Es ist dann die Lakonie des Erzählens, das Spröde, fast Weggeworfene was dieses Buch im Tonfall von vielen anderen so unterscheidet und mit der Zeit eine ganz eigentümliche Spannung erzeugt. Weder Jüngersches Pathos noch larmoyantes Wehklagen: Jankers’ Soldaten reflektieren ihr Geschehen bzw. reflektieren ihr Gegenüber. Die Verwirrung des sich um sie herum Ereignenden zieht sie mehr und mehr in eine Gedankenflucht. Das Verrohende dieses (wieso nur dieses?) Krieges zeigt sich nicht nur im Massakrieren der Gegner, sondern auch in der Hingabe an glückliche Momente der Vergangenheit oder an wie auch immer gearteten Visionen für eine Zukunft. Ohne das ist diese Welt für sie nicht erträglich – mit diesen Traumbildern jedoch wird es gefährlich: man wird nachlässig, somnambul und fällt entweder der eigenen Unaufmerksamkeit in einer Übung mit Minen zum Opfer oder den Heckenschützen der Roten Armee.
Das Entkommen – es ist immer nur für den Augenblick. Den Soldaten bleibt wenig verborgen: Sie »reinigen« Dörfer (»Kriminelle im Schafspelz des Soldaten« nennen sie sich), sie riechen den Qualm von Kartoffelfeuern bei Treblinka – aber sie wissen, das können keine Kartoffelfeuer sein. Sie machen Zwischenstation in einem anderen Konzentrationslager und scheinen einen Augenblick kaum besser gestellt als die Häftlinge – aber sie kommen wieder hinaus. Kein Platz für Mythen – spätestens von diesem Augenblick an nicht mehr und nie mehr.
Der verhinderte Dichter krepiert genauso wie der motzige Fahnenjunker oder der Metallklauer, der die Minen gleich mitnimmt. Es gibt am Ende nur einen, der in einem Waggon in ein unbekanntes Ziel fährt, den »der Tod verschmähen« wird. Zwischen zwei Feuern sind sie alle: Einerseits der (oft unsichtbare) »Feind«, andererseits die »flatternden Bilder«. Eine Versöhnung kann es nicht geben. Jankers Ton ist der des auktorialen Erzählers; manchmal des auktorialen Zynikers. Dies verhindert eine falsche, ungewollte Identifikation mit den Protagonisten – und zwar in beide Richtungen. Peter Handke nannte Janker zutreffend einen »Kriegsverfangenen«. In dem er jedoch die Soldaten als reflektierende Menschen zeigt, entrückt er sie vom Sockel der bloßen Befehlsempfängerschaft. Sie sind mündige Subjekte, die (unheilbar) verstrickt ist. Und es gibt keine Hoffnung, weil niemand wird diesen Krieg so überstehen wird, wie er ihn begonnen hat.
Die Kritik wollte das nicht lesen; sie wollte es vor allem nicht so lesen. Sie ignorierte Janker, der dann doch noch Ende der 90er Jahre noch einmal kurz wiederentdeckt wurde und 1999 den Hermann-Lenz-Preis erhielt. Am 17. April 2010 ist Josef W. Janker im Alter von 87 Jahren gestorben. Es ist bezeichnend, dass die Suchmaschinen nur einen kleinen Artikel des österreichischen »Standard« zu dessen Tod findet. Deutschland tut sich eben immer noch schwer mit seinen Dichtern.
Es liegt schon eine kleine Weile zurück, da habe ich auf der Homepage eines Baden-Württembergischen Schriftstellers das erste Mal über J.W. Janker gelesen und mir gedacht, scheint sehr lesenswert zu sein. Interessant.
Nun lese ich hier ( und im »Standard«-Artikel), dass er verstorben ist.
Eine merkwürdige Informationsstille in der Presse.
Ich suche in der Kriegs(bewältigungs)literatur schon seit längerem einen »Gegenspieler« zu Gerd Gaiser, von dessen sprachlicher Virtuosität ich zwar immer noch fasziniert bin, dessen Larmoyanz und letztlich dubiose Geisteshaltung freilich nicht zu überlesen sind. Danke daher für den guten und willkommenen Tipp!
Sehr interessanter Hinweis. Vielen Dank!
Huch: Fontane-Preis! Wilhelm-Raabe-Preis!
Gern geschehen! Mail mir doch mal Deine Anschrift an ralph@klein-aber-fein.de, dann schicke ich Dir meine beiden Doubletten von »Die sterbende Jagd« und »Schlußball« postwendend zu. Würde mich freuen, wenn die beiden Gaiser’schen Romane den Weg zu einem Kenner fänden...