Diet­mar Dath: Steh­satz

Dietmar Dath: Stehsatz

Diet­mar Dath: Steh­satz

Diet­mar Dath nennt sei­ne Poe­tik­vor­le­sun­gen, ge­hal­ten En­de Ja­nu­ar 2020, »Schreib­leh­re«. Sei­ne Ka­pi­tel hei­ßen »Vor­satz«, »An­satz«, »Ein­satz« und »Ge­gen­satz«. Zum Teil Be­grif­fe aus dem Buch­druck, al­so aus ver­gan­ge­nen Zei­ten. Das spannt den Bo­gen: Man kann »Steh­satz« als ei­ne Art vor­läu­fi­ger Bi­lanz sei­nes 35jährigen Schrei­bens le­sen – be­gon­nen im ana­lo­gen Zeit­al­ter.

Dath zi­tiert zu Be­ginn fast lust­voll aus Feuil­le­ton-Ver­ris­sen über sei­ne Bü­cher. »Bil­dungs­ge­prot­ze« und »An­ge­ber­tum« wer­den ihm da at­te­stiert. Er macht da­mit aus sei­ner »Schreib­leh­re« – ge­wollt oder nicht – ei­ne Recht­fer­ti­gung. Ob­wohl ihn, wie er spä­ter zu­gibt, die an­de­ren (des Be­triebs) nicht in­ter­es­sie­ren. Be­zie­hungs­wei­se in­ter­es­sie­ren sie ihn als Geg­ner, als Rei­bungs­flä­che.

Das li­te­ra­ri­sche Schrei­ben, wie Dath es ver­steht, ver­mit­telt »nicht vor­ran­gig In­for­ma­tio­nen über die wirk­li­che Welt« son­dern ei­ne »Hal­tung zu ihr«. Al­les hängt so­mit an der De­fi­ni­ti­on des Hal­tungs­be­griffs: »Ei­ne Hal­tung ist mir nicht ein­fach ei­ne Mei­nung, die sagt, dies oder das sei so oder so zu be­wer­ten. Ei­ne Hal­tung ist für mich ei­ne be­wuss­te Dis­po­si­ti­on zu Hand­lun­gen oder Un­ter­las­sun­gen.«

Ich ge­ste­he, dass mich die­se Er­läu­te­rung nicht zu­frie­den­stellt. Zum ei­nen ist sie deut­lich, ja lo­gisch. Aber ich er­ken­ne da­hin­ter kein Schreib­prin­zip, es sei denn, man ver­wen­det die leicht ab­ge­grif­fe­ne Vo­ka­bel des »en­ga­gier­ten Schrei­bens« als Ma­xi­me. Ir­gend­wann, als man Daths Hal­tung-De­fi­ni­ti­on fast schon ver­ges­sen hat­te, kommt er dar­auf zu­rück und prä­zi­siert: »Es geht bei Bal­zac um Hal­tun­gen zu Reich­tum, Lie­be oder Kar­rie­re, bei Tol­stoi um Hal­tun­gen zu Schick­sal, Ge­walt, Po­li­tik oder Ge­schich­te, bei bei­den kaum um Na­men und Da­ten, die nur im je­wei­li­gen Ro­man ste­hen, da­mit die Hal­tun­gen nicht in der Luft hän­gen, kei­ne blei­chen All­ge­mein­plät­ze sind, son­dern mit Er­leb­nis­qua­li­tä­ten elek­tri­siert und ma­gne­ti­siert.« Und Dath? Er schreibt das, was man ge­mein­hin Sci­ence Fic­tion nennt. Die Welt sei dar­zu­stel­len, wie sie sein könn­te, po­stu­liert er ein­mal. Wie geht das zu­sam­men? Rächt sich hier, dass ich von ihm kein fik­tio­na­les Werk ge­le­sen ha­be?

Ich blei­be am »Steh­satz« dran. Dath for­mu­liert Schreib­re­geln, die er sich sel­ber auf­er­legt hat und die für sein Schrei­ben kon­sti­tu­ie­rend ge­wor­den sind. Zu­nächst ruft er ei­ne Art »Stoff-Thema-Form«-Triade auf. Als zwei­te Re­gel gilt es den Re­zi­pi­en­ten bzw. des­sen Re­ak­tio­nen auf das Ge­schrie­be­ne zu­nächst aus­zu­blen­den. Zu­sam­men­ge­fasst heißt dies: »So­fern das schrei­ben­de Be­wusst­sein kunst­ge­mäß ver­fährt, steckt das Pu­bli­kum, dem man nicht nach dem Mund schrei­ben soll, nicht im Zweck des Schrei­bens, son­dern im Stoff, im The­ma und in der Form. Erst wo der zwei­te Ar­beits­gang, der nach der Ak­kre­ti­on des Wort­ma­te­ri­als zu er­sten Sät­zen statt­ha­ben muss, die Um­ris­se die­ser Pu­bli­kums­prä­senz frei­legt, wird das Pu­bli­kum die In­stanz, die der Text an­spre­chen kann.« In der drit­ten Re­gel ver­pflich­tet er sich, Aus­nah­men zu­zu­las­sen, um sich nicht ein­zu­en­gen.

Die vier­te Re­gel ist die in­ter­es­san­te­ste: »Du darfst bei der li­te­ra­ri­schen Ar­beit von Mo­ral aus­ge­hen, aber nicht auf sie hin­aus­wol­len.« Mo­ra­li­sches sei nicht »zu deu­ten, son­dern zu be­fol­gen«. Ein Plä­doy­er ge­gen das, was er »so­zia­le Zweck­tech­nik« nennt. Er­wei­tert heißt dies, dass der »Blick auf ei­nen au­ßer­li­te­ra­ri­schen Kunst­zweck« un­be­dingt zu ver­mei­den sei. Fast be­schwich­ti­gend in die­sem Zu­sam­men­hang die Prä­mis­se, über die Welt nicht als Gott, son­dern als Teu­fel zu schrei­ben.

Wenn man wie ich von Dath schon nichts ge­le­sen hat – viel­leicht klappt es mit den Re­fe­ren­zen. Sei­ne »Göt­tin­nen [und] Göt­ter« sind al­ler­dings in Deutsch­land, »je­den­falls im Feuil­le­ton und an der Uni«, voll­kom­men un­be­kannt. Sie hei­ßen Ca­rol Emshwil­ler, Jo­an­na Russ, Greg Egan, Cait­lín R. Ki­er­nan, Ste­ve Ayl­ett oder Mi­cha­el Cis­co. Wei­ter­hin er­wähnt wer­den Uni­ca Zürn, Nicky Dray­den, Ma­ri­an­ne Fritz und An­ne Ga­rét­ta nebst »Ouli­po«, was für »Ou­vro­ir de Lit­té­ra­tu­re Po­ten­ti­el­le« al­so »Werk­statt für Po­ten­ti­el­le Li­te­ra­tur« steht. Das Eis, auf dem ich wand­le, wird im­mer dün­ner; au­ßer Ma­ri­an­ne Fritz ha­be ich nicht die Spur ei­ner Ah­nung von den an­de­ren Au­toren.

Ich le­se wei­ter. Dath schreibt über sein Gen­re, die Phan­ta­stik, »das Me­ta-Gen­re aus meh­re­ren Gen­res«. Er theo­re­ti­siert über Rea­lis­mus in Sci­ence Fic­tion. Dies sei kein Wi­der­spruch. »Rea­li­sti­sche Kunst ist ei­ne, de­ren Hal­tun­gen in der Wirk­lich­keit zu et­was füh­ren, das von de­nen, die die­se Hal­tun­gen ein­neh­men, ge­wollt ist. An­ti­rea­li­sti­sche Kunst, die es auch gibt, ist Kunst, de­ren Hal­tun­gen man nicht zweck­mä­ßig um­set­zen kann. Sci­ence Fic­tion kann rea­li­stisch sein. Ein Dra­ma, das aus­schließ­lich aus Ge­richts­pro­to­kol­len mon­tiert ist, die man der Wirk­lich­keit ent­nom­men hat, kann an­ti­rea­li­stisch sein. Rea­li­sti­sche Kunst ist mir lie­ber als an­ti­rea­li­sti­sche.« Hieb ge­gen Pe­ter Weiss; deut­lich.

Er phi­lo­so­phiert über das Ver­hält­nis von Jour­na­lis­mus und Li­te­ra­tur. »Ei­ne Art Jour­na­lis­mus steckt in je­der Li­te­ra­tur, weil Hal­tun­gen, von de­nen Li­te­ra­tur han­delt, sich auf Rea­les be­zie­hen, das mit ih­nen ge­mein­sam dar­ge­stellt wer­den muss, wenn man sie les­bar dar­stel­len will. Um­ge­kehrt aber steckt nicht in je­dem Jour­na­lis­mus ei­ne Art Li­te­ra­tur.« Aber was ist mit Hal­tung ge­meint?

Dath er­zählt von ei­ner wich­ti­gen Prä­gung. Als er im Fran­zö­sisch-Un­ter­richt ei­nen Leh­rer frag­te, war­um et­was so sei, wie er es sa­ge, ant­wor­te­te der nur ver­wirrt: »Des isch halt so« [das ist halt so]. Da­mit gibt sich Dath nicht zu­frie­den; nie und an kei­nem Ort. Recht so. Ob­wohl: Wer will die Re­geln der fran­zö­si­schen Gram­ma­tik – z. B. die un­re­gel­mä­ßi­gen Ver­ben – ernst­haft be­fra­gen? Was, wenn es The­men­fel­der gibt, die kei­ne Lo­gi­ken zu­las­sen? (Da fällt ei­nem spon­tan Witt­gen­stein ein, der da­zu ei­ni­ges ge­schrie­ben hat.)

Und dann nimmt er den Fa­den vom An­fang wie­der auf und spinnt ihn wei­ter. Er zi­tiert aus »Re­zen­sio­nen« über Bü­cher zu Her­mann Broch, Uni­ca Zürn und zu sei­nen ei­ge­nen. Sie er­zäh­len von Lan­ge­wei­le, von der Hy­bris des Au­tors und des­sen An­ge­be­rei­en, vom Auf­hö­ren der Lek­tü­re nach so­und­so­viel Sei­ten. Die­se Stel­lung­nah­men sind, das ahnt man schnell (be­vor es auf­ge­löst wird), auf Ama­zon ge­po­stet. Aber es geht wei­ter: Dath zi­tiert In­sa Wil­ke – al­so Feuil­le­ton -, die sich 2020 in ei­nem Text zu »Le­gen­de« von Ro­nald M. Scher­nik­au, der, wie Dath hin­weist, 1991 an Aids ge­stor­ben sei, von dem Buch »be­droht, ent­mün­digt, ge­kne­belt« fühlt. Und Dath fragt sich, war­um Men­schen so et­was schrei­ben. Ich fra­ge mich, war­um sie es nicht dürf­ten: Weil der Au­tor tot ist, gar an den Fol­gen von Aids ver­starb?

Wer In­sa Wil­ke in den Bach­mann­preis-Über­tra­gun­gen oder im De­nis-Scheck-Quar­tett hört, er­kennt ganz schnell, dass sie bis­wei­len nicht nur Li­te­ra­tur­kri­ti­ke­rin ist, son­dern zur psy­cho­ana­ly­ti­schen Pro­sa-Deu­te­rin wird. Wenn sie spricht, fällt an­dau­ernd das Wort »Text«. »Text« – nicht et­wa »Pro­sa« oder »Er­zäh­lung« oder auch »Ro­man«. »Text« be­zeich­net ei­gent­lich ein eher neu­tral be­trach­te­tes Ge­bil­de, das se­ziert wer­den kann, aber auch nicht pri­mär Rang hat. Denn »Text« kann auch ein Zei­tungs­ar­ti­kel, ei­ne Be­die­nungs­an­lei­tung oder ein Bei­pack­zet­tel sein. Wil­ke ver­wen­det »Text«, um das Ob­jekt mit Ana­lo­gien und Re­fe­ren­zen aus­zu­deu­ten und dann auf- oder auch ab­zu­wer­ten. Da ge­ra­ten zum Bei­spiel Vor­na­men der Prot­ago­ni­sten Grund­la­gen zu Deu­tungs­ge­bil­den, va­ge An­deu­tun­gen wer­den zu ab­sichts­vol­len Quer­ver­wei­sen aus­ge­wei­tet. Was ge­schieht mit ei­ner Kri­ti­ke­rin, die sich von ei­nem »Text« be­droht und ge­kne­belt fühlt, ihn an­thro­po­mor­phi­siert? War­um löst »Le­gen­de« von Ro­nald M. Scher­nik­au bei der Re­zen­sen­tin das aus, da­mit sie zu ei­nem sol­chen Ur­teil kommt?

Aber Dath ar­gu­men­tiert so­zio-öko­no­misch, nicht li­te­ra­risch. Sei­ne Ant­wort auf den von ihm wahr­ge­nom­men Ver­fall des Spre­chens und Schrei­bens über Li­te­ra­tur ist ein­deu­tig: »Weil die Kri­ti­ke­rin, der Kri­ti­ker, die Ama­zon-Kun­din und der Ama­zon-Kun­de dar­auf dres­siert sind, Be­deu­tung und Wert nur noch un­ter der Fuch­tel vor­wal­ten­der Auf­merk­sam­keits­kon­junk­tu­ren zu be­stim­men, auf der Macht­kur­ve der Dis­kur­s­zo­ne, füh­len sie sich, wenn sie in Tex­ten nichts auf die­se Wei­se Ver­wert­ba­res fin­den, be­tro­gen, be­stoh­len, schlecht be­han­delt, ter­ro­ri­siert, ge­quält und so wei­ter.« Die Fol­ge: »Buch- und Zei­tungs­ver­la­ge, Ra­dio­sen­der und Thea­ter mer­ken, dass ih­nen das Pu­bli­kum […], eben das Klein­bür­ger­tum, schnel­ler weg­schmilzt als Pack­eis im Son­nen­licht. Pa­nisch ver­su­chen sie, An­schluss an die ver­blö­de­te Hor­de zu fin­den, die auf den Platt­for­men des Res­sen­ti­ments und der Pö­be­lei vom Klein­bür­ger­tum üb­rig­bleibt.« Da ist sie: die Ver­ach­tung auf die­je­ni­gen, die er als »Klein­bür­ger­tum« an­sieht; der Hass auf ei­ne »ver­blö­de­te Hor­de«, ei­ne Art Rust Belt des Bü­cher­pö­bels, der sich Ama­zon als Le­se­höh­le aus­ge­guckt hat – und dem das Feuil­le­ton nach­jagt.

Nie­mand ent­kommt dem Dath’schen Ver­dikt. Die Li­te­ra­tur­kri­tik de­gra­diert er zu Lek­to­ren: »Sach­feh­ler, Na­mens­feh­ler, Gram­ma­tik­feh­ler, Stil­sor­gen, Form­feh­ler, Kom­po­si­ti­ons­feh­ler, fal­sche Stoff- und The­men­wahl, un­ge­nü­gen­de Durch­füh­rung ei­gent­lich stim­mi­ger An­sät­ze, ver­kehr­te Ant­wor­ten auf schie­fe Fra­gen – fast nichts davon…hat je ei­ne im Li­te­ra­tur­be­trieb wir­ken­de Kri­ti­ke­rin oder ein Kri­ti­ker ge­merkt.« Die Kla­ge ist nicht ganz un­be­grün­det; oft ge­nug sind pro­fes­sio­nel­le Kri­ti­ken er­schreckend ober­fläch­lich. Aber auch die On­line-Me­di­en fin­den kei­ne Gna­de bei Dath. Blogs sind/waren »muf­fi­ge Zel­te aus al­ten Pla­stik­fo­li­en«. Dann kam Face­book, ei­ne »mod­ri­ge Hüt­te«. Schließ­lich You­tube mit »Film­chen über Ver­su­che an Men­schen, die man mit der Sy­phi­lis in­fi­ziert hat­te.« (Wer wirk­lich was über ak­tu­el­le Li­te­ra­tur­kri­tik ler­nen möch­te, fol­ge viel­leicht bes­ser Da­nie­la Stri­gl.)

Über­all nur Ver­gnü­gungs- und/oder Ab­len­kungs­süch­ti­ge – und, na­tür­lich: de­ren Markt­macht. Al­les kon­di­tio­niert auf die Öko­no­mie. Nur Dath ist ge­feit da­ge­gen. Drei Ver­le­ger wä­ren be­reit ge­we­sen, die »Nie­ge­schich­te« von ihm zu drucken, so Dath. Aber er ha­be sich für An­dre­as Röt­zer (Matthes & Seitz) ent­schie­den, weil es ihm nicht ums Geld ge­gan­gen sei, son­dern um die »höch­ste To­le­ranz« für sei­ne »Dar­stel­lungs­ab­sicht«.

Dath ist erst 50, aber sei­ne Re­zi­pi­en­ten­be­schimp­fun­gen kom­men wie Ver­zweif­lungs­ru­fe ei­nes in der Kryp­ta ein­ge­schlos­se­nen, ver­ges­se­nen Pre­di­gers da­her. Fast lo­gisch, dass er das Bil­dungs­ver­spre­chen für ob­so­let er­klärt (bei ihm sel­ber, wie er schreibt, han­delt es sich ja auch um je­man­den, der kei­ne ein­zi­ge uni­ver­si­tä­re Prü­fung ab­ge­legt hat­te). Der Ab­stieg we­gen »Blöd­heit« ist al­ler­dings auch »sel­te­ner ge­wor­den«. Auch da kann man an­de­rer Mei­nung sein.

Na­tür­lich ist es ein­fach, ei­ne »Fuch­tel« der Auf­merk­sam­keits­öko­no­mie als den Schul­di­gen aus­fin­dig zu ma­chen. Nur: Wo­her kommt die­se denn? Wer hat den Ver­fall der Dis­kur­s­kul­tur wenn nicht be­trie­ben, so we­nig­stens doch nicht auf­ge­hal­ten? Si­cher, kei­ne di­rek­ten The­men für ei­ne Poe­tik­vor­le­sung. Au­ßer­dem droht schnell Kul­tur­pes­si­mis­mus – der ko­stet im­mer Le­ser. Aber wer Ama­zon-Re­zen­sio­nen als zeit­ge­nös­si­sche Re­zep­ti­ons­mu­ster von Li­te­ra­tur zi­tiert (was in­zwi­schen durch­aus re­prä­sen­ta­tiv sein dürf­te) und mit der Kri­tik an sei­nen ei­ge­nen Bü­cher durch das Feuil­le­ton ha­dert, soll­te mehr als die üb­li­chen Ver­däch­ti­gen auf die Büh­ne zer­ren.

Wo­von geht Dath ei­gent­lich aus? Von den in­zwi­schen ver­klär­ten Zei­ten als Bü­cher noch Re­le­vanz be­sa­ßen, als man sich noch stritt und nicht au­to­ma­tisch ver­ach­te­te oder gar hass­te? Man könn­te es die »Suhrkamp-Kultur«-Epoche nen­nen. Aber Epo­chen kom­men und ge­hen. Die­se ist ver­gan­gen. In den Ver­la­gen gras­siert ei­ne de­vo­te Be­schei­den­heit, was die Auf­la­gen an­spruchs­vol­ler Ti­tel an­geht. Je grö­ßer der Ver­lag de­sto eher sind Bü­cher zur Wa­re ge­wor­den. Wenn man ge­nau hin­sieht, wa­ren sie es auch da­mals schon. In­zwi­schen hat man­che Milch aus dem Su­per­markt ein län­ge­res Halt­bar­keits­da­tum als ei­ne bel­le­tri­sti­sche Neu­erschei­nung.

Galt Li­te­ra­tur einst als »schwie­rig«, wur­de ge­ra­de das als An­sporn auf­ge­fasst. In­zwi­schen gilt es bis weit ins pro­gres­si­ve Estab­lish­ment als Kon­sens, Li­te­ra­tur als »eli­tär« an­zu­se­hen (die ein­zi­ge Aus­nah­me: sie muss ei­nem Zweck die­nen). An den Uni­ver­si­tä­ten wer­den Tex­te zu­sam­men­ge­dampft, kon­su­mier­ba­rer ge­macht und/oder ge­gen­dert. Le­sen gilt im­mer mehr als Zu­mu­tung; Dia­go­nal­lesen liegt im Trend. Li­te­ra­tur­kri­ti­ken ent­ste­hen im­mer mehr aus Wasch­zet­te­l­er­wei­te­run­gen, ver­fasst von Zei­len­knech­ten, re­di­giert von Platz­mei­stern.

Vor lau­ter Angst, in der li­te­ra­ri­schen Wü­ste zu lan­den, neh­men die Zu­wen­dun­gen, Sub­ven­tio­nen und Prei­se, be­son­ders von Staats we­gen, zu. Mit der fi­nan­zi­el­len Gieß­kan­ne wer­den Ver­la­ge und Buch­hand­lun­gen be­dacht. Das ge­biert zwar im­mer mehr Bü­cher, aber über­ra­schen­der­wei­se führt dies we­der zu bes­se­rer Li­te­ra­tur noch zu si­gni­fi­kant mehr Ver­käu­fen. In Zei­ten der Kri­se be­mü­hen Buch­lob­by­isten halb­ga­re Poe­sie­al­bum­sprü­che, um ih­re im­mer mehr sin­ken­de Auf­merk­sam­keit we­nig­stens ein biss­chen auf­zu­hal­ten.

Zu al­lem Übel gilt Schrift­stel­ler in­zwi­schen als ei­ne Art Aus­bil­dungs­be­ruf. Und da möch­te man na­tür­lich Ga­ran­tien ha­ben, ei­ne be­ruf­li­che Per­spek­ti­ve. Man schaue in die Ge­sich­ter, wenn man in ei­ner Run­de die The­se ver­tritt, dass der Schrift­stel­ler-Be­ruf nicht per se Aus­sich­ten auf ein wirt­schaft­lich aus­kömm­li­ches Le­ben ga­ran­tiert. Wie so manch an­de­re Be­ru­fe. Oder das Stu­di­um. Da ist er dann wie­der, der bö­se Markt. Und zur Not soll es der Staat rich­ten.

Dath ist sich des­sen be­wusst. Im (sehr kur­zen) Ka­pi­tel »Ge­gen­satz« reicht er sein Schuld­be­kennt­nis ein. Er sei kein gu­ter Mensch, da er von sei­nen Le­sern er­war­te, dass sie für sei­ne Tex­te Geld be­zah­len. Er braucht »Tau­sen­de von Le­se­rin­nen und Le­ser«, al­so Tau­sen­de sol­len das für ihn tun, was er für sie nie tä­te. Er be­kennt, dass er bis­her Glück ge­habt ha­be mit sei­nem »Ei­gen­sinn« und ballt sym­bo­lisch die Faust, dass die tau­to­lo­gi­sche Ma­xi­me des Leh­rers, dass et­was so ist, weil es so ist ir­gend­wann um­ge­schrie­ben wer­den muss: »Mag ja sein, dass es halt so ist. Aber so wird’s nicht blei­ben«. Stimmt. Es kann ja im­mer noch schlim­mer kom­men. Und wo­mög­lich wird man in zwan­zig Jah­ren nost­al­gisch auf die 2010er Jah­re blicken. Wo­mög­lich? Nein, si­cher.

13 Kommentare Schreibe einen Kommentar

  1. Diet­mar Dath ist ei­ner der lang­wei­li­ge­ren Schrei­ber in Deutsch­land. Auch in Kon­kret und in der FAZ. Too Stifff to Walk Ste­ady, um mit der Pa­ra­phra­se ei­nes Ti­tels zu en­den, den John Col­tra­ne auf Bal­lads co­vert, he­he.

  2. Ich ha­be den Kom­men­tar jetzt mal frei­ge­schal­tet. Aber es ist – ich wie­der­ho­le mich – wirk­lich nicht das Ziel die­ser Kom­men­tar­spal­te, ei­nen sol­chen Pau­schal­quark ab­zu­son­dern. Aber las­sen wir es ru­hen.

  3. Diet­mar Dath und Wolf­gang Welt ha­ben in­so­fern et­was ge­mein­sam, als sie po­pu­lä­ren Mu­sik­gen­res hul­di­gen und gleich­wohl so selbst­be­zo­gen sind, dass sie kaum Le­ser fin­den. Es hat was, dass Sie sol­che ak­tu­ell ziem­lich pu­bli­kums­fer­nen Au­toren be­spre­chen, Gre­gor Keu­sch­nig.

  4. Dath und Welt könn­ten äs­the­tisch nicht wei­ter ent­fernt sein. Dass Sie die bei­den zu­sam­men­brin­gen, sagt ei­ni­ges über Sie aus. So, jetzt ha­ben Sie sich in voll­kom­me­ner Un­kennt­nis bei­der Au­toren hier über­ge­ben und es gibt nichts mehr zu se­hen. Tschüss.

  5. Das ist ziem­lich schreck­lich, was Dath da »la­bert« (Rai­nald Goetz). Ich bin ei­gent­lich zu kei­ner sym­me­tri­schen Ant­wort in der La­ge. Sym­me­trie wä­re: Er sagt... Aber ich mei­ne... Das ist ja nur kurz­schlüs­si­ges Strick­werk; ich wür­de ver­mu­ten, er hat in ei­nem hal­ben Jahr kom­plett ver­ges­sen, was ihm in Göt­tin­gen so wich­tig war.
    Sci­ence Fic­tion?! Mei­ne er­ste li­te­ra­ri­sche Er­kennt­nis, das darf ich so sa­gen, war die pu­ber­tä­re Ent­deckung, dass es im Sci­ence-Fic­tion kei­ne Fi­gu­ren gibt. Die Per­so­nen­na­men ha­ben nur ei­ne Zu­ord­nungs­funk­ti­on, sind Trä­ger von Aus­sa­gen, Hand­lun­gen und »Hal­tun­gen«. Quatsch, na­tür­lich! – Ich wüss­te zu ger­ne, was der nar­ziss­ti­sche Ver­gleich mit Tol­sto­ji be­deu­ten soll, au­ßer der Selbst­dar­stel­lung Daths...
    War­um ist das so?! Bis heu­te ist mir das nicht ganz klar ge­wor­den. Aus der Po­si­tiv-Sicht der Li­te­ra­tur be­deu­tet das wohl, dass ein Au­tor sei­ne Fi­gu­ren lie­be­voll be­han­deln muss. Er soll im sze­ni­schen Mo­ment »in sie hin­ein­schlüp­fen«, als wä­ren sie der wich­tig­ste und ein­zi­ge Mensch auf der Welt, um sie bei­zei­ten wie­der zu ver­las­sen. Auf gar kei­nen Fall darf er sie pau­sen­los in­stru­men­ta­li­sie­ren, al­so wie Schach­fi­gu­ren hin und her­schie­ben.
    Ei­ne SF-Fi­gur gleicht pas­sen­der­wei­se ei­nem Ro­bo­ter, sie er­in­nert an ein ge­schwäch­tes In­di­vi­du­um un­se­rer Ta­ge, das sich ins Bü­ro oder an die Werk­bank quält, früh­mor­gens, im kal­ten Dunst, und teils mür­risch, teils zy­nisch mit sich selbst spricht: »Ich muss funk­tio­nie­ren! Ich muss funk­tio­nie­ren, ver­dammt noch mal!«. Aber mehr er­fährt man von die­sen Zeit­ge­nos­sen nicht; sie sind und blei­ben sich selbst und an­de­ren ge­gen­über ver­schlos­sen...

  6. Mein Pro­blem ist, dass ich au­ßer ein paar FAZ-Tex­te nichts von Dath ge­le­sen ha­be. Mit der Kon­se­quenz, dass ich kei­ne »Poe­stik­vor­le­sun­gen« mehr von Au­toren re­zen­sie­ren wer­de, de­ren fik­tio­na­le Wer­ke ich nicht we­nig­stens teil­wei­se ken­ne.

    An­de­rer­seits – wenn man ehr­lich ist: Sind die poe­ti­schen Pflöcke, die einst ein­ge­schla­gen wur­den, nicht nur mehr mor­sche Zaun­lat­ten, die ent­we­der das ewig­glei­che wie­der­ho­len oder in mehr oder we­ni­ger ver­bräm­ten Nar­ziss­mus die ei­ge­ne Li­te­ra­tur er­klä­ren wol­len. Letz­te­res soll man ja be­kannt­lich nicht. Aber wenn man ge­fragt wird, macht mans doch.

    Um noch ei­ne stei­le The­se von mir her­vor­zu­ho­len: Ich glau­be, dass die Ko­in­zi­denz zwi­schen Jour­na­lis­mus und Li­te­ra­tur auf Dau­er nicht funk­tio­niert. Ver­blüf­fen­der­wei­se kann man das an Wolf­gang Welt il­lu­strie­ren, den Kief mit Dath ver­gli­chen hat­te. Welt wur­de zum Li­te­ra­ten, zum Er­zäh­ler, als er das Re­zen­sen­ten­schrei­ben auf­ge­ge­ben hat­te. Na­tür­lich kann ein Er­zäh­ler auch ab und zu über an­de­re Li­te­ra­tur schrei­ben, aber dann muss er die jour­na­li­sti­sche Spra­che ver­mei­den.

  7. Jour­na­li­sten ha­ben kei­ne Spra­che; das ist ein Miss­ver­ständ­nis. Die Ver­satz­stück-Schmie­de, die sich über die di­rek­te Mit­tei­lung er­he­ben möch­te, ist ei­ne ein­zi­ge Wort-Poin­ten-Dre­sche­rei. Ich bin manch­mal so schockiert über die­se Vul­ga­ri­tät, dass ich (denn das pas­siert mor­gens) glau­be zu träu­men. Man kann sich mit we­ni­gen Zei­len als in­tel­lek­tu­el­ler Pro­let outen, und da ver­säu­men vie­le Jour­na­li­sten kei­ne Zeit, und tun das be­reits im er­sten Ab­satz.
    Es gibt ei­nen Punkt bei Dath, der ist nicht ganz von der Hand zu wei­sen. Der jour­nal­eske Au­tor schielt nach dem Pu­bli­kum. Was weiß es, wel­che (durch­aus sub­ver­si­ven) Nei­gun­gen hat es, was kann es nicht lei­den (et­wa »Au­to­ri­tä­ten«), wor­über wird ger­ne ge­lacht?!?! Die­se Ser­vier­be­reit­schaft ist zu­nächst gar nicht zu ver­ur­tei­len, im­grun­de ist es ein kom­mu­ni­ka­ti­ver Akt, aber es kommt wohl zu ei­ner Pro­fes­sio­na­li­sie­rung der Art, dass ei­nem die Ka­lau­er und De­vo­tio­nen in Fleisch und Blut über­ge­hen. Dann wird man au­to­ma­tisch zum Ver­dum­mer, und man be­kommt ei­ne zy­ni­sche Ader, da man un­be­wusst merkt, dass die­ser Ver­ein­nah­mungs­ver­such ei­ne Ge­fan­gen­sschaft bil­det, die die Lie­fe­ran­ten ein­schließt.
    Ja, ich glau­be, Dath hat al­len Grund, das Pu­bli­kum zu be­schimp­fen. Al­ler­dings be­schimpft er sich un­wei­ger­lich auch selbst. Er hat ge­dacht, er könn­te mit dem Dis­kurs ein »Spiel­chen« ver­an­stal­ten. Stellt sich raus: ein Spie­ler ist nur so gut, wie die an­de­ren es zu­las­sen. Knecht­schaft, ich has­se dich! Aber noch mehr has­se ich mich selbst!

  8. @ Gre­gor Keu­sch­nig – Ih­re Re­zen­si­on von Daths Werk­statt­be­richt oh­ne Kennt­nis von des­sen Pri­mär­tex­ten ist noch stei­ler als ich ver­mu­te­te. Sie schüt­ten in ei­nem fort Was­ser auf mei­ne Müh­le. Wolf­gang Welt hat sehr wohl auch als Er­zäh­ler noch flott re­zen­siert, wie ich mich zu er­in­nern mei­ne – und wie Sie sel­ber in Ih­rem Welt-Por­trait oben ge­schrie­ben ha­ben, fellt mir jetzt ein. – Wo­her die Un­ge­hal­ten­heit, Gre­gor Keu­sch­nig?
    Ich mei­ne üb­ri­gens, dass Wolf­gang Welt sich ver­tan hat, als er dach­te, Prof. Dr. Chri­stoph Zö­pels Ge­fühls­haus­halt sei so­zu­sa­gen ein er­heb­li­ches Pro­blem der SPD. Ver­mut­lich hat­te Wolf­gang Welt von Po­li­tik so­we­nig Ah­nung wie vom Thea­ter. Ich ha­be ihn trotz­dem ei­ne Wei­le gern ge­le­sen, den­ke aber, dass sei­ne Zeit vor­bei ist. Ich ver­mu­te: Ge­nau wie bei Diet­mar Dath.

    @ So­phie – Sie re­den kryp­tisch. Ich ver­ste­he Sie in­des so, dass Sie mei­ner Be­ob­ach­tung der Pu­bli­kums­fer­ne (ich könn­te auch schär­fer for­mu­lie­ren an die­ser Stel­le, will aber nicht) von Diet­mar Dath – ja doch zu­stim­men.

  9. @Dietmar Kief: Dass Sie wie­der­ho­lend dem Re­zen­sen­ten die Re­zen­si­ons­kom­pe­tenz ab­spre­chen wol­len, weil die­ser das li­te­ra­ri­sche Werk des Re­zen­sier­ten nicht ken­ne, ist doch ab­surd. Sie kön­nen doch auch Schil­lers Dra­men­theo­rie be­spre­chen, oh­ne sie auf des­sen ei­ge­ne Dra­men an­wen­den zu müs­sen.

    Na­tür­lich könn­ten die »Pri­mär­tex­te« dem Re­zen­sen­ten wei­te­res Ma­te­ri­al lie­fern, aber um hier kom­men­tie­ren zu dür­fen, müs­sen wir doch auch nicht al­le deutsch­spra­chi­gen, li­te­ra­ri­schen Blogs seit 2008 re­ze­piert ha­ben oder al­le Wer­ke von Hand­ke ge­le­sen.

    WW und DD pas­sen doch vom Gen­re schon nicht? Al­li­te­ra­tiv as­so­zi­ie­rend: Her­mann Hes­se, Gün­ter Grass, Hein­rich Hei­ne ge­hö­ren dann auch da­zu? – letz­te­rer hat auch sehr flott re­zen­siert und um so fröh­li­cher ver­ris­sen, je un­be­kann­ter ihm der Pri­mär­text war, so ist je­den­falls mein Ein­druck von der »ro­man­ti­schen Schu­le«.

  10. Wir soll­ten die »Schreib­leh­re« nicht oh­ne ih­re Ent­ste­hung be­trach­ten. Es han­delt sich um ei­ne ge­woll­te Ar­beit, die den Lehr­be­trieb auf­lockert, und be­reits post­mo­der­nen Pro­duk­ti­ons­be­din­gun­gen un­ter­liegt. Wer spricht in wel­cher Rol­le, wer ist der Adres­sat, wel­che Kom­pe­ten­zen darf man je­weils vor­aus­set­zen, etc. Al­les schwebt, ge­tra­gen vom gu­ten Wil­len, die »Mög­lich­keit ei­ner Li­te­ra­tur« we­nig­stens ein hal­bes Jahr lang plau­si­bel zu ma­chen. Schon Hand­ke muss­te fest­stel­len, dass die post­mo­der­ne Ge­sell­schaft die Auf­lö­sung des Li­te­ra­tur-Kon­zep­tes ab­wehrt. Äs­the­tisch kor­rekt, müss­te man von zahl­rei­chen, be­lie­big viel­fäl­ti­gen Li­te­ra­tu­ren spre­chen. Die In­sti­tu­tio­nen re­du­zie­ren die­se Er­kennt­nis je nach vor­lie­gen­den In­ter­es­sen, zum Bei­spiel ei­ne Poe­tik-Vor­le­sung. Die­se Zu­mu­tun­gen muss man erst mal schlucken, be­vor man zum »Text« über­geht...
    Gre­gor fragt zu­recht: Was ist ei­ne Hal­tung (nach Dath), da es sich er­kenn­bar um ein ho­li­sti­sches »Kon­zept« han­delt?! – Ant­wort: Ich ha­be nicht die ge­ring­ste Ah­nung.
    Eben­so lä­cher­lich die Pu­bli­kums­be­schimp­fung: weil die Re­zi­pi­en­ten & Re­zen­sen­ten ver­dum­men, wird die an­spruchs­vol­le Li­te­ra­tur schlecht ge­re­det. Die­ser Zu­sam­men­hang ist so rich­tig, wie die Um­keh­rung falsch ist: das schlech­te Ra­ting in den Feuil­le­tons soll kei­nen über die »wah­ren Qua­li­tä­ten« ei­nes Au­tors täu­schen.
    Spricht Dath et­wa über sich?! Ganz ehr­lich, das ist das Ma­nö­ver ei­nes im­mer noch (35 Jah­re?!) un­si­che­ren Au­tors.
    War­um ver­sucht Dath, uns über die Kränkbarkeit/Prekarität des Künst­lers hin­weg zu täu­schen?! Wer nicht ge­le­sen wird, fin­det nicht statt, oder wie @Dieter_Kief sa­gen wür­de, schreibt pu­bli­kums­fern. Ganz was Neu­es!

  11. Phor­k­yas -

    - dan­ke für Ih­re Wor­te. – Wenn Sie ge­stat­ten: Be­den­ken Sie bit­te noch­mal, was Gre­gor Keu­sch­nig in #6 über sei­ne Re­zen­si­on von Daths Poe­tik­vor­le­sun­gen im Band »Steh­satz«  ge­schrie­ben hat – aus­drück­lich mit Blick auf die Pri­mär­li­te­ra­tur Daths.

    Wenn Sie bit­te mei­ne Kom­men­ta­re noch­mal nach­schau­en wol­len: Ich be­strei­te mit kei­nem Wort die Re­zen­si­ons­kom­pe­tenz Gre­gor Keu­sch­nigs. Ich ha­be wie­der­holt (!) – auch hier... – ge­schrie­ben, dass ich Gre­gor Keu­sch­nigs Re­zen­sio­nen in der Tat schät­ze – und über die vie­ler an­de­rer stel­le.

    Dies im­pli­ziert frei­lich nicht, dass wir im äs­th­ti­schen und welt­an­schau­li­chen Ur­teil über­ein­stim­men müss­ten (gar nicht ein­mal sel­ten tun wir’s ja – und ich schreib’ das – und Gre­gor Keu­sch­nig schrieb das auch hie und da).

    Es geht mir je­den­falls – in der Haupt­sa­che: al­lein – dar­um zu sa­gen: Da und da stim­me ich zu, da und da – nicht. Mein äs­the­ti­scher Haupt­ein­wand ge­gen Diet­mar Dath kam gleich am An­fang #1 – ich fiel mit der Tür ins Haus – ok. Nichts be­son­de­res – seit Gol­do­nis Ko­mö­di­en ka­no­ni­siert. Ja, und ich sag­te: Hör Dir John Col­tra­nes Bal­lads an und schau dann noch­mal auf Dath – Du siehst dann ei­nen, der gleich­sam von John Col­tra­ne in dem Stück »Too Young to Walk Ste­ady«, auf das ich – et­was ver­klau­su­liert, zu­ge­ge­ben – an­spiel­te – por­trai­tiert – ich könn­te auch sa­gen: Ge­trof­fen wor­den ist, als Ty­pus – und aus der Per­spek­ti­ve Col­tra­nes ge­se­hen: In ei­ner an­mu­ti­gen Form der In­kom­pe­tenz­fest­stel­lung gleich­sam – ge­foppt wor­den ist. Das ist al­so aus­drück­lich ei­ne sehr net­te Form zu sa­gen, dass man et­was für – ir­gend­wie nicht rich­tig aus dem Ei ge­pellt hal­te.

    Ich sa­ge es aber noch­mal: Col­tra­ne trifft et­was, al­so et­was in der äs­the­ti­schen Di­men­si­on – über Jahr­zehn­te hin­weg, – wor­an es der wie ich mei­ne: stei­fe – lies auch: steif­lei­ner­ne – Stil Daths – eben auch feh­len las­se: Ge­len­kig­keit, An­mut. Auch des­we­gen, schluss­fol­ge­re ich wei­ter un­ten, ha­be Dath nur ein mar­gi­na­les Pu­bli­kum. Und das wird sich, fürch­te ich, nicht groß än­dern (das ist teil­wei­se spe­ku­la­tiv. In­so­fern hat Gre­gor Keu­sch­nig in #9 na­tür­lich recht. Je­den­falls gilt das schon ein paar Jahr­zehn­te lang – und so­lan­ge ken­ne ich Dath und sei­ne Art zu schrei­ben und zu den­ken auch). Kann Diet­mar Dath da­zu­ler­nen? – Yep!

    Ich emp­feh­le sehr die »Bal­lads« von John Col­tra­ne – als Stil­schu­le!
    (Ver­mut­lich mehr als al­les an­de­re von Col­tra­ne, ob­wohl sein üb­ri­ges Werk nun auch mei­ner be­schei­de­nen Mei­nung nach absolut_nicht_ zu ver­ach­ten ist. Aber die »Bal­lads« sind in mei­ner ima­gi­na­ti­ven Edu­ca­ti­on Sen­ti­men­ta­le – es­sen­ti­ell).

    Das da  – apro­pos – liegt auch hier in die­sem Be­reich – cf. Takt!  – :

    https://www.youtube.com/watch?v=-aVLqk01Ghk