Es gibt einen neuen Staat auf dieser Welt. Nanu, werden Sie sagen – hat sich das Kosovo jetzt schon unabhängig erklärt? Nein, das Kosovo ist es nicht. Es ist »Lakota Country«. Mitten in den Vereinigten Staaten von Amerika. Eine Sezession.
Am 19.12.2007 haben die Lakota Sioux alle Verträge mit den USA gekündigt; das Ende von »150 Jahren Kolonialismus«, wie es in der Erklärung heisst. Dies sei, so wird versichert, völkerrechtlich vollkommen legal. Den Botschaften von Bolivien, Venezuela, Chile und Südafrika sei die Erklärung bereits übergeben worden; Irland und Osttimor hätten schon »Interesse« gezeigt. Den Vereinten Nationen und anderen Ländern würde sie noch zugehen.
Der Versuch eines Mediencoups, um auf die Lebensbedingungen der Indianer hinzuweisen und/oder mehr Geld zu erhalten? Ein Querulantenstück (Russell Means, einer der Hauptinitiatoren, wird in Kommentaren zu dem Artikel als ehemaliger CIA-Mitarbeiter bezeichnet)? Spricht die Organisation überhaupt für die Mehrheit derer, die sie vertreten möchte? Schwer zu sagen. Ich kenne mich hier zu wenig aus.
Was ich interessant finde: Kein Massenmedium hat hierauf reagiert, d. h. wenigstens die Meldung gebracht. Weder in den USA – geschweige denn von Europa. Warum? Werden doch auch sonst die merkwürdigsten und skurrilsten »Unanhängigkeitsbewegungen« und deren Erklärungen gemeldet? Oder muss erst Gewalt ins Spiel kommen, um so etwas Ernst zu nehmen (Stichwort Terrorismus)? Die Sezessionsbewegung in Tschetschenien nahm man im Westen auch erst wahr, als sie Gewalt ausübte. Ähnliches kann man von den Jugoslawienkriegen in den 90er Jahren sagen. Das Kosovo soll nach dem Willen der USA und der EU (ausser Zypern) ein unabhängiger Staat werden. Oder ist es in der Bewertung ein Unterschied, welches Land von einer Sezession betroffen ist?
Bisher haben in den USA nur Onlinemagazine oder Blogs hiervon Kenntnis genommen (Beispiele: »CommonDreams.org« und »usatoday«). Die Kommentare dort schwanken zwischen enthusiastischer Zustimmung und rassistischer Völkermordphraseologie.
Dank an Michael Roloff für die Nachricht.
Stimmt nicht ganz, bzw. kommt es darauf an was Du mit Massenmedium genau meinst.
Hier gab es einen Bericht.
die Deutschen sind eben arg fixiert auf »ihre« Medien (»tagesschau«; ZDF; einige Zeitungen). Schön, dass der ORF bei Euch da eine Ausnahme macht. Ich schau demnächst dort auch mal immer nach. Versprochen.
danke für den hinweis und den link nach orf. tatsächlich ist so etwas in »unseren« medien keine nachricht wert. seltsam eigentlich.
frohe weihnachten und danke für die arbeit lieber blogger-kollege!
Ihr habt einfach zu viele gute Medien, da verstehe ich, wenn man andere nicht im Blick hat. Muss man auch nicht.
In der Tat seltsam, dass bei euch nicht darüber berichtet wurde. Die »naivste« Antwort wäre, dass man die Erklärung nicht ernst, oder wichtig genug genommen hat.
Ebenfalls frohe Weihnacht!
Was diese Nachricht anbelangt
bin ich persönlich noch sehr zurückhaltend. Eine der treibenden Figuren bei der Sache ist der Indianeraktivist Russell Means, und der ist durchaus nicht unumstritten, gerade in Indianerkreisen selbst.
Das mag ja sein...
und das erwähne ich ja auch in dem Beitrag. Und vielleicht hat das etwas mit diesem Landabkauf zu tun, der seit Jahren irgendwie auf Eis liegt.
Aber als mediales Phänomen ist es doch interessant: Wenn sich ehemalige kosovarische Terroristen jetzt irgendwann unabhängig erklären, beschäftigt es die ganze Welt (inklusive VN). Warum? Worin liegt der Unterschied?
Das Means nicht unumstritten ist – okay. Aber was bedeutet das eigentlich? Ist der mit dem Etikett »umstritten« quasi nicht satisfaktionsfähig für die internationale Presse? Oder gehört er – provokativ gefragt und definitiv nicht persönlich gemeint – der falschen Ethnie an? Oder – noch provokativer: Muss es erst eine separatistische Terrororganisation geben, die der politischen Implikation dann sozusagen Geltung zugesteht? Es ist nachgewiesen, dass erst nach dem Olympia-Attentat 1972 in München die Welt begann über die »Sache der Palästinenser« nachzudenken.
Würden wir überhaupt »die Sache« der Basken, Korsen, Tschetschenen, Kurden und was weiss ich bemerken, ohne mit ihnen auch gleichzeitig terroristische Aktivitäten zu assoziieren? (Zugegeben, die Katalanen in Spanien haben nahezu den gleichen Autonomiestatus wie die Basken erreicht – und das ohne Terror.)
Mich interessiert weniger dieses »Lakota Country« (was ich für einen Unsinn halte), sondern die Art und Weise, wie so etwas kommuniziert bzw. nicht kommuniziert wird. Und warum.
Mit »nicht unumstritten«
...meine ich die Tatsache, daß Kreise des AIM (American Indian Movement) sich von ihm distanzieren – siehe http://www.aimovement.org/moipr/onrussellmeans.html (ja, ich habe bemerkt, daß die Seite schon uralt ist, nichtsdestotrotz existiert sie noch) – und nicht zuletzt seine Verwicklung in verschiedene strafrechtliche Querelen. Ich kann genausowenig wie Du beurteilen, inwiefern Means durch die Lakota autorisiert wurde, diese Aufkündigung der Verträge durchzuführen oder ob er einfach nur ein Schaumschläger ist, der die Unzufriedenheit der Lakota mit der gegenwärtigen Situation dazu nutzen will, sein eigenes Süppchen zu kochen. Die Domain lakotafreedom.com wurde jedenfalls von Russell Means persönlich registriert und nicht von einer mit den Lakota verbundenen Organisation. Daß die internationale Presse sich noch sehr damit zurückhält, diese »Unabhängigkeitserklärung« zu publizieren, mag mit den beschriebenen Unklarheiten zusammenhängen.
Danke für die Info und den Link. Inhaltlich möchte ich hier nicht mitdiskutieren, weil ich zu wenig weiß. Aber dass ich bis heute darüber in den deutschen Medien nichts gefunden habe, ist schon typisch und ärgerlich.
Das lehrt mich, endlich auf die Ratschläge von Freunden zu hören und mich mehr um andere deutschsprachige Medien zu kümmern!
@Spritkopf #7
Die Frage, was »nicht unumstritten« bedeutet, war eigentlich nur rhetorisch. Trotzdem Dank für die Erläuterung.
Ich glaube, dass die Zurückhaltung des westlichen Medien nicht nur in der Tatsache der Unbekanntheit der Handelnden liegt (wozu hat man eigentlich Auslandskorrespondenten, die dies recherchieren könnten?) Es hat auch andere, medientechnische Gründe: Die »Indianer« sind uns mehr oder weniger egal; die Sezession erscheint im Grössenverhältnis (Lakota-Sioux-Indianer ./. restliche USA) geradezu lächerlich und die Indianer haben keine »vernüftige« PR.
Bei anderen Unabhängigkeitsbewegungen auf der Welt fragt man meiner Beobachtung nach sehr viel weniger danach, ob diese repräsentativ für die Bevölkerung sind. Da geht’s dann einfach nur darum, ob eine evtl. Sezession für uns politische und/oder ökonomische Vorteile hätte. Wenn dies bejaht wird, ist der Westen immer ganz schnell dafür. Wenn nicht, dann wartet er ab oder ignoriert es.
Wieso hat niemand diese Meldung gebracht?
...also spontan würde ich sagen, weil das Politische sowieso zu einem großen Teil schlichtes Ignorantentum ist, nicht nur im Beharren der Mächtigen, in ihrem ritualisierten Verhalten, also Selbstdarstellungen und dem Bild des Souveräns nach außen... nicht nur den »Spielregeln« überall (Contenance gegeneinander, weichgespülte Sprachregelungen überainder, wirkliche Konflikte bitte hinter verschlossenen Türen)... sondern natürlich auch in den verfestigten und feist-zähen Medienrealitäten: Alles steckt da fest in den Produktionsgewissheiten der Behandlungen der Themen, der eineinhalb-Minutenbeiträge, der Mauscheleien der handelnden Personen. Das alles ist organisiert wie EINE Fraglosigkeit. (Entscheidungen fallen stets anderso, oft als vertagte Lösungen usw.)
Indianer – da denken die meisten doch an Karl May und Pierre Brice, und sowas wäre bestenfalls eine skurrile Meldung. Indianer- die gibt es in Filmen. Deren Wirklichkeiten gehen uns nichts an...
Und gestern beim Durchschalten der Fernsehprogramme doch tatsächlich auf »arte« den zu Weihnachten irgendwie unvermeindlichen Pierre Brice gesehen und auch gedacht, dass uns das unsere Indianer sind – und für immer bleiben werden. (Und mich ein bisschen wundernd ob der Tatsache, dass wohl diesmal »arte« ‘dran’ sein soll...)
Gibt es dazu noch Neuigkeiten, was daraus wurde? Konnten Sie irgendwie noch »dran bleiben« am Thema? Würd mich wirklich interessieren! .. Wenn das kein krasser Hilferuf war ...
Ein Hilferuf...
war/ist das sicherlich gewesen. In der englischen Wikipedia gibt es einen Artikel über »Support und reactions«, der nicht besonders viel weltweite Anteilnahme vermerkt. Auch diese Webseite ist nicht sehr aufschlussreich.
Interessant ist: Der Zusammenhang zwischen der Kleinstaaterei, die man bspw. in Jugoslawien befürwortet (Stichwort Kosovo), im eigenen Land jedoch – naturgemäss – ignoriert. Ich glaube, dass es sich auch teilweis eum ein Medienphänomen handelt: Die Indianer in den USA haben ihre Interesse nicht gebündelt, zerfallen in viele Interessengruppen und agieren in den Medien ziemlich ungeschickt.