Das Interview von Horst Seehofer in der Wochenzeitung »DIE ZEIT« hat der bayerischen Staatsregierung so gut gefallen, dass sie es gleich ins Internet gestellt hat. Die Google-Suche verzeichnet es vor dem originären »ZEIT«-Text.
Seehofer kann aber auch irgendwie stolz auf sich sein. Die beiden Frager Marc Brost und Matthias Krupa haben ihre Aufgabe als Stichwortgeber für den »Bonsai-Strauß« (Michael Spreng) auch perfekt erfüllt. Mit Journalismus hat das allerdings nichts mehr zu tun: Keine Frage dazu, warum Seehofer als Verbraucherschutzminister in der Bundesregierung nichts zum Verbot des sogenannten Genmais beigetragen hat und jetzt plötzlich seine Gegnerschaft dazu entdeckt. Keine Frage dazu, warum er plötzlich gegen die von der Großen Koalition beschlossene Gesundheitsreform ist, die er maßgeblich mit ausgehandelt und der er zugestimmt hat. Und auch nichts zur Bayerischen Landesbank.
In den Kommentaren monieren etliche Leser diese Doppelzüngigkeit Seehofers. Von dem ist man aber seit einigen Monaten nichts anderes mehr gewöhnt. Noch mehr stört mich dieses indiskutable, devote Frageverhalten der beiden »ZEIT«-Redakteure. Es kann ja sein, dass sie keine »kritischen Fragen« stellen durften – aber dann wäre es besser gewesen, auf den Abdruck dieses nichtssagenden Geschwätzes zu Gunsten eines anderen Beitrags zu verzichten. Diese liebedienerische Verhalten ist einem Organ wie der »ZEIT« unwürdig. Weichgespülten Politik-Smalltalk gibt es inzwischen (leider) überall. Dafür braucht es die »ZEIT« nicht.
Allgemein sucht der DLF dem zu Interviewenden geneigte Journalisten aus. Heute führte Dirk-Oliver Heckmann das Interview der Woche mit Innenminister Schäuble und füllte seine Rolle als Stichwortgeber gut aus. Beispiel:
Heckmann: Stichwort Islamismus. In Spanien haben die Anschläge von Madrid unmittelbar vor den Wahlen stattgefunden. Jetzt wird in Deutschland im Herbst gewählt. Wie groß ist Ihre Sorge vor Aktivitäten islamistischer Terroristen hier in Deutschland?
Einen nicht nur vom politischen Gegner als schwierig empfundenen Minister so zu befragen, ist beste Art des Bayern Kurier, mehr nicht.
Wahrscheinlich treten jetzt erst die realen Effekte des Internets auf, das bisher nur Kulisse eines zögerlichen Wandels waren. In den USA wird schon die Frage nach der Existenz von Zeitungen gestellt, in Deutschland schreitet die Konzentration immer weiter fort und die Redaktionen werden auf ein kaum noch erträgliches Maß reduziert. Da wird das ein oder andere hohe Gut alter Zeiten, wie ein Fusel vom Anzug gewischt.
Ich erwarte ja nicht, dass jedes Interview mit decouvriendem Gestus geführt wird. Man erreicht per se mehr, wenn man den Gesprächspartner in einer gewissen Weise »anfüttert«, d. h. vor allem nicht frontal angeht. Aber dieses Spülwasser-Interview in der ZEIT ist schon eine grosse Unverschämtheit.
Ich fühle mich bestätigt.
Ich habe beim Überfliegen des Interviews die »Genmaisstelle« herausgesucht, gelesen, und dann weitergeblättert.