Erdbeben in Padang. Peter Kunz berichtet für das ZDF in »heute«. »95% der Großstadt sind intakt«; die Zerstörungen der Stadt seien lokal auf einzelne Häuser bzw. Viertel begrenzt. Die Bilder, so Kunz vorsichtig, würden leicht einen anderen Eindruck vermitteln (»ZDF«-Mediathek; 19 Uhr-Sendung vom 01.10.09 ab ca. 03:15).
In der »tagesschau« um 20 Uhr der Korrespondent Philipp Abresch live via Satellitentelefon: Padang liege »in Trümmern« (ab 02:16).
Was denn nun?
Klarstellung I: Nein, ich bezweifle nicht, dass es den Menschen dort schlecht geht und dass da Hilfe nötig ist.
Klarstellung II: Nein, ich bezweifle nicht, dass es dort hunderte oder tausende von Toten gibt.
Klarstellung III: Nein, ich halte spontane Hilfe (wie auch immer) für wichtiger als sich über die Frage zu echauffieren, wieviel von einer Millionenstadt nun zerstört ist.
Klarstellung IV: Ja, ich halte es dennoch für wichtig zu fragen, wie zwei Korrespondenten, die beide das gleiche gemacht haben, zu solch unterschiedlichen Bewertungen kommen können. Auch, wenn es (siehe I – III) zunächst wichtigeres gibt.
Meine Frau und ich hatten uns bei der Tagesschau um 8 nur noch verwundert angeschaut, hatten wir doch um 7 in Heute was ganz anderes gehört. Ein Blick, eine wortlose Frage: Ja, was denn nun?
Liegt’s im Auge des Betrachters?
Wenn man Padang anfliegt, bekommt man ein ganz anderes Bild, als wenn man über Land, etwa von Norden einreist. Die Stadt ist – wie viele Städte in Südostasien – eher weitläufig zergliedert, als dass sie ein Zentrum hätte, von dem aus man zu Urteilen käme. Dort kann ein Stadtteil dann »groß« sein wie Frankfurt oder Düsseldorf (die Menschen leben eher in Flachbauten, und auch da, wo Hochhäuser stehen, muss keine »City« im europäischen Sinne sein).
Trotzdem relativieren die widersprüchlichen Aussagen natürlich jede Augenzeugenschaft. Aber die dringend benötigten (und oft ziemlich zeitversetzt überspielten) Bilder sind eh meist noch ein Fall für sich: Sie verändern notwendig das eigentliche Ereignis, entstehen außerdem durch wiederum lokale Augenzeugen mit Kameras, die eigene Blickwinkel haben.
Das Innere der Medien bleibt eine black box, oder, wenn man will, ein Höhlengleichnis, ein platonisches. »Wahrheit« ist nur als Annäherung aus diversen Perspektiven zu haben. Widersprüche helfen zumindest, das bewusst zu halten. Insofern sind sie hilfreich.
Ja, das Wort
vom »Höhlengleichnis« gefällt mir. Wobei man ja nie weiss, wie eng der Zoom auf das Trümmerhaus eingestellt ist. Man geht näher heran, um das Ausmaß der Zerstörung sichtbar zu machen. Aber vielleicht stehen nebenan die Häuser noch. Als würde eine solche Kontrastierung den Schrecken bannen. Das erinnert ja auch an Bildern von Demonstrationen (beispielsweise bei Flaggenverbrennungen). Da können aus zwanzig, dreißig bestellten Randalierern durch geschickte Bildtechnik ganz viele werden (man zeigt einfach die leeren Flächen drumherum nicht).
Und die Folgen... ?
»Verrückter« als Manipulation oder bewusstes Fälschungen ist ja, dass einerseits das Mehr an »Information« (bzw. ihre Vorformatiertheit als solche) als auch unser Wahrheitsanspruch selber Komplizen der Verfälschung sind. Die »Wahrheit« ist gleichsam per se in einem Interessenkonflikt. Und das ist nicht einfach eine bizarre Volte der Postmoderne, sondern »systemisch«, wie man heute sagt.
Gestern las ich irgendwo bei google.news die Meldung, dass eine französische Ministerin fordert, manipulierte Bilder kenntlich zu machen. Sponatn dachte ich: Gut! Aber dann war ich auf einmal nicht mehr so sicher...
Die »Zeit« kennzeichnet ja retouchierte, bearbeitete Fotos und Fotomontagen. Der Vorschlag der Ministerin entspringt doch wieder einer Regulierungswut. Wer soll denn die Manipulation definieren? Mit welchen Konsequenzen? Erst ist doch das Bild einmal da. Das ist wie Gegendarstellungen in der Blöd-Zeitung. Etwas bleibt immer hängen.
Heute sagte der ARD-Korrespondent, der die Stadt gestern in Trümmern sah, dass rund 25% zerstört seien. Er ist also von 100% auf 25% runter. Was soll man mit solchen Korrespondenten anfangen? Richtig: Graben lassen und ihnen das Mikrofon abnehmen.
Wenn die französische Ministerin so weiter macht, wird sie wohl bald Ex-Ministerin sein.
http://www.focus.de/panorama/boulevard/nicolas-sarkozy_aid_130266.html