrierefreiheit viel konsequenter umgesetzt werden, um die Gleichheit der Menschenwürde herzustellen.
Vor diesem Hintergrund wird vielleicht auch die von mir zitierte Aussage von Behindertenverbänden klarer: Behindert ist man nicht, behindert wird man. Wenn ein mobiler Mensch Zugang zum öffentlichen Personenverkehr hat, darf ihn das dank der deutschen Menschenwürde nicht vom weniger mobilen Mensch unterscheiden. So gesehen wird also dem Behinderten ein Recht auf gleiche Mobilität genommen: Eine Treppe ist eine Barriere für ihn.
Als moralischen Rat möchte ich abschließend sagen: Im Umgang mit Behinderten können und müssen wir lernen, Normalität im Anderssein zu erkennen. Mitleid ist fehl am Platz. Normalität zu erwerben braucht allerdings Kontakt – wer mit Behinderung sozialisiert wurde hat natürlich weniger Hemmungen und Vorurteile, die andere erst abbauen müssen. Auch gegenüber geistig behinderten. Menschen.
Im übrigen möchte ich so forsch sein und ihnen einen Artikel ans Herz legen, der belegen könnte, dass ich sehr wohl ein Freund extremer Positionen bin – und der gleichzeitig weit weniger polemisch ist, als es dem geschätzten Herrn Keuschnig bei einer vergangenen Auseinandersetzung missfiel. Es ist der neuste Artikel, der beim Klick auf meinen Namen zu sehen ist: »Wahlentscheidungen und Visionen«. Wenn ich schon endlich wieder ans Schreiben komme...
Meinten SIE nicht, verehrter Erz, die Gleichheit des Menschen sei »selbstbestimmt«? Ich empfinde jene Gleichheit eher als fremdbestimmt, da der Versuch des Individuums, Gleichheit zu schaffen, ihm gleichzeitig seines größten Privilegiums beraubt: der Individualität.
Man muss sich natürlich darüber im Klaren sein, wenn man sich darauf einlässt. Damit Sie mich verstehen, möchte ich nur ein Wort nennen: Modetrends. Passen Sie sich an, sind Sie gleich mit dem »Mainstream« des Kollektivs, wenn nicht, grenzen Sie sich aus, und wahren Individualität, allerdings in etwas extremerer Form.
Deswegen verachte ich Modetrends schon lange.
Ihr Statement zum Umgang mit invaliden Menschen finde ich durchaus (moralisch) gut und nachvollziehbar, teilweise habe ich mich auch so ähnlich in demgleichen aus meiner Hand geäußert, bzw. äußern wollen.
Ihren genannten Artikel werde ich sicherlich auch bald lesen, momentan schwirren mir zu viele Dinge um den Kopf herum, da finde ich weder die nötige Zeit noch die Konzentration dazu.
Vor diesem Hintergrund wird vielleicht auch die von mir zitierte Aussage von Behindertenverbänden klarer: Behindert ist man nicht, behindert wird man. Wenn ein mobiler Mensch Zugang zum öffentlichen Personenverkehr hat, darf ihn das dank der deutschen Menschenwürde nicht vom weniger mobilen Mensch unterscheiden. So gesehen wird also dem Behinderten ein Recht auf gleiche Mobilität genommen: Eine Treppe ist eine Barriere für ihn.
Als Zuspitzung ist das Behindert ist man nicht, behindert wird man. völlig in Ordnung. Folgt man aber der Argumentation, kann man sehr leicht abstruse Beispiele konstruieren (Wird ein behinderter Mensch erst zu dem was er ist, weil er keine Bücher lesen kann oder bestimmte Sportarten nicht ausüben kann? Und wie sollte man das ändern?), was die Aussage dann wieder relativiert.
Alle Ethiken, die explizit ohne eine Definition von »Menschlichkeit« auskommen möchten, haben das Problem, dass sie nicht bezeichnen können, für wen ihre Regeln Gültigkeit haben sollen.
Eine Ethik lässt sich z.B. auch auf alle (potenziell) leidensfähigen Wesen (z.B. Säugetiere) beziehen, damit ist auch klar wer gemeint ist.
[EDIT: 2009-09-30 23:30]
@erz
Um mich ausnahmsweise einmal zu wiederholen: In seinem pauschalen Gebrauch habe ich Probleme mit dem Begriff der »Menschlichkeit«, der meines Erachtens stets der Definition bedarf. Um es pointiert (und auch polemisch) zu formulieren: Mit einem Gesellschaftssystem, welches seine »Menschlichkeit« auf die – auch polemisch – Ungleichheit innerhalb der Welt bezieht und sich über Treppen als »menschenunwürdige« Barrieren entrüstet und dabei gleichzeitig billigend den täglichen Hungertod von tausenden anderer Menschen verdrängt, ist es nicht unbedingt sehr gut bestellt.
[EDIT: 2009-10-01 08:08]
Wer vom Menschen spricht und vom Tier faselt
Der Disqualifiziert sich von selbst in jeder Diskussion und ist längst dem verdinglichen aufgesessen, das uns die herrschende Meinung einimpfen möchte.
Der Mensch ist Mensch, nicht Tier. Wer die Unterschiede nicht sieht, der kann nicht mehr unterscheiden, daß die Gleichheit des Menschen in ethisch moralischer Sicht bei dem einen gemeint ist, und die Ungleichheit in kommerziell und leistungsorientierter Sicht bei den anderen den Ton angibt.
Wer Leistungsträger ist, der bringt geldwerten Vorteil, für sich und andere Leistungsträger. Wer nur Arbeitskraft bringt, der kostet, wer sogar noch lebenserhaltende Maßnahmen einfordert ohne das daran an sogenannter Leistungsträger sich gesund stoßen kann, der ist ein fordernder Querulant, ein Parasit, der sich in der Mitte der Gesellschaft einnistet um sich ernähren zu lassen.
Wer den Menschen also zum TIer degradiert, wer schon so erniedrigend vom Menschen denkt, wer die Ungleichheit zwischen Tier und Mensch nicht mehr kapiert, der höre bitte auf über die Ungleichheit der Menschen in Gesellschaftssystemen zu schwadronieren.
Mythen und Naturreligion, Dingliche Abgrenzung statt realer Erkenntniss. Leute, macht einfach endlich die Augen auf und hängt nicht an den Lippen der Weißkittel als Ersatz für die Stolaträger.
Lieben Gruß
Zunächst einmal faselt hier niemand. Und – um einen anderen Satz in den Kommentaren hier zu paraphrasieren – zum Menschen wird man. Die Definition »Mensch« mag biologisch definierbar sein und die Unterschiede zum Tier auch, aber die bloße Bezeichnung »Mensch« ist in ethischen Diskursen für sich genommen wenig aussagefähig.
Daher habe ich auch Probleme mit dem pauschalen Begriff der »Menschlichkeit«, der meines Erachtens stets der Definition bedarf. Um es pointiert (und auch polemisch) zu formulieren: Ein Gesellschaftssystem, welches seine »Menschlichkeit« auf die – auch polemisch – Ungleichheit innerhalb der Welt bezieht und sich über Treppen als »menschenunwürdige« Barrieren entrüstet und dabei gleichzeitig billigend den täglichen Hungertod von tausenden anderer Menschen verdrängt, sollte, um es salopp zu sagen, »den Ball flach halten«.
Anthropologie von oben und unten
Ihrem Einwurf, Heinzi, möchte ich doch im Tenor, so jedenfalls, wie ich ihn verstehe, beipflichten. Dieser kleine Text für sich genommen hat mich in Teilen doch sehr irritiert oder gar verärgert.
Sie, Lou Cretin, polemisieren gegen die Gleichmacherei vor der Folie des Kommunismus, Gleich gemacht werden soll die wirtschaftliche Lage, berührt das aber das Menschsein? Ist das Problem des Menschenbildes des Kommunismus nicht eher, dass er den Menschen auch nur auf das Wirtschaftliche reduziert und glaubt alle Probleme der Menschheit wären gelöst, erreichte man wirtschaftliche Homogenität? (Vielleicht ist das auch zu primitiv gedacht..) – Gleich oder unterschiedlich worin? – Wenn Sie schreiben: »Ich kann es außerdem nicht verstehen, wenn ein Staat diese Gleichheit als Grundprinzip bewahrt und dann seine Förderung der Individualität so anpreist.« So klingt das beinahe als seien Sie gegen die Gleichheit vor dem Gesetz, dagegen dass alle Stimmen in der Demokratie das gleiche Gewicht haben. Und wenn sie dann noch von den Schwächeren und Stärkeren reden, so klangen da schon die Missatöne eines schnöden Sozialdarwinismus an. – Dass das so wohl doch nicht gemeint war und bei mir wohl ein ähnlicher Entrüstungsreflex einsetzte, wie beispielsweise von den Alarmschlägern in der Sloterdijk-Debatte, habe ich dann später bei Ihren weiteren Kommentaren gemerkt. Sie umkreisen Sozialisation (wäre Individuation nicht angebrachter gewesen) und streifen am primitiven Biologismus entlang, wenn Sie auf den DNA zurückgreifen. Dies alles ist Antrophologie von unten (Heinz-Ulrich Nennen, Philosophie in Echtzeit, Die Sloterdijk-Debatte: Chronik einer Inszenierung), wenn man den Menschen reduktionistisch aus Biologie, Historie, Sozialumfeld abzuleiten versucht. In einer Antrophologie von oben wird hingegen davon ausgegangen, dass man das Wesen des Menschen nicht hoch genug ansetzen kann (noch fehlen mir da recht die Worte.. in obem genannten Buch jedenfalls umkreist der Autor die Notwendigkeit dieser Antrophologie von oben). – Das Selbstbewusstsein dass bei diesen Betrachtungen auch auftaucht z.B. scheint mir ein wichtiger Ansatzpunkt, um über das Menschsein nachzudenken... Mir erscheint es zu kurz gegriffen, wenn Sie das Menschsein daraus ableiten, dass es irgendwann nicht mehr da ist (Tod). Was ist es denn, das dann nicht mehr da ist?
Schlussendlich: Warum kann es mir so erscheinen, dass wir in dem Individualismus, in dem wir leben, immer homogener werden: Wir müssen uns durch Marken, Meinungen, die wir so rumtragen, von der Masse abheben werden von dieser aber immer ununterscheidbarer?
...und sich über Treppen als »menschenunwürdige« Barrieren entrüstet und dabei gleichzeitig billigend den täglichen Hungertod von tausenden anderer Menschen verdrängt...
Ich nehme an es ist eine Frage der Phantasie. Der eine läuft halt mit einer Bürde durchs Leben, während anderen erst durch starke Reize ein Affekt entlockt werden kann. Dieser Unterschied wird vermutlich die Weltanschauung maßgeblich bestimmen.
Mensch ist man
von Geburt an.
Man kann zwar seine Menschenwürde einbüßen, aber eine Unterscheidung zwischen Mensch und Mensch gibt es nicht. Die einzige gültige Unterscheidung wäre eine moralische Verurteilung in einen bösen Menschen, weil ein Mensch anderen Menschen schadet oder eine Verurteilung kraft der Gesetze eines Landes.
Also Mensch wird man nicht erst, wenn man bestimmten Anforderungen entspricht. Denn das ist Quatsch und die Grundlage von Ungleichheit wie es z.B. elitäres Denken postuliert oder Nationalismus.
Menschen sind immer Menschen.
@ Heinzi
Ich möchte Ihre Meinung nicht abwerten, aber ich kann es auf den Tod nicht ausstehen, dass der Mensch immer meint, er sei etwas besseres als das Tier. Biologisch gesehen ist er doch ein Tier, und jeder der diesem das Argument der Vernunft, welche Tiere nicht besitzen sollen, entgegenwirft, diffamiert m.E. jedes andere erdenkliche Lebewesen.
Wenn ich mir den modernen Menschen betrachte und seinem Verhalten irgendwie wohlwollend Vernunft zu Grunde legen will, ganz gleich, ob ich dabei die ältere Bedeutung (=Verstand) oder die neuere (=moralische Korrektheit) nehme, so kann ich nur lachen. Der moderne Mensch benimmt sich doch nur wie ein Tier, mit dem einzigen Unterschied, dass er alles nicht so direkt macht wie ein Tier. Fragen Sie nicht nach, was ich damit meine, überlegen Sie sich, welche Bedeutung eine jede Tat des Alltags für Sie hat.
Dabei ist noch zu nennen, dass das Tier wenigstens sein Ökosystem, in dem es einen festen Platz einnimmt, nicht zum Negativen hin verändert.
Ich nenne es nur pure Überheblichkeit, dass man der Menschheit soviel abvertraut. Was ist sie schon? Eine Art Lebewesen, welche vorherrscht. Aber kann man wirklich zu seinem Haustier sagen: »Du bist dumm, ich bin klug.«? Mir wäre das sehr peinlich, wenn das Tier mir dann antworten könnte...
@ Phorkyas
Sie haben schon viele Bücher der Anthropologie studiert, das merkt man. Ich nicht. Ich verlasse mich auf das, was ich sehe und höre. Und das, was ich sehe und höre, ist nichts anderes, als eine scheinbar zivilisierte und intelligente Lebensform, die in Wahrheit ihren Fortschritt dazu einsetzt, ihre physischen Bedürfnisse zu befriedigen. Das ist m.E. einfach nur widerwärtig.
Sagen Sie mir bitte nicht, ich solle die Menschheit jetzt von einer anderen Warte aus betrachten, nämlich vom Standpunkt der philosophischen Anthropologie, wo der Mensch ja die Krone der Schöpfung zugeschrieben wird, äh Verzeihung, wo er sie sich selbst anmaßt. Und DAS ist das allerschlimmste: Wir beurteilen andere Lebewesen und sie sind selbstverständlich dumm und primitiv. Und selbst sehen wir uns als das »vernunftbegabte« Wesen schlechthin an. Verzeihen Sie mir, dass ich so hart mit diesem Standpunkt umspringe, aber so etwas wie »Vernunft« kann ich in der heutigen Gesellschaft nicht mehr entdecken, höchstens noch in Randgruppen.
Deswegen habe ich mir so ein Menschenbild entwickelt, und ich bin viel zu stur, als dass ich jemals der Meinung eines »philanthropischen Anthropologen« (gemeint sind all jene, dessen Standpunkt Sie beschrieben haben) beipflichten könnte.
@Count Lecrin
...aber ich kann es auf den Tod nicht ausstehen, dass der Mensch immer meint, er sei etwas besseres als das Tier. Biologisch gesehen ist er doch ein Tier, und jeder der diesem das Argument der Vernunft, welche Tiere nicht besitzen sollen, entgegenwirft, diffamiert m.E. jedes andere erdenkliche Lebewesen.
...
Dabei ist noch zu nennen, dass das Tier wenigstens sein Ökosystem, in dem es einen festen Platz einnimmt, nicht zum Negativen hin verändert.
...
Diese Argumentation ist doch in sich widersprüchlich? Zunächst mal ist der Mensch tatsächlich etwas qualitativ anderes als die anderen Tiere, das hat bereits Aristoteles erkannt und dem ist bis heute nichts entgegen zu setzen. Der Mensch ist ein politisches Wesen (man kann hier ersatzweise auch gesellschaftlich verwenden). Der Unterschied besteht in allen Eigenschaften, die sich aus seiner Bewusstheit ergeben und die im Tierreich nach heutigen Erkenntnissen bestenfalls in ersten primitiven Ansätzen zu erkennen sind. Am einfachsten kann man das an einigen Dingen zeigen, deren Bedeutung vollkommen von ihrer Gegenständlichkeit abweicht, z.B. Geld. Es gibt nichts im Tierreich, was der menschlichen Sprache und allen damit verbundenen Konzepten (Geld ist ein solches Konzept, seine Verdinglichung ist belanglos) vergleichbar ist. – Ob man das allerdings als »besser« bezeichnet, ist eine Frage des Standpunkts, ich betrachte es aber tatsächlich als »besser« im Sinne von einer neuen Qualität.
Ihre zweite Aussage behauptet dann das Gegenteil der ersten, denn wenn der Mensch das einzige Wesen wäre, das sein Ökosystem zuerstören könnte, dann würde er sich ja qualitativ in mindestens einer Eigenschaft von den anderen Tieren unterscheiden. Tatsächlich stimmt das aber gerade hier nicht, denn auch Tiere sind in der Lage ihr eigenes Ökosystem zu zerstören. Beispiele sind Hefezellen im Weinballon und Viren und Bakterien in ihrem Wirtsorganismus.
Der wirkliche Unterschied zu allen anderen Lebewesen besteht beim Menschen auch hier wiederum in der Bewusstheit, dass er sein Ökosystem zerstört – und auch hier das mit den Mitteln der Sprache vorab kommunizieren kann. Der Mensch ist absolut einzigartig und unvergleichlich im Tierreich.
@Count Lecrin
Die Vernunft ist nicht dadurch inexistent, dass gemäss Ihrer Wahrnehmung die meisten sie entweder nicht mehr wahrhaben wollen oder sie ignorieren. Sie ist als Möglichkeit immer vorhanden. Hierin liegt tatsächlich der Unterschied zum Tier. Wobei die Möglichkeit der Vernunft auch die der Unvernunft (laienhaft ausgedrückt) impliziert. Die Möglichkeit unvernünftig zu Handeln beinhaltet das Gegenteil. Ein Tier hingegen kann nicht unvernünftig handeln. Sehen wir das gelegentlich anders, so ist dies eine Interpretation unsererseits; eine Täuschung.
Mir ist dieses Hochleben des Menschen oder die Tautologien (»Menschen sind immer Menschen«) auch ein bisschen arg pathetisch (man siehe hierzu meinen Kommentar davor). Dennoch ist die Entwicklung des Menschen (eben aus der Evolution heraus) nicht zu leugnen.
@ Köppnick
Ob der Mensch gesellschaftlich ist, was unbestreitbar eine korrekte Aussage ist, trägt m.E. nicht dazu bei, sich von den Tieren abzuheben, auch diese können ja Staaten bilden, in denen es eine feste Rangfolge, ein »Sozialsystem« (nicht politisch, sondern demographisch) gibt (etwa Ameisen, Bienen oder Termiten).
Dass wir dieses Spiel dann bis in die Gewässer des Geldes trieben, spielt m.E. keine Rolle, da das unserem Leben ja nicht mehr »Wert« verleiht, als das der Tiere.
Ich bezog mich vielmehr auch auf den Wert der Existenz, den wir Menschen bei uns selber ja immer sehr hoch ansetzen. Ich glaube, Sie könnten mich da missverstanden haben.
Und bezüglich des Ökosystems ist zu sagen, dass ich mit dem Poessessivpronomen »sein« betonen wollte, dass der Mensch selber dabei auch »kaputt« geht, was seiner Handlung noch mehr Widersprüchlichkeit verleiht, aber natürlich implizierte das auch, und das haben Sie sicher nicht gewusst, tut mir Leid deswegen, dass sein Ökosystem noch weit mehr Lebewesen umfasst als nur sich selbst.
Hefebakterien vernichten sich ja nur selbst, während wir Menschen auch mal eben »nur so zum Spaß« einen ganzen Ameisenstaat ausrotten.
Mich hat das sehr zum Denken gebracht, als ich in meinen Garten eine Ameisenfalle aufstellte und auf der Verpackung las: »Vernichtet nachhaltig den ganzen Staat einschließlich Königin« (sinngemäß).
@ Gregor Keuschnig
Wahrlich, die Entwicklung des Menschen, der prähistorische Verlauf einer gewaltigen Evolution, ist nicht zu leugnen. Neue Funde belegen ja auch immer wieder, dass dieses Kapitel, sozusagen ein Prolog im Buch der Menschheit, immer noch interessante Überraschungen aufweist.
Aber können wir deswegen uns selbst als etwas Besseres ansehen? Ist diese Entwicklung denn UNSER Verdienst? Ich sage nein, und meine damit, dass wir Tiere ebenso achten sollen, wie wir es mit unseresgleichen tun, denn was auch immer andere erreicht haben, berechtigt doch noch längst nicht, dass wir jetzt den Thron der Schöpfung beanspruchen.
Und DAS meinte ich...
Mein Kommentar davor (»@ Köppnick«) beinhaltet ein Beispiel über die Vernichtung eines Ameisenvolkes. Ist das wirklich ein erstrebenswertes Gut des Fortschritts? Vernichtung? Na ja...
Ich denke, die Leitmaxime, »Progression statt Extinktion« nehme ich mir fortan zum Vorbild. Sie beinhaltet sehr viele Aspekte, von jenem Beispiel bis hin zum Klimawandel und Eisbären etc..
Ob der Mensch gesellschaftlich ist, was unbestreitbar eine korrekte Aussage ist, trägt m.E. nicht dazu bei, sich von den Tieren abzuheben, auch diese können ja Staaten bilden, in denen es eine feste Rangfolge, ein »Sozialsystem« (nicht politisch, sondern demographisch) gibt (etwa Ameisen, Bienen oder Termiten).
Dass wir dieses Spiel dann bis in die Gewässer des Geldes trieben, spielt m.E. keine Rolle, da das unserem Leben ja nicht mehr »Wert« verleiht, als das der Tiere.
Ich bezog mich vielmehr auch auf den Wert der Existenz, den wir Menschen bei uns selber ja immer sehr hoch ansetzen. Ich glaube, Sie könnten mich da missverstanden haben.
Ich glaube nicht, dass ich Sie missverstanden habe, sondern ich sehe es offenbar tatsächlich grundsätzlich anders. Die Staaten der Tiere haben außer dem Namen nichts mit unseren Staaten gemein. Dass man das verwechselt, ist ein Fehler unserer Sprache, weil wir dieser Organisationsform der Tiere denselben Namen gegeben haben. Wir können uns aber auch anders organisieren, z.B. in lockeren Gruppen, die durch die Savanne ziehen, in größeren Stammesgemeinschaften. ... Diese Möglichkeiten reichen bis zur Weltgemeinschaft aller Menschen. Die staatenbildenden Tiere können immer nur in der einen Form existieren, zu der sie die Evolution getrieben hat, sie wissen darüber selbst nichts. Wir aber haben eine Wahl und wir haben uns unsere Organisation selbst ausgedacht.
Und auch der Wert unserer Existenz ist (unendlich) höher als der der Tiere anzusetzen. Der Unterschied besteht hier darin, dass wir uns unserer Existenz bewusst sind. Wir haben ein Konzept der Zukunft, wir können unsere Vergangenheit erforschen und wir antizipieren unseren eigenen Tod. Aus dieser Perspektive ist es für mich zum Beispiel ethisch vertretbar, Tiere zu töten, wenn wir daraus einen Nutzen ziehen. Wir müssen es nur schnell und schmerzarm tun, denn was wir mit Tieren gemeinsam haben, ist die Leidensfähigkeit. Wir dürfen sie also – dazu verpflichtet uns unser Bewusstsein – nicht grundlos und übermäßig leiden lassen, weil wir wissen, was Leiden ist, bevor wir leiden. Tiere erfahren Leiden immer erst dann, wenn sie leiden.
Über diesen Standpunkt hinaus gehende Ethiken sind schwer begründbar. Ich erinnere nur an die Kontroversen, die die Thesen von Peter Singer unter Ethikern ausgelöst haben.
Können wir uns als etwas Besonderes ansehen?
Die Frage ist einfach zu beantworten, wenn wir uns darauf einigen können, dass bestimmte Eigenschaften, die ein biologisches System mit keinem anderen teilt, es vor diesen anderen auszeichnet.
Die Konsequenzen, die man daraus ableitet, oder ableiten kann, stehen wieder auf einem anderen Blatt. Die Bewertung (Interpretation) einer Feststellung (dass bestimmte Eigenschaften ein System vor anderen auszeichnet), ergibt sich nicht aus ihrer Existenz.
Kurzum: Kein Sollen aus dem Sein.
Köppnicks Satz, dass wir die Wahl haben, trifft m. E. ins Schwarze. Vieles, was wir Tieren zuschreiben (bspw. Staatenbildung) beruht letztlich nur auf Projektionen unseres Verhaltens auf die beobachteten Verhaltensformen der Tiere. Eine Arbeiterameise hat (davon gehe ich einfach aus) keine Kenntnis ihres Status als »Arbeiterin«. Genauso wenig weiss sie, was sie tut bzw. entwickelt Alternativen. Das braucht sie im biologischen Sinn auch gar nicht. Ihr »implantiertes« Verhalten ist streng begrenzt.
Ob der »Wert unserer Existenz« (auch Köppnick) »unendlich höher« anzusetzen ist als der der Tiere, ist für mich damit nicht beantwortet. Ich halte diesen Satz für kühn, wenn auch vollständig verständlich, wenn man rational (d. h. hier dann biologistisch) denkt. Letztlich verhält sich der Vogel zum Regenwurm ähnlich: er verspeist ihn. Er (der Vogel) hat aber kein Wertesystem in sich, in dem er den »Wert« des Wurms festsetzt. Er verspeist ihn, weil er (fast ein bisschen kalauernd zum Beginn des Kommentars) keine andere Wahl hat.
Gerade wenn man den Menschen als herausgehobenes Tier definiert und im diese hervorragenden Möglichkeiten attestiert, sollte man mit ihm durchaus kritisch umgehen.
Wir kommen vielleicht auf einen gemeinsamen Nenner, wenn wir außer unserem (x) höheren Wert, weil uns die Zusammenhänge bewusst sind, zugleich akzeptieren, dass wir eine (x) höhere Verantwortung tragen, ebenfalls, weil uns die Zusammenhänge bewusst sind.
Jeder kann für x in beiden Fällen denselben für ihn wünschenswerten Wert eintragen. Für mich eben »unendlich«, weil wir mit unserer Bewusstheit und dem Grad unseres Wirkens auf die Ökosphäre praktisch die vollständige Verantwortung für das Leben auf der Erde übernommen haben. Aber zu dieser Verantwortung gehört auch die für den Tod, denn dieser ist Bestandteil jedweden Lebens.
@ Köppnick/Keuschnig
Köppnicks Modell einer Verantwortungs-Wert-Funktion mit der Variable x ist meiner Ansicht nach, eine gute Methode, um mit der Existenz eines Lebewesens umzugehen.
Dabei ist aber zu beachten, dass Verantwortung nicht automatisch gleich Pflichterfüllung ist. Aus diesem Grund sollte man m.E. immer vorsichtig sein, wenn man über den Menschen schwärmt. »kritisch umgehen«, und ich sehe darin, KONTROVERS zu betrachten, ist deswegen die beste Methoden, um einen gemeinsamen Nenner zu erreichen.
Menschenbilder
@Count Lecrin: Von Anthropologie (von oben und unten) habe ich zuersten mal in diesem Buch gelesen (hoffentlich klangen meine Gedanken nicht zu abgehoben und dunkel – es war der Versuch mir überhaupt klar zu werden, worum es hier geht.. – die Trümmer meines Weltbildes hab ich mir noch nicht wieder zusammengeflickt; zu den lieben, linken Sozialromantikern werde ich wohl nicht zurückkehren können, die gedanklichen Ergüsse elitärer Besitzstandswahrer a lá FAZ oder auch ZEIT erwecken jedoch soviel Abneigung, dass ich dort schlechterdings meine geistige Heimat finden könnte.. – bah, vielleicht sollte ich auch mal wieder etwas normaler schreiben..)
@Keuschnig: Wenn man wollte könnte man bei der Sozialisation und den Staaten auch den Spieß umdrehen. Die Werte, die die jeweilige Gesellschaft gewissermaßen in unserer Hirn implantiert, inwieweit erlangen wir überhaupt Bewusstsein darüber? Inwieweit ist es uns überhaupt möglich im Selbst-Bewusstsein die Umstände der eigenen Wertbildung/Bewusstseinswerdung zu reflektieren? Wenn wir dies nur ungenügend können (und wie schnell Ideologien, Ideen von unserem Bewusstsein ergreifen, so dass der Ursprung unserer Meinung uns verborgen bleibt), sind wir dann nicht ebenso Ameise, deren Bewusstsein nur ein paar Tannennadeln hin- und herbewegt, wie unsere Gesellschaft uns befohlen?
@Köppnick: dem (x)-Variablenwert kann ich nicht so ganz folgen. Ging es nicht vorher darum, dass Mensch und Tier eine qualitative Differenz trennt. Das klingt für mich so ein bisschen nach fuzzy logic – statt »Ja« oder »Nein«, haben wir jetzt einen kontinuierlichen Wert, der zwischen Tier und Mensch interpoliert.. Aber vielleicht ist es ja auch so. Es gibt ja auch Tiere, die ihr Spiegelbild erkennen, oder andere Experimente, die so etwas wie ein schwaches Ich-Bewusstsein vermuten lassen (leider habe ich das Richtige jetzt nicht parat, hoffe jemand kann das bestätigen oder verwerfen). Nur persönlich sehe ich eben eine Differenz, wenn ich dann unwiderbringlich »da« bin (- Der Mensch west im Da).
Spiegeltest, Theory of Mind und Emotionen beim Tier
@ Phorkyas; Ihren Ausführungen kann ich sehr gut folgen und schließe mich vielen der Ihrigen Aussagen an. Zum Spiegeltest füge ich folgenden Link ein http://de.wikipedia.org/wiki/Spiegeltest ( in dem wissenschaftlichem Beitrag der TU-Dresden wird am Schluß darauf eingegangen) und zum Thema Gefühlswelt beim Tier kam mir sofort der Elefant in den Sinn, auch hier ein sehr interessanter Artikel zum Thema Trauer in der Wildnis.
Neben dem Artikel vom Verhaltensbiologen Norbert Sachser verdient auch das Interview von Volker Sommer Beachtung
Sehr vielen Tierarten ( Wale, Krähen/Rabenvögel, Papageien, Hunde, Katzen, usw.) kann man die Grundlage des sozialen Verhaltens zusprechen und für mich ist da die Theory of Mind – Sichtweise sehr interessant (die bislang sicher nur beim Menschen bekannt sein dürfte). Die TU-Dresden hat einen sehr interessanten wissenschaftlichen Beitrag ins Netz gestellt.
Aus: Animal Cognition – Tiere, die denken, TU-Dresden SS 2008
Letztendlich ist es stets eine Frage der Definition inwieweit wir Tieren Denken zuschreiben. Es ist jedoch festzuhalten, dass es zweifelsohne mentale/kognitive Prozesse im Tierreich gibt, die den
Menschlichen sehr ähnlich sind und wir davon ausgehen können, dass nicht allein Instinkte deren
Leben bestimmen
Ich merke beim Schreiben und Lesen wieder einmal, wie wichtig sich der Mensch nimmt.
Und wenn ich Ihnen, Count Lecrin, habe richtig folgen können, dann wünschen Sie sich ein bewussteres Umweltdenken und den angemessenen Respekt dazu.
Ich wünsche mir das auch sehr!
( Habe übrigens einen Kardinalfehler beim Erstellen meines ersten Beitrages gemacht: Ihn nicht gleich gespeichert. Somit ist meine erste Seite perdu! Aber nochmals ausführlicher über die moderne Verhaltensforschung, deren pädagogischen Konsequenzen, Emotionen bei Säugern und Vögel und Jane Goodall zu schreiben – ich passe).
Die Grundlage
zu sozialem Verhalten spreche ich Tieren nicht ab. Ich glaube aber nicht, dass Tiere – wie Köppnick dies so schön ausgedrückt hat – die Wahl haben.
Das spricht alles nicht gegen eine ganzheitliche Sicht auf die Natur und eine demütigere Stellung des Menschen darin. Das der Mensch sich »wichtig« nimmt ist richtig. Und es wird nicht immer durch sein Verhalten eingelöst. Ich halte aber im Rahmen der Thematik hier eine Diskussion über Tier-/Menschenrechte für eher kontraproduktiv, auch wenn sie für sich genommen vielleicht interessant ist.
Ich glaube nämlich, dass das »Wichtignehmen« des Menschen unabdingbare Voraussetzung für soziales menschliches Verhalten ist. Wird der Mensch »entmenschlicht«, gibt es die grössten Katastrophen. (Wird er zum Götzen erhoben, allerdings vermutlich auch.) Daher halte ich den Buddhismus mit seiner Reinkarnationslehre für einen kluge Taktik: Da Wiedergeburten in alle Wesen grundsätzlich möglich sind, begegnet man diesen anders.
(Ja, es ist unbedingt erforderlich, längere Texte zwischen zuspeichern oder vorzuschreiben. Twoday schiebt den Schwarzen Peter auf den IE. Das ist allerdings m. E. nur ein Teil der Wahrheit.)
#63 – Phorkyas
Alle Schreiber der FAZ und ZEIT sind Besitzstandswahrer? Entschuldigen Sie die Polemik, aber welches Menschenbild ist das denn?
(Ich hoffe, ich habe damit ausgedrückt, wie ich das meine: Pauschalisierungen bringen in der einen und anderen Sache rein gar nichts.)
–
Den Schluß, wir seien ebenso sehr Ameise, kann ich nicht nachvollziehen, es sei denn, sie walzen sofort alle Differenzen platt (dann stimmt es wieder). Und da Sie selber am Ende Heidegger zitieren (oder paraphrasieren) ist Ihnen ja durchaus die Differenz zwischen Dasein und Sein geläufig.
Pauschalisierungen
(@Keuschnig: Ja, diese Brachialpauschalisierungen sollte ich mir in der Tat sparen, wenn ich mich nicht ganz disqualifizieren moechte. – Meine Fragen waren vielleicht auch noch sehr unausgegoren, selbst wenn ich versuche zwischenzuspeichern und allzu groben Unsinn wieder zu entfernen –
Leider ist Ihre Skepsis gegenueber dem so hoch angesetzten Menschenwesen vielleicht doch angebracht. Es koennte zur Demut mahnen, so etwas unerreichbar Hohes zumindest teilweise selbst zu sein, aber das klappt ja scheinbar nicht einmal, wenn man stattdessen Gott auf diesem hoechsten aller Throne setzt und anbeten laesst. Wir schlagen uns ja immer noch die Koepfe ein und missbrauchen die Bilder und Idole..-
Unsere Denkarbeit mit der Ameise zu vergleichen, war nicht so fruchbringend. Ist unser Denken, wenn wir »Da« sind, doch klar und hell. Es ist nur die Frage, ob es in unserem Gesichtsfeld des Bewusstsein nicht blinde Flecken gibt (oder ob diese Frage zu dunkel ist, als dass sie ueberhaupt sinnvoll sei). – Bleibt fuer das Bewusstsein nur die Tautologie, dass wir eben auf einmal »Da« sind, waehrend wir es vorher nicht waren? [»Der Mensch ist Mensch«])
Sehr interessanter Diskussionsstrang
Köppnicks Äußerungen über den Wert und die daraus resultierende Verantwortung des Menschen sowie die Unterschiede zum Tier kann ich ohne Einwände unterstützen.
Der Mensch hat sich, um es einmal in ungenießbarer Gelehrtenprosa zu formulieren, von der dem Tier wesenhaften biologischen Determiniertheit emanzipiert. Das Recht des Stärkeren gilt bei uns eben nicht mehr (bzw. nicht immer), und wir haben die Möglichkeit, uns über unsere genetisch bedingten Impulse hinwegzusetzen.
Darf ich einen Erklärungsversuch wagen (und mich dabei in weiten Teilen Freud anschließen, wodurch meine Argumentation zweifellos eine riesenhafte Angriffsfläche bietet)?
Der Mensch wird, was die körperliche Leistungsfähigkeit angeht, in allen Bereichen von irgendeinem Tier überflügelt. Es war für unsere Vorfahren im Überlebenskampf deshalb notwendig, sich »Prothesen« (O‑Ton Freud) zu schaffen. Gelegentlicher Werkzeuggebrauch ist insbesondere bei Affen nichts Ungewöhnliches. Die Leistung des Menschen war es nun, den Werkzeuggebrauch in einer Weise zu institutionalisieren, dass er damit das Recht des rein physisch Stärkeren dauerhaft brechen konnte. Auch die Domestizierung von großen, körperlich haushoch überlegenen Säugetieren (Rinder, Pferde, Elefanten etc.) bzw. solchen, die dem Menschen gefährlich werden können (z.B. Wölfe, Schweine), ist letztlich eine Überwindung des Rechts des Stärkeren.
Bei seinem Kampf gegen die feindliche Umwelt (wilde Tiere, Krankheiten, Naturkatastrophen) wurde es für den Menschen immer wichtiger, gruppeninterne Streitigkeiten bzw. entsprechendes Konfliktpotenzial so weit wie möglich zu bannen bzw. auf möglichst schonende und vorhersehbare Weise zu regeln. Das Recht des Stärkeren war in diesem Zusammenhang natürlich ein äußerst kontraproduktives Damoklesschwert. Die Erfindung einer (intersubjektiven) Moral als objektiv Gutes bzw. eines für alle verbindlichen Gesetzes (das sich nicht mit den eigenen Interessen decken musste), war in dieser Hinsicht ein genialer Schachzug.
Auch das Inzesttabu – das an und für sich unpraktische Verbot geschlechtlicher Beziehungen in der eigenen Gruppe (Familie, Clan) – gehört hierher: Es sorgte nicht nur dafür, dass fremde Gruppen miteinander in freundschaftlichen, friedlichen Kontakt treten mussten (siehe auch Lévi-Strauss’ Thesen hierzu) und dadurch gemeinsam gegen den äußeren Feind vorgehen konnten, sondern es entschärfte auch ein potenzielles Konfliktfeld (Rivalenkämpfe um SexualpartnerInnen bzw. das Recht zur Weitergabe der eigenen Gene) innerhalb der eigenen Gruppe.
Fazit: Der Aufstieg des Menschen wäre ohne die Außerkraftsetzung seiner biologischen Determiniertheit nicht möglich gewesen, zumindest nicht in der historischen Form. Dies allein schon ist ein gewichtiges Argument gegen sozialdarwinistische Theoreme.
#68
Der Aufstieg des Menschen wäre ohne die Außerkraftsetzung seiner biologischen Determiniertheit nicht möglich gewesen...
Naja, so ganz ist die biologische Determiniertheit ja nicht aufzuheben...womit wir dann wieder am Anfang wären.
#64 – lou salome
Ja, Sie haben mir richtig folgen können! An sich bin ich aber gar nicht so ein pragmatischer (oder entartet gar radikal) Umweltfreund, ich habe keine Einwände dagegen, dass etwa Wale gefangen oder, wie bereits von mir angesprochen, ganze Ameisenkolonien ausgelöscht werden, man muss sich dessen nur BEWUSST sein und sich davon sein EIGENES Bild machen, und nicht schlicht eine kollektive Meinung annehmen.
»Kluge Taktik«
@ Count Lecrin: lt. G.K.: „Daher halte ich den Buddhismus mit seiner Reinkarnationslehre für eine kluge Taktik“, genau das ist es in meinen Augen: eine kluge Taktik. Ob ich jetzt eine Religion für diese Einsicht brauche oder nicht, muss jeder für sich selbst finden. Denn, wie K.G. im oberen Beitrag ausdrückt, die Begegnung mit anderen Existenzen lässt einen anderen Blickwinkel zu, man begegnet ihnen anders, bewusster. LG