Ein stei­ni­ger Weg

Die Ver­hal­tens­mu­ster bei Mord- und Ter­ror­an­schlä­gen oder Amok­läu­fen lau­fen im­mer gleich ab. Man be­tont die Un­fass­bar­keit der Tat, stellt das Mon­strö­se her­aus, hebt den/die Tä­ter als Mon­ster aus jeg­li­cher so­zia­ler Ver­an­ke­rung her­aus und ruft in ei­ner Mi­schung aus Ah­nungs­lo­sig­keit, Ver­zweif­lung und vor­sätz­li­cher Dumm­heit nach Re­strik­tio­nen.

Po­li­ti­ker dä­mo­ni­sie­ren das In­ter­net wie wei­land welt­li­che und re­li­giö­se Macht­ha­ber den Buch­druck. Schon knapp ein­hun­dert Jah­re nach Gu­ten­bergs Er­fin­dung gab es die er­ste Aus­ga­be des »In­dex Li­brorum Pro­hi­bi­torum«, mit der die Kir­che ver­zwei­felt die po­li­ti­sche und spi­ri­tu­el­le Deu­tungs­macht in der Welt für al­le Zei­ten kon­ser­vie­ren woll­te. Da be­steht kein gra­vie­ren­der Un­ter­schied zwi­schen ei­nem mit­tel­al­ter­li­chen Papst und den af­fek­tiv agie­ren­den Po­li­ti­kern. Wie so häu­fig zeigt sich, dass das Ob­jekt des Res­sen­ti­ments weit­ge­hend un­be­kannt ist. Letzt­lich ist es ih­nen auch gleich­gül­tig; ent­schei­dend ist der Wunsch der Un­ter­wer­fung. So wer­den die Ta­ten von Mör­dern für die ei­ge­nen po­li­ti­schen Zwecke in­stru­men­ta­li­siert, wo­bei Ar­gu­men­te in An­be­tracht des weid­lich kol­lek­ti­ven Schocks, de­rer die Streß­ge­sell­schaft in An­be­tracht die­ses Aus­ma­ßes an De­struk­ti­on aus­ge­setzt ist, ent­behr­lich schei­nen. Haupt­sa­che, man be­frie­digt die Äng­ste der an­de­ren Ah­nungs­lo­sen.

Nach­dem sich her­aus­stell­te, dass die üb­li­chen Ver­däch­ti­gen dies­mal nichts mit den schreck­li­chen Ta­ten in Nor­we­gen zu tun ha­ben, wur­den so­fort die an­de­ren Ver­däch­ti­gen mit dem Tä­ter in Ver­bin­dung ge­bracht: Rech­te, EU-Geg­ner, Is­lam­has­ser. In den Topf der gei­sti­gen Brand­stif­ter (ein Vor­ge­hen, wel­ches ei­gent­lich von kon­ser­va­ti­ven Krei­sen in Deutsch­land in den RAF-Jah­ren der 70er kre­iert wur­de) wur­den auch ei­lig di­ver­se Pu­bli­zi­sten auf­ge­nom­men. In al­len Fäl­len wur­de das vor­nehm­ste und wich­tig­ste al­ler Ex­per­ten­ge­bo­te miss­ach­tet: Das Schwei­gen, so­lan­ge man nichts Ge­nau­es weiß.

Die Di­men­si­on die­ser schreck­li­chen Tat ver­lei­tet jetzt da­zu, den Tä­ter zu ent-so­zia­li­sie­ren. Er wird in ei­nem kol­lek­ti­ven Akt aus der Ge­sell­schaft aus­ge­sto­ßen. Ein Af­fekt, der in Deutsch­land wohl­be­kannt ist. Un­ter­stüt­zend zu die­ser The­se ist die Re­de vom »Einzel­täter« und »Au­ßen­sei­ter«. Das An­sin­nen spielt B., dem Tä­ter, in die Hän­de: Längst emp­fand er sich als Au­ßen­sei­ter ei­ner Ge­sell­schaft, in der er – trotz al­ler Mit­tel, die ihm zur Ver­fü­gung stan­den – nicht auf­ge­ho­ben war. Sein Au­ßen­sei­ter­tum mün­det in narziss­tischem Selbst-He­ro­is­mus. Ein He­ro­strat mit Sen­dungs­be­wusst­sein; sich selbst aus der Bi­bel le­gi­ti­mie­rend. Den Rück­zug ins Pri­va­te ge­stat­tet er sich ge­nau so we­nig wie die Aus­flucht in den all­ge­gen­wär­ti­gen Zy­nis­mus.

Da ist die­ses 1518 Sei­ten-Buch. Als Au­tor steht dort »An­drew Ber­wick«; als Ort »Lon­don«. All­ge­mein gilt es als das Werk von B. Kei­ne Ah­nung, wie si­cher dies ist. Am En­de gibt es die satt­sam be­kann­ten Fo­tos. Das »Pam­phlet« (man soll­te die­sen Aus­druck nicht dau­er­haft mit die­sem Mach­werk kon­ta­mi­nie­ren) be­steht aus zahl­rei­chen ko­pier­ten Pas­sa­gen, ins­besondere von ei­nem ge­wis­sen »Fjord­man«. Zu Be­ginn be­schreibt der Au­tor, dass er das mei­ste sei­nes »hart­ver­dien­ten« Gel­des in die­ses Buch ge­steckt ha­be – rd. 300.000 Eu­ro. Und er ma­che die­ses Buch al­len »Pa­trio­ten« zum »Ge­schenk«.

Wie weit und ob das Buch über­haupt re­zi­piert wer­den soll, ist jetzt um­strit­ten. Vor­sorg­lich wird es als wirr oder wahn­sin­nig ein­ge­schätzt – was dann wohl die ge­naue Lek­tü­re ent­behr­lich ma­chen soll. Al­len­falls die schnel­le Su­che nach ent­spre­chen­den Schlag­wor­ten wie »Bro­der« (12 x) oder »Wil­ders« (29 x) wird vor­ge­nom­men, um er­satz­wei­se Journal­ismus zu si­mu­lie­ren. Wo­bei die Su­che bei »Ador­no« (26 x) oder »Or­well« (12 x; mehr­fach ver­wen­det der Au­tor Or­well-Zi­ta­te zu Be­ginn sei­ner Ka­pi­tel) ähn­lich er­gie­big ge­we­sen wä­re.

Die Ent-So­zia­li­sie­rung des kalt­blü­ti­gen Mör­ders wird vor­ge­nom­men, weil sie be­freit. Das nach­träg­li­che Stem­peln zum Un­zu­rech­nungs­fä­hi­gen ent­la­stet (lei­der auch den Tä­ter bzw. von des­sen zu er­war­ten­der Stra­fe, aber das wird zäh­ne­knir­schend ak­zep­tiert). Nicht der lei­se­ste Zwei­fel soll blei­ben. Die er­sten Stim­men war­nen da­her auch da­vor, Aus­zü­ge aus dem »Pam­phlet« zu drucken und/oder zu dis­ku­tie­ren. Man wol­le dem Tä­ter kein Fo­rum bie­ten, heißt es da. Das über­sieht, dass er es längst hat; pa­ra­do­xer­wei­se in dem Mo­ment, als er in Iso­la­ti­ons­haft sitzt.

Un­ter dem Deck­män­tel­chen der Per­sön­lich­keits­rech­te des Tä­ters in Ver­bin­dung mit sei­ner Dä­mo­ni­sie­rung wird ein nach­träg­li­ches Ab­bil­dungs­ver­bot ge­for­dert. Ein skur­ri­ler Vor­schlag, der an die Spren­gung der Fi­gu­ren von Ba­mi­an durch die Ta­li­ban En­de der 90er Jah­re er­in­nert, die da­mit das Bil­der­ver­bot im Is­lam um­set­zen woll­te.

Die Mo­ti­va­tio­nen sind nur schein­bar un­ter­schied­lich. Die Ab­bil­dung Got­tes ver­letzt des­sen Sin­gu­la­ri­tät, so die Be­grün­dung für re­li­gi­ös kon­no­tier­te Bil­der­ver­bo­te. Gott soll nicht ab­ge­bil­det wer­den, weil er dann an­thro­po­mor­phi­siert, vul­go: tri­via­li­siert wird. Die Kir­che hat das Ab­bil­dungs­ver­bot nie be­son­ders kon­se­quent um­ge­setzt; die mit­tel­al­ter­li­chen Dar­stel­lun­gen ei­nes Man­nes im Rau­sche­bart mit Hei­li­gen­schein ge­ben da­von Zeug­nis. Das Ver­bot der Ab­bil­dung des Mas­sen­mör­ders B. ver­folgt das glei­che Ziel, nur dass es sich nicht um ei­nen Gott, son­dern um ein »Mon­ster« han­delt. Wir se­hen B. – und uns sel­ber; es gibt kei­nen gra­vie­ren­den op­ti­schen Un­ter­schied, der so­fort ei­ne be­frei­en­de Di­stanz aus­lö­sen könn­te.

Die Be­ken­ner­schrei­ben der RAF wur­den erst Jah­re spä­ter pu­blik ge­macht. Die ideo­lo­gi­schen Pi­rou­et­ten der Ter­ro­ri­sten ro­tier­ten kas­si­ber-ar­tig in den ein­schlä­gi­gen Krei­sen. Liest man sie heu­te, ver­mag man nicht zu er­ken­nen, war­um man die­se dum­men und plat­ten Tex­te in­di­zier­te. Das Werk von B. (so­fern es sei­nes ist) kur­siert im Netz. Es er­in­nert in sei­ner Mon­stro­si­tät an »Mein Kampf«, ins­be­son­de­re wenn der Au­tor sei­ne ab­stru­sen und red­un­dan­ten Ge­schichts­deu­tun­gen ab­son­dert. Aus den »Novemberver­brechern« des Lands­ber­ger Häft­lings sind die »marxistisch/­multikulturellen« Unheils­bringer ge­wor­den, die er in ganz Eu­ro­pa aus­macht. So li­stet er akri­bisch je­des Land auf und be­schreibt al­le Or­ga­ni­sa­tio­nen, die in die­sem »marxistisch/multikulturellen« Kli­ma Po­li­tik ma­chen. In Deutsch­land fin­det er sechs sol­cher Or­ga­ni­sa­tio­nen: SPD, CDU, FDP, Grü­ne, Lin­ke, CSU. Sechs »Mit­glie­der« von Hun­dert der »kul­tur-mar­xi­sti­schen/­­mul­ti­kul­tu­rel­len Al­li­anz« Eu­ro­pas – der »MA100«.

B. sieht über­all den Geist des un­ter­drück­ten Wor­tes, land­läu­fig als »po­li­ti­cal cor­rect­ness«. Wenn »4 So­ma­li« ei­ne Frau ver­ge­wal­ti­gen, fra­ge die Ge­sell­schaft, wie die­sen Men­schen, de­ren Vor­fah­ren vom eu­ro­päi­schen Ko­lo­nia­lis­mus un­ter­drückt wur­den, noch ge­hol­fen wer­den kann, so B. auf Sei­te 1402 in­ner­halb ei­nes mit ihm selbst ge­führ­ten In­ter­views. Sein Un­be­ha­gen ist in und an der Kul­tur. Aber es ist kein frucht­ba­res Un­be­ha­gen, son­dern ei­nes, das zer­stö­ren will. B. will ir­gend­wann zu­schla­gen. Nur so kann er noch die Welt er­tra­gen. Er ist nicht je­mand, der die Welt­macht über­neh­men will. Er ist ein fast de­mü­ti­ger Mär­ty­rer für »sein« Eu­ro­pa; aber er ist nicht to­des­be­reit. Mit den von ihm so ver­hass­ten Is­la­mi­sten eint ihn ei­nes: Er ist im Krieg – und in die­sem Krieg gibt es kei­ne Op­fer, weil al­le schul­dig sind. So wird ei­ne Kol­lek­tiv­schuld­the­se wahn­haft ad­ap­tiert.

Es wür­de aber zu kurz grei­fen, re­flex­ar­tig die Ta­ten B.s eben­falls in ei­ner Art Kollektiv­verantwortung dem ak­tu­el­len Ge­sell­schafts­mo­dell, der ka­pi­ta­li­sti­schen Mo­der­ne, vorzu­halten. Der Tä­ter ge­hört zu je­nen, die mit den In­for­ma­ti­ons­strö­men, den Ideo­lo­gien, Re­li­gio­nen, so­zio­lo­gi­schen The­sen und psy­cho­ana­ly­ti­schen Deu­tun­gen nicht mehr klar­kom­men. Die Kom­ple­xi­tät der Welt und de­ren Be­schleu­ni­gung sind ihm un­heim­lich. B.s Ge­schichts­bild ent­springt weit­ge­hend der eng­lisch­spra­chi­gen Wi­ki­pe­dia. Er sehnt sich nach ein­fa­chen Er­klä­run­gen. Dia­lek­tik lehnt er ab und prak­ti­ziert statt­des­sen ei­nen Eklekt­izismus, in der je­de Er­kennt­nis nach sei­nem Denk­mu­ster um­ge­formt wird. Al­les an­de­re exi­stiert nicht oder ist Aus­bund des ver­hass­ten Sy­stems. Das ist das im üb­ri­gen das rei­ne Ge­gen­teil von In­tel­li­genz.

Die Ar­gu­men­ta­ti­on, man dür­fe B. kein Fo­rum bie­ten, der Wunsch, ihn in die Bedeutungs­losigkeit zu ver­ban­nen, ist ver­füh­re­risch. Aber er ist in die­ser Ab­so­lut­heit falsch. Es ist ein selt­sa­mer Auf­ruf zur Ver­drän­gung, der da ge­lei­stet wird. Nie­mand wä­re auf die Idee ge­kom­men, Mo­ti­va­tio­nen und Hin­ter­grün­de für die An­schlä­ge von 9/11 mit ei­nem Ver­bot zu be­le­gen. Hät­te man die Exi­stenz von Osa­ma Bin La­den bes­ser tot­geschwiegen? Aus dem vor­aus­ei­len­den Ver­bot spricht die Angst vor der Ur­teils­kraft des Bür­gers. Der­art pa­ter­na­li­sti­sche Ge­sten sind ei­ner Dis­kurs-Ge­sell­schaft nicht an­ge­mes­sen. Me­di­en sind zwar in der ge­fähr­li­chen Si­tua­ti­on, dass sie den Spa­gat zwi­schen Bericht­erstattung und rei­ner Pro­pa­gan­da fin­den müs­sen. Aber sie müs­sen die­sen Weg fin­den. Es ist ein stei­ni­ger Weg.


Er­gän­zung 28.07.2011: Ein klu­ger Ar­ti­kel von Kurt Ki­ster in der SZ: »Die Tat und ih­re Pro­pa­gan­da«.

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  1. Herr Keu­sch­nig, – Sie stür­zen mich in ei­ne tie­fe Kri­se. Da ich den At­ten­tä­ter so­gar für hoch­in­tel­li­gent hal­te, müß­te ich auf­grund Ih­res Ur­teils über den In­tel­li­genz­grad des At­ten­tä­ters an­neh­men, daß ich stroh­doof sei. Tat­säch­lich aber sind un­se­re Ein­schät­zun­gen wohl nur des­halb so un­ter­schied­lich, weil mein Be­griff von In­tel­li­genz ein an­de­rer ist als Ih­rer. Ge­he ich recht in der An­nah­me, daß Sie In­tel­li­genz und die Fä­hig­keit, ra­tio­nal zu den­ken, in et­wa gleich­set­zen? So zu­min­dest will es mir schei­nen. Doch auch Men­schen, die Sie für hoch­in­tel­li­gent hal­ten wür­den, kön­nen psy­chisch er­krankt sein, mit den ent­spre­chen­den ko­gni­ti­ven Be­ein­träch­ti­gun­gen.

    Die Kom­ple­xi­tät der Welt und de­ren Be­schleu­ni­gung sind ihm un­heim­lich. Was die Pres­se über ihn schreibt, recht­fer­tigt solch ein Ur­teil. Doch Brei­vik kann kom­ple­xe Zu­sam­men­hän­ge se­hen und prä­zi­se dar­stel­len – bes­ser als die mei­sten Jour­na­li­sten (zum Glück gibt es auch ei­ni­ge Aus­nah­men), die im Prin­zip im­mer das glei­che über ihn ge­schrie­ben ha­ben, oh­ne es für nö­tig ge­hal­ten zu ha­ben, sich so in­ten­siv mit sei­nem Buch zu be­schäf­ti­gen, wie es für ei­nen Ar­ti­kel mit dem Be­griff Psy­cho­gramm in der Über­schrift er­for­der­lich ge­we­sen wä­re.

    B.s Ge­schichts­bild ent­springt weit­ge­hend der eng­lisch­spra­chi­gen Wi­ki­pe­dia. Sie mei­nen wohl sei­ne Ge­schichts­kennt­nis­se. Wenn die tat­säch­lich der eng­li­schen Wi­ki­pe­dia ent­sprä­chen, so wüß­te er mehr als ale Ge­schichts- und son­sti­gen Stu­den­ten, die mir je be­geg­net sind.

    Er sehnt sich nach ein­fa­chen Er­klä­run­gen. Seit wann ist es un­in­tel­li­gent, sich nach ein­fa­chen Er­klä­run­gen zu seh­nen? Ich hal­te je­man­den, der das tut, für in­tel­li­gen­ter als ei­nen, der sich nach kom­pli­zier­ten Er­klä­run­gen sehnt. Und da­mit be­fin­de ich mich in be­ster Ge­sell­schaft. Das Wort von dem­je­ni­gen, der den Wald vor lau­ter Bäu­men nicht sieht, wur­de im­mer­hin von Wie­land ge­prägt. Und der war nun wirk­lich nicht doof.

    Dia­lek­tik lehnt er ab und prak­ti­ziert statt­des­sen ei­nen Eklekt­izismus, in der je­de Er­kennt­nis nach sei­nem Denk­mu­ster um­ge­formt wird. Al­les an­de­re exi­stiert nicht oder ist Aus­bund des ver­hass­ten Sy­stems. Dann müs­sen Sie beim er­sten Blät­tern völ­lig an­de­re Stel­len ge­fun­den ha­ben als ich. Die mei­sten Jour­na­li­sten schei­nen eben­falls an­de­re Stel­len ge­fun­den zu ha­ben. Sie schrei­ben stets et­was von Brei­viks Haß. Doch Brei­viks Tex­te, so­weit ich sie bis­her ken­ne, zeich­nen sich ge­ra­de da­durch aus, daß sie sehr viel we­ni­ger Haß ent­hal­ten als die Tex­te der al­ler­mei­sten ’nor­ma­len’ Men­schen, die sich im Netz über sei­nen Gei­stes­zu­stand aus- und mit­un­ter auch ih­ren Tö­tungs­phan­ta­sien frei­en Lauf las­sen.

    Auf die Ge­fahr hin, daß man mich für gei­stes­krank er­klä­ren wird, hal­te ich Brei­vik nach wie vor für ei­nen weit über­durch­schnitt­lich in­tel­li­gen­ten und (skan­da­lö­ser­wei­se so­gar:) sen­si­blen Men­schen, der sich, wä­re er we­ni­ger be­gabt, wohl kaum so ent­wickelt hat­te, wie die Welt ihn nun zu ken­nen glaubt. Soll­te er je­mals Psych­ia­ter fin­den, die ihm in­tel­lek­tu­ell und psy­chisch ge­wach­sen sind, wird das ei­nes Ta­ges auch ak­ten­kun­dig wer­den. Ob es die Öf­fent­lich­keit je er­fah­ren wird, ist frei­lich ei­ne an­de­re Sa­che. Denn es kann nicht sein, was nicht sein darf.

  2. Es ist mei­nes Er­ach­tens die an­de­re Sei­te der Me­dail­le Fi­gu­ren, de­ren Ta­ten man nicht ein­ord­nen kann, die man aber nicht pa­tho­lo­gi­sie­ren möch­te, mit dem Eti­kett »in­tel­li­gent« zu ver­se­hen.

    Es be­steht kein Zwei­fel dar­an, dass B.s Welt­sicht auf das be­stehen­de Sy­stem von ei­nem ve­ri­ta­blen Hass ge­prägt ist. Es ist frei­lich kein blind­wü­ti­ger und pri­mi­ti­ver Hass, der in Ver­bal­in­ju­ri­en en­det wie bei so manch dump­fen Neo-Na­zi. Das läuft auf »ge­pfleg­te­rer« Ebe­ne ab, ra­tio­nal und nicht we­ni­ger kon­se­quent. B.s »Pam­phlet« ent­hält kon­kre­te Hand­lungs­an­wei­sun­gen für An­schlä­ge, Zie­le, Ziel­per­so­nen – und die Wir­kun­gen, die da­mit er­zielt wer­den. Be­stimm­te Kon­stel­la­tio­nen ver­wirft er auch. Das sind kei­ne Über­le­gun­gen im dis­kurs-theo­re­ti­schen Raum. Das sind kei­ne fik­tio­na­len Kri­mi­nal­erzäh­lun­gen, in de­nen In­di­vi­dua­li­sten als mon­strö­se, blut­rün­sti­ge Psy­cho­pa­then ge­schil­dert wer­den. Das ist – wie man seit Frei­tag weiss – Rea­li­tät.

    Sie at­te­stie­ren B. ei­ne kom­ple­xe Sicht auf die Welt – ich das ge­naue Ge­gen­teil. Na­tür­lich er­kennt er be­stimm­te Aus­wüch­se ei­ner sich li­be­ral ge­ben­den Ge­sell­schaft, die hier­über ih­re Wer­te droht zu ver­wäs­sern. Das ge­lingt durch­schnitt­lich ge­bil­de­ten Men­schen üb­ri­gens auch. Nicht um­sonst hat die rechts-na­tio­na­le Fort­schritts­par­tei in Nor­we­gen über 20% der Stim­men er­hal­ten. Das, was B. dort be­schreibt, ist längst in brei­ten Tei­len der nor­we­gi­schen Ge­sell­schaft ein­ge­sickert – eben je­nes Un­be­ha­gen an und in der Mo­der­ne. Ähn­li­ches fin­den Sie auf der deut­schen PI-Sei­te auch, wenn auch ein biss­chen »ru­sti­ka­ler« for­mu­liert.

    Den­noch lässt er kei­ne an­de­re Sicht zu. Al­les ist am En­de »marxistisch/multikulturell«. Es ist der Wahn de­rer, die al­les »durch­mischt« und »durch­rasst« se­hen. B. gibt am En­de die Ver­tre­ter des »mar­xi­sti­schen Mul­ti­kul­tu­ra­lis­mus«, der un­se­re Ge­sell­schaf­ten an­geb­lich do­mi­niert, im wört­li­chen Sin­ne zum Ab­schuss frei.

  3. Ei­gent­lich ver­su­che ich »Find-ich-auch-Kom­men­ta­re« zu ver­mei­den, aber in die­sem Fall will ich be­to­nen, dass mir die­se Kri­tik der »angst­ge­steu­er­ten De­mon­ta­ge« sol­cher Fäl­le wie dem von B. in die­ser Klar­heit und Of­fen­heit sehr gut ge­fällt.
    Man mag ein­zel­ne Punk­te an­ders se­hen, aber letzt­lich ist die Ver­drän­gungs­re­ak­ti­on der mei­sten Me­di­en in­dis­ku­ta­bel und ober­fläch­lich. Ich wür­de mir wün­schen, man wür­de Leu­te wie B., die oft wie Spie­gel der Angst vor uns selbst und mög­li­cher Ta­ten sind, zu de­nen man fä­hig ist, als Men­schen deu­ten und ver­su­chen, et­was da­zu­zu­ler­nen.

  4. Es ist mei­nes Er­ach­tens die an­de­re Sei­te der Me­dail­le Fi­gu­ren, de­ren Ta­ten man nicht ein­ord­nen kann, die man aber nicht pa­tho­lo­gi­sie­ren möch­te, mit dem Eti­kett »in­tel­li­gent« zu ver­se­hen.

    Ja, so kann man das se­hen. Dis­kurs­theo­re­tisch oder wie auch im­mer be­trach­tet kommt das hin. Nur auf mich trifft die­se an­de­re Sei­te der Me­dail­le nicht zu. Ich ha­be näm­lich kei­ne Schwie­rig­kei­ten da­mit, Brei­viks Ta­ten »ein­zu­ord­nen«. Al­ler­dings wei­ge­re ich mich, den Tä­ter für dumm zu hal­ten und so­dann in ei­ne der üb­li­chen Psy­cho-Schub­la­den zu packen, um end­lich wie­der mei­ne Ru­he zu ha­ben. Wohl auch des­halb hat Scho­pen­hau­er den Be­griff »Jour­na­list« mit »Ta­ge­löh­ner« über­setzt.

    Und was das Eti­kett »in­tel­li­gent« be­trifft: so hielt ich es schon im­mer für rat­sa­mer, Men­schen im Zwei­fels­fall lie­ber zu über- als zu un­ter­schät­zen. Vgl. hier­zu die Kam­pa­gne al­ler ‘auf­rech­ten De­mo­kra­ten’ ge­gen den in­zwi­schen le­gen­dä­ren Bu­back-Nach­ruf des Göt­tin­ger Mes­ca­le­ro. Be­son­ders emp­foh­len sei Ih­nen je­doch ei­ner mei­ner Blog­bei­trä­ge aus dem Jahr 2005. Stich­wort: Fuß­fes­seln für Lang­zeit­ar­beits­lo­se.

  5. Lie­ber Qui­ri­ni­us,

    Sie lie­gen wohl re­la­tiv auf ei­ner Li­nie mit:

    - was die »In­tel­li­genz« be­trifft, fin­de ich die Vo­ka­bel sehr un­ge­eig­net. Da­zu viel­leicht spä­ter mehr, zu­nächst, se­he ich die Klar­sich­tig­keit und Sen­si­bi­li­tät, die Sie ihm at­te­stie­ren nicht (ganz). Die Zi­ta­te, die Sie an­füh­ren le­sen sich für mich schon wie ein Ame­ri­can Psy­cho Ver­schnitt. Mag sein dass es sol­che Krei­se gab oder gibt, sol­che Ober­fläch­lich­keit – aber ist es nicht viel­leicht nur ein eben­so ober­fläch­li­ches Bild der Ge­sell­schaft, das sich ver­selbst­stän­digt hat und nun durch die me­dia­le Ver­mitt­lung, die sich ge­nau an je­ner Ober­flä­che auf­hält, be­stä­tigt zu sein scheint? (Die Sen­si­bi­li­tät von der sie spre­chen wür­de ich al­so ei­nem El­lis oder Houl­le­becq sehr wohl zu spre­chen, aber de­nen ge­lingt es ja die­ses Bild so zu über­for­men, dass es wie­der ver­han­del­bar wird, dass es als grau­sam-wah­res Zerr­bild un­se­rer Ge­sell­schaft vor uns steht, wäh­rend bei B. dies al­les für ba­re Mün­ze ge­nom­men zu sein scheint? – da wür­de mich ge­ra­de die­se Stel­le in­ter­es­sie­ren, die Sie von dem »afri­ka­ni­schen gang-ra­pe« zi­tie­ren, das liest sich so, als ha­be B. das tat­säch­lich selbst ge­se­hen. Stimmt das oder hat er es nur im Fern­se­hen, In­ter­net ge­se­hen?) – Das ist viel­leicht auch der Punkt war­um Herr Keu­sch­nig die Klug­heit ab­spre­chen möch­te: weil B. sich in sei­nem ei­ge­nen Welt­bild so ver­rannt zu ha­ben scheint, dass von die­sem nichts mehr hin­ter­fragt wer­den kann. Al­ler­dings mag es schon so sein, dass ana­ly­ti­sche »Klarheit/Intelligenz«, die ja z.B. ein Ted Kac­zyn­ski zwei­fel­los be­sit­zen soll­te, eben nicht vor Ra­di­ka­li­sie­rung schützt.

  6. In »Er­gän­zung 28.07.2011: Ein klu­ger Ar­ti­kel von Kurt Ki­ster in der SZ »Die Tat und ih­re Pro­pa­gan­da»« wur­de der Link falsch ge­setzt.

    Gruß

  7. @Quirinus: Mich wür­den Hin­wei­se auf die Jour­na­li­sten bzw. Tex­te in­ter­es­sie­ren, die ABB dumm nen­nen sol­len. In den Me­di­en, die ich so le­se, – das sind die klas­sisch bür­ger­lich-li­be­ral-kos­ner­va­ti­ven und, ich muss ge­ste­hen, Spie­gel On­line – taucht die­ses Ad­jek­tiv kaum auf, son­dern es wird ver­sucht, ABB psy­cho­pa­tho­lo­gisch zu er­klä­ren, oder sein 1.500-Seiten Co­py and Pa­ste-Kon­glo­me­rat wird phi­lo­lo­gisch aus­ein­an­der­ge­nom­men und kon­tex­tua­li­siert.
    Vor Ih­rer For­mu­lie­rung
    »Auf die Ge­fahr hin, daß man mich für gei­stes­krank er­klä­ren wird, hal­te ich Brei­vik nach wie vor für ei­nen weit über­durch­schnitt­lich in­tel­li­gen­ten und (skan­da­lö­ser­wei­se so­gar:) sen­si­blen Men­schen, der sich, wä­re er we­ni­ger be­gabt, wohl kaum so ent­wickelt hat­te, wie die Welt ihn nun zu ken­nen glaubt. Soll­te er je­mals Psych­ia­ter fin­den, die ihm in­tel­lek­tu­ell und psy­chisch ge­wach­sen sind, wird das ei­nes Ta­ges auch ak­ten­kun­dig wer­den. Ob es die Öf­fent­lich­keit je er­fah­ren wird, ist frei­lich ei­ne an­de­re Sa­che. Denn es kann nicht sein, was nicht sein darf.«
    ste­he ich bei ei­nem Men­schen wie Ih­nen, dem es so wich­tig ist, sich selbst als jen­seits der main­strea­mi­gen Jour­na­li­sten-Ka­nail­le zu in­sze­nie­ren, rat­los da­vor. Die­se Fi­gur ist doch übel­ster Psy­cho­kitsch aus dem Ali­ce Mil­ler »Dra­ma des be­gab­ten Kin­des« goes Hol­ly­wood-Psy­cho­thril­ler-Gen­re. Dann auch noch ei­ne Ver­schwö­rungs­theo­rie à la »Die Re­gie­rung wird uns das al­les vor­ent­hal­ten« an­zu­deu­ten, oh­ne den Mumm zu ha­ben, sie di­rekt zu for­mu­lie­ren, nun ja... je­der nach sei­nen ge­schmack­li­chen Mög­lich­kei­ten.

  8. ein be­trächt­li­cher teil der von dem b. an­ge­ge­be­nen 300.000 eu­ro sind üb­ri­gens von ihm selbst ge­schätz­ter ver­dienst­aus­fall. ich weiß nicht, ob es hilf­reich ist, die­se sum­me un­kom­men­tiert zu las­sen.

    zum hin­ter­grund des tex­tes hat mir au­ßer­dem ein in­ter­view mit jeff shar­let gut ge­fal­len. dort geht es auch um den star­ken be­zug zu pu­bli­zi­sten aus dem eng­li­schen sprach­raum.

    das in­ter­view be­ginnt et­wa bei der 13-mi­nu­ten-mar­ke.

    .~.

  9. @Phorkyas:

    Da ich, um um zu be­le­gen, was ich über Brei­vik ge­sagt ha­be, ein gan­zes Buch über sein Kon­vo­lut und , will ich mich hier nicht wei­ter äu­ßern, son­dern nur sa­gen: daß ich Brei­vik zwar für äu­ßerst in­tel­li­gent hal­te, aber nicht für klug und al­so auch nicht für ver­nünf­tig. Am Fall Brei­vik lie­ße sich be­stens de­mon­strie­ren, daß In­tel­li­genz bzw. Ver­stand und Ver­nunft zwei­er­lei Din­ge sind – und wie es da­zu kom­men kann, daß ein in­tel­li­gen­ter oder so­gar hoch­in­tel­li­gen­ter Mensch dem Wahn­sinn ver­fällt und schließ­lich so han­delt, als wä­re er ‘dumm’. Brei­vik ist aber nicht ‘düm­mer’ als (um nur ei­nes von vie­len Bei­spie­len zu nen­nen) die­je­ni­gen, die da­für ver­ant­wort­lich sind, daß im Na­men der Frei­heit Atom­bom­ben ent­wickelt und über Hi­ro­shi­ma und Na­ga­sa­ki ab­ge­wor­fen wur­den. Er war nur so ‘dumm’, sich nicht im Rah­men der herr­schen­den Ord­nung als Kil­ler zu be­tä­ti­gen, für un­se­re en­du­ring free­dom.

    Was die ‘gang ra­pe’ be­trifft, so kön­nen wir nicht wis­sen, ob Brei­vik das be­ob­ach­tet hat. Mit Si­cher­heit aber hat er wäh­rend sei­ner Hip­Hop- und Tag­ger-Pha­se ei­ne Men­ge üb­ler Sa­chen mit­be­kom­men, dar­un­ter höchst­wahr­schein­lich auch je­de Men­ge all der gei­len Ver­ge­wal­ti­gungs­vi­de­os, die so vie­le Jungs aus der Sze­ne auf ih­ren Han­dys ha­ben und auch sel­ber pro­du­zie­ren. Ich ha­be sol­che Jungs zwei Jah­re lang un­ter­rich­tet. Ei­ner da­von sag­te mir, er wol­le »Kil­ler« wer­den. Doch ‘zum Glück’ will er das in le­ga­lem Rah­men. Er will zur Bun­des­wehr. Ein an­de­rer sitzt ge­ra­de im Knast. Er hat­te ei­nen klei­nen Jun­gen ver­ge­wal­tigt, war nach sei­ner Ju­gend­stra­fe bald wie­der auf Be­wäh­rung frei­ge­kom­men und hat so­gleich, zu­sam­men mit ei­nem Kum­pel, den näch­sten Jun­gen ver­ge­wal­tigt, ei­nen Roll­stuhl­fah­rer. Nur so zum Spaß; aus Lan­ge­wei­le. Sind sol­che Tä­ter harm­lo­ser als Brei­vik? Nein. Sie sind nur we­ni­ger in­tel­li­gent, ge­bil­det, aus­dau­ernd und ziel­stre­big, um das zu tun, was Brei­vik ge­tan hat – und kön­nen uns des­halb auch kei­ne Tex­te hin­ter­las­sen, die uns Ein­blick in ih­re Köp­fe ge­wäh­ren und uns zei­gen könn­ten, daß es dar­in nicht sehr viel an­ders zu­geht als in un­se­rer ‘Nor­ma­li­tät’, wo al­les wirr durch­ein­an­der­geht. Brei­vik aber hat uns al­les hin­ter­las­sen, was wir wis­sen müs­sen, um end­lich zu ka­pie­ren, daß Leu­te wie er oder mei­ne ehe­ma­li­gen Schü­ler kei­ne mon­sters from outer space sind, son­dern im Prin­zip Men­schen wir wir, aber eben durch­ge­knall­te.

    Be­zeich­nen­der­wei­se fin­det sich mei­ne Sicht der Din­ge bzw. ein Teil da­von in aus­län­di­schen Zei­tungs­ar­ti­keln oder Blog­bei­trä­gen sehr viel öf­ter als in hie­si­gen; so et­wa auch in die­sem Dis­kus­si­on­bei­trag der ehe­ma­li­gen nor­we­gi­schen Ju­stiz­mi­ni­ste­rin An­ne Holt, der ge­stern vom Wall Street Jour­nal ver­öf­fent­licht wur­de. Zu fra­gen wä­re al­so auch, wie es da­zu kommt, daß ge­ra­de in Deutsch­land so vie­le Kom­men­ta­to­rin­nen und Kom­men­ta­to­ren be­strebt sind, Brei­viks Tat als di­rek­te Fol­ge sei­ner ‘rech­ten’ Ge­sin­nung zu be­trach­ten und al­len Ern­stes zu glau­ben, man müs­se nur die Köp­fe von al­lem ‘Rech­ten’ säu­bern, um wei­te­re Ta­ten die­ser Art zu ver­hin­dern. Doch die 70er Jah­re ha­ben ja ge­zeigt, daß auch ‘lin­ke’ Ge­sin­nun­gen da­zu die­nen kön­nen, durch­ge­knall­ten Ju­gend­li­chen und jun­gen Er­wach­se­nen den ideo­lo­gi­schen Über­bau für Ge­walt­ex­zes­se al­ler Art zu lie­fern. Ganz zy­nisch könn­te man sa­gen: Je­de Ge­sell­schaft be­kommt die (nur schein­bar) po­li­tisch mo­ti­vier­ten Ge­walt­tä­ter, die sie braucht, um sich selbst in die­sen Tä­tern wie­der­erken­nen zu kön­nen. Die so­zi­al­de­mo­kra­ti­schen 70er brauch­ten die ‘lin­ken Ter­ro­ri­sten’; die neo­li­be­ra­len 90er und Nuller brau­chen Amok­läu­fer und ‘rech­te Mä­ssen­mör­der’. Was sie aber am mei­sten be­nö­ti­gen, sind Men­schen oh­ne ideo­lo­gi­sche Scheu­klap­pen. Wä­ren die­se Men­schen un­ter den sog. Ge­bil­de­ten in der Mehr­zahl, ge­ra­de auch in den Me­di­en und im Bil­dungs­be­reich, dann wä­re es zu vie­len ‘lin­ken’ oder ‘rech­ten’ Ge­walt­ta­ten gar nicht erst ge­kom­men, und so manch ein von al­len ver­nünf­ti­gen Er­wach­se­nen ver­las­se­ner Ju­gend­li­cher sä­ße jetzt nicht vor sei­nem Rech­ner, um als der näch­ste Me­ga­kil­ler in die Ge­schich­te ein­zu­ge­hen.

  10. @Quirinus: Dan­ke für die aus­führ­li­che Dar­le­gung. Sie schei­nen mir so zu ar­gu­men­tie­ren: Um Ter­ro­rist / Mas­sen­mör­der zu wer­den, muss man schon an ei­ner schwe­ren psy­chi­schen Stö­rung lei­den, aber wie man die dann aus­lebt, dass hängt an den kon­kre­ten Be­din­gun­gen, in de­nen man lebt. In ge­wis­ser Wei­se re­kla­mie­ren Sie da­mit für sol­che Tä­ter ja »mil­dern­de« Um­stän­de. Das fin­de ich ein sehr nach­voll­zieh­ba­res Ar­gu­ment, das aber in ge­wis­ser Wei­se auch die Be­deu­tung der po­li­ti­schen Äu­ße­run­gen, durch die ABB und an­de­re Ter­ro­ri­sten ihr Han­deln mo­ti­vie­ren, be­grün­den und kon­tex­tua­li­sie­ren, kom­plett dis­kre­diert. Das sind dann ma­xi­mal Äu­ße­run­gen, die sich auf dem Ni­veau der Schre­ber­schen Wahn­tex­te »ver­ste­hen« und zur The­ra­pie nut­zen las­sen.

    Was mich lei­der sehr stut­zig macht, ist dann die Be­mer­kung

    »Zu fra­gen wä­re al­so auch, wie es da­zu kommt, daß ge­ra­de in Deutsch­land so vie­le Kom­men­ta­to­rin­nen und Kom­men­ta­to­ren be­strebt sind, Brei­viks Tat als di­rek­te Fol­ge sei­ner ‘rech­ten’ Ge­sin­nung zu be­trach­ten und al­len Ern­stes zu glau­ben, man müs­se nur die Köp­fe von al­lem ‘Rech­ten’ säu­bern, um wei­te­re Ta­ten die­ser Art zu ver­hin­dern.«

    Dann scheint mir die gan­ze schö­ne Her­lei­tung doch nur zur Exkul­pie­rung von rech­ter Ge­sin­nungs­jour­nail­le zu füh­ren und über­sieht, dass die kon­kre­ten Merk­ma­le von ABBs Tat sich sehr gut aus sei­ner »rech­ten« Ge­sin­nung her­aus er­klä­ren las­sen: Er hat sich die zu­künf­ti­ge so­zi­al­de­mo­kra­ti­sche Eli­te Nor­we­gens aus­ge­sucht, die er wie räu­di­ge Hun­de ab­ge­knallt hat. Die­ses »Dreh­buch« ist ex­pli­zit rechts und wur­de in Eu­ro­pa schon mehr­fach um­ge­setzt. Bru­ta­le An­grif­fe ge­gen als links wahr­ge­nom­me­ne Men­schen sind in Deutsch­land üb­ri­gens gar­nicht so sel­ten. Sie tau­chen bis­her nur sehr sel­ten in den Me­di­en auf (zu we­ni­ge To­te und Schwer­ver­letz­te ist zu ver­mu­ten) – und wer­den, wenn über­haupt eher als Ban­den­schlä­ge­rei­en oder ty­pi­sche Ju­genpsy­cho­pa­tho­lo­gien re­zi­piert und in­ter­pre­tiert. ABB hat ein 1.500-Seiten lan­gen Text aus In­ter­net-Tex­ten kom­pi­liert, um ge­nau die­se In­ter­pre­ta­ti­on zu ver­hin­dern. Und das soll­ten wir ernst neh­men.

  11. Und noch was an dot til­de dot:

    Vie­len Dank für den Hin­weis auf das In­ter­view. Schon die im Text dar­un­ter zi­tier­ten Äu­ße­run­gen von Shar­let ent­spre­chen dem, was ich in mei­nem Blog be­reits vor Ta­gen an­ge­spro­chen ha­be: daß sich Brei­vik nicht auf das be­zieht, was sich deut­sche Le­ser vor­stel­len, wenn sie hö­ren, er ha­be sich sei­ne Ideo­lo­gie aus ‘rech­ten Blogs’ zu­sam­men­ge­leimt, – son­dern daß sich Brei­vik auf Pu­bli­ka­tio­nen von hoch­de­ko­rier­ten US-Au­toren wie Wil­liam S. Lind & Co. be­zieht – al­so auf Tex­te von Leu­ten, de­nen man (so­fern man kei­ne Scheu­klap­pen trägt) de­fi­ni­tiv nicht nach­sa­gen kann, es man­ge­le ih­nen an ra­tio­na­ler In­tel­li­genz. Tat­säch­lich man­gelt es ih­nen (so wie vie­len ‘Links­in­tel­lek­tu­el­len’) ’nur’ an emo­tio­na­ler In­tel­li­genz. Ist bei­des nicht glei­cher­ma­ßen vor­han­den und wird das Gleich­ge­wicht nicht im­mer wie­der ju­stiert, so kann die Un­ver­nunft ih­re Or­gi­en fei­ern.

    Ich ken­ne schon seit Jah­ren di­ver­se der be­sag­ten ame­ri­ka­ni­schen Tex­te (dar­un­ter auch den von Brei­vik ein­gangs in vol­ler Län­ge do­ku­men­tier­ten Sam­mel­band über die Po­li­ti­cal Cor­rect­ness, hrsg. von Lind) und mei­ne schon seit Jah­ren, daß man sie drin­gend ernst­neh­men soll­te. Die einst so ‘gut ge­mein­te’ PC ist tat­säch­lich schon lan­ge zu ei­nem In­stru­ment ver­kom­men, des­sen sich je­der be­die­nen kann, um al­les ‘aus­zu­mer­zen’, was ihm oder ihr nicht in den Kram paßt. Das glei­che gilt selbst­ver­ständ­lich auch für je­de PC-Kri­tik, die auf der fal­schen An­nah­me be­ruht, es ge­be ei­ne ‘kul­tur­mar­xi­sti­sche’ oder ir­gend­ei­ne an­de­re ‘lin­ke’ Ver­schwö­rung.

    Über­haupt: ‘Ver­schwö­rung’. Die­ser seit 9/11 lei­der auch in Deutsch­land in­fla­tio­när ge­brauch­te Be­griff dient nun schon seit da­mals ‘lin­ken’ wie ‘rech­ten’ Au­toren da­zu, ein­an­der zu be­krie­gen. Leu­ten, die an­de­ren Leu­ten un­ter­stel­len, sie sei­en ‘rech­te Ver­schwö­rungs­theo­re­ti­ker’ oder ‘lin­ke Ver­schwö­rer’, soll­te man stets mit Vor­sicht be­geg­nen. Sie sind glei­cher­ma­ßen bor­niert und ar­bei­ten (wenn sie denn ar­bei­ten: Tex­te voll­stän­dig und auf­merk­sam zu le­sen und kor­rekt zu zi­tie­ren ist schon längst aus der Mo­de ge­kom­men) mit den glei­chen Tricks, um ih­ren je­wei­li­gen Geg­ner lä­cher­lich oder mund­tot zu ma­chen. Des­halb traue ich schon lan­ge kei­nem ‘In­tel­lek­tu­el­len’ mehr, der sei­nen je­wei­li­gen Geg­ner nicht aus­führ­lich zu Wort kom­men läßt, Zi­ta­te aus dem Zu­sam­men­hang reißt und ‘in­ter­pre­tiert’ und ad ho­mi­nem ar­gu­men­tiert. Seit den 70er Jah­ren gibt es im­mer mehr von sol­chen ‘In­tel­lek­tu­el­len’. Man er­kennt sie be­son­ders gut dar­an, daß sie uns im­mer wie­der sa­gen, es loh­ne sich nicht, den Text X oder Y zu le­sen, da der Au­tor ein ‘Lin­ker’ oder ein ‘Rech­ter’ sei. Des­halb traue ich stets nur Leu­ten, die uns da­zu auf­for­dern, ei­nen kon­tro­ver­sen Text selbst zu le­sen oder ein kon­tro­ver­ses Mu­sik­stück selbst zu hö­ren (das je­weils in vol­ler Län­ge), an­statt uns mit mehr oder min­der sub­ti­len Mit­teln da­von ab­zu­hal­ten ver­su­chen oder gar nach dem Zen­sor zu ru­fen.

  12. @ Dok­tor D:

    Kei­ne Sor­ge; ich will nie­man­den exkul­pie­ren. Was ich will, ist nur: daß wir al­le uns nicht im­mer wie­der in ‘Dis­kur­sen’ ver­zet­teln, die uns dar­an hin­dern, den je­wei­li­gen Sach­ver­halt oh­ne ideo­lo­gi­sche Scheu­klap­pen zu be­trach­ten; z.B. die Ge­walt. Schon seit lan­gem ist viel von ‘rech­ter’ Ge­walt die Re­de. Da­von gibt es ei­ne Men­ge, nun auch Brei­viks Mas­sen­mord. Doch kann man dar­aus schlie­ßen, daß ‘rech­te’ Ge­walt schlim­mer sei als ‘lin­ke’? Nein. Man stel­le sich nur ein­fach mal vor, was ge­we­sen wä­re, hät­te es all das, was es heu­te gibt, be­reits in den ‘lin­ken’ 70ern ge­ge­ben, und die­je­ni­gen, die da­mals ‘re­vo­lu­tio­när’ un­ter­wegs wa­ren, hät­ten sich mü­he­los ver­net­zen, be­quem am Rech­ner ih­re Hemm­schwel­len ab­bau­en und sich mit­tels der Psy­cho­me­tho­den und Psy­cho­dro­gen, die Brei­vik an­ge­wandt hat, zu ef­fi­zi­en­ten Kil­lern ma­chen kön­nen, die ‘dem Vol­ke die­nen’. Hei! das wä­ren Schlacht­fe­ste ge­wor­den. (Ei­ne mei­ner Ge­nos­si­nen woll­te da­mals – ich zi­tie­re wört­lich – »al­len Fein­den der Ar­bei­ter­klas­se den Kopf ab­schla­gen«. Das mein­te sie ernst; sie litt auf­grund ih­rer Kind­heits­ge­schich­te an der Zwangs­vor­stel­lung, in ih­rer Ba­de­wan­ne lie­ge ein ab­ge­schla­ge­ner Kopf, der mit ihr spre­che. Wä­re sie ein Mann mit Brei­viks tech­ni­schen Mög­lich­kei­ten ge­we­sen: au weia.)

    Nun sol­che Schlacht­fe­ste mög­lich. Und da sich die Zei­ten auch po­li­tisch ge­än­dert ha­ben, wer­den sie eben von jun­gen Leu­ten ver­an­stal­tet, die wäh­rend der 70er noch ‘links’ ge­we­sen wä­ren. Ich be­strei­te al­so ent­schie­den, daß es ei­nen prin­zi­pi­el­len Un­ter­schied zwi­schen ‘lin­ker’ und ‘rech­ter’ Ge­walt gibt. Für mich gibt es nur ge­walt­be­rei­te Men­schen, die sich je nach In­tel­li­genz­grad und nach der Zeit, in der sie le­ben, po­li­ti­sche und/oder re­li­giö­se Recht­fer­ti­gun­gen da­für zu­sam­men­ba­steln, daß sie los­zie­hen und an­de­re Men­schen tö­ten kön­nen. Aus der Per­spek­ti­ve ei­nes Op­fers be­trach­tet ist es aber völ­lig un­er­heb­lich, ob es im Na­men der Ar­bei­ter­klas­se, im Na­men Al­lahs oder im Na­men der Ret­tung Eu­ro­pas vor dem Mul­ti­kul­tu­ra­lis­mus mas­sa­kriert wird. Und des­halb hal­te ich die nun schon so lan­ge lau­fen­den Kam­pa­gnen ‘ge­gen rech­te Ge­walt’ für fa­tal. Sie er­wecken den An­schein, als wä­re ‘lin­ke’ Ge­walt völ­lig in Ord­nung. Und die ein­sti­gen Kam­pa­gnen ‘ge­gen lin­ke Ge­walt’ wa­ren denn ja auch ei­ne der Ur­sa­chen da­für, daß die ju­gend­li­chen Sub­kul­tu­ren zer­bra­chen und ‘Na­zi-Skins’ und ‘Na­zi-Punks’ wie Pil­ze aus dem Bo­den schos­sen. Man war nicht ein­fach nur mehr ‘halb­stark’; man war plötz­lich ‘po­li­tisch’. Dar­an hat sich bis heu­te nichts ge­än­dert, eben­so­we­nig wie dar­an, daß die ‘Er­wach­se­nen’ auf bei­den Sei­ten der Bar­ri­ka­de im­mer be­reit wa­ren, die ju­gend­li­che Lust auf Ran­da­le für ih­re Zwecke aus­zu­nut­zen.

    Kurz: Ich hal­te ab­so­lut gar nichts da­von, zwi­schen ‘rech­ter’ und ‘lin­ker’ Ge­walt zu dif­fe­ren­zie­ren. Das soll der Ver­fas­sungs­schutz ma­chen. Wir aber soll­ten, so­fern wir ge­gen Ge­walt sind, uns ganz un­miß­ver­ständ­lich ge­gen je­de Ge­walt aus­spre­chen. Ich spre­che mich da­ge­gen aus und ak­zep­tie­re kei­ner­lei Recht­fer­ti­gung für die An­wen­dung von Ge­walt. Das gilt üb­ri­gens auch für psy­chi­sche Ge­walt, die ja auch gern po­li­tisch ge­recht­fer­tigt wird. Die »Na­zis raus« ist ge­nau­so dumm wie die Pa­ro­le »Aus­län­der raus«. Wer ‘links’ und wirk­lich ‘ge­gen Aus­gren­zung’ ist, der darf auch ‘Na­zis’ nicht aus­gren­zen, ja nicht ein­mal ei­nen Wahn­sin­ni­gen wie An­ders Beh­ring Brei­vik (das ent­spre­chen­de State­ment der ehe­ma­li­gen nor­we­gi­schen Ju­stiz­mi­ni­ste­rin ha­be ich oben ver­linkt). Viel­mehr muß er sich nach Kräf­ten da­für ein­set­zen, daß wir al­le ver­nünf­tig mit­ein­an­der re­den als ver­bal oder gar phy­sisch auf­ein­an­der ein­zu­dre­schen.

    *

    Nun muß ich aber wirk­lich mit dem Schrei­ben auf­hö­ren – und emp­feh­le als Hin­ter­grund­lek­tü­re zu al­lem, was ich sa­ge, nur noch den Ro­man Die Ge­schich­te der Ab­de­ri­ten von Chri­stoph Mar­tin Wie­land. Viel­leicht ha­be ich den Irr­sinn der 70er Jah­re nur über­lebt, weil ich da­mals die ge­sam­te 36bändige Gös­chen-Aus­ga­be von 1853 ff. ge­le­sen und mich von die­sem Mann bes­ser ver­stan­den ge­fühlt ha­be als von den al­ler­mei­sten mei­ner Zeit­ge­nos­sen. Dar­an hat sich, lei­der! bis heu­te nichts ge­än­dert.

  13. Kur­zer Zwi­schen­ruf: Ich hof­fe, dass »Be­gleit­schrei­ben« nicht be­kann­ter wird. Bis jetzt sind näm­lich nicht nur die (mei­sten) Ar­ti­kel le­sens­wert, son­dern auch vie­le Kom­men­ta­re.

  14. @Quirinus
    Das, was Sie schrei­ben, fin­de ich sehr gut. Die Un­ter­schei­dung zwi­schen »links« und »rechts« sind na­tür­lich Hilfs­kon­struk­te. An Fi­gu­ren wie Horst Mahler zeigt sich dann, wie be­lie­big die­se Zu­ord­nun­gen sind – und wie aus­tausch­bar.

    Ver­bre­chen, die von Kom­mu­ni­sten ver­übt wor­den sind, wer­den bei uns fast im­mer im­mer nach­sich­ti­ger und we­ni­ger scharf ver­ur­teilt. Dies ist na­tür­lich ei­ne Sicht­wei­se, die sich aus der Ge­schich­te speist. Die Ver­bre­chen Sta­lins oder Ma­os wer­den häu­fig aus der hi­sto­ri­schen La­ge her­aus »be­grün­det«. Auch bei den so­ge­nann­ten Ver­ir­run­gen von In­tel­lek­tu­el­len ist man, was das links­extre­me Spek­trum an­geht, im­mer nach­sich­ti­ger als bei rech­ten Ge­sin­nun­gen.

    Für mich sind »Na­zis raus«-Aktionen, wie sie bei­spiels­wei­se in so­zia­len Netz­wer­ken prak­ti­ziert bzw. vor­ge­schla­gen wer­den, Aus­weis von Hilf­lo­sig­keit und auch Ängst­lich­keit. Na­tür­lich ist das ne­ga­ti­ve Vor­bild der Nach­bar Öster­reich und die Ka­no­ni­sie­rung der rech­ten Par­tei­en (FPÖ und auch BZÖ) im Po­li­tik-Spek­trum. Ei­ne zwei­fel­los un­er­freu­li­che Ent­wick­lung.

  15. Na­ja, »Ador­no« taucht halt so oft bei den Such­be­grif­fen auf, weil der Tä­ter die Frank­fur­ter Schu­le als ideo­lo­gi­sches Head­quar­ter des »Kul­tur-Mar­xis­mus« aus­macht.

    Von da­her schlech­ter Ver­gleich.

  16. @palm
    Mag sein. Aber »Bro­der« taucht nur auf­grund ei­nes In­ter­views auf; die gan­zen an­de­ren Ela­bo­ra­te von ihm kann­te der Au­tor of­fen­sicht­lich nicht. Die an­de­ren als Ge­sin­nungs­freun­de aus­ge­mach­ten deut­schen Pu­bli­zi­sten, die ver­ein­zelt als Co-Au­toren- und/oder Co-Tä­ter an­ge­se­hen wer­den, kennt er wohl auch eher nicht. Das hat da­mit zu tun, dass die­se Sa­chen nicht ins eng­li­sche über­setzt sind.

    Ador­no nimmt er üb­ri­gens auch nur eher in­di­rekt wahr; über den ame­ri­ka­ni­schen Au­tor Mar­tin Jay.

  17. @#15: Ta­ten von Kom­mu­ni­sten wer­den mil­der be­ur­teilt, sa­gen Sie. Grenz­schüt­zen aus der DDR wur­den we­gen Mor­des ver­ur­teilt, bei Reichts­po­li­zi­sten des NS-Staa­tes for­der­te die FDP Ge­ne­ral­amne­sie. Von den Tö­tungs­de­lik­ten von Po­li­zi­sten wäh­rend der Sieb­zi­ger Jah­re ganz zu schwei­gen.
    Lin­ke und rech­te Ge­walt wird un­ter­schied­lich be­han­delt, weil sie sich un­ter­schied­lich ar­ti­ku­liert: Mor­de mit links­ra­di­ka­lem Hin­ter­grund ka­men in den letz­ten zwan­zig Jah­ren prak­tisch nicht vor. Mor­de mit rech­tem Hin­ter­grund sind an der Ta­ges­ord­nung. Erst neu­lich wür­de ein Mord­an­schlag auf ei­ne Ro­ma-Fa­mi­lie ver­übt, der in den Me­di­en kaum mehr als ei­ne Rand­no­tiz dar­stellt, ob­wohl er ei­nes Sin­nes ist mit den Mor­den in Nor­we­gen (wenn auch pri­mi­ti­ver).
    Und Sta­lin und Mao, die von den bür­ger­li­chen Me­di­en krampf­haft in ei­ne »lin­ke« Ecke ge­stellt wer­den, ob­wohl sie al­les an­de­re als pro­gres­siv-in­ter­na­tio­na­li­sti­sche Eman­zi­pa­to­ren wa­ren (Def. von »links«), wer­den in den­sel­ben bürg. Me­di­en auf ei­ne Stu­fe mit Hit­ler und dem NS-Staat ge­setzt, in Deutsch­land qua­si zur Aus­re­de: schaut, bö­se Dik­ta­to­ren gab es über­all, als wä­re Hit­ler nur ein bö­ser Dik­ta­tor ge­we­sen.
    Die The­se ei­ner kul­tu­rel­len Nä­he zu lin­ken Ideen ist ge­ra­de­zu gro­tesk: neo­li­be­ra­ler Main­stream, Frem­den­haß und Ab­leh­nung al­les Lin­ken sind ge­ra­de­zu pa­ra­dig­ma­tisch für die Me­di­en­land­schaft seit den 90er Jah­ren und die post­mo­der­ne Kul­tur­in­du­strie.

  18. @Thom
    Ich be­nut­ze nichts als »Aus­re­de«. Ih­re Pseu­do-Be­haup­tun­gen und Dik­tio­nen ge­fal­len mir nicht. Qui­ri­nus spricht ge­ra­de von der Auf­he­bung der Recht-Links-Di­cho­to­mien und das mit nach­voll­zieh­ba­ren Grün­den. Und Sie lie­fern nichts an­de­res als Pa­ro­len.

  19. Ich se­he ei­nen Man­gel an Mit­ge­fühl von links bis rechts, von gläu­big bis un­gläu­big. Der ei­ne wie­der­holt sei­ne For­de­rung nach der Vor­rats­da­ten­spei­che­rung, der an­de­re be­schul­digt sei­nen Par­tei­freund bzw. Par­tei­feind der gei­sti­gen Mit­tä­ter­schaft an dem viel­fa­chen Mord, weil er ein Buch ver­fasst hat, das we­der Frau Mer­kel ge­le­sen hat, noch der Mör­der.
    Egal, was pas­siert, die mei­sten von uns füh­len sich auch da­nach in ih­ren Vor­ur­tei­len be­stä­tigt.

  20. Ich se­he die­se Sa­che ähn­lich wie Gre­gor Keu­sch­nig, aber an­er­ken­ne auch die An­lie­gen der Ge­gen­sei­te.
    Wer glaubt, dass kein Dis­kurs bes­ser ist, weil man da­mit kei­ne Büh­ne und kei­ne An­er­ken­nung für so ei­ne Tat bie­ten kann, ist ge­nau­so blind wie je­mand der be­haup­tet, dass ei­ne Mehr­heit zur ver­tief­ten Aus­ein­an­der­set­zung fä­hig ist (im Sin­ne von »mo­men­tan fä­hig«; nicht grund­sätz­lich »un­fä­hig«).
    Das Di­lem­ma zwi­schen dem Wunsch kei­ne An­er­ken­nung zu bie­ten und die Schrift auf ra­tio­na­ler Ebe­ne zu be­strei­ten er­gibt sich ei­gent­lich auch nur in ei­ner Ge­sell­schaft, von der Zwei­fel be­stehen, dass sie ge­nü­gend ge­bil­det, kri­tisch und selbst-re­flek­tie­rend ist. Im Zwei­fel wäh­le ich dann doch lie­ber die kri­ti­sche Aus­ein­an­der­set­zung (viel­leicht nicht un­be­dingt via klas­si­scher Mas­sen­me­di­en), da ich mit dem In­ter­net eher auf ei­ne Bes­se­rung hof­fe, als ei­ne Ver­schlech­te­rung.
    Aus die­sem Grund ha­be ich auch ein Wi­ki im Sin­ne von Gut­ten­plag ge­star­tet; lei­der feh­len mir der­zeit nur die zeit­li­chen Res­sour­cen auf­grund mei­ner Ab­schluss­ar­beit...

  21. @Quirinius: Dan­ke für die aus­führ­li­chen Dar­le­gun­gen.

    Brei­vik ist aber nicht ‘düm­mer’ als (um nur ei­nes von vie­len Bei­spie­len zu nen­nen) die­je­ni­gen, die da­für ver­ant­wort­lich sind, daß im Na­men der Frei­heit Atom­bom­ben ent­wickelt und über Hi­ro­shi­ma und Na­ga­sa­ki ab­ge­wor­fen wur­den. Er war nur so ‘dumm’, sich nicht im Rah­men der herr­schen­den Ord­nung als Kil­ler zu be­tä­ti­gen, für un­se­re en­du­ring free­dom.

    Viel­leicht aber ist das der Reiz, die Fas­zi­na­ti­on sich mit die­sem Kon­vo­lut zu be­fas­sen. Vie­le Blog­ger be­grei­fen sich wohl doch als au­ßer­halb des Main­stream ste­hend, kul­tur-/me­di­en­kri­tisch, und so ist es ei­ne gru­se­lig-schö­ne Sa­che sich in die­se Ge­dan­ken­welt au­ßer­halb zu ver­tie­fen (viel­leicht so­gar ei­nen fer­nen Spie­gel zu fin­den – was es ja noch um so gru­se­li­ger macht). – Al­lein we­gen der Mög­lich­keit die­se Li­nie zu zie­hen (und aus Zeit­grün­den) neh­me ich je­den­falls schon Ab­stand da­von mich ernst­haft dar­in zu ver­tie­fen... Zu­dem ist da viel­leicht noch die­se ge­wis­se Aura/»Romantik«, die man Aus­stei­gern noch an­dich­ten könn­te (s. In­to the wild, Un­ab­om­ber) – ei­gent­lich wird dann schon ei­ne Er­zäh­lung dar­aus, d.h. B.s Le­ben liegt uns schon nicht mehr als Rein­form vor (de­ren Exi­stenz schon frag­lich sein mag). Sie mö­gen recht ha­ben, dass man vie­le, all­zu­sim­pel ge­strick­te Nar­ra­ti­ve der Me­di­en ver­wer­fen kann, al­lein in­dem man sich an den (ori­gi­na­len) Text hält, aber.. kön­nen Sie auch nach­voll­zie­hen, dass ich die Sto­ry viel­leicht gar nicht hö­ren will? Da hät­te es viel­leicht mehr Sinn »Ver­bre­chen und Stra­fen« noch­mal zu le­sen, um sich den ei­ge­nen Dä­mo­nen zu stel­len, wenn doch al­les ge­wis­ser­ma­ßen schon »Li­te­ra­tur« ist?

    OK, das ist jetzt al­les noch sehr un­scharf – wie so ein rech­ter Kul­tur­mar­xist das eben nur schwam­mig hin­be­kommt.

    Kurz: Ich hal­te ab­so­lut gar nichts da­von, zwi­schen ‘rech­ter’ und ‘lin­ker’ Ge­walt zu dif­fe­ren­zie­ren. Das soll der Ver­fas­sungs­schutz ma­chen. Ich mag nicht in die glei­che ideo­lo­gi­sche Ker­be hau­en, wie Herr Thom, und fra­gen auf wel­chem Au­ge eben­die­ser nun blin­der ist.. aber nun ja, Auf­for­de­run­gen die ideo­lo­gi­schen Scheu­klap­pen ab­zu­neh­men bzw. Aus­füh­run­gen, die aus­ge­wie­se­ner­ma­ßen ideo­lo­gie­frei sein sol­len, ma­chen mich schon wie­der miss­trau­isch und kit­zeln doch nur wie­der die Ideo­lo­gen in uns her­aus.

    That said, soll­te ich aber noch an­fü­gen, dass ich den mei­sten Ih­rer Aus­füh­run­gen aber auch viel ab­ge­win­nen kann...

  22. Ob­wohl ich heu­te abend nix mehr schrei­ben woll­te, muß ich noch dies hier los­wer­den:

    @ Thom:

    >i>Und Sta­lin und Mao, die von den bür­ger­li­chen Me­di­en krampf­haft in ei­ne »lin­ke« Ecke ge­stellt wer­den, ob­wohl sie al­les an­de­re als pro­gres­siv-in­ter­na­tio­na­li­sti­sche Eman­zi­pa­to­ren wa­ren (Def. von »links«) [...]

    Ist die von mir fett her­vor­ge­ho­be­ne De­fi­ni­ti­on für ‘links’ bzw. ei­nen An­hän­ger der ‘Lin­ken’ jetzt die ‘amt­li­che’? Ob ja oder nein: ich hal­te sie für fa­tal, da ich kei­nen Eman­zi­pa­tor be­nö­ti­ge, al­so ei­nen, der mich oder an­de­re eman­zi­pert. Ob und auf wel­che Wei­se ich mich wo­von eman­zi­pie­re, ent­schei­de al­lein ich selbst. Wer meint, er müß­te mich ge­gen mei­nen oder an­de­re ge­gen ih­ren Wil­len eman­zi­pie­ren, der ist in mei­nen Au­gen ein Dik­ta­tor. Und ich dul­de kei­nen Dik­ta­tor über mir.

    Eben­so­we­nig dul­de ich über mir Men­schen, die zu wis­sen glau­ben, was für mich und für an­de­re ‘pro­gres­siv’ ist, mich und an­de­re al­so zwin­gen wür­den, mit ih­nen in die von ih­nen be­stimm­te Rich­tung zu ge­hen, und sei’s auch nur im über­tra­ge­nen Sinn. Ob ich je­mals mit ir­gend­wem ir­gend­wo­hin mar­schie­ren wer­de, ent­schei­de ich al­lein.

    Schließ­lich dul­de ich nie­man­den über mir, der mir und an­de­ren sein ‘in­ter­na­tio­na­li­sti­sches’ Welt­bild ok­troy­ie­ren will. Ich bin nicht ir­gend­ei­ner von Mil­li­ar­den geo­gra­phisch und gei­stig frei flot­tie­ren­den Kos­mo­po­li­ten, son­dern ein de­zi­der­ter Bre­mer Lo­kal­pa­tri­ot, deut­scher Eu­ro­pä­er und eu­ro­päi­scher Kos­mo­po­lit. Ich spre­che je­dem das Recht ab, mir ei­ne ‘in­ter­na­tio­na­li­sti­sche’ Iden­ti­tät auf­zu­zwin­gen. Wo al­le al­les sind, ist kei­ner mehr ir­gend­et­was. Wer solch ein Nichts sein will, kann das ger­ne sein. Ich aber füh­le mich nicht als solch ein Nichts und wer­de es nie­mals zu­las­sen, zu ei­nem sol­chen Nichts ge­macht zu wer­den.

    In Ka­te­go­rien wie ‘Freund’ oder ‘Feind’ zu den­ken und zu füh­len war noch nie mei­ne Sa­che. Doch an die­ser Stel­le er­klä­re ich zum er­sten­mal in mei­nem Le­ben schrift­lich: daß ich je­den, der es wa­gen soll­te, mich in ir­gend­ei­ner Wei­se zu ‘eman­zi­pie­ren’, al­so letzt­lich in sei­nem Sin­ne ‘um­zu­funk­tio­nie­ren’, als FEIND be­trach­ten wer­de.

    So.

    Und nun dür­fen wir al­le uns noch ein­mal fra­gen, wes­halb An­ders Beh­ring Brei­vik glaub­te, Eu­ro­pa von den ‘Kul­tur­mar­xi­sten’ be­frei­en zu müs­sen. Un­ter ‘Kul­tur­mar­xi­sten’ ver­steht er näm­lich ge­nau die Leu­te, die al­len Ern­stes mei­nen, sie sei­en da­zu aus­er­ko­ren, sich an­de­ren Men­schen ge­gen­über als pro­gres­siv-in­ter­na­tio­na­li­sti­scher Eman­zi­pa­tor auf­zu­spie­len. Wenn ich die­sen Be­griff hö­re, kommt so­gar mir die Gal­le hoch. Was die zu­nächst nur ge­le­gent­li­che und schließ­lich mo­no­ma­ne Be­schäf­ti­gung mit der da­hin­ter­ste­hen­den men­schen- und kul­tur­feind­li­chen Ideo­lo­gie bei Brei­vik be­wirkt hat, weiß in­zwi­schen die gan­ze Welt.

    Thom, – ich ge­he da­von aus, daß Sie es mit mir und mit uns al­len gut mei­nen. Sie wol­len die ge­sam­te Welt von al­lem ‘Schlech­ten’ und ‘Bö­sen’ be­frei­en. Das Pro­blem ist nur: daß zu­min­dest ich nicht von ‘pro­gres­siv-in­ter­na­tio­na­li­sti­schen Eman­zi­pa­to­ren’ be­freit wer­den möch­te. Und ich bin mir ziem­lich si­cher, daß es Mil­lio­nen an­de­re eben­so­we­nig da­nach ge­lü­stet. Der Be­griff klingt so der­ma­ßen ab­scheu­lich und ist so der­ma­ßen auf­ge­bla­sen und hohl, daß (so wa­ge ich zu be­haup­ten) wohl die al­ler­mei­sten Men­schen (Aka­de­mi­ker wie Nicht­aka­de­mi­ker) schon al­lein des­halb schlech­te Lau­ne und viel­leicht so­gar Angst be­kä­men, wür­den sie ihn hö­ren. Wer woll­te in ei­ner Welt le­ben, die so ka­ta­stro­phal häß­lich aus­sieht, wie Ih­re Def v. »links« klingt? Ich je­den­falls wür­de nie­mals in ei­ner sol­chen Or­welt le­ben wol­len.

    Üb­ri­gens ha­be ich nach dem Be­griff Eman­zi­pa­tor ge­goo­gelt und kei­ne Er­klä­rung da­für ge­fun­den, al­ler­dings je­de Men­ge Ver­wei­se auf Star Wars:

    Die Eman­zi­pa­tor war ein Stern­zer­stö­rer der Im­pe­ri­um II-Klas­se und ei­nes der Schif­fe von Cap­tain Pi­ett be­vor er auf die Exe­ku­tor ver­setzt wur­de. Ur­sprüng­lich hieß sie An­klä­ger und stand im Dienst des Im­pe­ri­ums. Sie war mit ei­nem Pro­to­nen­strahl-Emit­ter aus­ge­rü­stet

    Ge­he ich recht in der An­nah­me, daß Sie, Thom, mit Star Wars auf­ge­wach­sen sind? Un­ter die­ser Vor­aus­set­zung könn­te ich ver­ste­hen, daß Ih­nen der Be­griff Eman­zi­pa­tor kei­ner­lei Un­be­ha­gen be­rei­tet. Daß und wes­halb ich sehr emp­find­lich dar­auf re­agie­re, ha­be ich be­reits ge­sagt. Nun aber kommt noch et­was an­de­res hin­zu, näm­lich: daß mich schau­der­te, als ich sah und las, wo­mit der Be­griff Eman­zi­pa­tor kon­no­tiert ist. Mit ei­ner sol­chen Ma­schi­nen­welt will ich nichts, aber auch wirk­lich gar nichts zu tun ha­ben; es sei denn im Rah­men ei­ner künst­le­ri­schen Dar­bie­tung, der ich mich frei­wil­lig aus­ge­setzt ha­be. Frei­lich könn­te ich auch ei­ne sol­che Dar­bie­tung nur er­tra­gen, wenn sie Iro­nie und Witz ent­hiel­te.

    À pro­pos ‘Witz’. Was mich an der Dik­ti­on der al­ler­mei­sten po­li­tisch ak­ti­ven ‘Lin­ken’ schon im­mer ge­stört hat, ist de­ren Hu­mor­lo­sig­keit. Le­se ich ‘lin­ke’ Tex­te oder se­he und hö­re ich ei­nen ‘Lin­ken’ re­den, se­he ich im­mer nur ei­ne Far­be. Und das ist nicht et­wa Rot und auch nicht Schwarz oder bei­des, son­dern Grau. Im­mer nur Grau.

    Wo­zu jetzt hier noch vie­le Wor­te ma­chen? Zum Glück gibt es ja noch die Farb­be­ra­tung von Lo­ri­ot (Sze­ne ab 2:10).

  23. Ach! und noch @ Phor­ki­as:

    kön­nen Sie auch nach­voll­zie­hen, dass ich die Sto­ry viel­leicht gar nicht hö­ren will?

    Ei frei­lich kann ich das nach­voll­zie­hen. Kein Mensch muß ir­gend­ei­ne Sto­ry le­sen müs­sen; nur darf er, wenn er sie nicht oder nur häpp­chen­wei­se ge­le­sen hat, sich auch kein ab­schlie­ßen­des öf­fent­li­ches Ur­teil an­ma­ßen, das auch für Lai­en nicht deut­lich als ‘Bauch­ur­teil’ er­kenn­bar ist. Dies gilt vor al­lem für die sog. Mul­ti­pli­ka­to­ren, al­so Leh­rer und vor al­lem Jour­na­li­sten, aber auch pri­va­te Web­sei­ten­be­trei­ber, ja selbst Blog-Kom­men­ta­to­ren, die ernst­ge­nom­men wer­den wol­len. Wenn ei­ner sagt, er ha­be den Text X nur aus­zugs­wei­se ge­le­sen, aber den Ein­druck, daß der Au­tor bal­la­bal­la sei, dann ist das völ­lig in Ord­nung. Wenn sich hin­ge­gen ein Jour­na­list er­drei­stet, über ei­nen ge­ra­de erst auf­ge­tauch­ten 1516-Sei­ten-Text zu schrei­ben, der sei ‘rechts’ und ‘wirr’ oder ‘ge­ni­al’, dann ist das schon dem Le­ser ge­gen­über ei­ne Un­ver­schämt­heit. Aber we­he, solch ein Pfu­scher fühlt sich von ei­ner Kä­se­ver­käu­fe­rin nicht sach­kun­dig oder freund­lich ge­nug be­ra­ten. Er wird sich so­fort bei de­ren Chef be­schwe­ren.

    Nun aber hö­re ich auf: be­vor Sie sich bei un­se­rem Gast­ge­ber dar­über be­schwe­ren, daß ich Ge­schich­ten er­zäh­le, die Sie gar nicht hö­ren wol­len [ich has­se Smi­leys].

    Grü­ßend: Qui­ri­nus.

  24. @Phorkyas
    Ab­scheu und Fas­zi­na­ti­on
    Ja, es ist si­cher­lich ei­ne ge­hö­ri­ge Por­ti­on Aben­teu­er­lust da­bei, ein sol­ches »Ma­ni­fest« rich­tig durch­zu­ar­bei­ten. Ich ha­be es nur höchst ober­fläch­lich ge­le­sen, wenn­gleich ei­nem der Grund­te­nor sehr schnell klar wird und vie­les nach­her un­end­li­che Wie­der­ho­lun­gen sind.

    Die Fas­zi­na­ti­on liegt m. E. auch dar­in, dass in den Me­di­en ver­sucht wird, die Aus­ein­an­der­set­zung in die all­seits be­kann­ten Rich­tun­gen zu entd­or­gen. Da ist dann B. ganz schnell ein Psy­cho­path (was sind das ei­gent­lich für Ärz­te, die sol­che Fern­dia­gno­sen in den Me­di­en ab­ge­ben?) oder ein »Ir­rer«. Die­se Zu­ord­nun­gen er­fül­len den Wunsch nach Di­stan­zie­rung. Das ist hier be­son­ders schwie­rig. Das er­ste Fo­to, das ich von B. sah, zeig­te ihn nicht in Uni­form oder be­son­de­rer Po­se. Er sah aus wie ein Pas­sant aus der U‑Bahn. B. hat nun et­was ge­macht, was uns im Kern er­schüt­tert: Er hat das Ur-Ver­trau­en, oh­ne das ei­ne Ge­sell­schaft nicht funk­tio­nie­ren kann, auf­ge­ho­ben. Die Sank­ti­ons­me­cha­nis­men ver­sa­gen (das tun sie ja bei den Selbst­mord­at­ten­tä­tern auch – da­her kom­men wir da­mit so schlecht zu­recht). B. bricht mit die­ser Tat mit al­len ge­sell­schaft­li­chen Kon­ven­tio­nen: Er knallt Men­schen ein­fach ab. Er nutzt sei­ne Macht, die ihm durch die Waf­fen ver­lie­hen wer­den. In­stink­tiv spü­ren wir, dass es vor sol­chen Ex­zes­sen kei­nen Schutz ge­ben kann – zu­min­dest, wenn man ei­ne frei­heit­li­che Ge­sell­schaft auf­recht er­hal­ten will.

    Die­se Ver­stö­rung kann nicht be­frie­di­gend ver­ar­bei­tet wer­den. In­di­rekt droht ein sol­cher Tä­ter, die Ge­sell­schaft mit ei­ner Pa­ra­noia zu in­fi­zie­ren. Wir brau­chen ei­ne Di­stan­zie­rung – und sei sie in Form der Pa­tho­lo­gi­sie­rung des Tä­ters.

    Aber die For­de­rung, B. nicht noch ei­ne »Büh­ne« zu bie­ten, ist da­bei kon­tra­pro­duk­tiv. Wie auch Ki­ster in sei­nem Ar­ti­kel schreibt: Es funk­tio­niert nicht. Nicht um­sonst ha­be ich »Mein Kampf« als Ver­gleichs­me­di­um her­an­ge­zo­gen. Die­ses Buch war jahr­zehn­te­lang für den öf­fent­li­chen Le­ser ver­bo­ten. Das mach­te es noch in­ter­es­san­ter. Ich woll­te es un­be­dingt le­sen und ha­be es end­lich En­de der 80er Jah­re ge­schafft, von ei­nem Ar­beits­kol­le­gen das Ex­em­plar sei­ner Groß­el­tern (es wur­de zur Hoch­zeit ge­schenkt) zu le­sen.

    Statt das Buch als kom­men­tier­te Aus­ga­be (rechts der Ori­gi­nal­text / links die fak­ten­ori­en­tier­te Kom­men­tie­rung) zu ver­öf­fent­li­chen, kur­sier­te es in Ost­eu­ro­pa auf Wo­chen­märk­ten. Rechts­extre­me be­kom­men es so­wie­so. Wo­zu al­so die­ser Schutz­ge­dan­ke? Die Lek­tü­re zeigt üb­ri­gens, dass man da­nach nie mehr ah­nungs­los ge­we­sen sein konn­te: Et­li­ches sei­ner »Po­li­tik« nahm H. vor­weg. Der Feh­ler war in die­sem Fall, dass die­ses gräß­li­che Buch nicht ge­le­sen wur­de.

    Und was Pat Mäch­ler schreibt, treibt ja auch mich um. Es gibt Grün­de, B. nicht noch das Wort zu ge­ben. Aber ist je­de kri­ti­sche Aus­ein­an­der­set­zung mit die­sen Äu­ße­run­gen schon au­to­ma­tisch ein »Fo­rum«? Macht man durch ein wie auch im­mer ge­ar­te­tes Ver­bot die An­ge­le­gen­heit nicht nur noch my­ste­riö­ser? Ist es nicht so, dass die »Verschwörungstheorien»zum Bei­spiel was 9/11 an­geht nur des­halb so blü­hen kön­nen, weil Er­geb­nis­se von Un­ter­su­chun­gen un­ter Ver­schluss ge­hal­ten oder nicht voll­stän­dig pu­bli­ziert wer­den?

    Ver­schwö­rungs­theo­rien ent­ste­hen ja zu­meist aus ei­nem Man­gel an Trans­pa­renz. Wenn man die Aus­ein­an­der­set­zung mit dem »Pam­phlet« auf ei­ne eli­tä­re Ebe­ne stellt, wür­de da­mit Un­ter­stel­lun­gen Tür und Tor ge­öff­net. Man darf auch nicht veregs­sen, dass bei vie­len Blog­gern das Ver­trau­en in den Jour­na­lis­mus nicht mehr be­son­ders gross ist.

    Ich kann und will mich auch nicht an ei­nem In­ter­pre­ta­ti­ons-Wi­ki über B.s Schrift be­tei­li­gen. Viel­leicht soll­te man so et­was an­de­ren Leu­ten über­las­sen. Und ich muss auch da­von kei­ne Kennt­nis be­kom­men. Es ist ja ei­ner der Vor­tei­le der Post­mo­der­ne: Nie­mand wird zur Re­zep­ti­on ge­zwun­gen.

  25. Qui­ri­nus scheint ei­nem ziem­lich nai­ven In­di­vi­dua­lis­mus an­zu­hän­gen. (Und ei­nem kras­sen No­mi­na­lis­mus) Pro­ble­me dürf­te be­rei­ten, wer denn die­se Per­son sein soll, die »selbst« ent­schei­den will, als wä­re sie selbstur­sprüng­lich. Das Wort »Eman­zi­pa­tor« ist ei­ne Per­si­fla­ge von eman­zi­pa­tiv und Dik­ta­tor. Wer das nicht er­kennt, dem sind Lin­ke wohl auch zu hu­mor­los.

    Ich möch­te Sie üb­ri­gens nicht be­frei­en, sie kön­nen ih­re Pa­ra­noia zu­hau­se las­sen. Sie ist vom Schlag der Angst, die B. ge­gen die Mus­li­me hegt. Ih­re Be­ru­fung auf die Mas­sen, spricht hin­rei­chend ge­gen sie. Eben­so wie ih­re Po­le­mik ge­gen In­tel­lekt. Als wür­de nicht je­der Ge­dan­ke längst drei­fach zu­rück­ge­staucht.

    Am En­de noch ein biß­chen Ma­schi­nen­stür­me­rei: Mit ei­ner Ma­schi­nen­welt wol­le man nichts zu tun ha­ben. Ich weiß nicht, wo sie woh­nen. In den Städ­ten, in de­nen ich ge­wohnt ha­be, ist ih­re »Ma­schi­nen­welt« nicht erst seit ge­stern Rea­li­tät. Wor­an sie das Ma­schi­nel­le fest­ma­chen, läßt sich nur er­ah­nen: wohl an Fremd­wor­ten. (»Die Ju­den der Spra­che,« Ador­no). Die­sen Geist ver­focht die CDU in den 50er Jah­ren: Dia­lek­tik, Ple­num, wer ver­steht das bit­te? Und er­hob ei­nen Dumm­kopf zum Ide­al ih­rer Wer­be­spots.

    Ich ha­be ih­nen kei­ne an­de­re Welt an­zu­bie­ten, aber was sie in mei­nen Bei­trag pro­ji­zie­ren, ist kaum mehr als der Spie­gel von dem, was oh­ne­hin ist.

    Und lie­ber Gre­gor, ich ha­be nicht ih­nen et­was un­ter­stellt, son­dern dar­auf hin­ge­wie­sen, daß in man­chen Krei­sen (CDU-Orts­ver­ei­nen et­wa) Sta­lin ver­wen­det wird, um Hit­ler zu re­la­ti­vie­ren.

  26. Qui­ri­nus ver­sucht, wie ich ge­ra­de erst mer­ke, B. zu ver­tei­di­gen: Ge­ra­de bö­se Men­schen, »Fein­de« wie ich sei­en es, die es recht­fer­ti­gen, daß B. von Kul­tur­mar­xis­mus spricht. Daß B. für al­les und je­den ei­nen völ­lig lee­ren »Kul­tur­mar­xis­mus« her­ab­zieht: who ca­res?

    (Im­mer un­be­greif­li­cher ist mir al­ler­dings, an wel­cher Stel­le ich mich auf­schwin­ge, ir­gend­je­man­den »eman­zi­pie­ren« zu wol­len. Un­ter­stel­lung ist die be­ste Ver­tei­di­gung der Un­wahr­heit. Ad­vo­ka­ten des Herrn B. fällt die­ses Mit­tel pro­mi­nent zu.)

  27. @Thom
    Ih­re bei­den Kom­men­ta­re of­fen­ba­ren Ih­ren Dis­kus­si­ons­stil, der nichts an­de­res ist als ei­ne Un­ter­stel­lungs­sua­da. Qui­ri­nus’ »In­di­vi­dua­lis­mus« wird gar nicht er­klärt, er ist aber »na­iv«. Sein »No­mi­na­lis­mus« (was ist das?) ist »krass«. Er hat na­tür­lich kei­ne Be­fürch­tun­gen, son­dern ei­ne »Pa­ra­noia«. In »man­chen« CDU-Orts­ver­ei­nen wird Sta­lin ver­wen­det, um Hit­ler zu »re­la­ti­vie­ren«. Und am En­de wird aus Qui­ri­nus noch ein »Ad­vo­kat« von B.

    Ein Satz ist im­mer­hin ein Licht­blick: »Un­ter­stel­lung ist die be­ste Ver­tei­di­gung der Un­wahr­heit.« Das er­in­nert man an Hei­ne­manns Spruch von den drei Fin­gern, die auf ei­nen selbst zu­rück­zei­gen, wenn man auf ei­nen an­de­ren mit dem Fin­ger zeigt.

  28. Nun, ich ge­he da­von aus, daß Men­schen ih­re ei­ge­nen Po­si­tio­nen re­flek­tie­ren und zu­min­dest Ba­sis­be­grif­fe der Gei­stes­wis­sen­schaf­ten ken­nen:
    In­di­vi­dua­lis­mus: Qui­ri­nus möch­te al­les selbst ent­schei­den, er soll Quell sei­ner Ge­dan­ken und Hand­lun­gen sein. Da­bei muß er von so­zia­ler De­ter­mi­na­ti­on ab­se­hen, da­von daß Spra­che nur als kol­lek­ti­ves Me­di­um funk­tio­niert, daß al­so sei­ne sprach­lich ar­ti­ku­lier­ten Ge­dan­ken nie­mals »sei­ne« sein kön­nen, schon weil das Me­di­um, das er be­nö­tigt, um sie zu for­mu­lie­ren, ei­nes ist, daß nicht von ihm stammt. Das ist all­be­kannt und ei­ne Po­si­ti­on, die das igno­riert, wie die von Q., nennt man des­halb (wis­sen­schaft­lich) na­iv.
    (Kant ver­tritt ei­nen nai­ven Be­griff von Spra­che. Er war trotz­dem kein Dumm­kopf.)

    No­mi­na­lis­mus: die Mei­nung, daß Be­grif­fe ih­re Be­deu­tung durch De­fi­ni­ti­on er­hal­ten und eben ge­nau das be­deu­ten, als was man sie zi­tiert, oh­ne daß dem Be­griff
    ei­ne En­ti­tät (ei­ne Sa­che) in der Wirk­lich­keit kor­re­spon­diert (ent­spricht).
    kraß: im wis­sen­schaft­li­chen so et­was wie: oh­ne Aus­nah­me, oh­ne Ver­mitt­lung mit an­de­ren Po­si­tio­nen.
    (Dis­clai­mer: si­cher könn­te man al­le Be­grif­fe bes­ser be­schrei­ben, Un­ge­nau­ig­kei­ten sind mir be­kannt).

    Und lie­ber Gre­gor, sie be­män­geln bei al­len an­de­ren den Dis­kus­si­ons­stil (au­ßer bei Q.) und ge­hen selbst auf nichts ein, qua­li­fi­zie­ren, aber er­klä­ren selbst nicht.
    Für sie ist es ein Ar­gu­ment, daß ich »Pa­ra­noia« statt »Be­fürch­tung« schrei­be.

    Zi­tat Q.: »Sie wol­len die ge­sam­te Welt von al­lem ‘Schlech­ten’ und ‘Bö­sen’ be­frei­en. Das Pro­blem ist nur: daß zu­min­dest ich nicht von ‘pro­gres­siv-in­ter­na­tio­na­li­sti­schen Eman­zi­pa­to­ren’ be­freit wer­den möch­te. Und ich bin mir ziem­lich si­cher, daß es Mil­lio­nen an­de­re eben­so­we­nig da­nach ge­lü­stet.«

    Was soll denn bit­te dar­an ei­ne »Be­fürch­tung« sein? Wel­che ra­tio­na­len An­halts­punk­te gibt es, daß ich et­was der­ar­ti­ges auch nur in Er­wä­gung zie­he? Angst oh­ne sach­li­chen Grund ist Pa­ra­noia. Des­we­gen ver­wen­de ich den Be­griff. Ich glau­be mit Recht. Ih­re Re­plik scheint mir we­ni­ger gut be­grün­det.

  29. @ Thom:

    Soll­te das, was ‘ich’ jetzt schrei­be, in Wahr­heit gar nicht von ‘mir’ ge­schrie­ben wer­den, schon weil die Spra­che, die ‘ich’ jetzt be­nut­ze, gar nicht ‘mei­ne’ sein kann: dann gäl­te das selbst­ver­ständ­lich auch für ‘Ih­re’ Wor­te und al­le an­de­ren hier und über­all, bis hin zu Brei­viks Ma­ni­fest. Was auch ge­schrie­ben und ge­spro­chen und ge­tan wird: letzt­lich schreibt und spricht und han­delt stets nur ‘das Kol­lek­tiv’. Wo­zu dann al­so noch ir­gend­wel­che Dis­kus­sio­nen? Es gibt uns ja gar nicht ‘wirk­lich’. Wir tun ja al­le nur so ‘als ob’.

    Mag sein, daß ich Sie wie­der nicht ver­stan­den ha­be und Sie mich nun für kom­plett de­bil hal­ten; aber das ist mir egal, so wie das, wo­von Sie sa­gen, es sei »all­be­kannt«, daß die sprach­lich ar­ti­ku­lier­ten Ge­dan­ken ei­nes Men­schen nie­mals »sei­ne« sein kön­nen. Le­bens­prak­ti­scher­wei­se ge­he ‘ich’ näm­lich ganz ein­fach da­von aus, daß ‘ich’ ICH bin und nie­mand sonst: ganz so wie Scho­pen­hau­er, der Die Welt als Wil­le und Vor­stel­lung ge­schrie­ben hat, aber eben auch die Apho­ris­men zur Le­bens­weis­heit. Bei­des ha­be ich mit 16 Jah­ren ge­le­sen, und ich war – mit Ver­laub – schon da­mals stets wei­se ge­nug, um mich nicht phi­lo­so­phisch zu ver­zet­teln; denn das macht nur schlech­te Lau­ne und De­pres­sio­nen oder gar sui­zi­dal. Ich je­den­falls hal­te es für an­ti­so­zi­al und ge­ra­de­zu pa­tho­lo­gisch, sich und an­de­ren – zu­mal im Rah­men ei­ner Dis­kus­si­on! – je­de gei­sti­ge und psy­chi­sche In­di­vi­dua­li­tät ab­zu­spre­chen: was man lo­gi­scher­wei­se tut, wenn man sei­nen Ge­sprächs­part­nern sagt, die Ge­dan­ken ei­nes Men­schen nie­mals »sei­ne« sein.

    Da­mit will ich, wohl­ge­merkt! nicht sa­gen, Sie sei­en an­ti­so­zi­al oder was auch im­mer. Ich will Sie kei­nes­falls be­lei­di­gen. Doch ich muß an die­ser Stel­le dar­auf hin­wei­sen, daß mir Ge­dan­ken wie der zi­tier­te (der ja wohl von ir­gend­ei­nem neue­ren fran­zö­si­schen Phi­lo­so­phen stammt; zu mei­ner Zeit wa­ren die an den Uni­ver­si­tä­ten noch nicht in Mo­de) so vor­kom­men, als wä­ren sie dem Ge­hirn ei­nes Bor­der­li­ners ent­sprun­gen. Es ist ja okay, von sich selbst zu glau­ben, man ha­be kein kon­si­sten­tes Ich. Aber an­de­ren so et­was ein­zu­re­den hal­te ich für höchst pro­ble­ma­tisch. Wer sich dar­auf be­ru­fen kann, ‘in Wahr­heit’ gar nicht selbst zu den­ken und zu han­deln, der kann ja auch mit Recht sa­gen, er sei für nichts ver­ant­wort­lich.

    Ge­nau die­se Den­ke ken­nen wir nun auch (aber eben nicht ’nur’) von An­ders Beh­ring Brei­vik: der ja fest da­von über­zeugt ist, er ha­be tun müs­sen, was er ge­tan hat: eben nicht als In­di­vi­du­um, son­dern als »Tem­pel­rit­ter« im Na­men der nicht­mus­li­mi­schen Be­völ­ke­rung Eu­ro­pas und der ge­sam­ten Chri­sten­heit. Wä­ren Sie, Thom, wirk­lich da­von über­zeugt, was Sie in Be­zug auf mich und ‘mei­ne’ Ge­dan­ken ge­sagt ha­ben, dann wä­ren Sie der be­ste Mann, um das Me­di­um Brei­vik zu ver­tei­di­gen und Frei­spruch zu for­dern – oder aber, da­mit es nie mehr zu sol­chen Mas­sa­kern kom­men wird, die To­des­stra­fe für die ge­sam­te Mensch­heit; al­so ge­nau das, wo­von Ar­no Schmidt einst ge­träumt hat: den kol­lek­ti­ven Selbst­mord.

    Das war mein Wort zum Sonn­tag.

  30. @Thom
    An Ih­rer Spra­che kann man Sie er­ken­nen – da­her schrei­ben Sie auch »Pa­ra­noia«. Sie un­ter­stel­len da­mit das, was Sie ei­gent­lich be­le­gen soll­ten. Und das dann de­nun­zia­to­risch. An­son­sten hat Qui­ri­nus ge­ant­wor­tet. Und das soll­te es auch sein.