Nach mehr als zwanzig Jahren lädt der unkonventionelle Deutschlehrer Thorsten Korthausen – von Ferne erinnert er an John Keating aus dem »Club der toten Dichter« – seinen einstigen Musterschüler Arnold Litten zu einer kleinen Party nach Hause ein. Arnold ist inzwischen ein angesehener Germanistik-Professor. Auf der Fahrt erzählt er seiner Freundin Anna die Besonderheiten und Extravaganzen Korthausens. Zum Beispiel dessen erste Deutschstunde in der Privatschule für »ausnahmebedürftige Schüler«, dieser »Ansammlung von Aufsässigkeit und Lustlosigkeit«. Niemand nahm den neuen Lehrer zur Kenntnis. Schließlich beteiligte dieser sich an einer Schachpartie, die während des Unterrichts gespielt wurde. Ein vergnüglich zu lesender Anekdotenstrauß prasselt da auf den Leser ein. So wird von Korthausen eine Klassenarbeit Arnolds mit »Eins bis Sechs« benotet – weil sie sowohl sehr gute wie auch ungenügende Passagen enthält. Ein andermal dann mit »Eins plus plus«. Oder die Sache mit dem Hund: Korthausen erzählt Wunderdinge von seinem Hund, den er eines Tages mitbringt und die Aufsicht bei einer Klassenarbeit vornehmen lässt. Der Hund sei aggressiv und belle sofort wenn geschummelt würde. Die Schüler sind eingeschüchtert und wagen keine Manipulationen. Am Ende eröffnet Korthausen ihnen, dass er den Hund aus dem Tierheim geholt habe. Oder dieser Schüler, der in vielen Fächern Fünf stand und dann Vieren bekommt, weil er mit Korthausen einen strammen Waldlauf durchsteht.
Arnold und Anna treffen zu früh bei Korthausen ein. Der rüstet zu einer Riesenfete. Beiläufig erfährt Arnold, dass er einen Vortrag halten soll. Er ist vollkommen unvorbereitet. Aber sich zurückziehen kann er auch nicht, denn immer mehr Gäste treffen ein und fordern geradezu seine Aufmerksamkeit. Da sind zum einen ehemalige und aktuelle Schüler, allesamt Hochbegabte wie »Nietzsche«, ein Anagramm-Fetischist, John von Havel, Gedächtnis- und Rezitationstalent oder Arnolds ehemaliger Klassenkamerad Kühne, der Schachguru. Und zum andern etliche Lehrer, wie z. B. ein Thomas-Mann-Experte (sehr langweilig), ein Strukturalist (sehr einseitig), ein Lateinpolizist (sehr cholerisch). Allesamt kauzige Gestalten, Besserwisser, Berufsempörer, also fast Karikaturen. »Die Welt als Irrenhaus oder Karneval der Rollenspiele mit Fiktionen« – so empfindet Arnold (und auch der Leser) dieses »Raritätenkabinett«, welches der Hausherr Korthausen mit hektischer Hand zu dirigieren versucht. Und wie nicht anders zu erwarten war, misslingt Arnolds Vortrag; die Folgen sind fatal.
Dann ist irgendwann die Party vorbei und die Erzählung, pardon: Novelle, kippt auf den letzten 25 Seiten von einer rasanten Groteske ins somnambul Surreale und die sanfte Komik erlischt. Vorbereitet wird damit die Pointe am Ende des Buches (kein Spoiler hier), die jedoch nicht ganz überzeugt. (En passant: Ein schrecklicher Druckfehler auf Seite 119 verdarb mir das Schlussvergnügen.)
Einige Übertreibungsschleifen, aber vor allem die in indirekter Rede gefassten Passagen erinnern sprachlich zuweilen sehr an Thomas Bernhard. Trotz gelegentlicher Déjà-lus in Bezug auf Auersbergers Abendessen in »Holzfällen« fehlt Arnold allerdings die Vehemenz der monomanischen Monologisierenden Bernhards. Dennoch: Zelter geht immer. Und ich bin schon gespannt auf seine nächste Novelle.
der druckfehler ist in der tat heftig!
Ich habe einen Augenblick gedacht, er ist beabsichtigt. Aber das wäre sinnlos.