FAZ-Rhetorik* halt: Die »neue« Handke-Biographie »enthüllt« (gibt es auch eine alte, die es verschwiegen hat?), dass Handke »heimlich« bei R. K. war, als dieser bereits per Haftbefehl gesucht war. Kein Wort davon, dass die IFOR R. K. nicht verfolgte und sich dieser noch im Februar 1997 zu Wort meldetete und drohen konnte.
Es fehlt natürlich auch nicht der Hinweis auf die »proserbischen« Äusserungen Handkes und die »umstrittene« Grabrede (es waren, wie in der Biographie auch erwähnt wird, übrigens zwei). Dem Online-Artikel der FAZ ist ein Bild von Handkes Anwesenheit bei der Beerdigung Miloševićs beigefügt. Es trägt den Untertitel »In engem Kontakt.« Mit wem? Mit einem Toten? Oder gar mit dem damals schon über neun Jahre untergetauchten Karadžić?
Und natürlich kein Wort davon, dass der ehemalige Suhrkamp-Autor Norbert Gstrein im »Volltext«-Interview im August 2008 das schon mindestens als Gerücht angesprochen hatte. Aber die FAZ-Zensoren schalten auch einen diesbezüglichen Kommentar nicht frei. Zwei Mal abgesetzt – um 20.07 Uhr und 22.29 Uhr. Manchmal hilft das. Diesmal nicht. Man will man keine Störungen.
PS: Der Wortlaut des nicht freigeschalteten Kommentars:
»So ganz neu ist das nicht. In einem Interview mit der Zeitschrift »Volltext« deutete der damalige Suhrkamp-Autor Norbert Gstrein dies [schon] im August 2008 an.«
Das »schon« wurde im zweiten Kommentarversuch meinerseits eingefügt.
Auch der Versuch eines anderen Lesers auf den »Volltext«-Artikel hinzuweisen, blieb bisher erfolglos.
* Ergänzung, Dezember 2010: Der Artikel ist nicht mehr abrufbar; auch nicht im kostenpflichtigen Online-Archiv der FAZ.
Ich finde nach wie vor, dass das eine seltsame Art ist, sein Hausherrenrecht auszuüben. Einer Zeitung unwürdig. Und dem, was sich Journalismus nennt, auch.
Mal abgesehen davon, dass sich meine Einstellung zu Zeitungskommentaren mittlerweile geändert hat, siehst Du es noch immer wie »damals«?
Eine eindeutige Antwort:
Jein.
Ich habe nichts gegen Löschungen bzw. dem Nichtveröffentlichen von Kommentaren, wenn sie beleidigend sind oder andere (Straf-)Tatbestände erfüllen. Das ist keine Zensur. (Im übrigen halte ich es auch so.) Und auch die in der deutschen Bloggerszene hitzig diskutierte »Konstantin«-Affäre bei Niggemeier sehe ich differenzierter (ich hätte die zahllosen anonymen, mit sich selber diskutierende Kommentare einfach entfernt.)
Hier liegt die Sache anders – und das sage ich nicht, weil es mich bzw. meinen Kommentar betrifft (die anderen bekommt man ja nicht mit). Hier wird ein nicht opportuner Kommentar unterdrückt. Wieso man dann überhaupt die Möglichkeit des Kommentierens anbietet, erschließt sich mir nicht. Das halte ich in der Tat für unwürdig.
Mit einem Kommentar habe ich aehnliche Erfahrung gemacht. Er war vielleicht auch nicht mehr ganz sachlich,.. aber im Nachhinein war ich beinahe froh, weil mir vorher nicht klar war, dass die anderen Informationen, die man beim Einloggen mit eingibt, ebenfalls angezeigt werden, so dass dort beinahe mein Klarname gestanden haette (womit wir auch fast bei der »Konstantin«-Affaere waeren, deren Aufbauschung zum Skandal ich ein bisschen befremdet von der Seite betrachte – auch beinahe so eine FAZ-»Kampagne«? Jedenfalls scheint mir da schon zuviel »Politik« beigemengt...)
..Aber dass sie dieser Geschichte nicht muede werden. Ich habe schon nach dem Anriss in der Artikeluebersicht abgeschaltet, dachte nur: »Aha, jetzt kommt wieder dieser Mist. ‘Neue Enthuellung’, sind wir jetzt im Edel-Boulevard?«
(Gerade auch in Zusammenhang mit Ihrem Kommentar, denn das »Neue« ist nicht einmal neu und nur geeignet diese alte, ranzige Fass mal wieder aufzumachen – widerlich)
@Phorkyas
Wobei zu klären ist: Das »ranzige« Fass macht die FAZ auf. Die Biographie von Herwig ist überhaupt nicht sensationalistisch, auch wenn dies jetzt den Anschein hat. Von allen Neuigkeiten, die der Biograph präsentiert, pickt man sich diese Pseudo-Neuigkeit natürlich gerne heraus.
Zum Kommentieren bei der FAZ: Tatsächlich hätte ich damals auch fast den fehler gemacht, meinen Orginalnamen MIT anzugeben. Der erscheint nämlich dann zusätzlich zum Pseudonym. Darauf wird (wurde?) m. W. beim einloggen nicht hingewiesen. Wenn Sie aber beide Male Ihr Pseudonym angeben, müsste es gehen.
Ich habe nichts gegen Löschungen bzw. dem Nichtveröffentlichen von Kommentaren, wenn sie beleidigend sind oder andere (Straf-)Tatbestände erfüllen. Das ist keine Zensur. (Im übrigen halte ich es auch so.) Und auch die in der deutschen Bloggerszene hitzig diskutierte »Konstantin«-Affäre bei Niggemeier sehe ich differenzierter
Ich auch nicht. Das lässt sich ja gut begründen. Ansonsten: d’accord. Die »Konstantin«-Affäre habe ich anscheinend verschlafen.
Aber sind nicht auch Schrillheiten oft höchst aufschlussreich?
(Mal abgesehen von ihrem Unterhaltungswert... falls es einen gibt.)
Ich meine kein Gepöbele und offensichtliche Doofheit. Aber eine Bloßstellung kann an sich eine Nachricht sein, zumindest irhe Erhellung aus unerwarteter Richtung. (Insofern sogar eine »Information«: Der Unterschied, der einen Unterschied ausmacht.)
Und die besagte Affäire in ihrer Bizarrerie sagt einem doch auch etwas... hat jetzt einiges ins Rollen gebracht. Ist sie also nicht auch wert dokumentiert stehen zu bleiben?
@en-passant
Muss denn wirklich alles an die Öffentlichkeit gezerrt werden? Hätte es nicht gereicht, Herrn Konstantin beiseite zu nehmen und ihn persönlich anzusprechen (nicht nur per Mail oder Telefon)? Wenn das nichts gebracht hätte, dann könnte man ja immer noch nach außen? Oder ist das schon »Erpressung« oder »Nötigung«? Muss ein Journalist immer alles verwerten, was er weiss? Und vor allem: Wo ist da sein Maßstab? Ich bin da im Zweifel.
Aber wieso denn »alles«?
So Vieles, was vielleicht viel bezeichnender wäre als die Üblichkeiten dringt ja doch nie durch. (Wer war der Mensch bei Suhrkamp?)
Und Niggemeier hat es sich doch genug überlegt – und es ist eine Besonderheit, die berichtet gehört – und sie hat sogar Konsequenz auf die Medienlandschaft (wenn auch vielleicht lachhafte). Also hat es »Relevanz«.
Kann sein, dass die Boulevardisierung von allem und jedem für den einen oder anderen Geschmack längst ihrerseits lästige Üblichkeiten schafft, aber ohne solche Unterhaltungsschoten wäre die teils popanzhafte Ernsthaftigkeit des Feuilletons oft doch gar nicht auszuhalten. Man schüttelte auch so genug den Kopf!
@en-passant
Das ist auch eine Frage der Quantität: Ein Diskurs, ein Gespräch, eine Erörterung brauchen auch etwas wie Ordnung. Grundsätzlich sind Schrillheiten nichts Falsches, oder Schlechtes, sie sind sozusagen anders. Aber wenn sie nicht mehr integriert werden können, weil sie (in der Masse) zerstörerisch wirken, muss man sie bannen, wenn man den Diskurs aufrecht erhalten will.
@en-passant
Hat er es wirklich überlegt? Ich weiss es nicht. Wie lange hat er von der Kontaktaufnahme mit DuMont bis zur Veröffentlichung gewartet? Wieviele Spam-Kommentare gab es danach?
Nicht, dass mich das interessiert. Oder nur soweit, als ich nicht in einen Hype hineingelinkt werden möchte. Niggemeier war – berechtigterweise – sauer. Hat er dabei Standards verletzt, die er selber in »neutraleren Themen« bei anderen einfordert? Auch das wiss ich nicht. Aber ich muss es wissen, sofern ich mich damit beschäftige. Aber genau das will ich vielleicht nicht.
Wenn aber schon Leute, denen man früher einmal fast immer einen Vertrauensvorschuss gegeben hat, derart beäugt werden – was gilt dann überhaupt noch? Vor allem: Was gilt in dieser Erregungsgesellschaft (Sloterdijk) noch? Wird nicht längst alles skandalisiert, um überhaupt noch vorhanden zu sein? Die Bloggosphäre ist ja dementsprechend konditioniert: Da geht ohne Skandalon und Hysterierhetorik ja nichts mehr. Und wenn Herr Herbst keine guten Zugriffszahlen mehr hat, macht er einen verdächtigen Spruch (rassistisch oder sexistisch – wenn’s geht beides), schreibt sich selbst einen »Anti-Herbst«-Kommentar und die Maschine beginnt zu laufen.
Ist DAS nicht tatsächlich dekadent?
D’accord: Zur Dekadenz! Das ist so!
Aber es scheint doch auch so zu sein, dass die Spielregeln eben zum System selber gehören. Und die lernt man übrigens auch, wenn man darin wie ich fast kaum vorkommt – von daher könnte auch ich mir hohe Standards abverlangen. Tue ich aber nicht.
Mir scheint aber auch das Bewusstsein der Absurdität vieler Dinge zu ihrer Bewältigung zu hören. Sogar die FAZ hat ja ihre »Nachrichten von der Prominenz«. Das scheint eine Art Begleitmusik, ein buntes Programm, das anscheinend zur Grundversorgung gehört, nach / mit deren Genuss man sich dann wieder leichter den mühseligeren Dingen zuwenden kann.
Und dazu haben diese bunten Absurditäten eben doch gewisse aufklärerische Effekte. Die schmutzige Wäsche der meisten Leute würde mich auch nicht interessieren und ich persönlich betrachte »Prominente« als eine Art neumodische Pest. Aber ihrer prominenten Behandlung, wenn ich Medien konsumiere, entkomme ich eben auch nicht. Da finde ich es – und sei es aus meinen kleinlichen Gründen – interessant, wenn / wie / warum sich einer von ihnen den Hals bricht: Es ist sozusagen entlarvend auch für die Umstände, in denen alle agieren. Der moderne Idiotismus, wenn man durch die diversen Kanäle zappt (und ich meine hier nicht nur TV) sagt etwas über uns aus, alle lernen letztlich auch davon. Das Absurde gehört dazu.
Die modernen Gladiatoren
Das Medienspektakel um Prominenz (aber auch um Politik, Wirtschaft, Sport und Feuilleton) verkommt doch immer mehr zum Durchwühlen von Mülltonnen, in denen man hofft, ein Indiz oder gar einen Beweis für etwas zu finden, die Person, Partei, Firma, Stilrichtung, usw. desavouieren könnte.
Nichts gegen das Aufklärerische und Entdeckerische – aber letztlich geht es nur noch um Affekte. Blogs im besonderen und das Internet im allgemeinen haben diese Affektkommunikation noch befördert. Wer nicht lauter schreit, wird nicht mehr wahrgenommen, weil alle inzwischen laut schreien. Öffentlichkeit wird irgendwann nur noch über den Skandal hergestellt bzw. das, was zum Skandal gehört. Die Prominenten (und Pseudo-Prominenten), die sich vorher für eine gewisse Zeit auf den Sonnendecks aalen durften, sind die modernen Gladiatoren, die, wenn sie langweilig zu werden drohen, in der medialen Arena den a priori aussichtslosen Kampf um ihre Reputation ausfechten dürfen. Da sind übrigens alle gleich. »Bild« wie »FAZ«.
Der Kampf um Aufmerksamkeit ist schon eine fast paradoxe Pervertierung (der Habermas’schen Idee) des Verhandelns in der Öffentlichkeit.
Es wäre interessant zu wissen, ob Teile von Sarrazins Buch genau dieser Problematik geschuldet sind.
@Metepsilonema – OT
Zu Sarrazin werde ich vielleicht noch Bemerkungen schreiben, wobei das Buch alleine durch die mediale Verarbeitung fast unrettbar kontaminiert scheint. Nur soviel (und vollkommen »off topic«): Die Pervertierung des öffentlichen Diskursraumes wurde/wird im Falle Sarrazin mindestens von beiden Seiten betrieben. Das gerade macht(e) es ja so schwierig, sich dem eigentlichen Thema dann zu widmen. Die Frage ist nur, inwiefern es dieser Form des medialen Handelns bedarf um überhaupt noch gehört zu werden...
Ich wollte Sarrazin nicht alleine für die Auswüchse verantwortlich machen, wobei er natürlich weiß wie man sich Gehör verschafft.
[Ich werde übrigens etwas länger brauchen, mir ist noch etwas dazwischen gekommen...]
...Aber auf der anderen Seite ist Öffentlichkeit, das was der Fall ist? Denn auch in dieser Kommentarspalte befassen wir uns mit den Dingen über die gerade alle reden, – Neven Du Mont, Sarrazin – als eine Art Ankerpunkt wird zwischen diesen Fällen hin- und hergezappt.
(Das könnte jetzt wie Kritik klingen,.. aber vielleicht ist es nur nahe an dem Pervers-voyeristischem, Dialektischem das »Öffentlichkeit« so mit sich bringt: selbst wenn man die Gladiatorenspiele ablehnt und Kritik üben möchte, muss man sie doch erst einmal konsumieren.. und dann ist es vermutlich auch psychologisch tief verankert, sich für das zu interessieren, für das sich alle interessieren, muss man immer »dabei« sein.. wie die Kölner..)
@Keuschnig: »ranzige« Fass, die eigene Metapher gefällt mir noch nicht so, und Sie haben vollkommen recht, dass ich es der FAZ eindeutiger hätte zuweisen sollen... Mittlerweile beteiligt sich Herr Assheuer von der Zeit ja auch. – bei dem ich immer noch an seine Einlassungen zu der Sloterdijk-Habermas-Debatte denken muss, da war er wohl gewissermaßen einer der Chefankläger... Amüsant, dass dann in den Kommentaren endlich auch Goodwin´s Law befolgt wird (lag bei Genozid ja auch nahe), denn das Nazi-Fetisch-Tabu scheint doch Hintergrundmotiv für beinahe all die Skandaldebatten (Sloterdijk, Kunkel, Sarrazin)..
@Phorkyas
Man kann Kritik auch ignorieren. Ich glaube ja, dass dies IN Blogs durchaus auch geschieht, in dem sie ausgeblendet wird. Insofern sind die sogenannten »neuen Medien« kaum eine bereicherung – man bleibt auch gerne unter sich. Zumal Kritik üben eine Kunst ist.
Assheuers Replik ist von einer unterirdischen Niedertracht. Er und seine Epigonen bewegen sich auf dem Diskussions-Niveau von Jammergestalten wie Seibt und Peter Schneider von 1996. En passant soll auch noch der Suhrkamp-Verlag »vernichtet« werden. Der passt einem ja nicht. Assheuer stelle ich mir immer wie einen stalinistischen Kulturfunktionär vor. Er weiss über Journalismus, über Fragen, über Neugier nichts. Die kennt er nicht, weil er mit der richtigen Meinung im Mund geboren wurde. Aber Assheuer ist auch ein Spiegelbild einer schon länger dahindarbenden Kultureinrichtung, der ZEIT.
Hermetismus?
Über die Ignoranz oder praktizierte Meinungshoheit der Zeitung(en) kein Wort. (Und der Behandlung von partizipatorischen Ansprüchen der doch mutmaßlich wichtig zu nehmenden Lesergemeinde. Aber es ist hier vielleicht ein bisschen wie mit der Demokratie: Wählen alle vier Jahre ja, aber die Leute wirklichen Einfluss auf Entscheidungen nehmen lassen...)
Aber als ich diese Geschichte damals in Volltext las, fing auch bei mir ein leiser Zweifel über Handke an sich zu regen. Seine persönliche Haltung, seine „Position“, sein Abweichlertum gegenüber der ja tatsächlich fast gleichgeschalteten Weltpresse seinerzeit und teils bis heute leuchteten mir ein. Ich könnte sogar noch nachzuvollziehen versuchen, wieso er sich mit der – erkennbar politischen Finstergestalt Milosevic einließ, der die immerhin „reale“ Führerschaft innehatte (wenn auch aus wiederum in sich eher zweifelhaften Umständen – dazu ein nationalistischer Demagoge).
Aber dass seine, Handkes – für mich erst mal ohne weiteres so zu legitimierende – „poetische“ Haltung, nämlich nach dem Anderssprechenden der komplizierter als berichteten Umstände zu suchen, eine Begegnung auch mit einem solchen wirklichen Verbrecher erlaubte (im Sinne nicht nur des Völkerrechts, sondern auch jeder sonstigen ihm zu unterstellenden Verantwort [sogar eigene Handgreiflichkeiten gegenüber Gefangenen wurden damals über „Arzt“ Karadzic kolportiert]), das ist schon etwas anderes.
Natürlich ist Handke kein Politiker und hat sich in dem Sinne nicht zu rechtfertigen. Aber eben in einer Perspektive seiner Intelligenz, einer von mir wiederum „poetischen“, ist das, wenn es denn so stimmt, eine Sache, die man auch als „Sympathisant“ (also ich) nicht so einfach wegsteckt, und gerne aus erste Hand auch einmal erklärt oder „interpretiert“ erhalten würde.
Was man dann verlangen kann, wie mit so etwas in der öffentlichen Behandlung verfahren wird, ist eine Sache. Die andauernde Unerklärlichkeit des Dichters ist eine andere.
Solcherart „Hermetismus“ jedenfalls – wenn sich ihn schon die besagte Zeitung herausnimmt – passt nach meinem Verständnis zu Peter Handke nicht.
[EDIT: 2010-10-29 13:23]
Kann es nicht sein, dass die Neugier grösser sein kann als die Abscheu? Schon in der »Winterlichen Reise« weist Handke auf die Zuordnungen zu R. K. hin, der, eben weil er als »Kriegsverbrecher« (als sei der Krieg kein Verbrechen an sich) gilt/galt, auch keine guten Gedichte geschreiben haben durfte. Obwohl die – natürlich! – niemand gelesen hatte. Auch Hitlers Bilder brauchte man nicht gesehen zu haben, um sie als schlecht zu qualifizieren, oder?
Herwig weist ja auf die Liste von Vermissten hin, die Handke von zwei Freunden aus Salzburg bekommen hatte. Und der Biograph hat ja sogar R. K. befragt, um die Information aus dem Gefängnis zu bekommen, Handke habe »harte und bohrende Fragen« gestellt.
Ehrlich gesagt kann ich den Besuch in Pale eher nachvollziehen als bei der Beerdigung von S. M. Dort hat sich Handke – so Herwig – auch teilweise sehr unwohl gefühlt, so martialisch die Reden dort gewesen waren (und zumindest geklungen hatten).
(Und dann, in punkto FAZ: Wie war das noch auf der Party von Fest, die reich-Ranicki so eindringlich beschreibt, als Albert Speer dort als Ehrengast logierte? Kein Vergleich? Verjähren »Kriegsverbrechen«?)
[EDIT: 2010-10-29 13:33]
»Neugier größer als Abscheu«?
Ich weiß es nicht. Aber für jemanden wie Handke, der schon derart lange aus sich schöpfen kann, leuchtete mir das nicht ein.
Gut, die »Zuordnungen« zu Karadzic kannte ich nicht. Das folgende Bild aber finde ich etwas schief (oder ich verstehe die Zielrichtung des Gedankens nicht): An Karadzics Gedichte oder Hitlers Gemälde denkt man wohl kaum, um diese Personen zu qualifizieren oder gar in einer der Dimensionen ihrer Wirkungen zu erfassen.
Ich überlege viel mehr – aber das ist nur ein Gefühl, und ich habe so kurzfristig keinen (detalliert auszuführenden) Beleg dafür außer dieser Empfindung -, ob P.H. sich da selber (schließlich) ein zu großes Sendungsbewusstsein für seine Sache angemaßt hat, heraus der seinerzeit (auch aus der Empörung der Behandlung der Sache) so empfundenen Betroffenheit. (Sie haben ja selber mehrmals die diversen tiefreichenden Subtexte in Bezug auf das quasi-utopische Jugoslawien bei H. behandelt.) Und wieso sollte auch er sich nicht einmal verrennen dürfen?
Ich will jetzt nicht darauf hinaus, für den etwas »lebensfernen« Poeten irgendeine dümmliche Nachsicht herauszuschlagen: Im Gegenteil, man würde P.H. rundum mindern, wenn man ihm auch seine Verantwortlichkeit nähme. Dass aber jeder Schritt des mutmaßlich intellektuellen Kopfes immer gut überlegt sei (und nicht vielmehr oft nachträglich umständlich begründet), glaubt man ja auch nicht mehr.
Sein Problem bleibt nur, da er einmal die Stimme erhoben hat, dass er in der Medien-Falle geraten ist; dass ihm nun Anworten zufliegen (unsachgerechte Kommentare, Dummheiten, böswilliges Missverstehen...) – und er sich auf die Art und Weise wie Medien argumentieren (zuspitzen, vereinfachen, ausblenden...) nicht recht einstellen kann. (Oder das auch gar nicht will und sich verweigert – aber eben dadurch antwortlos bleibt.)
Das ist der eine Bruch, der die asynchrone Welt »öffentlicher« Wahrnehmung bestimmt, ob er will oder nicht. (Man weiß ja, diese Zeitungsfritzen mit ihrer tagtäglichen Auflage sind am längeren Hebel.)
Der andere Bruch bliebe dann tatsächlich, solchen »Ungeheuerlichkeiten« per se die Spitze zu nehmen und sich bewusst zu sein, dass damit bei vielen eine Grenze überschritten wird. (Ich rede nicht von mir – ich zähle ja nicht einmal als [wohl zu selektiver] Leser.)
Sich in solch einer Causa zu erklären aber (nachdem man es geduldig auch sonst ja schon leistete), wäre vielleicht doch gut. Da einen Schlusspunkt zu setzen, auch als Autor – so empfinde ich es -, das ist ihm aus der Hand genommen worden.
[EDIT: 2010-10-29 14:08]
Nein, an die Gedichte (oder die Bilder) denkt man nicht. Aber man zieht sie als zusätzliche Indizien für die Bewertung der Taten der Personen heran. Niemand käme bspw. auf die Idee R. K. den Literaturnobelpreis für seine Gedichte zu geben – auch wenn sie – theoretisch gesprochen – nobelpreiswürdig wären. Alleine durch die Untaten dieses Menschen (oder die Untaten, die ihm zur Last gelegt werden), ist alles was dieser Mensch getan hat, gleich mit diskreditiert.
Allerhöchstens ist noch eine Deutung »gestattet«, wie sie vor zwei Jahren anläßlich der Verhaftung von K. Zizek vorgenommen hatte. Die muss dann allerdings tunlichst in die »richtige Richtung« gehen.
Und natürlich spielte da der Trotz Handkes eine gravierende Rolle; 1996 wie 2006. Wie übrigens auch 1999, als er – vollkommen kosequent – den Büchner-Preis zurückgab (und auch das Geld).
Wobei im aktuellen Fall die »Enthüllung« nun nach 14 Jahren eher dagegen späche. Es wäre demzufolge kein öffentlicher Trotz gewesen, sondern ein in ihm wesender. (Mich würde nur interessieren, wer der Suhrkamp-Mitarbeiter war, der die drei Reisenden begleitet hatte.)
[EDIT: 2010-10-29 14:21]
Stimmt, die FAZ zensiert Kommentare zu heiklen
bei dem Brockhoff Artikel um Handke in Verbindung mit Srebrenice zu bringen und auch jetzt bei dem Karadics Auszug aus dem hoechst interressanten und sehr gut rescherierten Herwig Biogapie, und ich war sachlich und hoeflich, die Leute da wollen Handke fertig machen. Ich schreibe an die Rekaktion – keine Antwort. Kein Schwein will zugeben das der Zerfall Jugoslaviens falsch beurteilt und bericherstattet worden ist, wobei Handke auch nicht eine unbedingt ruehmliche Rolle spielt.
Hier der link der den ganzen Auszug bei der FAZ freischaltet den Malte mir geschickt
und hier ein Link zu der Diskussion von Herwig’s Handke Biogaphie