Dieter Wedel hat einen Film über die »Gier« gemacht. Über Finanzjongleure, die Anlegern sagenhafte Renditen versprechen. Wobei die meisten dieser Anleger den Unterschied zwischen Rendite und Gewinn noch nicht einmal so genau kennen, weshalb man die vereinfachende Formulierung »Faktor« verwendet. »Faktor 13« bedeutet, dass man das 13fache des »eingesetzten« Geldes zurückbekommen soll. Bei dieser Art Versprechen fragt offensichtlich niemand, wie dies geschehen soll. Die Antizipation des erwartenden Gewinns genügt zuerst einmal.
Natürlich gibt es hingegen allen Beteuerungen ein Vorbild für die Figur von Wedels Dieter Glanz. Dieses Vorbild heißt Jürgen Harksen. Aber weil Wedel eben Wedel ist, reicht ihm die bloße Darstellung des Gewesenen nicht aus. Glanz bekommt Züge des Gordon Gekko aus »Wall Street« und die Beziehung zum eigentlich unbedeutenden Immobilienmakler Schroth (man erinnert sich sofort an Bud Fox aus »Wall Street«) ist in einigen Szenen fast vom Stone-Film von 1987 plagiiert. Um das besonders Deutsche herauszustellen gibt Wedel seinem Dieter Glanz einen Schäferhund zur Seite – seinen einzigen Freund, der nicht danach fragt, ob er Geld hat oder nicht.
Von dieser Güte sind viele der Anspielungen. Die Anleger, die »Dieter-Glanz-Familie«, feiern auch noch in Glanz’ Fluchtdomizil in Südafrika permanent Partys, währenddessen sie auf die Auszahlung des »Investments« warten, welches sich aus immer hanebüchenderen Gründen verzögert. Sie hängen an den Lippen eines Märchenerzählers und Heilands (ein Jesus-Wort entfleucht ihm dann auch) und sondern arg hölzern Sprechblasen ab, die diese Plastikwelt weder simulieren noch decouvrieren, sondern nur um eine simplifizierende Erwartungshaltung der Zuseher buhlen. Schroth ist in einer besonderen Position, da er, im Gegensatz zu den anderen, kein Multimillionär ist, sondern Geld zum »Investment« bei Familie, Freunden und Bekannten zusammengebettelt hatte, um von Glanz überhaupt berücksichtigt zu werden. Mit der Geschichte von Schroths Eltern (Heinz Hönig als Vater – auch hier steht Stone wieder Pate), die dann ihrem Sohn glauben und alles verlieren, soll zusätzlich ein bisschen Menschlichkeit erzeugt werden.
Nicht einmal als Knallchargen taugen diese Figuren. Devid Striesow spielt den Immobilienmakler Schroth als allzu naiven Tölpel. Uwe Ochsenknecht gibt einen Unternehmer mit dem vielsagenden Namen Grünlich – mit Marlon-Brando-Wattebäuschchen in den Backen und Gel in den Haaren. Jeanette Hein als Gloria Glanz wirkt wie eine somnambule Bhagwan-Göttin. Sibell Kikelli als Partygirl Nadja Hartmann, die sich auch schon einmal vor den Nachstellungen eines Millionärs hinter einem Liegestuhl versteckt, fungiert als eine Art Krankenschwester, die immer dann mit funkelnden Augen in Aktion tritt, wenn die Männer ihres Begehrens (Glanz und auch ihr Schwager Schroth) verzweifelt sind. Warum sie sich ihrem Schwager zwei Mal in reichlich ungemütlichen Situationen sexuell hingibt, bleibt eines der viel gehüteten Geheimnisse dieses Films (deren Auflösung man aber auch nicht besonders vermisst). Und selbst ein so guter Schauspieler wie Ulrich Tukur wirkt als Dieter Glanz wie ein mittelmäßiger Varietékünstler, der sich in London eine Kinderpost kauft und mit den Stempeln daraus Belege fälscht. Merkwürdigerweise hat diese Figur als großmauliger Einzelkämpfer genau das nicht, weswegen man ihm Millionen anvertrauen würde: Charisma (was eindeutig kein Makel Tukurs ist).
Wedels Film taugt nicht einmal als Übertreibungsspiel, weil selbst hierfür ein doppelter Boden notwendig wäre, der fast vollständig fehlt. So wird kaum vermittelt, warum die phasenweise desillusionierten Anleger dennoch bei Glanz bleiben (weil sie ansonsten ihre eigene Dummheit eingestehen müssten). Auch inhaltlich gibt es merkwürdige Leerstellen. So bleibt unklar, welche Rolle der dann auch noch in Südafrika auftauchende Staatsanwalt spielt (außer als Esser einer Dose Kaviar, die ihm Glanz’ Anwalt aus der First Class während eines Fluges vorbeibringt). Und auch warum Glanz plötzlich nun doch ausgeliefert wird, erschließt sich aus der Handlung auch nicht.
Der ganz frühe Wedel hatte in seinen Filmen immer eine Spur von Aufklärung untergebracht. Seit einigen Jahren ist das nicht mehr der Fall. »Gier« ist ein läppischer Film, der ein großes Thema zu Gunsten oberflächlichen Klamauks liegen lässt. Dabei soll sich der Zuschauer vor allem eins: Wohlfühlen, weil er wenigstens diese Sorgen nicht hat und sein Ressentiment nähren. Einigen mag dies genügen. Aber eigentlich ist das zu billig.
Oh je
Das nenne ich mal einen Verriss, ein Glück dass ich mir das nicht angetan habe :-)
Gott sei Dank. Mein armes Hirn hat nun Ruhe. Seit vorgestern Abend versuche ich diesen konfusen Wedel’schen Klischeeverhau zu einem ordentlichen Verriss zusammenzufassen. Du hast mir das nun abgenommen und so schön wie Du hätte ich’s sowieso nicht zerlegen können. Und dann war’s auch noch technisch eine Zumutung, denn wegen der übersteuerten Nebengeräusche waren die Dialoge der oftmals nur nuschelnd (sollte wohl besonders lässig wirken) agierenden Darsteller teilweise akustisch kaum zu verstehen – was aber bei diesem Machwerk dann eh schon egal war.
Noch mal Glück gehabt...
Puh, jetzt wo ich das hier lese, hab’ ich wohl tatsächlich noch einmal Glück gehabt: Nachdem ich einige Trailer gesehen hatte, wollte ich mir den Film eigentlich anschauen. Nach Lektüre dieser Kritik bin ich allerdings äußerst froh, dass mir Überstunden dazwischen gekommen sind.
Allerdings schade um das Thema des Films...
Naja,
eine Hinrichtung wär’s nicht gewesen. Aber um das Thema war’s natürlich schon schade.