Im tagesschau-blog ist ein sehr interessanter Text von Christian Nitsche, seines Zeichens »Zweiter Chefredakteur von ARD aktuell«, erschienen. Interessant ist er vor allem deshalb, weil in einer großen rhetorischen Bewegung eine Ableitung von den Pegida-Demonstrationen zur Kritik am »Qualitätsjournalismus« (Nitsche) geschlagen wird (»Pegida« fällt nur einmal; ansonsten sind es in schönstem Sprech »eine zunehmende Zahl besorgter Bürger«). Die Volte ist bemerkenswert: Demnach ist praktisch jeder, der die Legitimation und Kompetenz des Journalismus befragt ein mehr oder weniger versteckter Sympathisant von Pediga, pardon: ein »besorgter Bürger«, und damit natürlich im landläufigen Sinn mindestens eine persona non grata, oder, je nach Standpunkt ein Rechtspopulist oder Putinversteher oder am besten gleich beides.
Überschrieben ist Nitsches Text mit der pathetischen Schlagzeile »Wer Angst sät, will Macht ausüben«. Vertreten wird die These, dass die Ängste der »besorgten Bürger« bewusst geschürt werden:
»Das Bindemittel Angst lässt sich leichter anrühren als früher. Es verklebt die Vernunft. Zu selten tritt dies ins Bewusstsein: Wer Angst sät, will Macht ausüben. Wer Emotionen steuern kann, hat ein wirkungsvolles politisches Instrument in der Hand.«
Scheinbar kosmopolitisch wird mit dem »German Angst«-Begriff argumentiert, der in dieser Form fast nur in Deutschland gebräuchlich ist.
Die Angst war in den 1980ern ein politischer Motor
Nitsche ist 43 Jahre alt. Er könnte also sehr wohl eine Erinnerung an den Juni 1982 haben, als in Bonn rund 500.000 Menschen gegen den NATO-Doppelbeschluss demonstrierten. Diese Menschen einte eine Angst: Dass durch die Stationierung US-amerikanischer nuklearer Raketen ein Atomkrieg nicht nur wahrscheinlicher, sondern auf deutschem Boden ausgetragen würde. Die Diskussion wurde seit Anfang der 1980er Jahre geführt; 1982 kumulierte sie in massenhaften Demonstrationen in Deutschland und Europa.
War die Vernunft dieser Leute »verklebt«? Schließlich war ihre Angst zunächst vollkommen unbegründet: sie richtete sich auf etwas, was es noch nicht gab. Zudem hatte die Abschreckung bisher ganz gut funktioniert; die Angst richtete sich auch darauf, dass es zu »falschem Alarm« mit unvorhersehbaren Folgen kommen könnte.
Aber ist Angst nicht evolutionär wichtig, weil sie vor unüberlegten Handlungen schützt? Und ist sie nicht auch immer ein wenig irrational? Wie ist das mit der Angst vor dem Fliegen? Besänftigt man denjenigen damit, dass man ihm die Statistik erläutert, die eindeutig ausweist, dass der Transport zum Flughafen ein Mehrfaches »gefährlicher« ist als der Flug? Oder jene armen Zeitgenossen die (wie ich) Angst vor Spinnen einer gewissen Grösse entwickeln: Sind sie zu überzeugen, dass die Tierchen einem nichts tun werden? Und noch eine dritte Sorte Angst, die ebenfalls seit Anfang der 1980er Jahre die politische Kultur umtreibt: die vor der Atomkraft und der Unbeherrschbarkeit der Risiken dieser Energieform. Ist diese Angst nicht sogar durch diverse Unfälle bestätigt worden?
Der NATO-Doppelbeschluss spaltete damals die Gesellschaft. Der mediale Mainstream war damals mehrheitlich dagegen. Künstler, Intellektuelle und Friedensbewegte schlugen sich auf die Seite der Gegner. Der im Herbst 1982 an die Macht gekommene Helmut Kohl führte jedoch unbeirrt den Beschluss, den Helmut Schmidt gegen weite Teile seiner Partei durchgesetzt hatte, durch. Die Raketen wurden knapp ein Jahr später stationiert. Schmidt wie Kohl haben die Angst der Demonstranten geachtet, sich aber politisch anders entschieden.
Nitsche liegt also falsch, wenn er den Begriff der Angst als politisches Mittel per se denunziert. Denn die Diskussion in den 80ern um die Sache war legitim und gerechtfertigt. Nitsche vergisst auch, dass die Angst um Ressourcen und die Natur vor allem eine Partei in den 1980er Jahren groß gemacht hat: Es waren die Grünen, die diese Ängste artikuliert und politisch verwertet haben. So irrational und übertrieben sie vielleicht waren (Waldsterben, Weltkrieg, Nuklearkatastrophe) – sie hatten entscheidenden Einfluss auf die politische Kultur der Bundesrepublik.
Der Retter des Qualitätsjournalismus
Aber es geht ihm um etwas anderes: Die Ehrenrettung des Journalismus, wie er ihn versteht. Die Methoden, die er hierfür anwendet sind bekannt. Zunächst wird die eigene Meinung als Faktum ausgegeben:
»Einen sanften, wohlwollenden Journalismus beim Thema Putin einzufordern, wie dies auch immer mehr Prominente tun, führt in die Sackgasse.«
Vermutlich spielt er auf die – zugegebenermaßen schlampig und unpräzise formulierte – Erklärung der 60 Prominenten an. Man rufe sich deren Formulierung in Bezug auf die Medien jedoch den Sinn:
»Wir appellieren an die Medien, ihrer Pflicht zur vorurteilsfreien Berichterstattung überzeugender nachzukommen als bisher. Leitartikler und Kommentatoren dämonisieren ganze Völker, ohne deren Geschichte ausreichend zu würdigen.«
Von einem »sanften, wohlwollenden Journalismus« ist also nicht die Rede. Es geht, wenn man weiterliest, um »eine verantwortungsvolle, auf soliden Recherchen basierende Berichterstattung.« Das ist ein gravierender Unterschied. Aber Nitsche braucht diese Unterstellungs-Rhetorik, um sich und seinen Journalismus als Opfer darzustellen:
»Ein Versuch, den etablierten Qualitätsmedien in Deutschland eine gemeinschaftliche Strategie zur Manipulation der öffentlichen Meinung zu unterstellen, wäre früher als abstruse Verschwörungstheorie abgetan worden. Doch auf dem Nährboden der Angst vor einem neuen Kalten Krieg gedeiht die Hetze gegen Journalisten. Viele kritische Mails, die Medien erreichen, sind entfesselt aggressiv, durchsetzt von Pauschalurteilen, wie sie von interessierter Seite im Internet verbreitet werden.«
Da ist die Rede von »etablierten Qualitätsmedien«. Wer dies also nicht so sieht und kritisiert, betreibt »Hetze«, die »von interessierter Seite« verbreitet wird. Nitsche will die »abstruse Verschwörungstheorie« einiger Medienkritiker dadurch desavouieren, dass er seinerseits eine Verschwörungstheorie implementiert:
»Eine offenbar angstgesteuerte Wahrnehmung blendet aus, dass eine Kampagne gegen “die Medien” läuft. Das Ziel der Kampagne ist nicht die Stärkung der Demokratie, sie soll vielmehr zu einer Abkehr von Sendern und Zeitungen führen. Im Ergebnis schwächt dies die Demokratie.«
Fast hatte man vergessen, dass die Gebühren der öffentlich-rechtlichen Sender von diesen nassforsch als »Demokratie-Abgabe« betrachtet werden. Nitsche suggeriert: Wer die Berichterstattung kritisiert, wer beispielsweise die (strategische) Position Russlands versucht herauszufinden, ist von außen gesteuert und »schwächt die Demokratie«.
Mit pauschalen Urteilen gegen pauschale Urteile
Ich leugne nicht, dass es »entfesselt aggressiv[e]« Mails und Kommentare gibt. Aber es gibt eben auch andere, die sich sehr dezidiert mit der Berichterstattung auseinandersetzen. Nitsche dienen aber die Polterer und Beschimpfer als Grund, jegliche Kritik abzuschmettern. Er wirft Kritikern Pauschalurteile vor, die er selber jedoch pflegt wie Adenauer seine Rosen. Einer der Höhepunkte des Textes ist der Satz »Eine geschürte Stimmung des Misstrauens zersetzt den Diskurs«. Da möchte man schon fragen: Welchen Diskurs meint er jetzt? Wurde jemals Horst Teltschik in den tagesthemen zu seinem Appell interviewt? (Immerhin hat er einen Platz bei 3sat bekommen.) Und wie verträgt sich diese Kritik an den Kritikern eigentlich mit der von der ARD im Vorabendprogramm gestalteten Werbung für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, in der folgender pompöser Satz fällt. »Die Gesellschaft wächst an denen, die sie infrage stellen«?
Wenn schon die Ukraine-Krise nicht zu lösen ist, so sollte man sich, so Nitsche, dem Problem des Fremdenhasses stellen. Am Ende gibt er sich staatstragend und stellt erleichtert fest: »Eine Allianz der etablierten Parteien […] kann ein kraftvolles Signal sein.« Damit hat er nun endgültig im Drachenblut des Gutgesinnten gebadet. Salbungsvoll heisst es schließlich: « Eine starke Gemeinschaft ist nie eine ängstliche, die sich selbst mürbe macht und misstraut. Ansonsten wird sie zum Spielball für Kräfte, die auf Destabilisierung setzen.«
Damit ist klar: Der misstrauische Mediennutzer destabilisiert die Demokratie. Das Kritik ein wesentlicher Bestandteil einer demokratischen Gesellschaft ist, scheint bei Nitsche nicht angekommen zu sein: Sie wird pauschal als von außen gesteuert diffamiert.
Noch einmal: Ich bestreite nicht, dass es Versuche gibt, Meinungen im Netz zu manipulieren. Ich bin auch nicht der Meinung, dass die öffentlich-rechtlichen Anstalten bewusst manipulativ bspw. von der Ukraine-Krise berichten. Was mir fehlt, ist das Eingeständnis, dass aus Kriegsgebieten nur mit Einschränkungen berichtet werden. Stattdessen sind die Urteile bombenfest. Was mich stört ist, die Meinung des Korrespondenten aus seinem Text schon herauszuhören. Was man verbessern sollte: Erst dann berichten, wenn es ein Mindestmaß an Fakten gibt. Einen Korrespondenten, eine Korrespondentin, die 500 km entfernt ein Ereignis kommentieren soll, kann das nicht seriös, ohne wiederum auf unter Umständen manipulierte Medien zurückgreifen zu müssen.
Was mich aber vor allem stört ist diese unfassbare Arroganz eines Christian Nitsche, der damit exakt das Gegenteil dessen erreicht, was er als notwendig erachtet. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk, der dringender benötigt wird denn je, nimmt mit solchen Personen einen lange Zeit irreversiblen Schaden. Statt mit journalistischer Arbeit verloren gegangenes Vertrauen zurück zu gewinnen, gefällt man sich in der Rolle des selbstgefälligen Alleswissers (das hat Stefan Niggemeier schon ausführlich beschrieben).
Pegida
Geradezu hysterisch reagieren die Medien derzeit in Bezug auf die Pegida-Bewegung. Es ist wohl einfach zu verführerisch sich derart billig sein Mütchen zu kühlen und diese Leute pauschal als Nazis oder sonstwie Gescheiterte zu denunzieren. So sturzbachartig der Wert des russischen Rubels derzeit kollabiert, so stark stürzt Preis der »Meinung« des Gesinnungsmainstreams unter die normal üblichen 2 Cent. Wenn sich Jürgen Trittin und Franz-Josef Wagner in ihrer Sprache annähern, kann man beruhigt sein – oder, wie ich, eben nicht. Dass Spiegel- oder tagesschau-Redakteure nicht verstehen können, dass ein 61jähriger, der 40 Jahre gearbeitet hat, verbittert ist ob einer Hartz-IV-ähnlichen Rente und diese Stellungnahme als Indiz für die »wirre Welt« der Pegida-Demonstranten heranzieht, zeigt mehr als alles andere die beträchtliche Entfernung dieser Journalisten von der sogenannten Bevölkerung.
Pegida hat es immer gegeben. Man nannte das früher Stammtisch. Die Leute waren verteilt im ganzen Land; niemand nahm davon großartig Notiz. Man trank sein Bier und ging. Die neuen Medien kanalisieren, bündeln solche Bewegungen. Sie sind nicht der Untergang des Abendlandes. Wenn man sie dazu erklärt, füttert man sie. Pegida pauschalisiert – ihnen jedoch ebenso pauschal zu begegnen, ist nicht besser. Das sich in ihren Kreisen Neonazis oder Rechtsnationale tummeln darf nicht als Argument dazu dienen, alle anderen in Bausch und Bogen zu verdammen. Auch hier sollte man sich eines anderen, differenzierteren Duktus bedienen.
Pegida kann man nur durch gezielte und lückenlose Informationen versuchen, auszutrocknen. Hierzu sollten vor allem öffentlich-rechtliche Medien dienen; emphatisch gesagt liegt hierin ihr Auftrag. Mit abgehobenen Pfauen wie Christian Nitsche muss man sich über diesen Programmauftrag große Sorgen machen.
Dieser Christian-Nitsche-Kommentar ist mir auch aufgefallen und auch ich wollte mich an ihm abarbeiten. Das hast Du mir jetzt aber abgenommen, überzeugender als ich es je könnte, einfach weil ich bei so einer blasierten Publikumsbeschimpfung sofort polemisch reagiere. Einen Satz in Deiner Ausführung allerdings möchte ich anzweifeln. Du schreibst: ...»Ich bin auch nicht der Meinung, dass die öffentlich-rechtlichen Anstalten bewusst manipulativ bspw. von der Ukraine-Krise berichten...«
Die manipulieren ganz bewußt!
Zunächst vielen Dank für diese klare Analyse der Äußerungen eines überheblichen Dummkopfes der ARD. Mir ist bei der Überschrift »Wer Angst sät, will Macht ausüben« spontan der Alarmismus eingefallen, mit dem seitens Politik und Medien vor Islamismus, Salafisten, Terrorgefahr bis hin zur Terror-Ampeln in den USA, Putin, Internetkriminalität etc. eingefallen. Insofern muss man Nitsche für die Feststellung dankbar sein, dass es bei diesen Verlautbarungen nur um eines geht: um Macht. Allerdings wohl weniger um die Macht des Volkes, das ja, folgt man Nitsche, eh blöd ist, wenn es nicht als Journalist tätig ist.
»Eine starke Gemeinschaft ist nie eine ängstliche, die sich selbst mürbe macht und misstraut.«
Und so sind wir von 1933 nach 1939 gekommen. Die Besten der Besten der Besten, Sir!
Gesunde Mistrauen ist der Basis der Demokratie, nicht ihr Untergang.
Ich bin überrascht, dass die Ablehnung und das Misstrauen ggü den Top-Medien schon ins Innere der Redaktionen durch gedrungen ist. Das ist ein eminent wichtiger Vorgang. Die Meinungsführerschaft wurde angetastet, und das stellt eindeutig eine Erschütterung ihrer (Selbst-)Legitimation dar.
Das muss man Pegida lassen. Die haben schon jetzt etwas bewirkt.
Daran wird man sich erinnern. Wie hat das funktioniert, mit Gesprächen, mit Diskursen?! – - Nein, mit Abgrenzung, mit Kommunikationsverzicht. Wir, aber nicht: ihr... Wirft ein völlig neues Licht auf die Personalpronomen, nicht wahr, Herr Nitsche?!
@blackconti
Journalisten unterliegen Zwängen. Der schlimmste Zwang dürfte sein, dass man ständig neues Material zu »produzieren« hat. Man kann das schon bei Luyendijk nachlesen, der in den 1990ern Auslandskorrespondent war. Inzwischen hat sich das potenziert. Die Redaktionen verlangen dabei kurze, aber knackige Statements. Wenn man jedoch ständig Beiträge zu verfassen hat, unterliegt man am Ende womöglich seiner eigenen komplexitätsreduzierenden Berichterstattung. Es ist eine Art Selbsthypnose. Man merkt dann gar nicht mehr, wie man sozusagen einseitig wird; Zeit zur Reflexion gibt es kaum. Daher glaube ich, dass die Einseitigkeiten in Berichterstattungen in den seltensten Fällen ideologischer Natur und/oder beabsichtigt sind. Mir ist das während der Jugoslawien-Kriege in den 90ern aufgefallen: Als die Korrespondenten aus den Krisen- und Kriegsgebieten mit einem gewissen zeitlichen Abstand berichteten wurden ihre Beiträge aus- und abgewogener.
@die kalte Sophie
Guter Gedanke. Abgrenzung und Kommunikationsverzicht sind übrigens fast synonym für soziale Medien. Hier bleibt man auch lieber unter sich. Ich merke das sehr deutlich – u. a. auch an mir. Jetzt bin ich allerdings kein Journalist, der für Pluralität sozusagen bezahlt wird.
Im übrigen war die Abgrenzung gegenüber rechten Gruppierungen und Parteien in der Vergangenheit durchaus erfolgreich. Hinzu kam, dass sich diese Leute fast immer selber zerlegt haben. Einiger spricht dafür, dass es auch diesmal klappt. Bis dann wieder irgendwann ein anderer die gleiche Sau durchs Dorf treibt. Man kann nur hoffen, dass das nicht irgendwann ein Haider wird.
Danke!
Wenn Herr Nitsche Größe hat, sollte er hier Stellung nehmen.
Auch ich hatte den Eindruck, Leute wie Nitsche, also viele Journalisten, halten uns Nicht-ihrem-Zirkel-Angehörige für ahnungslose Deppen. Die haben immer noch nicht mitbekommen, dass man heute schnell und mehr als ausreichende Informationen im Netz bekommt, die oft (ZU oft) die offiziellen Nachrichten widerlegen, wenn’s nicht gar der gesunde Menschenverstand oder eine Lebenserfahrung bereits tun. Ich informier’ mich heute mehr bei z.B. Fefe als dass ich die Tagesschau gucke (oder ihr gar glaube).
Auch abseits von der Politik fällt mir immer wieder Blödsinn auf. Da wird in den offiziellen 12-Uhr-Nachrichten des Kulturradios »Django Reinhardt« als »Flamenco-Spieler« (!) vorgestellt. Solch’ Ahnungslosigkeit bis Dummheit ist leider keine Ausnahme, wie ich als passionierter Radiohörer feststellen muss. Und der Eintrag in meiner Zitatensammlung wird allzuoft bestätigt: »Er ist dumm wie drei Journalisten.«
Will sagen: Es muss keine Verschwörung sein, es kann auch ’ne Mischung zwischen Ahnungslosigkeit, Faulheit und Borniertheit sein. Die natürlich von interessierter Seite gerne genutzt wird.
@Theo
Das wird er schon aus Statusgründen niemals tun. Man antwortet ja selbst im eigenen Blog nicht mehr auf die Kommentare.
@Klaus D. Mueller
Genau diese Nachlässigkeiten und Dummheiten beobachte ich auch.
Pingback: Märchenschau bezeichnet chinesische Investitionen in Osteuropa als “Problem” für die EU | Ein Parteibuch
»Journalisten unterliegen Zwängen.«
Bitte nicht sowas als Entschuldigung für die Propaganda dieser Leute nutzen. JEDER Mensch der nicht Journalist ist, unterliegt ebenfalls Zwängen: anderen, größeren, kleineren...
Niemand (?) zwingt diese Journalisten, in jedem ihrer Berichte die eine Seite automatisch als Böse, die andere immer automatisch als die Guten hinzustellen, mittels passender Adjektive und Verben. Nee, das sind keine »Zwänge«, das ist entweder Überzeugung ... oder?
...oder doch http://homment.com/atlantikbruecke
etc.
Naja, die Sache mit der Atlantikbrücke halte ich für aufgebauscht. Dass Journalisten wie jeder andere auch ihre Überzeugungen haben, ist nicht verwerflich. Man muss auch unterscheiden zwischen Redakteuren und Korrespondenten. Letztere meinte ich, als ich die vor allem zeitlichen Zwänge ansprach und Luyendijk ins Spiel brachte, dessen Buch ungeachtet der zeitlichen Distanz immer noch lesenswert ist.
Was bei den meisten Reportern unterbleibt ist die Einordnung des Geschehens in einen Kontext. Das kann dieser Journalist aber oft genug nicht leisten und es ist auch – platt gesagt – gar nicht seine Aufgabe. Er beschreibt ein Gefecht in der Ostukraine, befragt die Menschen dort – warum dieser Konflikt dort ausgebrochen ist, kann er nicht referieren. Das meine ich mit Komplexitätsreduzierung: Es gibt einen Augenblick-Journalismus und einen Reflexions-Journalismus. Wenn Letzterer aus Aktualiätsgründen auf der Strecke bleibt, kommt das Bild in Schieflage. Dass sich jetzt alle über die Ukraine-Berichterstattung aufregen, ist sehr merkwürdig-. Mit gleichem Recht hätte man sich über die Jugoslawien-Berichterstattung der 90er Jahre echauffieren können (auch hier kannte man nur ein Feindbild).
Diese Organisation Atlantikbrücke ist in der Tat sonderbar. Es scheint ein tiefgreifendes Bedürfnis nach Anerkennung, nach Zugehörigkeit zum westlichen Lager zu geben. Das ist keineswegs interessen-neutral, da muss ich Klaus Mueller zustimmen. Da schimmert immer noch der deutsche Identitätsverlust nach WK II durch, die fast zwingende Orientierung an Amerika, dem alternativ-losen Befreier. Ein deutsches Sonderphänomen, das genau heute ein negatives Feedback aussendet, wo Amerika und Europa verschiedene Wege gehen. Für mich sieht es so aus, als ob der Westen (schon der Begriff kommt aus Amerika!) kollabiert. Das kriegen sogar die Journalisten mit, ausnahmsweise.
“Die Herrschenden werden aufhören zu herrschen, wenn die Kriechenden aufhören zu kriechen.”
Gefällt mir besser ..und passen tut es auch !!
Bin gespannt auf diese « Journalisten « wenn Pegida 100.000 Teilnehmer hat...wir werden überrascht sein wie schnell diese Hofpropagandisten »schwitschen ».
hallo, ich lese heute deinen blog das erste mal und ich werde wieder kommen! genau so wünscht man sich journalismus, danke sehr dafür!
du schreibst:
»Ich bin auch nicht der Meinung, dass die öffentlich-rechtlichen Anstalten bewusst manipulativ bspw. von der Ukraine-Krise berichten…«
ich schon!
und sie tun das in vollster überzeugung und wiederholt.
Seit heute 10:43 wird auf dem Tageschaublog unter dem Nitsche-Artikel nix mehr veröffentlicht (?!)
(Auch meiner nicht, von etwa 11 Uhr)
»Dass Journalisten wie jeder andere auch ihre Überzeugungen haben, ist nicht verwerflich.«
Aber: alle dieselbe?
@Klaus D. Moeller
Der Nitsche-Beitrag hatte bis gestern abend nur 1 Kommentar; dann sind welche dazu gekommen. Beim tagesschau-blog kommt es (übrigens wie bei der FAZ) darauf an, wer gerade Dienst hat und die Kommentare freischaltet.
Noch einmal zur einheitlichen Meinung: Die Journalistin Mira Beham hat in ihrem Buch »Kriegstrommeln« die Propagandaaktivitäten zu diversen Kriegen und Konflikten analysiert. Irgendwo wurde sie einmal darauf angesprochen, warum in den meisten westlichen Medien Serbien als der Alleinschuldige genannt und entsprechend berichtet wurde. Hierfür gab es zwei Gründe: Zum einen hatten die anderen Konfliktparteien sehr früh PR-Agenturen eingesetzt, die mit allerlei Möglichkeiten bspw. auch bei Politikern die »richtige« Stimmung erzeugten. Zum anderen, und das ist nicht zu vernachlässigen: Die Serben schotteten sich gegenüber Journalisten lange Zeit ab. Man verweigerte Interviews, Auskünfte, veranstaltete keine »Pressekonferenzen«, usw. Das führte fast automatisch dazu, dass diese Sicht der Dinge schlichtweg nicht vorkam.
Sehr gute Exegese. Trifft die Sache auf den Punkt. Pauschalisieren ist feinster Stammtisch. Ich habe sogar das Gefühl, das die Politik eigentlich froh ist, das sich der Zorn der PEGIDA gegen Ausländer richtet. Damit ist diese aus dem Schneider. Damit ist es umso wichtiger, das die Medien dem tieferen Sinn der Bewegung erfassen und berichten.
Der Beitrag ist nicht nur am 16.12. um 11:10 im Tagesschau-Blog publiziert worden, sondern auch als direkter Beitrag auf tagesschau.de schon am 15.12. um 15:04. Während in dem Blog »nur« 33 Kommentare auftauchen, sind dies auf der Hauptseite 124 und die Kommentierung wird als beendet angezeigt. Der letze Kommentar stammt vom 15.12 um 23:02.
Bemerkenswerte finde ich, dass die Ablehnungsquote stalinistische Quoten erreicht. Kein Geplenkel zwischen links und rechts, progressiv und konservativ, wie und auch immer. Ich bin sehr gespannt, ob auf diese Demonstration der Zuschauer eine Reaktion kommen wird. Wie auch immer man die Qualität der Einwürfe beurteilt, bei 100% Ablehnung muss man sich als Empfänger der Demokratieabgabe irgendwie verhalten.
Gniffke hat auch auf eine große Kommentarlawine um den »einsamen« Putin keinerlei Reaktion gezeigt. Man gibt sich da ganz aristokratisch.
Stichwort Qualitätsmedien am Beispiel »Brennpunkt«, eine kleine Sezierung.
Gestern Abend hat es die ARD bzw. der MDR geschafft, eine ganze Sendung http://web.archive.org/web/20151029123353/http://www.tagesschau.de/ausland/terroranschlag-pakistan-111.html zum Schulattentat in Peschawar ohne eine einzige Sekunde eigenen Bild- und Tonmaterials aus der Region auszustrahlen, abgesehen vielleicht von ein paar Sekunden eines Interviews mit einer pakistanischen Politikerin. Weder hatten sie eigene Aufnahmen von dort noch war der Korrespondent (vorgestellt mit den Worten: »Jürgen Osterhage ist unser Korrespondent für die gesamte Krisenregion« – aha!) vor Ort, der in der Sendung einen Redeanteil von insgesamt 65 Sekunden hatte, nein, er war noch nicht mal in Pakistan, sondern in Indien in Neu Delhi, 900km von Peschawar entfernt. Das letzte Mal war er vor 2 Wochen in Pakistan, zu Peschawar konnte er gar nichts sagen, stattdessen schilderte er in dramatischen Worten ein vor einiger Zeit erfolgtes Selbstmordattentat an einer indisch-pakistanische Grenzstation. Man schaue sich das mal an, wie er sogar eine dramaturgische Pause in seine Rede einbaut, um den Horror des Anschlags zu betonen. Eine ähnliche Dramatik des Off-Sprechers (»Fieberhaft kämpfen Ärzte…«, »einzig Zufall und Glück entscheiden über Leben und Tod…« usw.) ist beim ersten zusammenfassenden Einspielerfilm zu beobachten. Möglichst dramatisch muss es sein beim MDR.
Dann ein zusammengestellter Archivfilm über die Taliban und anschließend natürlich das obligatorische Expertengespräch, das von einem Vertreter der »Stiftung Wissenschaft und Politik« (SWP) bestritten wird, also eines (des mächtigsten?) die Bundesregierung beratenden Think Tanks aus Berlin, der schon mal eine internationale militärische Intervention, notfalls auch ohne UN-Mandat, in Syrien gefordert hat und der mit der Forderung aufgefallen ist, Deutschland müsse endlich mehr Macht und Verantwortung übernehmen (https://de.wikipedia.org/wiki/Stiftung_Wissenschaft_und_Politik#Projekt_.22Neue_Macht_-_Neue_Verantwortung.22). Besondere Neuigkeiten oder Hintergründe brachte der »Experte« mit einem Redeanteil von insgesamt 83 Sekunden aber auch nicht, außer vielleicht dass man (Pakistan, USA, Afghanistan) jetzt (endlich) länder- und grenzübergreifend gegen die Taliban tätig wird (na sowas, das fordern die Amerikaner von Pakistan ja schon länger). Wie sie wohl auf den gekommen sind?
Und schließlich noch »erste Reaktionen aus Washington«: Kameraschwenk auf das Weiße Haus, Drohnenbilder, ein zwei Wochen altes Foto von Kerry mit Pakistans Armeechef in Washington und dann eine aktuelle Aufnahme ‑wahrscheinlich aber auch kein eigenes Material- von Kerry in – London, wo er sich zu dem Zeitpunkt gerade aufhielt, darauf hingewiesen wurde aber im Brennpunkt an der Stelle nicht.
Der ganze Brennpunkt ist ein ziemlicher Käse, es gäbe noch mehr zu kritisieren, z.B. dass der Moderator am Anfang der Sendung sagt, dass es »kein Zufall« sei, dass die Taliban eine Schule überfallen würden, denn Schulen wären ja in deren Augen »westlich dekadent und unislamisch« (diese Formulierung stammt vermutlich auch aus einer Tickermeldung und wurde vom Moderator lediglich übernommen und abgeändert, siehe beispielsweise http://www.n‑tv.de/politik/Militaer-toetet-alle-Angreifer-in-Peshawar-article14165706.html letzter Satz, da drunter stehen die Quellen, man suche nach »westlich dekadent unislamisch« und finde seitenweise Links zu aktuellen Artikeln mit einer ähnlichen Formulierung), es dann aber später in der Sendung heißt, die Schule wäre von der pakistanischen Armee (!) betrieben worden und die Taliban hätten sie aus Rache (!) wegen der militärischen Offensive in Nordwaziristan überfallen, zudem war sie wohl ein vergleichsweise leichtes Ziel. Also, was nun, westliche Dekadenz oder Rache oder beides? Man weiß es nicht.
Fazit: Keine neuen Erkenntnisse oder erhellenden Hintergründe, stattdessen Drama, Tränendrüse und der Kampf gegen Terror geht natürlich auch weiter. Mit einer derartigen Mischung aus Nachlässigkeit gutbezahlter Fernsehredakteure und einer zumindest in meinen Augen eigenwilligen redaktionellen Auswahl und der Zusammenstellung dieser Themensendungen (warum gab es beispielsweise keinen Brennpunkt zum Rubelverfall? Oder zum CIA-Folterbericht, immerhin waren davon ja auch ein Deutscher und ein in Deutschland geborener Türke betroffen? Warum ist ein Anschlag im entfernten Pakistan für uns Zuschauer derart wichtig, dass es dazu extra eine Sendung geben muss?) ist es kein Wunder, dass sich Zuschauer bei den Qualitätsmedien darüber beschweren.
»Ich bestreite nicht, dass es Versuche gibt, Meinungen im Netz zu manipulieren. Ich bin auch nicht der Meinung, dass die öffentlich-rechtlichen Anstalten bewusst manipulativ bspw. von der Ukraine-Krise berichten.«
Kurz: Es gibt Versuche, Meinungen im Netz zu manipulieren, aber ARD und ZDF tun das nicht. – Echt jetzt? Man muss eine Behauptung eben nur oft genug vortragen, dann wird sie auch gefressen und halbverdaut wieder hervorgewürgt, oder?
Wie kommt der Autor sonst zu dieser steilen These? Wenn von bewussten Manipulation der Meinungen die Rede ist, wird automatisch insinuiert, dies seien die ominösen Putin-Trolle. Von Obama-Trollen hat man seltsamerweise noch nie gehört. Wie kommt’s? Dabei ließe sich durchaus fragen, ob Schreiberlinge wie Kornelius, Joffe, Frankenberger oder Sprücheklopfer wie Kleber nicht genau solche Trolle sind. Und zwar nicht als reichlich wirkungslose anonyme Schreiber, sondern an einflussreicher Stelle. Und sind dem Autoren z. B. die Investitionen der CIA (In-Q-Tel) nicht bekannt in Software, die vollautomatisiert Forenbeiträge erstellt?
Kürzlich tauchte in diesem Zusammenhang die Frage auf, ob diese Massen, der in vielen Foren widersprechenden Leser bzw. Bürger, die Journalisten eventuell immer noch ein wenig weiter zusammenrücken lassen und letztendlich dazu verleiten könnten, aus verständlicher Angst oder fehlgeleiteter Rechthaberei, nicht nur einen Bundespräsidenten zu stürzen, sondern gar einen Krieg anzuzetteln…
(Dort wo man zu Gast ist, gehört es sich eigentlich nicht, am Inventar herumzunörgeln. Jedoch:1.Absatz ...Sympathisant von Pediga....)
Damit es nicht zu Missverständnissen kommt, eine kleine Vorrede: Normalerweise kommentiere ich nichts, weder hier noch anderswo, obwohl ich mich gerne auf Kommentarseiten herumtreibe. Diesmal jedoch möchte ich einen Kommentar abgeben; eigentlich nicht so sehr wegen des Artikels, sondern wegen der bislang veröffentlichten Kommentare darunter. Für meine Begriffe gibt es hier ein kleines Missverhältnis: während der verlinkte Nitsche-Artikel beinahe überkritisch betrachtet und nahezu jedes Wort auf die Goldwaage gelegt wird, wird mit dem hiesigen Artikel so überhaupt nicht umgegangen.
Es gibt eine Menge Punkte, für die man den Nitsche-Artikel kritisieren kann bzw. muss; aber vielleicht sollte man ihn nicht in Bausch und Bogen verdammen. Um mal ein Beispiel zu geben, eine kleine Anmerkung zu Ihrer Replik:
»Die Angst war in den 1980ern ein politischer Motor« steht in dem Artikel als Zwischenüberschrift und wahrscheinlich ist das durchaus richtig. Vielleicht ist sogar noch mehr richtig, nämlich dass Angst sehr viel häufiger als nur in den 80ern ein politischer Motor war. Vielleicht ist Angst sogar immer ein solcher Antreiber; wer will das genau sagen? Aber nur, weil es Fälle gibt, in denen Menschen aus Angst auf die Straße gegangen sind und gegen etwas demonstriert haben, von dem man heute eventuell denkt, dass es die »richtige Sache« war (z.B. Umweltschutz bzw. Ressourcenschohnung), muss man noch lange nicht denken, dass Angst als »Motor« tatsächlich nötig oder zumindest hilfreich ist. Trotz aller evolutionären Wichtigkeit der Angst (oder anderer Emotionen) sollte doch eines klar sein: Angst ist ein schlechter Ratgeber; Angst führt keine Debatten. Klar, sie löst vielleicht welche aus, treibt sie weiter an bzw. lässt sie im Gesprächt bleiben, aber sie sollte sie nicht bestimmen. Mit anderen Worten: die Debatte sollte (letztlich) die Angst ablösen; ein rationale (Auf-)Lösung eines (nicht zwingend irrationalen sondern eher a‑rationalen) Gefühls sollte angestrebt werden. Nur so verläßt man den Stammtisch. Und insofern ist es natürlich richtig, vor geschürter Angst bzw. Angst als Debattenführer zu warnen, wie Nitsche es tut; gerade angesichts all der Krisen, die es momentan zu beachten gibt. [Nichts anderes wird ja oft der Bild vorgeworfen (http://www.bildblog.de/62370/von-brandstiftern-zu-brandstiftern) und auch zurecht kritisiert.]
Selbstverständlich glaube ich nicht, dass hier eine kleine Apologetik der Angst verfasst werden sollte; aber das Potential zu einem Missverständnis ist allemal gegeben.
@ Jan et altera
Also, da muss ich Gregor beispringen: eine Kritik muss nicht ausgewogen sein, sie ist erst recht nicht dialektisch. Dann verliert sie ihre Funktion, wird Abhandlung, Reflexion.
Ich finde den Versuch einer Vermittlung (Jan) auch nicht zu 100% gelungen. Der Vorwurf ergeht an Pegida und konsorten: Angst ist ein schlechtes, ein unfaires, ein unlauteres Instrument in Debatte und Politik. Und das halte ich für grundverkehrt, ja, ein Scheinargument auf der Basis massiver Ignoranz.
Was hätte Nitsche denn gesagt, bei dem Einwand: die Angst ist echt, das sind keine Angst-Claquere, Zitter-Perser?!
Ganz klar, in bestem Politbüro-Deutsch: natürlich muss man die Ängste der Bevölkerung ernst nehmen...
Ich souflier’ das mal zur Deutlichkeit: ...aber für »unsere« Politik sind deren Ängste völlig belanglos. –Ich muss da an die Psychoanalyse verweisen: Ignoranz von Gefühlen ist der Anfang vom Ende der ...Freundschaft.
Zunächst bin ich froh, dass sich langsam eine kritische Masse (und damit meine ich nicht Pegida) herausbildet, die nicht mehr alles ungekaut schluckt, was ihr an Einheitsbrei von den Qualitätsmedien vorgesetzt wird. Vor einigen Monaten dachte ich noch, dass es einfach nicht wahr sein kann, dass offenbar keiner merkt welche absurden Züge die Berichterstattung annimmt.
Antworten vom Kollegen Nitsche auf Programmbeschwerden sind so wenig von Sachkompetenz, Diskursbereitschaft und Anstand gegenüber den Rezipienten geprägt, dass es schwer fällt bei der weiterführenden Konversation die Contenance zu wahren. https://publikumskonferenz.de/forum/viewtopic.php?f=30&t=110&p=1081#p758
Getoppt wird das Ganze nur noch durch Antworten von Kai Gniffge: https://publikumskonferenz.de/forum/viewtopic.php?f=30&t=174&p=1367#p1213
Unseren, durchweg mit Beweisen untermauerten, Beschwerden wird aus fadenscheinigen Gründen, absurdesten Argumentationen und unglaublichen herumlavieren der Programmverantwortlichen und Intendanten nicht abgeholfen. Die Rundfunk- und Fernsehräte als gesetzliche Interessenvertreter (!) des Publikums werden sich voraussichtlich diesen (Fehl-)Urteilen anschließen. (siehe https://publikumskonferenz.de/forum/viewtopic.php?f=30&t=127&p=1405#p717 – das ist der gleiche Sachverhalt, der die ARD bewogen hatte sich für eine Sendung der Tagesthemen im Mai – nach immerhin 5 Monaten – öfffentlich zu entschuldigen.) Sie alle vergessen, dass sie einen gesetzlichen Programmauftrag haben und von uns bezahlt werden. Der euphemistisch als Demokratieabgabe bezeichnete Rundfunkbeitrag finanziert neben Einkommensmillionären alles mögliche, aber keine Demokratie. Dass sich Redakteure erdreisten zu behaupten, Kritiker wollten die Pressefreiheit untergraben, ist ein weiterer Skandal. Die Pressefreiheit ist nicht nur Privileg, sie ist vor allem Verantwortung. Dass diese großartige Freiheit von Journalisten und Redakteuren nur unzureichend genutzt wird, ist inho das Hauptproblem.
@ die kalte Sophie
Ich gestehe, ich verstehe nicht, was »echte Angst« bedeuten soll. Manchmal spricht man ja von »berechtigter Angst« (auch wenn ich lieber »berechtigte Sorge« sagen würde) und meint damit die Angst vor/die Sorge um etwas, was in der Tat auch besorgniserregend ist. Berechtigte Ängste/Sorgen sind etwas, womit man in einer Debatte arbeiten kann; was an dem Zusatz »berechtigt« auch deutlich anklingt. Aber vor Leuten, die berechtigte Ängste schüren, scheint Nitsche mMn. nicht zu warnen (ich wüsste auch nicht, ob ich einen solchen Fall schon mal erlebt habe). Also kann es darum nicht gehen. Aber was heißt »echte Angst« dann? Dass sie tatsächlich empfunden wird? Und dass man (allein) deswegen bestimmte Meinungen bildet oder unterstützt und dafür auch auf die Straße geht? Das allein kann doch nicht genug sein; man würde doch auch eine Anti-Spinnen Demonstration von Arachnophobikern für albern halten, oder?
@Jan Koepping
Danke für Ihre Reaktion. Ich bin nicht ganz Ihrer Meinung, aber ich glaube auch, dass wir nicht weit voneinander entfernt sind.
Ich halte in bestimmten Grenzen Angst durchaus für einen politischen Motor – und auch für legitim. Die Frage ist, inwieweit diese Angst zu »falschen« politischen Entscheidungen führt. Wenn man ich die 80er Jahre vergegenwärtigt, war die Angst in der Bevölkerung relativ gesehen zur tatsächlichen Bedrohungslage sehr gross. Die Stichworte habe ich genannt: Waldsterben, Umweltkatastrophen, vor allem aber die Atomkriegsgefahr. Die Bevölkerung hat diese Ängste in Bürgerinitiativen und Demonstrationen artikuliert und politisch floss dies in die »Grünen« ein. Es war – trotz gelegentlicher Hysterien – eine fruchtbar gesteuerte Angst.
Wenn Sie schreiben, dass Debatten Angst »ablösen« soll, dann sind wir auf einer Linie. Dies impliziert jedoch das Vorhandensein von Ängsten. Jetzt gibt es irrationale Ängste und durchaus legitime, rationale Ängste. Hier beginnt Politik und hier liegt die Verantwortung der Medien. Wenn Nitsche vor Angst als Debattenführer warnt, so ist das nichts anderes als Heuchelei: Wer schwadroniert denn ständig von »Krieg gegen Terror«? Wer zeigt alle möglichen Massaker und Katastrophen? Wer betreibt denn das Geschäft mit der Angst, mit der Hysterie? Ich bin zu müde um Ihnen Titel der sogenannten Talkshows der ARD herauszusuchen – oft wird gerade dort mit Ängsten gespielt, scheinheilig hinter einem Fragezeichen verborgen.
Ich würde auch irgendwann einmal zu gerne einen Beitrag des Bildblog lesen, wenn wieder einmal irgendwo von den Ängsten anlässlich des Klimawandel die Rede ist und Horrorszenarien entworfen werden, deren Einlösung niemand zu kontrollieren vermag. Auch hier wird mit Ängsten gespielt um – ja, was: die Welt zu retten, Leute aufzurütteln?
Dass Angst ein schlechter Ratgeber ist, halte ich für eine wohlfeile Plattitüde. Sie zu negieren und abzutun, ist politisch fahrlässig.
@Wolfgang B
Vielen Dank für die Arbeit, die Sie sich mit dieser Sendung gemacht haben. Ich schau’ das gar nicht mehr. Osterhage als Korrespondent hatte ja wenige Minuten vorher ein Statement in der tagesschau verfasst. Ihn jetzt noch einmal zuzuschalten, ist natürlich Unsinn, da er nichts Neues sagen konnte. (Irgendwann sagte mal ein Korrespondent in einer solchen »Brennpunkt«-Sendung sichtlich genervt, dass sich seit seinem letzten Beitrag zehn Minuten vorher nicht verändert habe.)
Sendungen wie »Brennpunkt« oder »ZDF Spezial« bedienen eigentlich nur die Journalisten selber, die sich glauben, damit profilieren zu können. Der Zuschauer ärgert sich nur, weil alles später beginnt. Erkenntniswert: fast immer Null.
»Wer Angst sät, will Macht ausüben.« – genauer wurde das Programm des Massenmediums Fernsehen schon länger nicht mehr ausgedrückt. Dass der Mann glaubt, er rede nicht über seine Organisation, sondern über ominöse Hintermänner der Medienkritik macht die Sache noch klarer. Er hat also im Prinzip dasselbe Weltbild, das er seinen Kritikern vorwirft: Finstere Mächte im Hintergrund steuern die Marionetten, die im Vordergrund herumzappeln.
Das Wunderbare an PEGIDA – und deswegend sind die auch m. E. so unglaublich überrepräsentiert in den Medien, z. B. im Gegensatz zum Friedenswinter und den vielen Flüchtlingshilfe-Initiativen weit und breit: die passen sich dem bei Journalisten und Politikern verbreiteten Bild des vollverblödeten Konsumbürgers, dem man am besten so weit wie möglich von irgendeiner politischen Einflussnahme fernhält, ziemlich widerstandslos an. Die kauen genau den Unsinn wieder, der ihnen medial verfüttert wird – und dafür werden sie dann von den Vorkauern verachtet. (Von wo werden sie die Angst vor der Islamisierung wohl haben? von umsichtigen Reportagen über die Situation in Syrien und Irak oder in den gern genommenen Parallelgesellschaften in deutschen Großstädten sicherlich nicht. Und die Politik hat ja auch nix besseres zu tun, als die Zahl der Salafisten und IS-Sympatisanten bis auf die dritte Nachkommastelle zu beziffern und von Anschlagsrisiken zu warnen – bisher genauso imaginär wie die Islamisierung Europas. Wirklich aktiv war dagegen eine rechte Terrororganisation.) Wenn die PEGIAD Leute selbst keinen irgendwie operationlisierbaren Begriff von politischem Engagement hinkriegen werden, sind die nach Weihanchten Geschichte.
@Doktor D
Ich glaube auch, dass Pegida wunderbar in das Weltbild selbstzufriedener Zeitgenossen passt (man hätte das fast für sie erfinden müssen). Sie können einerseits ihr Mütchen kühlen und ihre Gesinnung wunderbar demonstrieren. Andererseits inszenieren sie sich als Fels in der Brandung. Gestern bei ZAPP konnte man die Selbstgefälligkeit von tagesschau bis taz wunderbar beobachten. Alarmierend ist ja, dass RT Deutsch inzwischen trotz des Wissens um seinen Propagandastatus als Alternative angesehen wird. Wer dann auf die Konfrontation mit den Zahlen über das gesunkene Vertrauen der Medien mit »interessant« antwortet hat den Knall nicht gehört. Das Interview mit Niggemeier wurde natürlich nur ausschnittweise gesendet. (Wobei: Auch er hält sich zuweilen nicht an seine Maxime der vorurteilsfreien Berichterstattung.)
@ Jan et altera
Also, was »echte Angst« ist, will ich gerne erklären. Es geht um die Bedeutung der Affekte, unverdrängter Emotionen in der Politik, und die (zur Debatte stehende) Möglichkeit, Ängste zu organisieren, oder (kritisch:) zu instrumentalisieren.
Mein Einwand ging dahin, dass eine kommunikative Anerkennung dieser Emotionen i.a. nicht reicht, um einen rationalen Austausch im Sinne bürgerlich-egalitärer Verständigung zu erzielen. Da bleibt das einzelne Subjekt immer außen vor. Die »Diskurse der Vernunft« können Regungen per se zwar ansprechen, aber nicht subsumieren im Sinne der Allgemeingültigkeit. Die Gewichtung, die der einzelne vornimmt, und der Trainingsstand in Sachen Rationalität sind höchst unterschiedlich.
Deshalb kann ich nur schmunzeln: natürlich verstehen Sie nicht, was »echte Angst« ist. Ganz einfach: Angst, die Sie NICHT haben.
Ich halte die Selbstbeschreibung von Journalismus als vorurteilsfreie Berichterstattung für das zentrale Problem: Die kann es nicht geben. Bestenfalls bekommen wir dieses zahnlose Position1 vs. Position 2‑Zeugs (was mal gut gehen kann, wenn 2 gute Schreiber aufeinander losgehen, aber sonst). Ganz schlimm ist das ja in den USA.
Journalisten sollten so selbstreflektiert sein, dass sie wissen, aus welcher Position sie schreiben – und das auch in die Arbeit einfliessen lassen. Wie wenige von ihnen scheinen zum Beispiel irgendeine Vorstellung davon zu haben, dass sie schon qua Habitus und Sozialisierung ein Problem haben, mit 3/4 der Republikbewohner zu kommunizieren? Sondern man sich dann entsprechend Mühe machen muss?
Als fleissige Anti-S21-Demonstrantin und Aktivistin in Stuttgart hatte ich mehrfach das »Vergnügen«, Gegenstand journalistischen Interesses zu werden. Die interessanteste Erfahrung: Selbst der frischeste journalistische Frischling mit gepflegt viertelsbildendem Medien-Bätscheler spricht mit dir als ob du ein Volldepp wärest – und zwar offensichtlich, weil du dich ernsthaft mit Haltung engagierst. Da kannst du ein wandelndes Lexikon des jeweils relevanten Sachgebietes sein oder seit Jahren der führende Experte in dem Bereich (das bezieht sich jetzt auf andere Mitstreiter, nicht mich) – alles egal, auch weil der Journo meist selbst gar nichts sachlich wirklich einordnen kann, qua Journalismus aber den Durchblick hat (ja, so dämlich ist das wirklich). Bis beispielsweise die Stuttgarter Zeitung diese Haltung aufgegeben hat, musste sie eine erkleckliche Zahl ihrer Abonnenten verlieren und sich auf div. Veranstaltungen mit ihrer journalistischen Qualität konfrontieren lassen. Und einer der Großjournalisten auf der Hamburger Titanic hat dann aus Leuten wie mir den Wutbürger gemacht. Ich ärgere mich heute noch, trotzdem immer nett und zuvorkommend gewesen zu sein.
Da haben wir einen Dissens. Ich glaube sehr wohl, dass ein Journalist ein Mindestmass an Neutralität einzuhalten hat. Er muss m. E. sogar in der Lage sein, sich in abseitig scheinende Sachverhalte mindestens versuchsweise einzuarbeiten. Das gilt besonders für Auslandskorrespondenten und auch für Krisen- oder Kriegsberichterstatter.
(Ich stelle selber bei Beiträgen zu diesem Blog manchmal fest, wie dies »funktioniert«. Ich habe eine These, die ich mich Fakten unterstützen möchte. Also arbeite ich – sofern ich keine anderen Materialien wie bspw. Bücher habe – mit Suchmaschinen. Immer Google, manchmal auch zusätzlich andere, weil es da gelegentlich schon einmal interessante Ergebnisse gab. Gelegentlich passiert es mir tatsächlich, dass es Suchergebnisse gibt, die sowohl meine These unterstützen als auch das Gegenteil – und das fast paritätisch. Dann geht man an die Gewichtung an; manchmal gibt es Redundanzen und einer schreibt vom anderen ab. Ist die Sache weiterhin ambivalent, gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder ich arbeite dialektisch und bringe dann erst meine Meinung ein. Oder ich stelle die These erst einmal zurück. – Wenn ich aber will, kann ich fast immer genug Material finden, dass mein Urteil trägt. Ich muss dann aber davon ausgehen, dass in den Kommentaren die Fakten nivelliert und relativiert werden – eben mit anderen Fakten. Was machen aber in solchen Fällen Journalisten, die für drei Radio- oder Fernsehsender zehn Beiträge am Tag machen müssen?)
Wie Niggemeier sagt: Das Problem nicht unbedingt darin, dass falsch oder irrig sondern schnell mit dem Brustton der Überzeugung berichtet wird, wo eine kühne Abwägung bzw. ein Konjunktiv notwendig wäre. Zur Not auch einfach mal garnix sagen.
Natürlich sind Journalisten Menschen, die Urteile, Vor-Urteile und grundlegende Überzeugungen haben. Aber sie müssen sich in ihrer Arbeit von persönlichen Sympathien oder Antipathien weitgehend befreien. Andernfalls geben sie unterschwellige Kommentare ab. Die brauch’ ich aber als Leser oder Zuhörer nicht unbedingt: Das Urteil möchte ich mir selber bilden. (Von den als solche deklarierten Kommentaren abgesehen: Die brauche ich wirklich nicht.)
Dazu passt ja die Beobachtung der Arroganz der Journalisten, die einem wie Deppen behandeln (ich habe das in anderem Zusammenhang auch schon erfahren und den Kontakt ganz schnell abgebrochen – und zwar nicht immer nett).
Wolfgang Michal hat das irgendwo neulich mal beschrieben: Fast alle jüngeren Journalisten sind verunsichert – nur die öffentlich-rechtlichen bekommen davon nichts mit. Sie sind in guter auch finanzieller Versorgung und brauchen sich nicht am Markt zu bewähren (das gilt auch für die Langzeit-Angestellten in der Zeit, SZ, FAZ, Spiegel, usw). Das ist einerseits gut – andererseits führt das aber zu einer Abgehobenheit, die fast schon so etwas wie eine Parallelwelt darstellt.
Ich glaube, unser Dissens ist klein: Neutralität ist möglich und gefordert, aber Objektivität nicht. Und ich denke auch, dass das System der Medien die Blindheit seiner Protagonisten für die eigenen Blindheiten fördert – für die Arrvierten und die Prekären. Sowas ist vlt. organisationssystematisch unvermeidlich (sagt jedenfalls die Systemtheorie), bloss steht man dann als Medium und als Journalist dem großen Wandel, der sich da gerade anbahnt, relativ wehrlos gegenüber. Aber immerhin haben die Ukraine-Krise und PEGIDA dazu geführt, dass auch der Kaiser der Idee näher tritt, es gäbe da mit seiner Garderobe ein Problem.
Ich vermute mit Pegida wird auch gleich die Journalismuskritik erledigt. Die Skandalisierung als »Lügenmedien«, die natürlich absoluter Unsinn ist, spielt den Kaisern in die Karten. Merkwürdigerweise werden, wenn es um TV und Radio geht, immer nur die öffentlich-rechtlichen Medien kritisiert. Das hat natürlich damit zu tun, dass diese praktisch per Zwangsabgabe finanziert werden. Hier zeigt sich, dass das nur die zweitbeste Lösung war, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu sichern.
Vielen Dank für die Antworten bzw. Kommentare.
@die kalte Sophie:
Aus Ihren Antworten werde ich leider nicht schlau. Mir ist zwar bewusst, dass es im weitesten Sinne um die »kommunikative Situation« geht, in welcher eine (diffuse oder berechtigte) Angst artikuliert wird, aber eigentlich dachte ich, mich dafür ausgesprochen zu haben, dass sich diese »kommunikative Situation« nur durch Auflösung der Angst tatsächlich zufriedenstellend bewältigen lässt. Meines Erachtens in der Regel dadurch, dass die Angst (bspw.) durch Aufklärung, oder durch das entschiedene Entgegenwirken zum angstauslösenden Problem genommen wird. Welche der beiden Methoden die richtigen sind, hängt dabei m.E. immer von der rationalen Bewertung des auslösenden Problems ab; und nie von irgendeiner Facette oder Charakteristik der Emotion selbst. Daher auch nach wie vor die kleine Meinungsverschiedenheit mit dem Hausherren, da er am Beispiel der 80er argumentiert, dass sogar eine (übertriebene) Angst allein zu etwas positivem führen kann. Aber damit sollte nicht gesagt sein, dass ich mich selbst in irgendeiner Art und Weise für »angstfrei« oder etwas in dieser Art halte. Auch wollte ich nicht sagen, dass mir diese Art der diffusen Ängste irgendwie neu oder unbekannt sind; große Teile der Sachen, die ich aus den Äußerungen der Pegida-Demonstranten gehörte habe, erinnern mich an die Ängste und Vorurteile der Generation meiner Großeltern, die ebenfalls das Gefühl hatten, benachteiligt und überfremdet zu werden. Dass ich diese Angst nicht teile ist doch nun wirklich nebensächlich.
@Gregor Keuschnig
Ich verstehe, was Sie meinen und wir sind in der Tat nicht weit auseinander. Nur meine Frage ist, ob sich bspw. diejenigen Ängste, die sich aktuell in den Pegida-Demonstrationen artikulieren, auch das Potential haben »fruchtbar gesteuerte Angst« zu werden? Nach wie vor: vielleicht kann eine Angst dazu führen, dass man »die Welt rettet«; eine andere Angst kann jedoch genauso gut zu brennenden Asylantenheimen führen. Was in diesem Sinne »gut« oder »schlecht« ist, scheint mir niemals die Angst selbst zu sein, sondern immer nur das, wovor Angst gehabt wird.
@ Jan Ich möchte ihren Optimismus nicht zersetzen, aber es erscheint mir nicht zeitgemäß, die Auflösung von Ängsten durch rationale Diskurse betreiben zu wollen. Ich kann nicht für alle sprechen, aber es erinnert mich an die Neunziger, wo man beflügelt war durch die Öffnung des Ostens. Das ist 20 Jahre her. Inzwischen herrscht ein gewisser Aufklärungs-Skeptizismus, wenn man so sagen kann. Klingt wie ein Oxymoron, trägt aber der Erfahrung Rechnung, dass die Wirkmächtigkeit von Rationalität stark begrenzt ist. Es hat sich eigentlich nur die »Skala« verändert, auf der man von einem Idealverhältnis (betreffend Rationalität – Kommunikation – verbindliches Handeln) sprechen kann. Da wachsen die Bäume nicht mehr in den Himmel, sprich die Breite gesellschaftlicher Verhältnisse wird nicht erfasst. Deshalb sind die Top-Medien auch in die Kritik geraten... Die versuchen es gar nicht mehr...
@JanKoepping
Es ist ja keinesfalls ausgemacht, dass Ängste in der Bevölkerung positiv gewendet werden können. Mein Beispiel mit den Grünen ist ein positives Beispiel (unabhängig davon, wie man die Grünen als politische Kraft aktuell sieht.) Man muss sie aber mindestens zur Kenntnis nehmen und nicht per se diffamieren. Damit begibt man sich auf das gleiche Niveau derer, die man vermeintlich kritisiert (ich sage damit nicht, dass Sie das tun).
Tatsächlich hat die »Sophie« schon ein bisschen den Nagel auf den Kopf getroffen. Selbst die Verfechter der Aufklärung glauben nicht mehr an diese und argumentieren nicht mehr, sondern beschränken sich auf Abwehr des »Bösen«. Das Internet schafft für die frierenden Stacheltiere die entsprechende Wärme.
Schöne Diskussion bislang, danke (vielleicht mag der eine oder andere öfter hier hereinlesen).
Emotionen (»Gefühle«) sind »intelligente« Begleiter und Motivatoren, die sich wie unser Verstand irren können, aber uns etwas über unsere Umwelt und uns selbst mitteilen, dass wir auf anderem Weg nicht erfahren (ich habe dazu vor einiger Zeit etwas gelesen, wenn es jemand genauer interessiert, suche ich das gerne heraus). — Ich würde sie daher (zunächst) nicht auflösen wollen, sondern als das nehmen was sie sind: Fehlbare Mitteilungen über das Subjekt und seine Umwelt. — Auch wenn sie stark sind, sollten wir sie nicht verallgemeinern, das ist wohl das Hauptproblem. Sie sind hinzunehmen, einzuordnen und zu befragen, aber keinesfalls zu leugnen. Das alles ist ein Vorgang, den das jeweilige Subjet leisten muss, das kann ihm niemand abnehmen. Wenn jemand beim Anblick einer verschleierten Frau Befremden empfindet ist das so. Das heißt aber nicht, dass man diese Menschen deswegen deportiert, einsperrt, verjagt oder beschimpft. Dennoch ist das, was Aufklärung hier leisten kann, beschränkt: Man kann verstehen, warum das getan wird, woher diese »Tradition« stammt, usw., wir alle kennen diese Diskussionen. Am Ende bedeutet das aber nicht, dass das Befremden verschwindet (außer man gewöhnt sich daran). Das Fremde ist fremd, weder gut noch böse, es sprengt diese Kategorien; man kann sich nur damit befassen und sehen wohin man kommt und das ist m.E. genau das was man tun soll. Das ist auch das, was ich Intellektualität nennen würde (auch wenn das nicht nur eine Frage des Verstandes ist, als Haltung, wenn man es so nennen möchte).
Was die Angst betrifft: Meinem Sprachverständnis nach ist die immer diffus und kausal kaum zu bestimmen (wenn es konkret wird, spreche ich von Furcht). —
Falls die ganzen Diskussionen vor, nach und über die Postmoderne etwas gebracht haben, dann vielleicht das: Auch Verstand und Aufklärung sind kritikwürdig, Erzählungen und Herrschaftsinstrumente (Auflösung, Zuweisung, Begriffsbildung!), aber doch nicht entbehrlich. Ohne Aufklärung geht es nicht (Beliebigkeit), aber daneben gilt es die »Rechte« des »Anderen« zu wahren; eine Welt die nur Logik, Rationalität und Systematik folgt, ist nicht notwendig lebenswert.
Was die Berichterstattung zur Ukraine betrifft: Das ist schon so viel »passiert«, dass man sich fragt, ob das nur Zufall ist. Aber: Eine systematische Manipulation kann und sollte bewiesen werden, das ist bislang nicht geschehen. Vielleicht ist das heute mit sozialen Medien, Nachrichten- und Werbeagenturen, Think Tanks und Stiftungen, etc. auch gar nicht mehr notwendig. Jedenfalls haben die Überzeugungen etlicher Journalisten (unreflektiert?) eine zu große Rolle gespielt (bei Joffe konnte man das ja schon im Zuge des Irakkriegs beobachten). Die Atlantikbrücke hat diese Überzeugungen wohl gefestigt, nach dem Motto: Wir sind die Guten. Wir! — Ihre Rolle objektiv zu beurteilen, ist für mich jedenfalls schwierig.
Ein wichtiger Hinweis: Der Unterschied zwischen Angst und Furcht – gelegentlich schwer zu trennen. In den 80ern hatten viele Leute tatsächlich Angst, was die Atomkrieggefahr anging. Furcht wird wohl eher im stillen Kämmerlein gepflegt – bei Angst bequemt man sich nach draußen (en passant: ich war noch niemals auf einer Demonstration, weil mir der stets der Motor dazu fehlte; die Angst?) Wobei es keine existentielle Angst ist; keine »Todesangst«.
Ich sehe die Zugehörigkeiten von Journalisten zu irgendwelchen vereinen eher entspannt an. Man merkt es meist deutlich an ihren Kommentaren. Josef Joffe war immer Atlantiker; Helmut Schmidt auch, aber er kritisierte die USA auch dort, wo es nottat, was Joffe, der Irakkriegbefürworter, nicht machte. Spätestens hier hatte er sich dann disqualifiziert für solche Einschätzungen.
Die Ukraine-Berichterstattung finde ich nicht schlimmer als es damals die Jugoslawien-Berichterstattung war. Letztere war noch arger, als sich ein deutscher Verteidigungsminister nicht entblödete, einem gefälschten Dokument eines osteuropäischen Geheimdienstes auf den Leim zu gehen. Aufgearbeitet wurde das in den Medien nie. Der Verteidigungsminister mußte irgendwann zurücktreten, weil er mit seiner Lebensgefährtin in einem Pool plantschte, während deutsche Soldaten in Afghanistan erschossen wurden. Sein Jugoslawien-Engagement wurde noch als Pluspunkt aufgeführt.
@die kalte Sophie
»es erscheint mir nicht zeitgemäß, die Auflösung von Ängsten durch rationale Diskurse betreiben zu wollen« [...] »Deshalb sind die Top-Medien auch in die Kritik geraten… Die versuchen es gar nicht mehr…«
Diese beiden Sätze empfinde ich als Widerspruch: Wieso sollte man irgendwen (z.B. die Mainstrem-Medien) für die Unterlassung von etwas kritisieren, was man ohnehin unnötig, verfehlt oder veraltet hält? Wenn man tatsächlich der Meinung ist, dass rationale Diskurse angesichts solcher Entwicklungen kein geeignetes Mittel mehr sind, wieso fordert man dann rationale Berichterstattung oder eine Aufarbeitung der Situation?
@Gregor Keuschnig
»Man muss sie [die Ängste] aber mindestens zur Kenntnis nehmen und nicht per se diffamieren.«
Das ist mir wohl zu wenig, wie man an den vorangehenden Posts gemerkt haben dürfte. Ich glaube zwar nicht, dass ich für eine Diffamierung von Ängsten geworben habe, allerdings können Sie meines Erachtens nicht einfach nur anerkannt werden. Im Gegensatz zu individuellen Ängsten, die man vielleicht schlicht auf sich beruhen lassen kann, sind doch solche gesellschaftlichen Ängste immer drauf und dran, eine
»Bewegung« nach sich zu ziehen. Man möchte aber, wie an dem Unterschied zwischen den Grünen und der Pegida-Unterstützer vielleicht augenscheinlich wird, vielleicht nicht immer eine Bewegung draus werden lassen. Daher klingt »zur Kenntnis nehmen« für mich zu sehr nach »hinnehmen«. Man spricht an dieser Stelle manchmal davon, dass eine tolerante Gesellschaft in der Lage sein muss, »so etwas auszuhalten«, was ich grundsätzlich auch unterschreibe. Das heißt m.E. allerdings nicht, dass man nicht trotzdem darauf aus sein kann, dagegen etwas zu unternehmen. Sonst würde man sich m.E. in einem falsch verstandenen ‘Pluralismus’ wiederfinden. (Klingt ein wenig nach dem alten Slogan »Rassismus ist keine Meinung«; so ist das auch gemeint.)
@ metepsilonema
»Falls die ganzen Diskussionen vor, nach und über die Postmoderne etwas gebracht haben, dann vielleicht das: Auch Verstand und Aufklärung sind kritikwürdig, Erzählungen und Herrschaftsinstrumente (Auflösung, Zuweisung, Begriffsbildung!), aber doch nicht entbehrlich. Ohne Aufklärung geht es nicht (Beliebigkeit), aber daneben gilt es die »Rechte« des »Anderen« zu wahren; eine Welt die nur Logik, Rationalität und Systematik folgt, ist nicht notwendig lebenswert.«
Das fasst es in meinem Sinne ganz gut zusammen (Danke dafür); trotz aller postmodernen »Auflösungserscheinungen« darf man nicht die Konsequenz ziehen, dass es egal ist, was man tut.
Ja, die Übergänge sind (manchmal) fließend, Furcht kann man besser begegnen. Angst kann auch lähmen und handlungsunfäghig machen (oder zumindest vor Entscheidungen zurückschrecken lassen). — »Politisch« wird die Angst erst wenn sie gesellschaftliche Bezugspunkte findet/kennt (die Leistung der Demagogen ist es nicht nur Ängste zu schüren, sondern sie zu lenken und so zu binden, dass sie relevant werden; wobei ich damit nicht meine, dass Angst in der Politik notwendig damit zusammenhängt).
Die Korrelationen (Kleber, etwa) und das Nichtoffenlegen (Bittner war das, so weit ich mich erinnere) sind schon interessant. Das ist wichtig zu wissen, auch wenn es nicht zwingend kausal ist. Es stellt sich nicht nur die Frage nach der Distanz (und damit der Berichterstattung), vielleicht haben solche Mitgliedschaften auch berufliche Auswirkungen, um höhere Positionen zu erreichen, wer weiß. Grundsätzlich müssen Journalisten natürlich auch in der Nähe der Mächtigen u.a. Personen sein, denn von dort gilt es zu berichten. — Letztendlich eine Frage persönlicher Integrität.
Ich habe die Berichterstattung zu den Jugoslawienkriegen nicht mehr gut genug im Kopf, mich damals wohl auch nicht intensiv genug damit befasst (zu den früheren 1995, usw., ohnehin nicht). — Aber geändert hat sich in der medialen Welt seit den Neunzigern und heute schon einiges.
@JanKoepping
Gesellschaftliche Ängste stelle ich mir als Summe individueller vor, die mit einander wechselwirken und dann eine Art kommunizierbare »Entität« bilden an der man andocken kann: Man schließt sich über diese Ängste zusammen, die dann politisch wirksam werden können (wobei die erwachsenden politischen Forderungen dann ein zusätzliches Band werden und eine zusätzliche Andockmöglichkeit; das erklärt vielleicht auch warum manche Bewegungen heterogen sind).
Das kann, muss aber mit der Realität nichts (besser: wenig) zu tun haben; die individuellen Ängste bestätigen sich aber gegenseitig, wenn sie auf einander treffen. Einen Umgang damit kann man im Allgemeinen kaum festlegen, wie soll man auch, eine Demokratie zeichnet sich ja gerade dadurch aus, das solche Kräfte in einem definierten Rahmen einen Platz finden (ob als gewaltfreie Demonstration oder politische Bewegung, ist gleich). — Die Gesellschaft muss sich damit auseinandersetzen, eine Verbannung (oder Diffamierung, aber das sind wir eh einer Meinung) drängt dies in den Bereich des »gesellschaftlichen (kollektiven) Unbewussten«. Vielleicht ist die Möglichkeit der Artikulation auch schon der Beginn des emotionalen Abbaus; jedenfalls ist die Auseinandersetzung, Prüfung und (eventuelle) politische Manifestation ein Bestandteil unserer öffentlichen politischen Entscheidungsfindung. — Ich möchte da für eine gewisse Offenheit und Unbestimmtheit plädieren.
@ metepsilomena: »Wenn jemand beim Anblick einer verschleierten Frau Befremden empfindet ist das so.«
Giordano hat sie Pinguine genannt. Das finde ich fehl am Platze.
Ja, ist es (man muss sich immer klar darüber werden, wo man spricht: innerhalb der vier Wände, in der Öffentlichkeit oder Halböffentlichkeit...). — Grundsätzlich fällt es in den Bereich der Meinungsäußerung, der auch sanktionierbar ist (wobei ich der Ansicht bin, dass man nicht immer höflich, lieb und freundlich sein muss).
Wertvolle Diskussion, in der Tat.
@ Jan. Stimmt, Sie haben den Widerspruch in mir exakt bestimmt. Da muss ich fast nichts dazu sagen, außer vielleicht: meine Erwartung richtet sich natürlich auf einen Abgleich der zeitgenössischen Diskurs-Voraussetzungen. Wir sollten geistesgeschichtlich alle ungefähr auf derselben Linie sein. Ich sehe mich als geläuterten Rationalisten, während ich die federführende Phalanx der Konsens-Umschreiber als parteiische Erbverprasser erlebe, welche die gute Sache der Aufklärung in den Nebel der Stellungskriege verschleppen. Es sind keine Aufklärer, die Qualität, die Mangelhaftigkeit ihrer Arbeit spricht für sich. Sie benutzen dieselben Begriffe und Selbstbeschreibungen, aber ich bin nicht bereit, dieses anzuerkennen.
Dazu kommt, dass Intellektuelle ein eigener Typus Mensch sind, zu denen ich mich selbst zähle, und zu dem gewiss auch die besagten Meinungsmacher gehören. Es gibt eine urtümliche Ähnlichkeit zwischen »uns«, die eben jenen Konflikt (=Widerspruch) in mir begründet. Es sind, wenn Sie so wollen, Menschen meines Schlages, aber Sie erledigen nicht die Aufgabe, die uns zufällt. Das kann ich nicht hinnehmen. Deshalb bin ich hin und her gerissen zwischen Abscheu und Engagement.
@JanKoepping
Daher klingt »zur Kenntnis nehmen« für mich zu sehr nach »hinnehmen«. Man spricht an dieser Stelle manchmal davon, dass eine tolerante Gesellschaft in der Lage sein muss, »so etwas auszuhalten«, was ich grundsätzlich auch unterschreibe. Das heißt m.E. allerdings nicht, dass man nicht trotzdem darauf aus sein kann, dagegen etwas zu unternehmen.
Ich frage mich immer mehr, was man denn »dagegen« zu »unternehmen« gedenkt? Broder, mit dem mich eigentlich nicht viel verbindet, weist darauf hin, dass von Pegida wohl noch keinerlei straftatbewährte Aktion ausgegangen sein soll. Was wollen Sie denn »unternehmen«? Wegsperren? (NB: Broders Hinweis auf den Paternalismus unterschreibe ich auch.)
@holio
»Pinguine« ist hart. Es gibt in dem Stadtteil in dem ich lebe mindestens zwei Frauen die einen Tschador mit Gesichtsschleier tragen. Man sieht also nur einen Sehschlitz; der Körper ist ansonsten vollständig schwarz umhüllt. Die Frauen kann ich nur unterscheiden, weil eine recht klein ist und die andere etwas beleibt. Zum ersten Mal sah ich die kleinere in der U‑Bahn mit einem Kinderwagen. Es war ungefähr zwei Wochen nach Aschermittwoch. Spontan fiel mir ein, dass da jemand im Kostüm herumlief. Nach zwei Sekunden wusste ich, dass das nicht stimmte.
Ich halte diese Form der Kleiderordnung für sehr gewöhnungsbedürftig. Wieder fiel mir Broder ein, der einmal sinngemäss sagte, er akzeptiere das erst, wenn seine Tochter im Gegenzug im Bikini durch Riad/Saudi Arabien gehen dürfe. Das ist übertrieben und polemisch, gibt aber gut die Stimmung wieder. Ich gestehe, dass ich das zwar toleriere, aber nicht akzeptiere.
@metepsilonema
Aber geändert hat sich in der medialen Welt seit den Neunzigern und heute schon einiges.
Jein. Ich gehe mal von den sogenannten Mainstreammedien aus: Geändert hat sich für mein Dafürhalten dahingehend wenig, weil es fast immer und zu allen Konflikten relativ schnell eine fast einhellige Meinungsrichtung gibt. Der Unterschied zu 1995ff besteht vielleicht dahingehend, dass Affekte noch verstärkt werden. Der Trend zur uniformen Berichterstattung ist aber m. E. geblieben. Vielleicht ist er immanent.
@Gregor Keuschnig
Nein, nein. Natürlich nicht wegsperren. Sondern immer und immer wieder das Gespräch suchen, Statistiken hervorholen, argumentieren, Ängste nehmen und dabei stets sachlich und unaufgeregt bleiben. Mehr hatte ich nicht im Sinn. Mein Problem mit diesen Demonstrationen rührt ja nicht primär daher, dass sich dort Ängste artikulieren, sondern dass begleitend die üblichen Einstiege in eine Debatte versperrt werden. In der Begrifflichkeit der vorigen Posts: die »Umwandlung« der Ängste in einen Diskurs werden versperrt. Trotzdem muss man es wohl versuchen.
@die kalte Sophie
Ich verstehe. Dem gibt es von meiner Seite auch nichts hinzuzufügen, ich weiß genau, was Sie meinen. Es kann m.E. nur um die richtige Balance gehen; was schon schwer genug ist.