»Löwenstadt« ist Erich Loests Überarbeitung und vor allem Fortschreibung seines 1984 veröffentlichten Romans »Völkerschlachtdenkmal«. Am 6. Juli 1982 wird Fredi Linden in eine Stasiklapsmühle bei Leipzig eingeliefert. Linden, gelernter Sprengmeister (Meisterliches Sprengen hat Sanftes an sich), von seinem Beruf seit Jahren bereits suspendiert und zuletzt Pförtner am Denkmal wird verdächtigt, dass Völkerschlachtdenkmal sprengen zu wollen, in einem (geheimnisvollen) Fluchtstollen von Männern in gelben Overalls gestellt und festgenommen (und er behauptet hartnäckig, kurz vorher einen Raum mit Schalttafeln entdeckt zu haben).
Das Völkerschlachtdenkmal, von Lindens Vater Felix mit erbaut und exakt in Fredis Geburtsjahr fertiggestellt und eingeweiht, wird Dreh- und Treffpunkt in den Erzählungen des Beschuldigten; man bekommt den Eindruck, er kenne jeden der sechsundzwanzigtausendfünfhundert Granitwerkstücke, jeden Geheimweg und jeden Stollen in diesem Labyrinth – ober- wie unterirdisch (was ihn nicht unverdächtiger macht).
Liebes- und Haßobjekt Denkmal – mal Ehrfurcht gebietend (nie mehr würde weit herum etwas Vergleichbares getürmt werden. Von da an ging’s bergab) mal niederdrückend (»wer solche Denkmäler will, glaubt nicht mehr an den Sieg«) oder einfach nur dem Spott ausgesetzt. Und das wohl schönste Erlebnis des Lebens mit dem Vater auf ihm, »durch das Bein des Wächters« ins Freie und ich begriff mit einem Schlag und schrie es heraus: »Ich seh’ die ganze Welt!« So etwas sprengen? Und man denkt sofort an Heinrich Bölls »Billard um halb zehn«, in dem der Sohn die vom Vater gebaute Kapelle tatsächlich sprengte; gezwungenermaßen (oder das, was man für Zwang hielt).
Der Leser wird im folgenden Zeuge des »Verhörs«, welches aus einer Frage besteht (der jeweiligen Kapitelüberschrift) und dann Lindens Monologen (nebst gelegentlichen Einschüben, als Linden offensichtliche Zwischenfragen oder Einwände beantwortet, die dem Leser nicht mitgeteilt werden). Der Roman endet mit dem 18. Kapitel im Jahr 2007 (in einem Altenheim). Dort träumt er vom 100. Geburtstag und lässt auch dann nicht von seinen Anekdoten in und um Leipzig und das Denkmal, »sein« Denkmal, ab. Mag sein, so die trockene Botschaft, dass die Geschichtsvergessenheit und –ignoranz der SED-Funktionäre, die ihn tatsächlich kurz mit dem Gedanken spielen ließen, das Denkmal zu zerstören, dann wahr wird, denn im August 2013 jährt sich der Todestag August Bebels zum hundertsten Mal. In unserer Stadt könnte man das glatt vergessen.
Sprengmeister Linden stellt seine Stasi-Befrager und Altenbetreuer auf eine harte Probe (und wie gekonnt dabei der Leser zum Komplizen nicht einfach nur vereinnahmt wird, sondern sich spontan selbst einbindet): Breit, assoziativ, elliptisch, ausweichend, redundant und auch widersprüchlich – so erzählt dieser (autodidaktische) Chronist des Denkmals, der Stadt Leipzig und des Landes Sachsen und gleichzeitig wird das alles mit seinem eigenen Leben bzw. dem seiner Vorfahren verwoben, phantasiert, halluziniert.
Er erzählt von seinem Vater im Fußballtor oder auf der Baustelle und im Krieg. Der Vater, der mit fast fünfzig 1932 noch SA-Mann wurde und bei dem Versuch nach dem Bombenangriff auf Leipzig vom 4. Dezember 1943 die Paulinerkirche zu retten abstürzte und starb (und genau diese Kirche sollte Linden 1968 sprengen – hier also die zweite Böll-Paraphrase -, was er durch Handlungslosigkeit verweigerte, zur persona non grata und kurz sogar verhaftet wurde, als man ihm einfach Sabotage vorwarf). Er erzählt von seinem Sohn Joachim, einem treuen SED-Adepten, der Tochter, die in den 60ern in den Westen ging und heiratete. Er erzählt vom Tod seiner Mutter (nun war ich der Nächste heißt es etwas wehleidig), dem frühen Tod seiner Frau Marianne, seiner Vereinsamung, dem immer stärkeren Eintauchen in die Geschichte und dem Leiden an den Verhältnissen in der DDR – und manchmal auch noch danach. Und wer genau liest, bemerkt auch noch dieses leise, aber dennoch innige Trauern um die (verloren gegangene und scheinbar für immer entschwundene) Sozialdemokratie.
Linden schlüpft in seine Vorfahren (oder die er als seine Vorfahren sieht); beim ersten Verhör gibt er sich deren Vornamen und nennt sich Carl Friedrich Fürchtegott Vojciech Felix Alfred. Er spürt ihnen nach, findet überall ihre Zeichen und Initialen (oder glaubt das zumindest). Carl Friedrich Lindner, der Vorfahr, der als Sachse mit Napoleon gegen Preussen kämpfte (Sachsen standen immer auf der falschen Seite – bis auf einmal), beim Plündern von Plünderern erschlagen am 20. Oktober 1813. Oder später jener Vojciech Machulski, Pferdepfleger, Bauarbeiter, Soldat und Erfinder, der mit Felix Linden beim Denkmalbau Freund- oder mindestens Bekanntschaft schloss und mit ihm in den Ersten Weltkrieg zog (und Vojciechs Bruder stand irgendwo auf der anderen Seite des Schlachtfelds). Eindringliche Bilder gelingen da in knappen Sätzen: der letzte Sommer einer Ära (1914), Soldaten, die aus Angst und ohne Hass schiessen (müssen); das Überglückliche durch einen Brief. Dann Machulskis Beinamputation und kurz darauf endete er in einem Massengrab.
Linden lebt diese Figuren, lässt sie auf(er)stehen, wechselt manchmal in die »Ich«-Form. Man weiss es nicht genau: Sind die Wiederholungen und Variationen des Gesagten gewollte Irreführung? Oder deliriert er schon? Das »Verhör« erweist sich dabei wenn nicht als »Deutschstunde« so als »Sachsenstunde«. Fredi Linden changiert irgendwo zwischen Woyzeck, Simplicius und Schweijk, das alles garniert mit einer gewissen Raubeinigkeit (manchmal erinnert es ein bisschen zu sehr an Fonty aus Grass’ »Ein weites Feld«). Der Leser wird insbesondere am Anfang durchaus herausgefordert, sich aus dem Puzzle der Assoziationen die Geschichte zu rekonstruieren; im weiteren Verlauf des Buches wird der Erzählstrom etwas stringenter.
Grosse Meisterschaft zeigt Loest im Beschreiben der Brüche der Figur Fredi Linden. Der Tod des Vaters nach der Bombennacht, die Kinder…mit einem Schlag zu Erwachsenen werden lässt. Die Hinwendung zum Alten die schon weit vor dem Mai 1968 einsetzt, als er seinen Beruf verliert und im Gefängnis die Sprengung der Kirche als Vibration spürt. Die Parallelen der Vernehmer zum Ritterkreuzträger, der Linden kurz vor Kriegsende fast noch ums Leben gebracht hätte. Seine Reaktion hierauf: Eins hab ich nie leiden können: Grinsen. Ich hab nie grinsen wollen außer in dieser Minute.
Marschmusik als Kriegsersatz, die Stadt krepierte unter dem Gestank der Kraftwerke, Linden verkauzte zum Eigenbrötler, der Sohn warnte (Vater, machst keinen Unsinn, ja?), Häuser waren nur noch Ziegel- und Betonhülsen.
Seit 1988 lebt er dann in einem Altenheim; ist wieder flügge (vermutlich inzwischen als harmloser Sonderling eingeschätzt), fährt zu seiner Tochter Erika nach Detmold und kommt sich westfremd in einem Leben wie in der Reklame vor. Zurück in die Bruchbude DDR und nach Leipzig mit seinen Ratten…Tauben und…Brombeeren. Auch ein paar seltene Idyllen. Und plötzlich sieht man an Leipzigs Autoantennen immer öfter Fähnchen…Weiß bedeutete: Ausreisenantrag gestellt, schwarz: Antrag abgelehnt. Wer sich festnehmen lasse, erzählte Joachim, sich weigere, eine Geldstrafe zu zahlen, sei binnen drei Wochen drüben. Joachim wird direkt dem ZK unterstellt, kommt wieder in die Stadt und soll Brücken basteln und reparieren. Aber irgendwann geht reparieren nicht mehr.
Und wie klug diese dann heranbrechende Zeit und die in ihr angelegten Missverständnisse hier evoziert werden:
Siebzigtausend Bürger vereinten sich an diesem Abend zum Protest. Sie waren in Ansichten und Zielen zerklüftet, doch das minderte nicht ihre Zahl. Die meisten wollten eine freundlich funktionierende DDR mit netten Polizisten, Reisefreiheit und Bananen. Berufsschüler wollten ihre Meister ärgern und einfache genossen den Parteisekretär, Mieter den hausbeauftragten, Altbaubewohner mit Wasserschäden im Kinderzimmer die Zicke vom Wohnungsamt, LVZ-Leser den Leitartikler, Eltern den Schulleiter, der ihre Tochter von der Oberschule ferngehalten, die Tochter den Vater, weil der viel zu lasch reagiert hatte. Hier zogen ehemalige Bausoldaten und ihre Bräute, Zeugen Jehovas, Jugend-Fußballspieler, deren Trainer sie zusammengeschissen hatte, weil ihre Klamotten in Aldi-Beuteln steckten, Chorsänger, die sich über die ewigen Thälmann- und Stalinkantaten erbosten, Herzens-Sozialdemokraten, geschlagene des 17. Juni 1953, Nazis, Biermannfreunde, wer von einer Hochschule geflogen war, weil seine Mitarbeit im Elferrat als destruktiv gegolten hatte, Twisttänzer, von Ordnungskräften verprügelt, weil sie auseinander getanzt hatten, Althäftlinge aus den Speziallagern Bautzen, Mühlberg und Buchenwald, Ringelsockenträger der fünfziger Jahre, Teilnehmer des Olof-Palme-Friedensmarschs, RIAS-Hörer, Deutschlandfunkhörer, wer »Sie Revolution entlässt ihre Kinder« verschlungen hatte. Schlesierland, mein Heimatland, drei Mal Ausreiseantrag gestellt, der Bruder wegen Fluchthilfe in Brandenburg – hier mitzuziehen löschte eigene Feigheiten aus, man zeigte es denen, war unversehens ein hecht, ein Kerl, das Mäuschen im Männchen tanzte, da die Katze den Schwanz einkniff. Wer hier dabei war, erteilte sich selbst Absolution für getreuliche Mitarbeit an jedweder Wandzeitung.
Parallelen zwischen 1813 und der Schlacht von 1989? Aber die Schlacht war gewonnen oder besser: Sie hatte nicht stattgefunden. Denn ihr Widerpart war Leipzigs Polizeigeneral, der seine Häupter zählte, und siehe, es waren siebentausend aber die anderen zehn Mal so viel. […] Vielleicht besann er sich auf die Silbe »Volk« im Titel seiner Streitmacht und stellte sie über alles. Halb triumphal halb schwermütig stellt Linden fest: Niemals wieder wurde Gerhard Straßenburg erwähnt. Der Polizeigeneral hatte die wichtigste Entscheidung getroffen, die einzig richtige, aber ein General taugt nicht fürs Hohelied, das Leipzig gar den Titel einer »Heldenstadt« verleihen wollte. Da ist er, der Gerechtigkeitsfuror (und nicht nur da, aber dort am deutlichsten).
Das Hohelied blieb für die anderen, die Pfarrer, die Feierabendrevolutionäre, den Kapellmeister, der zur Eröffnung des Musiktempels Honecker die Hand schüttelte und ihm noch einen Dankesbrief schrieb, als dieser abtrat. Und manche Künstler gaben den Nationalpreis zurück und machten so das Revers frei fürs Bundesverdienstkreuz.
Frontschwein…Kanonenfutter…Menschenmaterial – ein Kontinuum von 1813 über 1914, Nazizeit nebst Bombenkrieg bis hin zum Experiment DDR? Wann war eigentlich überhaupt einmal Leben (so könnte die ungestellte Frage lauten)? Der desillusionierte Blick nach vorne – natürlich keine Nostalgie, aber auch kein Genörgel. Vielleicht ein bisschen spät, das Ganze. Oder doch gerade recht, weil man sich nicht noch einmal umzustellen hat? Der Sohn kann sich »retten«; kommt irgendwie im Westen an. Linden schaut »Wetten, dass…?« mit den anderen Bewohnern und der oberste Sachse, der nie Einspruch erhob, wenn er »König Kurt« genannt wurde kam zum Förderverein des Herzensdenkmals.
Es dauert ein bisschen, aber dann ist man in Fredi Lindens Erzählstrom versunken. Und fiebert schließlich der Wendezeit entgegen, die, hieran kein Zweifel, aus der Betrachtung des Vergangenen anders zu sehen ist als im unmittelbaren Moment der Ereignisse selber. Loest gelingt es in den besten Augenblicken, Geschichte zu »vergegenwärtigen«, in dem er sie aus der rein historisierend-mythischen Überlieferung herauslöst und für einen Moment, den erzählten Moment, mit neuer Klarheit wiedererstehen lässt. Erich Loest zeigt sich dabei im besten Sinne des Wortes als ein Heimatdichter – ohne Allüren oder provinzieller Verklärungsmetaphorik. Und er ist dabei in sehr guter Gesellschaft: Uwe Johnsons Mecklenburg, Böll und sein Köln (nebst Rheinland), Hermann Lenz’ Stuttgart, Marons Bitterfeld und Tellkamps Dresden.
Die kursiv gedruckten Passagen sind Zitate aus dem besprochenen Buch
Die ersten zehn Kommentare beziehen sich auf den ursprünglichen Beitrag, in dem zwei Buchbesprechungen vorgestellt wurden. Die Besprechung zu David Wroblewskis Buch ist hier.
Wroblewski hab ich gelesen und fand es nicht wirklich überzeugend, der Loest steht noch auf meinem Wunschzettel, sodaß ich an beiden Rezensionen interessiert wäre.
Hm, 3 Tage für 12 Stimmen : Du setzt scharfe Maßstäbe. ;) Soll ich Dir ein Autorenrecht in meinem Blog einräumen – unter der Voraussetzung, Du veröffentlichst Deine Artikel ohne vorherige Nachfrage ? LG und in der Hoffnung auf genügend Zustimmung tinius
Ja, man (= ich) ist bescheiden geworden.
Hoffentlich kommt es durch, da ich das »Völkerschlachtdenkmal« gelesen habe, bin ich sehr interessiert.
Auch ich
... würde mich sehr freuen, wenn Loest eine Mehrheit findet! Habe das »Völkerschlachtdenkmal« vor ca. 14 Jahren gelesen, es ist unbedingt lesenswert. Und nun »Löwenstadt«, ich bin sehr gespannt.
Ich lese deine Kritiken sehr gerne. Aber keines der Bücher würde ich mir kaufen. Das liegt zum Großteil daran, dass ich momentan mit Büchern eingedeckt bin. Mein heutiger Beitrag zeigt, womit z.B. und dass mich das mehr in Anspruch nimmt, als es Bücher gemeinhin tun.
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Ich bin noch nicht einmal zum Sloterdijk gekommen, geschweige denn zu Pisana, die mir ein guter Freund geschenkt hat.
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Interessiert bin ich aber immer daran, was Du zu einem Buch zu sagen hast:)
Liebe Grüße aus Wien
H
Besprechungen beinhalten ja glücklicherweise keinen Kaufimperativ.
Oh, »Pisana« von Nievo. Ich mag diesen Roman sehr, sehr gern. Und Gregor hat recht : eine Rezension ist allenfalls eine Empfehlung, niemals ein Kaufbefehl. Aber Menschen, die einen engeren Bezug zu Büchern haben, bieten sie auch ohne Lektüre der besprochenen Bücher ein weiteres Fragment einer sich ständig erweiternden Welt. LG tinius
@Gregor
Naja, so ist das nicht. Manchmal schreibst Du schon sehr verführerisch:)
Ich selber lese Buchbesprechungen (wenn’s sein muss auch Rezensionen) um zu erfahren bestimmte Bücher nicht lesen zu müssen bzw. ich delegiere das Lesen dann in dem Moment an den Rezensenten.
Manchmal wundere ich mich allerdings bei Büchern, die ich schon gelesen habe, was die Leute hineinlesen oder auch nicht.
Das »verführerisch« ist ein sehr schönes Kompliment.
Ha, Quorum für beide Fragen erfüllt. Schon jetzt. Danke, liebe Abstimmende.
Nützlich
Immerhin weiß ich nun, dass mich »Löwenstadt« interessieren könnte – aufgrund der kurzen Buchbesprechungen (Rezensionen wage ich sie nicht zu nennen), die mir bisher untergekommen sind, wäre ich nicht auf diese Idee gekommen. Die verleiteten mir eher zur Annahme: »Schon wieder so ein Schmöker über die Befindlichkeit eines alten DDR-Bürgers.« Und zum Nicht-Lesen eines wahrscheinlich interessanten Romanes. Leider habe ich mir bisher auch den Vorgänger »Völkerschlachtdenkmal« (obwohl es über den einige Rezensionen gibt, die diesem Namen verdienen) entgehen lassen.
Widerwillen gegen das Thema? Ich gehöre zu jenen, die nur deshalb gegen die Sprengung der deutschen Großdenkmäler sind, weil ihre Beseitigung Geschichtsklitterung wäre. Die Funktion dieser Denkmäler ist es m. E. als Mahnmale an Epochen deutschen Größenwahns zu erinnern ... Aus dieser Position heraus neige ich wohl daher dazu, jeder »tieferen« Auseindersetzung mit z. B. dem Völkerschlachtdenkmal aus dem Wege zu gehen. Vielleicht ähnelt meine Haltung der »Geschichtsvergessenheit und –ignoranz der SED-Funktionäre« in Loests Roman. Das macht mich neugierig.
Das Denkmal ist letztlich nur das Bühnenbild, vor dem sich die historischen Ereignisse abspielen. Ein bisschen erscheint das als Gegenentwurf zu Musils Bonmot, dass nichts so unsichtbar sei, wie Denkmäler. Loest nimmt dabei allerdings überhaupt keine Interpretation dieses Denkmals vor.
Mich hat auch erstaunt, dass dieses Buch nicht mehr Resonanz in der Öffentlichkeit erzielt hat. Loest ist ein respektabler und wie ich finde wichtiger Autor. Stattdessen ergötzt oder verteufelt man lieber Girlie-Literatur à la Kuttner und Roche.
Der Chronist des Denkmals
In meinen Augen gelingt es Loest mit seinem Protagonisten Lindner Geschichte lebendig werden zu lassen. Das hatte mir beim Lesen vom „Völkerschlachtdenkmal“ sehr gut gefallen. Ich glaube, ich bin während meines Geschichtsunterrichts in der Schule nie so dicht an die Völkerschlacht von 1813 herangekommen wie in diesem Buch. Das hatte mich auch nach Beendigung der Loest- Lektüre weiterhin beschäftigt und fand in einem der Napoleonfilme vor ca. 5 Jahren nochmals mehr Verständnis/Aufklärung für die damalige politische Situation.
Die weiteren politischen Stationen bis in die neuere Zeit hinein hatte ich gerne „mitgenommen“, war für mich dann aber nicht so neu wie o.g..
Und seit diesem Buch ist der Begriff „Denkmal“ aus meinem Sprachgebrauch so gut wie verschwunden. Für monumentale Erinnerungsbauten ( Krieg, Gefallene, Ermordete,...) sollte der Begriff „Mahnmal“ lauten ( siehe Holocaust-Mahnmal in Berlin).
Ihre Rezension zu „Löwenstadt“ hat mich sehr gefreut, habe ich doch nocheinmal in Lindners Welt hineinschauen können.
Warum nennt Loest sein Buch Löwenstadt? Ich habe Lübeck und eine Stadtneugründung im Ravensburgischen im Kopf sowie die Stadt Braunschweig, die ja m.E. immer noch Löwenstadt heißt. Aber Leipzig? Oder möchte er es auf die „Neuschreibung“ seines Buches „Völkerschlachtdenkmal“ beziehen? Oder bezieht es sich auf den Wiederaufbau der Stadt Leipzig nach dem 2. Weltkrieg?
LG
Lou-Salome
Nachtrag: Mit der Formatierung klappt es nicht. Ich habe einiges kursiv geschrieben und nach dem Einfügen ins Kommentarfeld sieht alles wieder gleich aus. Hm.
Der Titel »Löwenstadt« bezieht sich auf das Wappen Leipzigs (welches einen Löwen zeigt). Witzig die Anekdote, die er erzählt, als Machulski Löwen aus dem Zoo befreit und ins Denkmal bringen will (was misslingt, da die Löwen ausreissen). Das Buch ist voll von solchen (wahren? fiktiven?) Anekdoten.
Ihren Eindruck, nie so dicht an die Völkerschlacht von 1813 herangekommen zu sein, kann ich unbedingt bestätigen. Vieles verdichtet sich hier, aber nicht in einem pädagogischen Erlernen historischer Zusammenhänge, sondern eben als Erzählung.
Der Wortwandel »Denkmal« – »Mahnmal« ist vielleicht ein bisschen zeitgeistig. »Denkmal« als eine Art Imperativ (»Denk Mal drüber nach!«), dem man sich heute nicht mehr ausstzen möchte. »Mahnmal« hat immer auch die Konnotation des Schrecklichen, des Furchtbaren. Etlichen »Denkmälern« kommt man damit nahe, aber anderen nicht (ich habe gerade ein Buch gelesen, in dem ein Bismarck-Denkmal eine Rolle spielt – es wäre m. E. falsch, dieses Bismarck-Denkmal [man mag dazu stehen, wie man will] »Mahnmal« zu nennen).
Die Kursivsetzung gelingt mit < i > und wird mit < /i > beendet (ohne Zwischenräume).
Ich denke, es gibt beide Begriffe parallel. Im allgemeinen Sprachgebrauch wird wohl »Denkmal« verbleiben. Aber etwas das »Holocaust – Mahnmal« als solches zu bezeichnen oder später veines für die Gefallenen der Nicht – Krieg – Einsätze hat seinen Sinn, eine Reiterstatue Friedrichs oder ein Bismarck – Denkmal werden Denkmäler bleiben, weil sie es schlicht auch sind und der mahnende Aspekt allenfalls eine Randerscheinung wäre. Denken kommt etymologisch nicht zufällig doch eher von Gedenken ???