Der Untertitel macht neugierig: Wie Weblogs, Wikis und freie Software die Welt verändern. Wenn man die Entwicklung der letzten zehn Jahre Revue passieren lässt und gleichzeitig die Zukunftsprognosen diverser Meinungsmacher in den Massenmedien verfolgt, so scheinen wir ja tatsächlich erst am Anfang einer brave new world zu stehen. Der Rückschlag 1999/2000, der die ökonomische Seifenblase der New Economy recht unsanft zum Platzen brachte, spielt bei den Prognosen und Heilsversprechen merkwürdigerweise keine Rolle mehr.
Erik Möllers Konzept einer demokratischeren Gesellschaft basiert auf den Gedanken der »freien Software«. Proprietäre Softwaresysteme, also von Privatfirmen zu kommerziellen Zwecken entwickelte und geheimgehaltene Systeme werden als autoritär, innovationsfeindlich und schlecht bezeichnet. »Hauptfeind« ist dabei natürlich Microsoft. Möllers Tenor: Freie Software (also beispielsweise Linux), die von jedermann weiterentwickelt und optimiert werden können sind wesentlich innovativer, flexibler und durch die nicht-kommerzielle Orientierung auch dynamischer als die statischen Versionen von Microsoft et al. Sie tragen viel schneller und besser zu einer dynamischen Vernetzung des Internets bei, die dafür sorgt, dass dort tatsächlich ein interaktives und nicht ein blosses Konsummedium entsteht.
Möllers moralischer Impetus geht weit. Gleich auf der zweiten Seite im Vorwort insinuiert er, Massaker wie in Ruanda oder Ex-Jugoslawien seien durch freie, weltweite Vernetzung in Zukunft vermeidbar. Jedem, der vielleicht leise Zweifel hegt, begegnet er mit der (gewagten) Konklusio Nein, diese Welt hat aus Auschwitz nichts gelernt.
Die heimliche Medienrevolution gliedert sich in vier Teile: Zunächst gibt es einen Abriss über die Entstehung von Schrift und Kommunikation von den ersten Anfängen bis zum heutigen Internetzeitalter. Möller entwickelt hier recht anschaulich, dass die Kenntnis von Schrift und deren »Produktion« (ab dem 15. Jahrhundert im Buchdruck) auch immer die Machtfrage stellte – und beantwortete: Wer schreiben konnte und das Geschriebene verbreiten konnte, bestimmte, was gelesen wurde – und vor allem: was nicht. Einfach gesagt: Das Ungeschriebene existiert nicht (sicherlich einer der Gründe, dass Gesellschaften, die hauptsächlich eine orale Kommunikationskultur pflegen, bis zum heutigen Tage den Schriftkulturen gegenüber benachteiligt sind). Auch die Kapitel über die Pioniere des Internet und deren Ambitionen (sie sind heute immer noch weitgehend unerfüllt) sind aufschlussreich.
Im zweiten Teil widmet sich Möller ausführlich den gängigen, existierenden »Open Source«-Produkten und Projekten und gibt kurze historische Abrisse. Für jemanden wie mich, der von diesen Dingen keine Ahnung hat und ein blosser Benutzer ist (der soviel Komfort wie möglich erwartet), ist dies natürlich einerseits bemerkenswert, andererseits jedoch auch gelegentlich ermüdend – wenn es dann schon sehr ins Detail geht.
Was allerdings auch dort bereits stört (später noch mehr) ist die fast ideologische Konzentration auf das »Heilmittel« Open-Source und die Verteufelung der kommerziellen Systeme. Geld verdienen wird fast schon per se negativ konnotiert, was dann irgendwann merkwürdig anmutet. Doch dazu später mehr.
Im für mich mit Abstand interessantesten dritten Kapitel beschäftigt sich Möller mit der Blogosphäre. Er gibt einen kurzen historischen Abriss über das Entstehen von Weblogs und die ursprünglichen Intentionen. So waren Weblogs anfangs kurze Texte, die mit Links auf andere Texte im Internet hinwiesen; sozusagen Lesehilfen. Mit der Zeit mutierten sie dann zu entweder trivialen Befindlichkeitsergüssen, die nur für wenige andere Leute bestimmt waren oder zu tagebuchähnlichen Journalen, in denen die Blogger die Innenwelt nach aussen kehrten und über alles mögliche »informierten« oder zu journalistischen Berichts‑, Reportage- oder Rezensionsblogs. Auch auf das Thema der Internetforen geht Möller ein.
Im vierten Kapitel beschäftigt er sich ausführlich mit den sogenannten »Wikis«, deren Geschichte, Möglichkeiten und brachliegendes Potential (das bekannteste Wiki: Wikipedia). Für Möller sind Weblogs und Wikis die Schlüssel für die von ihm propagierte Medienrevolution, in der jeder partizipativ an und mit der Welt kommuniziert und sie dadurch verändert. Überall gibt es Reporter, Analysten, Berichterstatter, Aufklärer – jeder hat etwas zu sagen und – das ist das wichtigste: Alles geschieht ohne »Zensur« (Möller hat manische Angst vor jeder Art von »Zensur«, ohne übrigens genau zu definieren, was das ist) oder Einflussnahme durch Politik, Wirtschaft, Institutionen oder Redaktionen und im Idealfall sogar in Echtzeit. Die in den gängigen Nachrichtenmedien vorgenommenen Prioritäten, die etliche Neuigkeiten erst gar nicht einem grossen Publikum zur Verfügung stellen, umgeht er mit dieser Art von Graswurzeljournalismus. Jeder bestimmt selber, was er lesen oder hören möchte. Die Implementierung von Vertrauensnetzen und entsprechende Software filtert das zuverlässig heraus, was mich interessiert. Quellen, denen ich nicht vertraue, werde ich nicht mehr zu Gesicht bekommen (wenn ich das möchte).
Natürlich weiss ich, was er meint und natürlich unterstelle ich ihm auch, dass er nur Gutes möchte. In der Theorie erscheint diese Art von globaler, »freier« Informationsbeschaffung auch als ein schönes und hehres Ziel. Möller will, dass dieses Ziel mit kollaborativer, freier Software erreicht wird. Er befürchtet (sicherlich nicht ganz zu Unrecht), dass kommerzielle Systeme (1.) den freien Informationsfluss doch nicht immer gewährleisten werden (siehe Google in China) und (2.) die durch die Benutzung gewonnenen Daten über die User zu Werbezwecken eingesetzt und auch u. U. missbraucht werden (jeder Google-Mail-User weiss das: Schreibt er in seiner Mail über eine bestimmte Pflanze oder eine Reiseziel erscheinen beim Empfänger und bei einer evtl. Antwort Werbeeinblendungen, die sich in wundersamer Weise auf den Inhalt der Mail beziehen).
Das Heilmittel der freien Software soll es richten. Ausführlich beschreibt Möller im zweiten Kapitel Geschichte und Entwicklung. Als Idiot (wie ich einer bin) wirbeln einem die Begriffe nur so um die Ohren – »GNU«, »GPL«, »SUSE-Linux«, »Debian«, usw. Mehr als einmal klingt an: Die Weiterentwicklungen am frei zugänglichen Quellcode geschehen reichlich unkoordiniert; jeder bastelt in seinem Kämmerlein für sich und stellt irgendwann diese Entwicklung ins Programm. Hierfür gibt es dann Zwischenspeicher, weitere Testläufe, usw. Kurz: Das fruchtbare Chaos muss irgendwie redigiert und geordnet werden. Durch die vielen Programmierer werden etliche Arbeiten doppelt und dreifach ausgeführt – absurd, dass Möller in einem anderen Zusammenhang exakt diesen Vorwurf an die kommerziellen Produzenten erhebt, obwohl diese sicherlich systematisch auf etabliertes aufbauen, ja es aus betriebswirtschaftlichen Gründen schon müssen. Keine Rede bei Möller von der Verschwendung von Zeit und Geld. Um einigermassen die Übersicht zu behalten, müssen Programme und Foren errichtet werden; etliches wird mehrmals geschrieben und umgeschrieben, usw.
Möller gelingt es für mich nicht, das Chaos als in der Mehrzahl produktiv darzustellen. Von diesen Fehlentwicklungen, die auch zu einer übermässigen Bürokratie führen, um eine gewisse Hierarchie (natürlich auf basisdemokratischen Verfassungsgrundlagen) zu implementieren – all dies redet er klein.
Die entscheidende Frage bleibt übrigens auch unbeantwortet: Warum haben Linux bzw. ähnliche Betriebssysteme nicht längst Windows verdrängt? Möller zeigt hier die Vertragsstrukturen zwischen den Hardwareherstellern und Microsoft und deren Provisionierung auf. Das ist sicherlich einer der Gründe. Der andere Grund ist: Der Durchbruch der Open-Source-Produkte gelingt deshalb nicht, weil (1.) die Installation immer noch relativ kompliziert ist und (2.) die Standardisierung von Schreib- oder Tabellenkalkulationsprogrammen u. a. den eminenten Vorteil hat, dass die Kommunikation weltweit sofort möglich ist, d. h. ein »Word«-Dokument ist weltweit einheitlich und sofort zu bearbeiten. Ein Dokument in einem anderen Format ist für den Empfänger zunächst einmal nutzlos, da er erst einmal die entsprechende Software implementieren muss.
Beide Punkte unterschätzt Möller m. E. erheblich. Nicht jeder, der einen PC zu Hause hat, möchte unbedingt zwischen vier oder fünf verschiedenen Internetbrowsern wählen – die meisten der Vorteile des Browsers A oder B bemerkt er im täglichen Ablauf vermutlich nie. Es gibt Untersuchungen bei Mobilfunkteilnehmern, die teilweise nur zu 20% die Möglichkeiten ihres Gerätes ausnutzen. Wahlmöglichkeiten sind für den technisch engagierten »Freak« durchaus gewünscht – die Masse der User möchte »nur« ein funktionierendes System. Hierin liegt ein grosser Vorteil: Bei allen negativen Berichten von und über Microsoft-Produkte – letztlich »funktionieren« diese (fast) immer idiotensicher. Der oben erwähnte Drang zur Standardisierung der Dokumentenprogramme führt dazu, dass nahezu alle Unternehmen weltweit auf diese Programme zurückgreifen. Vielen ist ja sogar schon zu exotisch, ein PDF-Leseprogramm zusätzlich zu implementieren, um grosse Dokumentensammlungen aufzubereiten.
Da nutzen alle Ambitionen und (sicherlich exorbitanten) Verbesserungen nichts – wer sich ein Auto selber zusammenbastelt (und sei es kollaborativ) wird am Markt nicht reüssieren. Zumal dann, wenn sein Nachbar parallel dazu ein anderes Modell – mit einem anderen Motor – gebastelt hat. Nicht jeder möchte diesen Experimenten beiwohnen – beispielsweise als Beifahrer. Ein Automobil sollte mich von A nach B bringen und nicht dazu dienen, mich hauptsächlich mit dem Wagen selber, seinem Motor, seinem Getriebe, usw., zu beschäftigen. Der Trend zum »Do-It-Yourself« mag gerade noch im Handwerk verlockend sein (die meisten »Do-It-Yourself«-Freunde sind –das sieht man gelegentlich an ihren Werken– grosse Dilettanten). Irgendwann möchte man aber auch Bereiche haben, die einen gewissen Komfort bieten. Schliesslich beruht ja unsere Wirtschaft (die man natürlich kritisieren kann) u. a. auf dem Prinzip der Arbeitsteilung.
Und spätestens wenn von der »Spaltung« im Land der Endbenutzer zwischen zwei grossen Desktop-Lösungen KDE und GNOME denke ich amüsiert an die »Glaubenskriege« am Anfang der Videorekorder-Technik zwischen »VHS«-System, »BETAMAX« und »Video 2000« (letzteres das System, welches von »Grundig« implementiert wurde; letztlich wurde diese gewaltige Fehlspekulation einer der Sargnägel der bis dahin unabhängigen Firma). Erst als die Branche monopolistisch auf das VHS-System umstieg, gab es den Durchbruch beim Verkauf dieser Geräte (schöner Artikel zu »Formatkriegen« in der Wikipedia).
Keine Frage: Monopole sind schädlich. In vielerlei Hinsicht. Ein Wettbewerbsprodukt mit ähnlich komfortablen Tools wie die Microsoft-Programme wäre wünschenswert. Fraglich ist, ob es sich auch pekuniär lohnen würde. Wirtschaftsunternehmen, also theoretisch die Taktgeber für Innovationen, sind in solchen Fällen träge und stockkonservativ (»Never change a running system«). Eine (oder mehrere) Alternativen zu entwickeln, wäre nicht nur zu kostspielig (würde also ertragsmässig in keinem Verhältnis zum Aufwand stehen), sondern auch kontraproduktiv: Die weltweite Kommunikation würde unter einer Zersplitterung in diverse Dateiformate leiden. Die zweifellos überhöhten Kosten, die man für die Monopolprodukte bezahlt, dürften insgesamt niedriger sein als der volks- bzw. betriebswirtschaftliche Vorteil von Alternativen. Eventuelle Preisvorteile würden durch die Pflege und Implementierung neuer Software (die sich dann auch wieder mit dem Betriebssystem »vertragen« muss) vermutlich »aufgefressen« werden.
Natürlich könnten die bestehenden Linux-Systeme genutzt und verwendet werden. Insbesondere was Linux-Serverapplikationen angeht. Unternehmen, die dies tun, müssen jedoch u. U. Spezialisten beschäftigen, die sich mit diesen Programmen sehr gut auskennen. Wenn ich auf meinem Home-PC einmal etwas installiert habe, ist die Gefahr von Problemen sicherlich marginal. In den Netzwerken von Wirtschaftsunternehmen steckt aber ein viel grösseres Konfliktpotential.
So verrückt es klingt: Möllers Satz In der Open-Source-Welt gibt es keine Monopole ist Vor- und Nachteil gleichzeitig. Bedenklich finde ich seine Argumentation immer dann, wenn er die freie Software als Heilsbringer verklärt. Solche Formulierungen sind mir mehr als abstrus: Freie Software ist keine rein technische Angelegenheit, und wer sie darauf reduziert, verliert. Die erworbene Freiheit muss auf allen Ebenen ausgebaut und gegen kontinuierliche Anriffe der alten Eliten verteidigt werden. Wenn dies gelingt, kann schliesslich auch ein freies Betriebssystem für unsere Gesellschaft entwickelt werden. Lieber Herr Möller, ich möchte in keinem Betriebssystem leben; weder in einem unfreien (natürlich nicht!), aber auch nicht einem freien; ich fürchte nämlich, dass mir letztlich irgendwann jemand definiert, was denn gefälligst »frei« ist.
Ausführlich widmet sich Möller noch den tatsächlich oftmals unappetitlichten Versuchen von Microsoft, über rechtliche und politische Einflussnahme Open-Source-Projekte (insbesondere in der EU) zu diskreditieren. Von seiten der Firma ist dies sicherlich verständlich: Es ist natürlich eine Revolution, die in nächtelanger Kleinarbeit herausgefundenen Programmierungen »einfach so« allen zur Verfügung zu stellen und somit vielleicht noch andere und/oder neue Lösungen zu generieren. Ausführlich dokumentiert er den erfolgreichen Versuch von Microsoft, eine EU-Abgeordnete als Lobbyistin zu gewinnen (wohl gemerkt: eine!). Ein wenig schürt er jedoch hier einen Alarmismus, der reichlich übertrieben wirkt. Der Lobbyismus in der EU beispielsweise im Bereich der Landwirtschaftspolitik oder in Deutschland im Gesundheitswesen ist deutlich stärker und auch effizienter, wie die recht hausbackenen Versuche von Microsoft.
Das bereits angesprochene dritte Kapitel über die Blogosphäre schien mir im Vorfeld als das interessanteste. Möller bezieht sich jedoch (leider) fast ausschliesslich auf die amerikanische Szene, entwickelt ausführlich die Geschichte von Slashdot, um über diverse andere Foren und Indymedia auf »Kuro5shin« (K5) zu stossen. Bedauerlicherweise erwähnt er den deutschen »K5«-Ableger »Nensch« nicht mit einer Zeile; lediglich zwei Screenshots von »Nensch« verwendet er, um die Abstimmung und den Modus des redaktionellen Kommentars zu zeigen. Möller ist auch angemeldet auf »Nensch«, hat jedoch keinen einzigen Kommentar, geschweige denn Beitrag abgeliefert. Selbst den im Rohbau gezeigten redaktionellen Kommentar muss er also vor Absendung verworfen haben.
Da er »K5« ziemlich lobt (sowohl die Software »Scoop« als auch die Qualität einiger Beiträge dort), ist die Ausblendung von »Nensch« sehr merkwürdig. Immerhin wurde »Nensch« 2005 von der Grimme-Preis-Kommission als ein interessantes Projekt als beobachtenswert erwähnt. Mindestens zum Zeitpunkt der ersten Auflage des Buches war »Nensch« auf einem sehr hohen Niveau; der sich aktuelle andeutende Niedergang hat vielfältige Gründe.
Auch bei den Weblogs orientiert sich Möller fast nur auf die USA. Er trifft in den USA natürlich auf eine sehr viel breitere und auch anspruchsvollere Infrastruktur. Ich hätte mir gerade deshalb einen detaillierteren Blick auf die deutschsprachige Szene gewünscht. Das dies nicht erfolgt, kann mehrere Gründe haben. Ich favorisiere die These, dass die Blogosphäre in Deutschland noch ziemlich marginalisiert ist – eine Tatsache, die Möller durchaus erwähnt. Nicht unbedingt quantitativ, sondern – vor allem – qualitativ. Weblogs von liebeskummerigen Teenagern oder lustlosen Schülern; Ausführungen über Ärger im Büro oder mit dem Partner oder das blosse Abkupfern von Nachrichtenagenturmeldungen mit dem Versehen der eigene, als sakrosant postulierten Meinung – vermutlich entspricht die Blogosphäre im deutschsprachigen Raum einfach noch nicht den medienrevolutionären Ideen Möllers.
Das Problem der »Trolle« in Foren und Weblogs erkennt Möller sehr wohl; er favorisiert komplizierte Mischungen zwischen Moderation und einem »Karma«-Bewertungssysteme à la Slashdot, um diesem Phäniomen Herr zu werden – oder auch Filterapplikationen.
Was Möller in seiner Euphorie für neue demokratische Strukturen übersieht, ist die Verwendung der exakt gleichen Mittel und Möglichkeiten durch Extremisten jeglicher Art – politisch, rassistisch, sexistisch, usw. Die »neuen« Möglichkeiten stehen ja nicht nur dem Schönen und Guten zur Verfügung – auch links- oder rechtsextremes Gedankengut, pornografische Seiten und/oder Gewaltverherrlicher und Bellizisten aller Art können sich ebenfalls dem Medium bedienen.
Da jegliche direkte Einflussnahme Möllers Verdikt von »Zensur« gleich käme, bleibt die Frage, wie er einer irgendwann einmal gut aufgestellten rechtsradikalen Szene entgegentreten will. Am Schluss schreibt er: Schaffen Sie ihren Fernseher ab und informieren Sie sich aus dem Internet. Aha. Nur: Wie kann man zuverlässig die Informationen aus dem Internet auf ihren Wahrheitsgehalt abklopfen? Wieso soll ich einem Weblogger mehr vertrauen, als einem Fernsehkorrespondenten (es gibt ja nicht nur die privaten Massenmedien in Deutschland, sondern auch die öffentlich-rechtlichen; denen traut Möller offensichtlich nicht – aber dem Weblogger um die Ecke?).
Bereits heute ist es extrem schwierig geworden, aus der Flut der Meldungen die Wahrheitsgehalte herauszuholen. Ein topaktuelles Beispiel: Im Presseclub am 8.10.06 sagte ein Journalist, die neuen Gesetze zur Gesundheitspolitik, die ab 2009 in Kraft treten sollen, werden gravierende Nachteile für die privaten Krankenversicherungen bringen. Eine andere Journalistin widersprach energisch. Da sei er wohl dem »Lobbyismus« der privaten Krankenversicherer auf dem Leim gegangen – das Gegenteil sei der Fall. Dieser Punkt ist in doppelter Hinsicht interessant: Es wird (1.) über einen Sachverhalt diskutiert, der noch gar nicht abschliessend dokumentiert ist – d. h. es gibt überhaupt noch keinen Gesetzentwurf, der solche Aussagen zulassen könnte. Dennoch werden sie bereits getätigt. (Diese Art von Besprechung – sowohl die eine wie die andere Sichtweise vertretend – hätte ein typischer Blogeintrag eines frustrierten Users sein können.) Und (2.) gibt es bereits bei diesen, in der Regel recht informierten Personen, derart unterschiedliche Interpretationen – wie soll da ein Aussenstehender die Übersicht behalten – und vor allem: was soll er nun glauben?
Dieses Beispiel zeigt, dass die Differenz zwischen Blogger und »echtem« Journalismus zwar einerseits fliessend ist – d. h. auch ein Journalist ist auf (in der Regel allgemein zugängigen) Quellen angewiesen und interpretiert sie dann entsprechend. Andererseits sollte er jedoch immer die unterschiedlichen Seiten gleichzeitig im Auge haben, d. h. nicht bloss seine persönliche Sicht zu Papier bringen, sondern ein möglichst objektives Bild zeichnen. Im Gegensatz zu Journalisten recherchieren Blogger auch selten bzw. gar nicht. Das Problem scheint dabei insgesamt nicht zu sein, dass Blogger zu Journalisten werden, sondern Journalisten zu Bloggern, d. h. der Trend zum (unreflektierten) Meinungsjournalismus macht sich breit. Ein Phänomen, dass nicht unbedingt für die Schnelligkeit der neuen Medien spricht.
Hier liegt die grosse Problematik bei Weblogs: Die Blogger sind von Natur aus Einzelgänger und a priori parteiisch. Sie ziehen entweder nur störwütige Trolle an oder Schulterklopfer, mit denen sie dann Netzwerke bilden und weitgehend unter sich bleiben. Anspruchsvolle, themenbezogene, kontroverse aber dabei faire Diskussionen gibt es auf Weblogs selten. Meist enden sie in persönlichen Angriffen. Dabei ginge es nicht darum, jemanden von seinem Standpunkt abzubringen, also »umzudrehen«. Das ist meistens gar nicht möglich. Vielen ist aber bereits ein sachlicher, mit Argumenten geführter »Wettstreit« nicht möglich. Hinzu kommt, dass die Administratoren vieler Weblogs oft genug gar nicht den detaillierten Widerspruch mit ihren Thesen wünschen. Gelegentlich löschen sie einfach missliebige Kommentare, die ihren Meinungen nicht entsprechen. Was ich nicht lese, gibt es nicht. Ich halte diese Blogs für Potemkinsche Wortwüsten. Und: Weblog-Admins führen »Blogwars« – jeder auf seinem Weblog. Oft bekommt der Angegriffene davon erst einmal gar nichts mit.
Ein Weblog mit ambitionierten politischen, gesellschaftlichen, ökonomischen oder kulturellen Beiträgen, der im wörtlichen Sinne offen ist, scheint mir eigentlich ein Widerspruch in sich. Hierfür sind Foren nötig, schon um die Sitte, mit »Trackbacks« den »Traffic« auf den eigenen Weblog zu ziehen (weil man dort auch meist mehr Features zur Verfügung hat, als im Kommentarfeld des »fremden« Blogs), und die eventuelle Diskussion damit zu zersplittern, zu bündeln. Ein Forum, welches jedoch auf die basisdemokratischen Entscheidungen der User rekurriert und evtl. Trolle oder Krisen nur auf diese Art meistern will, wird scheitern, wenn die Administratoren nicht vorher eindeutige Regeln formulieren und auch umsetzen.
Wer Demokratie als Einladung zur vollkommenen schrankenlos Plapperei versteht, wird die Blogosphäre goutieren. Ich halte diese Art Kneipengeschwätz für schrecklich und vielleicht höchstens am Anfang ein bisschen unterhaltend. Möller selber beschreibt die Erbärmlichkeit vieler Weblogs, die sich mit Alltagsbanalitäten beschaffen.
Die Massenmedien belegen, dass Qualität und Anspruch nicht massentauglich ist; also werden Weblogs in der Zukunft kaum qualitativ bessere Informationen bieten (jetzt von Augenzeugenberichten aus bestimmten Krisengebieten einmal angesehen). Möllers Euphorie habe ich ähnlich schon einmal erlebt. In den 70er/80er Jahren gab es in Europa (insbesondere in den Niederlanden, Deutschland und Grossbritannien) eine umfangreiche »Freie Radio«-Szene, die sogenannten »Piratensender«. Die grossen hatten Schiffe auf dem Offshore-Meer – die kleinen und kleinsten Sender Mittel- oder Kurzwellenanlagen auf dem Dachboden und sendeten sonntags ein paar Stunden. Sie alle lehnten sich gegen die Sendemonopole ihrer Länder auf (die »NOS« in den Niederlanden; die »BBC« in UK). Und was war ihre »innovative« Programmidee? Musik, Musik, Musik. Und ein paar lockere Sprüche. Dreissig Jahre danach ist diese Art Dudelradio speziell in Deutschland eingezogen und zerstört weite Teile des öffentlich-rechtlichen Radios wie ein Krebsgeschwür. Die wenigen seriösen und ambitionierten Radioprojekte existieren nur noch als marginale Nischenprogramme, oft genug als Feigenblätter diverser Dudelsender, während etliche der damaligen Musiksender in öffentlich-rechtliche und/oder andere, kommerzielle Rundfunkunternehmen integriert wurden.
Damit ich nicht falsch verstanden werde: Möllers Buch ist kenntnisreich und interessant. Seine Euphorie vermag ich jedoch nicht zu teilen. Vielleicht fehlt mir aber die visionäre Kraft und ich verfalle zu schnell in (deutsches?) Negativgerede. Die Zukunft wird’s zeigen.
Erik Möller bittet ausdrücklich um Reaktionen auf sein Buch. Ich habe ihm eine E‑Mail geschrieben und auf diesen Beitrag hingewiesen. Wir werden sehen, ob er antwortet.
Lieber Einzelgänger,
lieber blogbesitzer!
Ich habe Ihren Beitrag mehrmals gelesen und habe mir gewünscht, dass auch andere das tun-auch die ‚die Sie hier dem fließenden Journalismus zuordnen...
Ich habe selbst keinen blog und ich werde auch keinen haben.Aber nicht weil im Umkehrschluß ich jetzt KEIN Einzelgänger oder a priori NICHT parteiisch wäre.Mitnichten!
Ich habe mir überlegt, was ich jetzt antworten könnte, was nicht wie Schulterklopfen aussähe.Es fiel mir nur das NICHT-Schreiben ein.
Ja, das hätte ich so halten können.
Aber als ich über die Begrifflichkeit BLOGWAR stolperte, mußte ich Ihnen einfach auf die Schulter klopfen.Denn blogwars are anywhere ‚und zwar genau dort, wo man ach so pazifistisch und
GUTMENSCHIG ist oder sein möge.Schluchz.
Auch das Wort FAIRNESS sprang in mein geschultes Leserauge.
Wo gibt es noch diese Attributierung in der Welt der freien Meinungsbildung, wo es eher um Quoten und Eitelkeiten und ums Zündeln geht ‚denn um »echten Journalismus«?
Klasse fand ich auch Ihre Beschreibung der Netzlinks und der
Mainstream-ratz-fatz-blogs.Ach ‚das ging mir runter wie Öl...
Charakteristisch und zum Kranklachen die Episode aus dem Presseclub-göttergleich die Selbstdarstellung dieser Journalisten deren
Existenz in diesem Club allein dann schon zur Groteske mutiert.
Ja, warum Möller nicht in »Nensch« schreibt, tja da gäbe es einiges zu konfabulieren.Vielleicht hat er Angst, sowas wie »authentisch« sein zu müssen?Vielleicht hat er Sorge, dass genau DIES nicht gewollt wird von den sensationsgeilen Lesern? Irgendetwas schien ihn ja bisher davon abgehalten haben, wo er doch so genau die Welt der Blogger und Vielfach-blogbesitzer(zunächst mal der amerikanischen) beschreibt, die sich im Notfall dann selbst auf die Schulter klopfen können und sei es, um Trolls zu vertreiben.
Ich möchte Ihnen auch nur die Hand schütteln und Ihnen mitteilen, dies ist ein gelungenes Thema und kritisch durchleuchtet.
Der Autor selbst möchte ein feedback.
Ich fragte mich zunächst ‚wieso sich der Autor mit den nicht-ausschließlich-marginalen amerikanischen blogs beschäftigt und nicht mit dem Vielfach-Dünnschiß der German-ratz-fatz-polemik-unreflektiert-phantasy-blogs?
Tja, vielleicht sollte ich mir das Buch kaufen und ich lese anschließend nie mehr in Ihrem blog?
Wer weiß.
Ich glaube eher nicht.
Aber den nächsten Presseclub schaue ich mir sicher wieder an, denn auch dort scheint es viel zum Lachen zu geben.
Ich wünsche dem Autor weiterhin visionäre Kraft, vielleicht
färbt es ja auf mich ab...irgendwann....irgendwo.
lgC.
»Nicht-Schreiben«
ist meistens noch schlechter als »Schulterklopfen«. Also erst einmal Dank für den Kommentar.
Es ist natürlich klar, dass die Zuordnung »Einzelgänger« im Einzelfall falsch und ungerecht ist. Und wer im Glashaus sitzt (wie in diesem Moment ich), sollte vielleicht nicht mit dicken Brocken werfen.
Zum Buch: Möller ist sicherlich eine Koryphäe, was die Weiterentwicklung von »Wikis« angeht; ich habe in meinem Aufsatz unterschlagen, dass er im letzten Kapitel, als es darum geht, einiges zu bieten hat. So u. a. auch eine Art »Wiki-News«, in der jeder ein »schlafender« Reporter ist, sozusagen ein Korrespondent seiner Umgebung und bei Bedarf eben über das berichtet, was er bei sich aufregendes vorfindet. Wenn ich böse wäre, hätte ich dies mit dem »Konzept« der »BILD«-Zeitung in Verbindung bringen können, die jedem, dem es gelang, einen Promi im Urlaub zu fotografieren, 500 Euro Prämie versprach und den Leuten einen »Journalistenausweis« verpasste. Das habe ich aber nicht gemacht.
Meine miesmacherische Attitüde der »Medienrevolution« gegenüber ist einfach eine über die Jahrzehnte gewachsene Skepsis: Man höre und schaue sich »interaktive« Programme an oder lese sich die Foren diverser Tages- oder Wochenzeitungen durch. Es ist (fast) immer das gleiche Elend. Ich erinnere mich an das Bednarz-»Monitor« der 80er/Anfang 90er Jahre: bissig, bösartig, parteiisch (meistens allerdings auch gut; auch wenn es oftmals des Guten ein bisschen viel war). Nach der Sendung gab es im Dritten eine Anrufsendung. Die Zuschauer konnten die jeweiligen Redakteure zu ihren Filmen befragen. Die Reaktionen kann man grob zusammenfassen: 60% Lob (»Schulterklopfen«) – 35% wüste Beschimpfungen – 5% sachliche Auseinandersetzung mit dem Beitrag. Bei einer Sendung von 45 Minuten Dauer waren das rund 2 Minuten = 1 Anruf (von vielleicht 10 [die Beschimpfer verbrauchten die meiste Zeit]). Um diesen einen Anruf mitzubekommen, musste man neunmal ellenlangen Unsinn über sich ergehen lassen. Irgendwann habe ich es gelassen; die »Nachgefragt«-Sendung gibt es übrigens inzwischen nicht mehr.
Einerseits bewundere ich Menschen, die in einer Art Bürgerjournalismus oder ghar mehr partizipativer Demokratie Fortschritte für unser Gemeinwesen wittern. Ich sehe das nicht – die Gründe sind vielfältig, und wären einen eigenen Beitrag wert. Andererseits ängstigt mich fast die Idee der umfassenden Plapperei von jedem über alles – wohlwissend, dass ich das auf diesem, meinem Blog auch betreibe. Ein Teufelskreis.
Zum Unterschied Weblog/Forum: Ich kann einen Weblog abschotten gegenüber anderen, mir missliebigen Meinungen. Meistens brauche ich das gar nicht; wenn mich nicht Trolle belästigen, werden diejenigen, die mein Geschreibsel für unangemessen und unsinnig halten, es erst gar nicht lesen. Der grosse Vorzug eines Forums ist, dass dort unterschiedliche Meinungen aufeinanderprallen und – im Idealfall – ausdiskutiert werden. Ein Nensch-Teilnehmer hat die für mich griffigste Formulierung gebraucht: Er will etwas lernen. Dieses Lernen kann auf unterschiedlichster Ebene ablaufen: Man kann rhetorische Kniffe lernen; man kann im Belegen seiner Argumentation neue Aspekte kennenlernen; man kann im Widerlegen der Argumentation des anderen neue Aspekte kennenlernen; man kann – im Idealfall – bessere soziale Umgangsformen entwickeln (bei mir war das offensichtlich zwecklos), usw.
Das hat auf Nensch eine Weile ganz gut funktioniert – irgendwann nicht mehr. Die Gründe stehen aufeinem anderen Blatt und werfen eigentlich ein erschreckendes Bild auf die Teilnehmer (wie gesagt, ich sitze/sass mittendrin; es trifft mich also sehr wohl auch). Wenn nämlich K5 einerseits »funktioniert«, Nensch aber nicht, so kann das nicht an der Software liegen, sondern an den Usern (und deren Mentalitäten). Aber das wäre eine lange Geschichte.
Dass Möller auf Nensch nicht schreibt, ist nicht so schlimm – aber er erwähnt es erst gar nicht. Er erwähnt auch nicht einmal »Giga«. Wie man auch zu »Giga« stehen mag – es ist ein relativ wichtiges deutschsprachiges Online-Forum. Sein ewiger Rekurs auf die US-amerikanische Szene mutet für den deutschen Leser merkwürdig an. Man kann das als Provinzialismus auslegen – mal sehen, ob/wie sich der Autor äussert.
Im Zweifelsfall darf ich Sie bitten, sowohl sein Buch als auch meinen Blog weiterzulesen; ich muss um jeden Leser kämpfen! Und der Presseclub ist eigentlich eine ganz nette Sendung. Man kann da ab und zu wirklich was lernen. Es kommt natürlich auf die Gäste an. Wie fast immer.
Lieber Herr Keuschnig!
So geht’s nicht! So geht es wirklich nicht:))) Zuerst bringen Sie mich dazu, Arno Geiger nicht so einfach zu lesen, sondern das so zu tun, dass ich nachher etwas Intelligentes darüber schreiben kann. Dann kommt schon der nächste Hammer, eine lange Rezension, zu der ich Ihnen sowohl zu- als auch gegenstimmen möchte, nur muss ich zuerst das Buch gelesen haben.
Kleiner Zwischenbericht zu Arno Geiger. Das hat schon was an sich, was aufrührt. Ich hab das in meinem heutigen Eintrag auch schon erwähnt.
Aber nun zu Möller...
So, wie ich es ihrer Rezension entnehme, scheint er zu techniklastig zu sein. Ich selbst komme ja aus einer etwas anderen Ecke – und ich muss sagen, dass ist meine eigentliche beruflichen Ecke (software architecture) und nicht Kochen oder Musizieren;)
Es geht nicht in erster Linie um Monopolismus oder um gute oder schlechte Software. Zur Zeit haben wir nur schlechte Software, was man aus der Sicht 50 Jahre in der Zukunft gar nicht als so bemerkenswert hinstellen wird.
Wir haben seit 35 Jahren, in denen sich der nicht militarisierte Mensch mit Software befasst ganz wenige Fortschritte gemacht, auch wenn das für den Laien vielleicht anders aussehen mag. Um bestimmte ‑relativ einfache – Probleme zu lösen, benötigen wir heute die 1000fache Hardware und Software-Menge.
In manchen wissenschaftlichen Bereichen ist das anders. Da liefert der Rechner Ergebnisse, die sonst nicht zustande kommen könnten. Auch in der Prothetik und anderen Bereichen der Medizin.
Ihr Hinweis auf Blogs und Foren erscheint mir sehr richtig. Tatsächlich sind aber gerade die Softwareleistungen hier in punkto Kommunikation ziemlich gewaltig. Sie werden nicht genützt. Allerdings gibt es gerade jetzt von allen größeren Firmen die Anstrengungen, das Instant-Messaging in den Firmen gang und gäbe zu machen. Immer ansprechbar sein, immer im kommunikativen Band eingeflochten zu sein.
Da passiert etwas, was wieder gut und schlecht zugleich sein kann.
Aber es hängt an einigen Fanghaken fest.
Blogs und Foren und Suchmaschinen gehören heute zu einer Begriffswelt web 2.0. (Was immer Sie darunter verstehen mögen:) Dazu gehört aber auch der Begriff »semantisches Web«. Intelligenz-gesteuerte Zuordnungs- und Suchverfahren. Hier steckt nun der Teufel. Mit der Semantik haben es unsere heutigen Zeitgenossen nicht mehr so. Immer nachlässiger wird der Umgang mit der Sprache und den Begriffen. Hier jetzt noch etwas Orwellschen Neuspeak mit dem Gewürz politischer Beeinflussung dazugegeben und wir stecken in einer vergeblichen Anstrengung fest, klare Strukturen durchschauen zu können.
Der Monopolismus bei der Paid-Software wäre nicht so schlecht, wenn nicht die Marketing-Agenden die Anstrengungen hinsichtlich Softwareausweitung in die falsche Richtung treiben würden.
Man (Möller) darf aber nicht vergessen, dass Microsoft mittlerweile in vielen Open Source Projekten steckt und andererseits ziemlich zukunftsweisend in die »richtige« Richtung forscht, auch wenn das eine ist, die zur Zeit noch kein Geld bringt. (Stichworte: Product Families, Domain Specific Languages DSL)
Wir leben in einer spannenden Zeit.
Die Blogger insgesamt sind nicht besser oder schlechter als der Rest der Bevölkerung. Was zB im Realleben auffällt sind die 15% eines Volkes, die xenophobischen Hasstiraden lauschen und sich auf eine rechte Partei einwählen. Dass 85% davon eher angewidert sind, geht dabei unter.
Bei den Bloggern dürfte es ähnlich sein...
Die letzten Zahlen
machen mich jetzt aber neugierig.Woher nehmen Sie die prozentuale Verteilung15/85? Zudem würde mich (ernsthaft)interessieren ‚ob denn die Verteilung bei bloggern gleich(=),ähnlich(nicht=),oder doch etwas anders (ungleich) wäre.
Sollte jemandem eine soziologische nicht-marktgesteuerte Untersuchung zur Psychodynamik von Bloggern vs.Nicht-bloggern bekannt sein, wäre es sehr aufmerksam mir die Quelle zu nennen.Danke.
Die Zahlen sind ganz einfach. 11% für FPÖ, 4% für BZÖ macht zusammen 15%. Die beiden Parteien, aus einer herausgespalten, teilen ihre Ausländerfeindlichkeit nicht nur, sondern haben auch ihren Wahlkampf praktisch ausschließlich mit der Angst vor Fremden und Überfremdung bestritten.
Auf deren Wähler habe ich mich bezogen.
Schuldig...
im Sinne der Anklage – Rezension von Geiger meinerseits nicht eindeutig genug. Sie müssen ihn nun selber lesen; es gibt sicher Schlimmeres. Bin gespannt auf Ihre Stellungnahme.
Zum Bloggen: Ich glaube nicht, dass Blogger bzw. Internetnutzer generell repräsentativ zur Bevölkerung sind. Ich habe leider keine Untersuchung (im Internet) gefunden, die repräsentativ die Bevölkerung hinsichtlich ihres Kommunikationsverhaltens im Internet befragt. Meist basieren die Blogger-Bücher auf Beantwortung von Fragebögen durch Blogger.
Ich habe sowohl in Foren als auch in der Blogosphäre rechts- als auch linksextremes Gedankengut bemerkt. Ob dies bei rechts mehr als 15% sind, weiss ich nicht. Kurz vor der Österreichwahl hat hier auf twoday die FPÖ einen Weblog implementiert. Ich zweifle, dass die entsprechende Klientel mehrheitlich die Mittel und Kompetenz besitzt, sich von solchen Medien »inspirieren« zu lassen.
Es gibt ein deutschsprachiges Onlineforum, welches bei einigen im Verdacht steht, von rechten »unterwandert« zu sein; gelegentlich passt der Eindruck. Bei Nensch beispielsweise gab es m. W. solche Probleme so gut wie nie (was sicherlich einer der Vorteile des Originalnamen-Prinzips war/ist).
Mit der sukzessiven Verbreitung dieser Art von Medien dürfte aber m. E. die Infiltration durch Schmuddel-Weblogs mittelfristig steigen. In Deutschland wählen insbesondere Jugendliche die rechtsradikalen Parteien – die sind irgendwann mindestens technologisch in der Lage und vielleicht willens, ihre Ideologie zu verbreiten bzw. Gesinnungsfreunde zu finden.
Das ist ja richtig lieb,
was Sie sich alle für Mühe bei den Antworten machen.Schuldig ‚lieber Herr Keuschnig sind Sie sicher nicht, wenn Sie sich die Mühe machen liebevoll akribisch Bücher aufzuarbeiten...
Ich persönlich glaube nicht, dass die blogger denk-kongruent mit der Bevölkerung gehen.
In der German-Bevölkerung hat nicht jeder einen PC, es ist meist nur eine bestimmte Altersgruppe-meine Eltern z.B. haben sowas nicht.Zudem hat nicht jeder beruflich Zeit, seinen blog zu pflegen und es hat auch nicht jeder Zeit der Schnelligkeit bei ratz-fatz-blogs die dümmlich Tagesschau-Meldungen, oder GUTmensch-meldungen wiedergeben,
zu folgen.
Ich gebe zu, anfangs war ich äußerst naiv und blöde beim Umgang mit jedweden blogs.Ich bin es jetzt nicht mehr, da ich weiß ‚dass diejenigen,
die sich durch ihren blog definieren, meist noch mehr blogs haben und sich in irgendwelchen schwachköpfigen Besucherlisten selber hochjagen in ihrer persönlichen Zahl der Besuche.Sie geben sich auch Berufe, die sie nicht haben und eine Persönlichkeit ‚die sie vielleicht gerne wären.
Mein Gott, welch armseliges Häufchen Elend muß dort bisweilen dahinterstecken. Auf der einen Seite ist dies sehr kritisch zu betrachten, aber rein soziologisch gesehen, wird durch die Möglichkeit des Bloggens und des sich Öffentlich-Machens von Befindlichkeiten und politischen Meinungen ‚die man zu dem Seinen
erklärt und dem anderen teilweise blabla auch eine Nische eröffnet, die diese Menschen für sich intrapsychisch nutzen können.
Allerdings, wenn der blogbesitzer oft durch Abwertung
andrer in der Tendenz für mich auffällig ist und sich häufig widerspricht, dann wird es mir zuviel.
Ich denke schon ‚dass es bei Soziologen bereits Untersuchungen gibt,die sich auf all diese Fragen beziehen.Warten wir die ersten Publikationen ab,die sachlich und statistisch signifikant im Ergebnis und weithingehend valide sind.
Denn genau in dieser Hinsicht würden mich diese Dünnschiß-ratz-fatz-marginal-blogs interessieren.
Vielleicht laß ich mir Möllers Buch zu Weihnachten schenken.*g*
Aber ich werde weiterhin hier lesen, denn dieser blog unterscheidet sich von andern durch den gepflegten Umgang miteinander.HInreißend wohltuend!
Bitte keine Schuldgefühle
Aber nein. Ich habe keinesfalls die Rezension bemängelt sondern ganz einfach das Tempo, in dem Sie interessante Literatur heranziehen:) Die sollte man dann schon gelesen haben, bevor man Kommentare abgibt. Das war aber wirklich eher als Kompliment gemeint:)
Was die Statistiken angeht, so bin ich da inzwischen recht pragmatische geworden.
Bei der Bevölkerung gibt es ein paar Kenngrößen, die unabhängig von Nation, Ausbildung etc. ziemlich konstant sind.
Z.B. Kreative machen ungefähr 3% aus.
Absolutes Führungspotential genauso 3%. Plus 2% situative Führer. Das sind jene, die selber nie eine Führungsposition anstreben, aber dann im Ernstfall, wenn sie lagemäßig führen müssen, einen ausgezeichneten Job machen.
Also nehme ich einmal als erste Näherung an, dass es bei Xenophobie die gleichen Prozentsätze gibt. Sehr interessant heute das Statement der Grünen, die feststellen, dass die FPÖ eher in ausländerarmen Bezirken in Wien reüssiert hat.
Interessanter erscheint mir eher der soziale und der unterhaltende Aspekt als wesentlich. Wieviele Personen schreiben aus Frustration? Wieviele verwenden die Ventilfunktion? Wieviele glauben, dass sie etwas zu sagen haben? Wieviele wollen sich nur unterhalten? Wie gross ist der Anteil an seriösem Journalismus? Wie groß ist der Anteil an echten Dichtern bzw. Schriftstellern? Usw.
Dann gibt es eine entsprechende Matrix, weil jedes allgemeine Weblog eine andere Schreiberstruktur hat.
Für mich selbst ist es faszinierend. Ich lese genügend schnell, um viel surfen zu können und dann bleibt schon ausreichend viel inspirierendes Material hängen.
Ich könnte mich allerdings genauso in die Uni-Bibliothek setzen und hätte vielleicht genausoviel Spass.
Ihre Fragen
waren sehr ansprechend-möglich ‚dass auf einen Leser oder Blogger gleich 2 Fragen inclusive Antworten zuträfen.Ich z.b. lese hier, weil ich mich unterhalten will, ablenken von der Grausamkeit des Alltags,schluchz, ich finde hier ein Ventil...ja Ihre Fragen waren stimmig, es ließen sich noch mehr anschließen.
Am besten gefallen hat mir die Vorstellung einer Unibibliothek(nur mußte man da zu meiner Zeit immer das Maul halten) .Ich habe dort leidenschaftlich beobachtet und hübsche künftige Wolkenbesitzer kennengelernt und mich auch mit jenen getroffen.Ob es die heute auch noch dort gibt?
Für die Männerwelt gibt es dann die vielen schnuckligen Mädels, die ihr mit auf eure virtuelle Wolke nehmen könnt ‚oder bei Petrus einfach mal vorbestellen.....Ja so ne Bibliothek hat Vorteile.
Sehen,gesehen werden,sprechen, be-sprochen werden, berühren,berührt werden....Wunderbare Vorstellung.
Ich habe das Buch vor einigen Wochen auch gelesen
Genau wie du fand ich die politischen Schlussfolgerungen übertrieben. Es gibt eine Konstante in der Welt, die menschliche Natur. Menschen schlagen sich seit Tausenden von Jahren nicht die Köpfe ein, weil ihnen die Informationen fehlen, sondern weil sie glauben, dass sie damit ihren Interessen am besten dienen. Außerdem muss man auch beachten, dass stärker als die nützlichen Informationen die umgewälzten Datenmengen wachsen, und damit auch die Möglichkeiten der Desinformation, der Manipulation und des Obskurantismus.
Freie Software an sich ist kein neues Phänomen, so etwas gab es schon immer. Ich glaube auch nicht, dass sich das Verhältnis zwischen den Programmierstunden, die auf proprietäre und auf freie Software verwendet wird, in letzter Zeit wesentlich geändert hat. Der Unterschied besteht nur darin, dass man über das Netz heute leichter an die freie Software herankommt, während die proprietäre einem nach wie vor verschlossen bleibt.
Möller vergisst auch, dass ein Großteil der Software heute in Geräten steckt, von medizinischer Technik, über Haushaltsgeräte bis hin zu industriellen Anlagen und Autos. Hier ist die Software ein Produktbestandteil und unterliegt zwangsläufig dem jeweiligen Geschäftsmodell.
Ein wirklich neues Konzept erkenne ich in solchen Firmen wie Trolltech (die Qt herstellen) oder in Canonical (Hersteller von Ubuntu), die anderen Linux-Distributoren verfolgen ähnliche Ansätze. Sie stellen einen großen Teil ihres Quellcodes frei zur Verfügung und verdienen ihre Brötchen mit dem Support an Firmenkunden. Dieses Modell hat in der (reinen) Softwareindustrie eine große Zukunft – Dienstleistungen.
Das Hauptproblem der Softwareindustrie ist nicht frei oder proprietär, sondern die Qualität. Der Umfang, in der Software überall eingesetzt wird, ist sehr viel schneller gewachsen als die Werkzeuge, mit denen man Qualität erzeugen kann. Hier erkenne ich tatsächlich einen Unterschied zwischen freier und proprietärer Software: Die Spannweite der Qualitätsunterschiede bei freier Software ist größer. Es gibt ganz ausgezeichnete Produkte, die wirklich von ihren begabten Schöpfern und vielen begeisterten Testern profitieren, aber die großen Linuxdistributionen enthalten auch unglaublich viel Schrott, den Hobbyprogrammierer mal schnell für sich zusammengeschoben haben und der auf mysteriösen Wegen auf die Linux-CDs gelangt, manches stürzt schon beim Starten ab. Industriesoftware ist meist durchschnittlich, nicht zu gut, weil man den Aufwand aus Kostengründen zu minimieren sucht, aber gut genug, um das Zeug verkaufen zu können.
Interessant in seinem Buch – aus Gründen, die dir sicherlich verständlich sind – fand ich die Abschnitte über die Iterationsstufen, die die Methoden zur Troll- und Sozialkontrolle in verschiedenen Diskussionsforen durchlaufen haben. Auch hier zeigt sich, dass es den Stein der Weisen nicht gibt, man wurstelt sich halt so durch.
Zur Blogosphäre finden sich ein paar interessante Statements im Buch: Viele starten relativ euphorisch, ihre Begeisterung lässt aber sehr schnell nach. Und einige (wir beiden kennen genug Beispiele) betreiben das Bloggen um des Bloggens willen, oder welchen Sinn soll es haben, in Stundenabständen irgendwo gelesene Agenturmeldungen abzuschreiben?
Aber summa summarum – ein interessantes, lesens- und diskussionswürdiges Buch, von einem wirklichen Insider und Macher von Wikipedia und Co. geschrieben, auch wenn man nicht allen seinen Schlussfolgerungen zustimmen mag.
Ich bin durch das Buch ja durch ein Zitat in Deinem »Forum Vier« aufmerksam geworden (es ging um Trolle).
Viel Neues hat es in dieser Hinsicht nicht gebracht. Es hat mich eher in der Meinung bestätigt, dass allzu technische Tools alleine nicht helfen, sondern auch soziale Interaktionen gefordert sind. Das ist einerseits vielleicht furchtbar (Menschen sind ungerecht), andererseits aber auch irgendwie tröstlich.
Industriesoftware ist meist durchschnittlich, nicht zu gut, weil man den Aufwand aus Kostengründen zu minimieren sucht, aber gut genug, um das Zeug verkaufen zu können.
Das ist genau der Punkt und das, was ich mit der Trägheit der Industrie meinte. Diese versucht natürlich mit dem minimalsten Aufwand das Maximum an Profit zu generieren. Leider ist es ja inzwischen so, dass Profit und Qualität bei vielen Unternehmen im Gegensatz zu stehen scheinen. Hierin liegt ja u. a. die grosse Gefahr von Monopolen (oder auch Oligopolen).
Möller übersieht jedoch Deinen vorherigen Satz mit dem Schrott. Für ihn ist per se das Arbeiten an Open-Source-Projekten besser als die kommerzielle Arbeit. Das dies unkoordiniert und nutr mit grossem administrativen Aufwand zu koordinieren ist, blendet er m. E. ein bisschen blauäugig aus.
Was Du zum Zukunftsmarkt der »Dienstleistungen« schreibst ist theoretisch richtig. Praktisch lechzen beispielsweise Unternehmen nach Support = Dienstleistung. Aber: Sie soll gleichzeitig nichts kosten. Dienstleistung ist in Deutschland auch mit »kostenlos« konnotiert – wir hatten die Diskussion hier an anderer Stelle neulich.
Erster Eindruck
Also ich habe jetzt einmal das Buch quergelesen und fand es ganz amüsant. Es ist ein ausreichend komplettes Kompendium des Beginns einer Netzkultur, die sich hype-mäßig mit web2.0 bezeichnet, von der wir aber wirklich noch nicht wissen, was Sache sein wird.
Einen wesentlchen Veränderungsfaktor leisten ja auch die diversen Einkaufstouren der Großen, die wesentliche Fortschritte aufkaufen, sobald sie von der Masse akzeptiert wurden. Eine Zeitlang bleiben die Dienste dann noch kostenlos, aber irgendwie gelingt immer der Griff ins Geldbörsel des Users.
Seine Vorstellung, dass bereits in 20 Jahren die Politik eine andere sein wird, weil es diese neue Medienwelt gibt, halte ich für blauäugig. Es wäre gar nicht gut, wenn eine derartige Veränderung so schnell eintreten würde. Wenn die Menschheit so schnell reagierte, täte sie das auch in Bezug auf negative Entwicklungen und wir wären in zwanzig Jahren genauso zum Aussterben gefährdet.
Die Menschheit ist stabiler. Robuster, wenn sie wirklich bedroht wird und träger, wenn sie etwas aus der Geschichte lernen sollte.
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Das der Wahrheitsgehalt im Netz nicht größer sein kann als bei realen Medien finde ich nicht überraschend. Interessiert man sich wirklich für die »Wahrheit«, kann man das auch heute am besten dadurch bewerkstelligen, dass man die Artikel über ein Thema aus verschiedenen, durchaus auch politisch gefärbten Online-Zeitungen miteinander vergleicht und den gemeinsamen Nenner auszumachen versucht.
Die Wahrheit findet man selbst heraus oder auch nicht. Aber vielleicht geht es gar nicht darum. Die Leute wollen ja emotionalisert werden. Emotionen sind statistisch begehrter als Infromationen – behaupte ich mal.
Ich halte aber Möllers Meinung durchaus für legitim. Es ist dieser Optimismus, welcher durch das Anstreben des Unmöglichen Mögliches erreicht.
Die Polarisierung Open Source versus Microsoft ist in dieser Darstellung nicht korrekt. Man könnte vielleicht Microsoft als pars pro toto verwenden, doch Microsoft ist nicht gleich zu setzen mit kommerzieller Software. Da gibt es ähnlich große Unternehmen mit drei und mehr Buchstaben, die sich gleiche Beträge für vergleichbare Software zahlen lassen.
Die Marktdurchdringung hat Microsoft ja mit einem ziemlich cleveren Trick in den neunziger Jahren geschafft. Die Raubkopien wurden ganz bewusst geduldet. Die Software war nicht besonders geschützt. So gab es von den wesentlichen Arbeitspferden Betriebssystem und Word, allenfalls Excel mehr als einstellige Verwendungskopien pro verkaufte Einheit.
Damit wurde ein Bedienungsstandard faktisch geschaffen. Später wurden die Preise noch etwas angepasst und der Schritt in die Legalität angepriesen.
Verwendet eine Firma Microsoft, so dürfen die Angestellten die Office-Pakete auch auf ihren persönlichen Rechnern nützen. Die ganze Entscheidung fällt also in den großen Unternehmen und in der öffentlichen Hand.
Es gibt kommerzielle Software, deren Auflagen nicht mit Open Source zu bewältigen wären und es ist andererseits nicht einzusehen, warum private Software etwas kosten muss, wenn es genügend Leute gibt, die Open Source für die gängigsten Anwendungen erzeugen.
Wenn ich nicht zu Hause die in der Firma verwendete Software mimikrieren müsste, verwendete ich sicher eine gängige Linux-Installation mit Open-Office.
Ich kann mich noch an meine erste Linux-Installation vor 10 Jahren erinnern. Ging klaglos bis auf die graphische Oberfläche. Der X‑Server war nämlich nur immer einige Monate lauffähig – Testversion.
Heute ist eine Linux-Installation nicht komplizierter als eine – sagen wir – Windows 2000-Installation. Bei XP war ich selber überrascht, wie klaglos es funktionierte, selbst auf älteren Rechnern.
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Ich bin vielleicht nicht der typische Adressat für das Buch, obwohl ich selbst durchaus großen Nutzen daraus ziehe. Es hat mir einen gewissen Überblick verschafft und auch eine Systematik hergestellt, die bereits Gewusstes jetzt besser einordnen kann.
Dass Nensch nicht vorkommt, kümmert mich wenig. Mit diesem Eintrag http://warteschlange.twoday.net/stories/23231/ fühle ich mich gut vertreten.
Ich könnte aus Amerika auch noch andere Blogpioniere nennen, die nicht nur die Blogwelt sondern auch »normale« Webpräsenzen revolutioniert haben.
Und ja, es gab ein Leben vor dem Internet. Die Netzwelt Compuserve, welche auf einer Sterntopologie basierte, verband Menschen aus der ganzen Welt in Foren, SIGs (special interest groups) und chats, abgesehen, dass es damals für nicht an den Unis angestellte Personen den email-Betrieb ermöglichte.
Die Chat-Möglichkeiten bei Compuserve waren ausgereifter als im Internet, zumindest bis ins Jahr 2004.
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Den Qualitätsvergleich zwischen kommerizieller und Open Source Software kann man anhand einiger Studien nachlesen. Als ehemaliger Testmanager kenne ich Statistiken, die teilweise der Open Source Software höhere Zuverlässigkeit bescheinigen. Selbst die Fehlerkorrekturen passieren in der Regel schneller. Man kann daraus aber leider nicht ableiten, dass jede Software mit Open Source erzeugt werden kann. Ach, das ist ein langes Thema. Wenn es interessiert, dann mach ich einmal bei mir einen Eintrag.
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Eine Anmerkung kann ich mir nicht verkneifen: Personal Computers sind heute wirklich ziemlich leicht handhabbar, wenn man bedenkt, welche Komplexität sich dahinter verbirgt.
So schwierig ist die Bedienung gar nicht, auch nicht die Installation, wenn man sich in gleichem Ausmass dafür widmet, wie man es in den Siebzigerjahren für die Hifi-Anlage, für den Super‑8.Film, für das Reparieren von Autos oder irgendeinem Spezialhobby aufgewendet hat. Es ist nur eine Frage des Interesses.
Ich wundere mich immer, was tatsächlich schon alles machbar ist. Und ich hab in den achtziger-Jahren noch selbst Computer auf Basis z80 gebaut, von der Schaltung bis zum Layout der Printplatte, von den Basistreibern bis zum freiprogrammierbaren Betriebssystem in FORTH. Das meiste verstehe ich ja noch:) In einem teile ich aber Möllers Meinung ganz gewiss: was da jetzt passiert, verändert unsere Gesellschaft (gerade auch, weil die Extremgruppen es auch nützen können) und es wird spannend, wie diese Veränderung aussehen wird. So rosig, wie Möller schreibt, wohl leider nicht.
Vielen Dank für diesen interessanten Kommentar
Ich glaube, dass Ihre Methode, die Wahrheit durch die Lektüre unterschiedlicher Medien sozusagen selbst zu »finden« eine gute Möglichkeit darstellt, den Realitäten/»der« Realität nahe zu kommen. Sie ist aber leider nicht immer möglich.
Gerade hier erweist sich das Internet als durchaus problematisch (man kann das auch als Herausforderung sehen, natürlich). Wenn ich beispielsweise etwas über Stromwirtschaft recherchieren will, so stosse ich sehr schnell auf umfangreiche Lobbykompendien der entsprechenden Konzerne. Ebenso schnell erhalte ich alle möglichen Informationen alternativer Organisationen und Institutionen. Im Zweifel muss ich alles genau durchlesen. Ich bin aber nicht »vom Fach« – es stossen nach endlos langer Zeit Meinung und Gegenmeinung aufeinander. Ich werde mich durch eine Vielzahl von Faktoren für eine Seite mehr oder weniger entscheiden oder sie nur ein bisschen favorisieren. Aber eine »neutrale« Stelle, die mir Vor- und Nachteile der jeweiligen Positionen erläutert, finde ich sehr selten bzw. ich vermag nicht exakt einzuschätzen, ob diese Stelle auch wirklich neutral ist.
Die Crux liegt darin, dass die Berichterstattung in den Medien durch tagesaktuelle Ereignisse bestimmt und geleitet wird. Die Journalisten haben kaum noch Zeit, entsprechend zu recherchieren. Nicht Beschleunigung eines Mainstreams oder Anti-Mainstreams wäre notwendig, sondern – man verzeihe das etwas abgegriffene Wort – eine Entschleunigung. Übrigens ein Grund, warum ich keine Tageszeitung lese.
Was Sie zu den Emotionen schreiben, ist richtig. Jeder Journalismus, der diese Emotionen zielgerichtet anspricht, ist mir zuwider und suspekt.
Sehr interessant fand ich, was Sie zu Möllers Darstellung der Open-Source-Thematik sagen. Weiteres übrigens sehr gerne!
Natürlich haben Sie recht, wenn Sie schreiben, dass man sich mit seinem PC vielleicht ein bisschen beschäftigen muss. Ich gestehe, dass ich hierfür nur in Grenzen Geduld und Kenntnisse aufbringe und aufbringen möchte. Ich bin in diesen Dingen leider etwas konservativ – ich will mich nicht mit allem beschäftigen müssen, und ziehe es vor, dass dies Leute tun, die ich dann dafür bezahle (in Form von Soft- oder Hardware). Wenn ich dies nicht leisten kann, dann lasse ich es lieber.
Zu Nensch: Merkwürdig fand ich, dass jemand Kuro5shin derartig preist – und den deutschen Ableger keines Wortes würdigt.- Mich würde interessieren, warum. Mich würde auch interessieren, warum er immer wieder auf die USA rekurriert, statt zu erläutern, wie die »Medienrevolution« in den deutschsprachigen Ländern oder von mir aus Europa Fuss fasst.
Zwei kurze Anmerkungen:
> Der Durchbruch der Open-Source-Produkte gelingt deshalb nicht, weil
> (1.) die Installation immer noch relativ kompliziert ist
Wie viele Anwender installieren Windows selbst? Die Installation von
Windows ist alles andere als unkompliziert. Tatsächlich ist sogar die
Inbetriebnahme von einer installierten Windows-Version ein mittlerer
Albtraum.
Ein letztes Jahr gekaufter Laptop mit Windows wollte nach dem Start ca.
10mal (keine Übetreibung) Updates aus dem Internet holen und neu
gestartet werden, bevor er »sicher« ins Netz gehen konnte.
Offensichtlich war es dem Hersteller unmöglich, die Sicherheitsupdates
vorzuinstallieren. Vielleicht verbietet Microsoft den Herstellern ja per
OEM-Vertrag? Wie im Buch dokumentiert war dies in der Vergangenheit für
die gesamte Boot-Sequenz bis zum Erscheinen des Desktops der Fall. Wie
dem auch sei, der Rechner war zunächst einmal unbrauchbar.
Dabei musste ich als User mehrere komplizierte EULAs durchwinken, wo wer
weiß was drin stehen könnte – niemand liest ja das Zeug wirklich durch.
Nach ein paar Wochen meldet sich dann noch das vorinstallierte
Antivirenprogramm, dass man doch jetzt gefälligst ein Abo eingehen
sollte, ansonsten ist der PC in Zukunft nicht mehr sicher.
Man stelle sich mal einen Nutzer oder eine Nutzerin vor, die ohne
Vorkenntnisse mit der Windows-XP-Erfahrung konfrontiert wird. Verglichen
damit ist sogar die Installation (!) von SuSE oder Ubuntu traumhaft
einfach, wenn die Hardware-Komponenten stimmen, von der Inbetriebnahme
eines installierten Systems ganz zu schwiegen.
Richtig ist, dass Linux nicht alle Hardware-Komponenten unterstützt –
unmöglich, da die Hersteller sich oft nicht die Mühe machen, Standards
einzuhalten oder gar Linux-Treiber bereit zu stellen. Wer also
tatsächlich selbst installieren möchte, sollte vorher seinen Rechner auf
Kompatibilität testen. Ein auf DVD gebranntes Knoppix (www.knopper.net)
leistet hier kleine Wunder, oder auch eine Ubuntu-Live-CD. Einfach in
den Rechner schieben, neustarten, ausprobieren – einfacher geht es nun
wirklich nicht mehr.
Das eigentliche Problem ist aber das Fehlen gut vorkonfigurierter Linux-
oder Dual-Boot-Systeme, was, wie im Buch ausführlich beschrieben,
zumindest in der Vergangenheit stark mit den Vertragsbeziehungen
zwischen Microsoft und OEMs zusammen hing. Aber auch heute gibt es noch
klare Motive für OEMs, Microsoft den Vorzug zu gehen. Schließlich
garantiert das alle paar Jahre neu erscheinende Windows (nun mit
transparenter »Aero«-Oberfläche), dass man auch regelmäßig einen neuen
Rechner »braucht«. Sicher kommt es Dell & Co. nicht ungelegen, dass die
größten PC-Hersteller die bei weitem geringsten Lizenzgebühren zahlen.
Wenn alle Hersteller auf Linux setzten, fiele dieser Vorteil weg, und
ein kreativier kleiner Hersteller könnte leichter mit einem
Milliardenunternehmen konkurrieren.
Gespräche der Art: »Ich kaufe mir jetzt einen neuen PC, damit Vista
ordentlich läuft. Du auch?« »Nee, ich verwende Linux.« sind für mich
mittlerweile nichts Ungewöhnliches mehr. Tatsächlich las ich gerade über
eine neue Linux-Distribution namens »DeLi Linux«, die sogar speziell auf
Low-End-Hardware wie 386er und 486er optimiert ist. Mit anderen Worten:
Während Microsoft Fensterrahmen transparent macht, um die exponentiell
steigenden Anforderungen zu rechtfertigen, läuft Linux auf Rechnern, die
man aus der Portokasse bezahlen könnte.
In der Tat überrascht es dann auch kaum, dass der »One Laptop Per
Child«, das internationale Projekt mit dem Ziel, jedem Kind im
Schulalter einen brauchbaren Laptop zur Verfügung zu stellen, 100% auf
Open-Source-Software setzt. Und ebenso wenig, dass nicht alle Player der
For-Profit-Ökonomie mit Linux etwas anfangen können.
Ist Kommerz per Definition »böse«? Nein, natürlich nicht.
Profitorientiertes Handeln hat einen entscheidenden Vorteil gegenüber
gemeinschaftsorientiertem Denken: es ist risikofreudiger. So wird es
immer Raum für kreative Unternehmer geben, zu versuchen, mit großen
Ideen großes Geld zu machen. Ich bin aber der festen Überzeugung, dass
die stabilen Institutionen der modernen Gesellschaft strikt nach dem
Gemeinwohl orientiert sein müssen.
Inwieweit der Staat profitorientiertes Denken und Handeln systematisch
z.B. durch Urheberrechte und Patente unterstützen sollte, ist ebenfalls
eine interessante Frage – mit freier Marktwirtschaft hat das jedenfalls
nichts zu tun.
> und (2.) die Standardisierung von Schreib- oder
> Tabellenkalkulationsprogrammen u. a. den eminenten Vorteil hat, dass
> die Kommunikation weltweit sofort möglich ist, d. h. ein
> »Word«-Dokument ist weltweit einheitlich und sofort zu bearbeiten.
Monopolbasierte, proprietäre Formate _unterbinden_ Kommunikation
weltweit, weil sie die Lizenzierung von Software voraussetzen und eine
zuverlässige freie Implementierung ohne offene Standards nicht möglich
ist. Wie soll denn bitte ein Regierungsbeamter in Nigerien das schöne
»Word-Dokument« öffnen, ohne an Microsoft Geld zu bezahlen, das weiß
Gott anderswo besser angelegt ist? Wieso ist es rechtfertigbar, dass
mit Steuergeldern in Formaten kommuniziert wird, die den Empfänger an
eine spezifische Softwarelösung binden? Abgesehen davon dass schon seit
Jahren Archivare Alarm schlagen, weil niemand garantieren kann, dass man
diese Dateien in 10 Jahren noch lesen kann. Oder wir lesen dann im Jahr
2016: »Ihre Lizenz für Microsoft Word 2000 ist leider abgelaufen, bitte
erwerben Sie eine neue Kopie.« Die es leider nicht mehr gibt, und ach
wie schade, Microsoft pflegt auch den Importfilter nicht mehr.
Proprietäres Format, Daten tot.
Industrie und Regierungen aller Länder haben mittlerweile eingesehen,
dass »Monopol« nicht gleich »Standard« ist, und deshalb im Rahmen der
Organization for the Advancement of Structured Information Standards
(OASIS) den OpenDocument-Standard verabschiedet, der sich an dem Format
der Open-Source-Textverarbeitung OpenOffice.org orientiert. Und sogar
Microsoft versucht mit »Open XML« auf den Zug aufzuspringen, im
typischen Microsoft-Stil: neulich hat mir jemand ein solches
»docx«-Dokument geschickt – eines der gruseligsten XML-Formate, die ich
je gesehen habe.
Die Verabschiedung und Verwendung eines offenen Standards für
Dokumentaustausch ist eine so offensichtliche Notwendigkeit, dass sie
eigentlich außerhalb der von Lobbies dominierten politischen Diskussion
kaum der Rede wert sein sollte. Dass Sie ohne Schulterzucken in Ihrer
Rezension proprietäre Dokumentformate rechtfertigen, die mal eben ganze
Kontinente von der kosteneffektiven Teilnahme an der Wissensgesellschaft
ausschließen, finde ich erschreckend.
–
Peace & Love,
Erik
[Diese Stellungnahme ging per E‑Mail ein und ist von Erik Möller autorisiert.]