A.d.L.e.R: Aus dem Leben einer Rikschafahrerin – Nr. 8
Ohne Übertreibung kann man sagen, dass die Münchner Polizei auf dem Oktoberfest 2004 nichts weniger war, als unser treuer Freund und Helfer in der Not. Souverän und hilfsbereit waren die Einsatzbeamten wie zufällig immer in der Nähe wenn man sie brauchte, und so auch an jenem Freitagabend des Italienerwochenendes, als das Gebrüll eines Kollegen das allgemeine Höllentohuwabohu mühelos übertönte. Es war etwa gegen halb acht am Haupteingang. Der Kollege rannte um sein Fahrzeug herum, schrie wie am Spieß unverständliche Wortfetzen heraus, rammte die Fäuste abwechselnd in die Luft und gegen seine Schenkel und stampfte mit den Füßen auf, als wolle er sich die Knochen brechen. Während Kollegen ihn beruhigten, amüsierten sich in seinem Fahrzeug zwei ganz normale Wiesnbesucher, in diesem Falle zwei Franzosen um die dreißig. Andere Kolleginnen und Kollegen kamen angefahren, machten sich ein Bild von der Lage und fuhren weiter, Zeit war Geld und Krawall war normal, so dass viele Wiesnbesucher sich höchstens kurz nach uns umdrehten. Im Kampf gegen seine Verzweiflung gewann der Kollege allmählich die Oberhand, hörte auf, ums Fahrzeug zu rennen, sagte stoßweise an, was geschehen war, atmete schwer, fluchte. Erregt vom Alkohol hatten die Vertreter der Grande Nation so sehr in der Riksc¬ha miteinander gebalgt, dass eines der Räder unter schweren Erschütterungen und »Des putes! Des putes!«-Rufen sein trauriges Ende fand. Gebrochene Speichen waren die Folge, eine eingeknickte Felge, Verdienstausfall möglicherweise bis Montag, von den Reparaturkosten nicht zu reden.
Die Kollegen überschlugen den gesamten Schaden, aber der betroffene verlangte eine wesentlich geringere Summe, weil er wusste, was drin war und was nicht. Die Franzosen lachten. Ich überlegte, ob ich nicht die Polizei holen sollte. Der Kollege versuchte es ohne. Gemeinsam mit einem aktiv sich beteiligenden italienischen Wiesnbesucher, Mammamia! Porcodio!, rechnete er ihnen vor, was geschehen war. Natürlich wollten die Franzosen partout nicht verstehen, worum es überhaupt ging. Da sah ich etwa zwanzig Schritt entfernt zwei zufällig herumstehende, Dienst tuende Einsatzbeamte. Ich gab ihnen Handzeichen. Die Polizisten schauten herüber, erkannten auf Anhieb, dass hier keine akute Gefahr drohte und bestätigten mit einem sehr knappen Nicken meine Bitte. Während die Franzosen zu singen begannen, (»Ainör gät nok, ainör gät norain«), sahen die Polizisten prüfend um sich und setzten sich erst dann in unsere Richtung in Bewegung. Nicht ohne das Umfeld im Auge zu behalten, beobachteten sie im Herankommen die Szenerie und sprachen daher auch gleich den richtigen an, nämlich den betroffenen Kollegen: »Grüß Gott, homs a Broblem?« Als die Frage beantwortet war, nickten sie synchron. Daraufhin behielt einer von beiden die ganze Rasselbande im Auge, während der andere seinen Blick flüchtig über das eingeknickte Rad gleiten ließ, an die Franzosen herantrat, die Franzosen, wie ein Auftragskiller sein Opfer, fixierte und sie dann folgendermaßen ansprach: »Sis is weri simbbl, isa ju pei oa ju go du brisn.«
Im Angesicht der Uniform kamen die Franzosen sofort zu Verstand, und als sie ihre Portemonnaies zückten, machten sich schon einige der Kollegen und Kolleginnen auf, um neue Kundschaft zu laden und Geld zu verdienen. Boah, dachte ich, die ist ja ganz schön hilfsbereit und souverän und unser Freund und Helfer, diese Münchner Polizei. Das hätte ich aber nicht gedacht, wenn ich damals schon gewusst hätte, wie sich diese Münchner Polizei im folgenden Jahr uns gegenüber verhalten hat.
Liebe,
Dein Text gefällt mir sehr gut. Das lohnt sich, ins Internet zu stellen.
Hast Du auf der Wiesn gearbeitet, oder ists geglückte, realistische Phantasie? Danke für die Arbeit, und viel Glück bei Weiterem. (Leider:
Den Podcast-Peter sehe ich aus recht unerfindlichen Gründen seit Wochen nicht. Aber wir sehen uns hoffentlich am übernächsten Mittwoch. Schöne Grüße,
Wolfgang
Lieber Wolfgang,
danke. Ist, wie immer, beides.
Hau rin,
Stephanie